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SWR2 Wort zum Tag

Wenn ich in Rom bin gehören immer einige feste Punkte zu meinem Besuchsprogramm. Vor dem Grab des 1963 gestorbenen Papstes Johannes XXII zu stehen gehört unbedingt dazu. Er gehört zu den Christen, die mich einfach faszinieren, auch wenn ich ihn nie persönlich erlebt habe. Die jüdische Soziologin Hannah Arendt erzählt, ein römisches Zimmermädchen hätte damals, als Papst Johannes im Sterben lag, zu ihr gesagt: “Gnädige Frau, dieser Papst war wirklich ein Christ. Wie ist das möglich? Und wie konnte ein wirklicher Christ auf den heiligen Stuhl kommen? Hatte denn keiner eine Ahnung, wer er war?” Unser jetziger Papst Franziskus erinnert mich oft an ihn. Sie hätten Brüder sein können oder zumindest enge Freude. Menschlichkeit, und Barmherzigkeit - das waren auch  wichtige Themen von Johannes. Davon redete er, so lebte er, das sah man ihm an und glaubte ihm. „Worte bewegen, Beispiele reißen mit“, hat er immer wieder betont. Zum Beispiel weigerte er sich Besucher aus anderen Konfessionen auf dem damals noch prunkvollen päpstlichen Thron zu empfangen, sondern er ließ sich einen Stuhl bringen und setzte sich einfach zu ihnen. Diese kleinen Zeichen ließen immer- bei aller Würde des Amtes- den Menschen Johannes erkennen. Das erfuhren zum Beispiel die Arbeiter, die seinen Umzug von Venedig nach Rom durchführten. Während des Einzugs in seine Wohnung ging er umher, ohne Begleitung, um die Räume zu besichtigen, die er noch nicht kannte. In einem waren Arbeiter damit beschäftigt, Kisten herauszutragen. Einer von ihnen arbeitete gebückt und verdeckt durch eine dieser Kisten, als der Papst sagte: „‚Ich störe doch nicht?“ Der Arbeiter, der hinter der Kiste stand, glaubte die Stimme eines seiner Kollegen zu erkennen und gab zurück: ’Hör auf mit dem Blödsinn und hilf mir lieber.’ Da trat der Papst schmunzelnd hinzu und fing an zu räumen. Man kann sich das Gesicht des Arbeiters vorstellen, als er ihn dann erkannt hat. Respekt vor der Würde jedes einzeln Menschen, egal welche Position er hat  -  das verbinde ich mit Johannes XXIII. Seinem Bruder Giuseppe schrieb er einmal: “Bemühen wir uns, die Überzeugung zu gewinnen, dass nicht alles, was andere tun, schlecht, und alles, was wir tun, gut ist. Je mehr wir in jedem Fall Demut und Respekt beweisen, wirklich zu schweigen und die anderen gelten zu lassen, Geduld zu haben, um so mehr wird uns der Herr segnen.” Gut gemeint Papst Johannes. Das wird nicht immer klappen. Aber darum bemühen kann ich mich. Gelegenheiten dafür gibt es genug.

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SWR2 Wort zum Tag

oder: gelebter Glaube, ganz praktisch

Von ihr handelt kein Kirchenlied. Martha gehört nicht zu den populären Gestalten des Evangeliums. Sie ist die Schwester des Lazarus und einer Frau namens Maria. Nicht die Mutter Jesu ist gemeint, Maria ist ein geläufiger Name zur damaligen Zeit. Im Lukasevangelium steht die Szene, die das Bild von Martha geprägt hat. Jesus besucht die beiden Schwestern, und während Maria sich zu Jesu Füssen setzt und ihm zuhört, wirbelt Martha umher. Sie kocht, serviert und kümmert sich um die Gäste. Jesus ist nicht alleine, einige seiner Jünger begleiten ihn. Martha hat also alle Hände voll zu tun. Und ihre Schwester rührt keinen Finger. Irgendwann platzt Martha der Kragen, sie protestiert und verlangt von Jesus eine Ansage an ihre Schwester. Doch was passiert? Jesus erwidert ihr: “Martha, Martha, du machst dir Sorge und Mühe um viele Dinge aber Maria hat das gute Teil erwählt, und das soll ihr nicht weggenommen werden.“ Na bravo, wird sich Martha gedacht haben. Jetzt wird ihre Schwester noch dafür gelobt nichts zu tun. Die hörende Maria und die schuftende Martha, diese Schwarz-Weiß-Folie hat das Bild der beiden Schwestern geprägt. Im Gegensatz zu ihrer populäreren Schwester ist Martha das Symbol für die geschäftige Hausfrau, die immer was zu hat und die sich sorgt und abmüht und dabei anscheinend Wichtigeres vergisst. Hausfrauen aller Zeiten hat es mit Recht geärgert wenn sie abgewertet wurden, nur weil der Bibeltext einseitig verstanden wurde. So als sei das alles nur nebensächlich, was sie Tag für Tag leisten. Die dumme Rede davon „nur“ Hausfrau zu sein zeugt bis heute davon. Der Theologe Meister Eckhard hat allerdings schon im 14. Jhdt eine Lanze für die verkannte Martha gebrochen. Sie ist für Eckhard viel vollkommener als Maria. Meister Eckhard sagt: Martha hat das schon hinter sich was Maria gerade erfährt. Martha hat schon viel vom Wort Gottes gehört und verstanden, ihr Glaube ist stark und gefestigt, und das beweist sie jetzt auf ihre Art. Durch ihre Gastfreundschaft. So lebt sie ganz praktisch ihren Glauben. Mitten im Alltag. So gesehen ist Martha der reifere Mensch. Sie arbeitet nicht bloß, ihr Wirken kommt von innen, motiviert durch ihren Glauben. Martha hat so eigentlich nur einen Fehler: sie ist zu ungeduldig mit ihrer Schwester, die noch nicht soweit ist vom Hören zum Tun zu kommen. Martha ermuntert mich einfach das zu leben was ich glaube. Da wo ich bin, da wo arbeite, da wo ich mich erhole. Auf meine Weise.

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SWR2 Wort zum Tag

Sie starb an einem Januartag 1983 am Bahnhof Termini in Rom. Mit 71 Jahren. Ihr Name Modesta Valenti. Sie wird nicht die einzige gewesen sein, die in diesem Alter und dieser Stadt gestorben ist. Aber wie sie gestorben ist, das ist erschreckend. Modesta Valenti war eine der vielen Obdachlosen in den Straßen Roms. Sie war krank, und an diesem Januartag brach sie am Bahnhof zusammen. Man rief einen Rettungswagen. Aber die Sanitäter weigerten sich Modesta mitzunehmen, da sie ihnen zu schmutzig war. Sie ließen sie liegen und fuhren davon. Wenig später riefen Leute erneut die Notrufzentrale an, und eine zweite Ambulanz traf am Bahnhof ein, und das Gleiche geschah. Man weigerte sich die Frau zu transportieren, weil sie auch diesen Rettungsassistenten zu schmutzig war. Modesta blieb liegen und starb. Auf der Straße vor dem Bahnhof.

Heute erinnert eine Bronzetafel an Modesta in der Via Dandolo in Rom. Die Gemeinschaft San Egidio hat dort ein Haus und kümmert sich um Obdachlose. Zur Gemeinschaft gehören Christen, die ganz normalen Berufen nachgehen, Familie haben und sich darüber hinaus sozial engagieren. Einmal im Jahr wird an Modesta Valenti erinnert. Mit einem Gottesdienst und einem anschließenden festlichen Essen. Dabei werden alle im letzten Jahr verstorbenen Obdachlosen mit Namen genannt, und es wird für sie gebetet. Einer, der seit Jahren auf der Straße lebt, hat gesagt: „Gut zu wissen, dass nach meinem Tod doch noch jemand an mich denken wird.“

Ich selbst finde es großartig wie die Christen von San Egidio mit den Obdachlosen umgehen. Nicht von oben herab, nicht mit einer gnädigen Mitleidsnummer, sondern sie begegnen ihnen auf Augenhöhe, geben ihnen etwas von ihrer Würde zurück, nennen sie „amici“, also Freunde. An Weihnachten räumen sie ihre Kirchen leer und feiern mit den amici an festlichen Tafeln. Einladungskarten werden verteilt, es gibt eine Menükarte und ein weihnachtliches Festessen. Oder sie packen einen kleinen Weihnachtsbaum, kleine Geschenke und etwas zu essen ein und nutzen den Heiligen Abend um Obdachlose in den Bahnhöfen zu besuchen - um mit ihnen zu singen, zu beten, zu essen und zu lachen. Vor einigen Jahren habe ich bei solch einem anderen Feiern einmal mithelfen dürfen. Es war ein unvergessliches Weihnachtserlebnis. Und es war ein Beweis, dass es möglich ist, nach dem Evangelium leben zu können.

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SWR2 Wort zum Tag

oder Jesus und Klischees

Auch Jesus war nicht frei von Klischees und Vorurteilen. Einmal begegnet er einer Frau, die einer fremden, nichtjüdischen Religion angehörte. Sie hat von Jesus gehört und bittet ihn inständig ihre kranke Tochter zu heilen. Jesus reagiert mit bemerkenswerter Arroganz. Zuerst überhört er sie einfach, so als würde ihn das überhaupt nicht interessieren. Seine Jünger bitten ihn daraufhin ihr doch den Gefallen zu tun, nicht weil sie mit ihr sympathisieren, sondern weil ihnen das Klagen der Frau schlicht auf die Nerven geht, und sie sie los werden wollen. Jesus erwidert knapp: die Leute dieser Religion gehören -modern ausgedrückt- nicht zu meiner Zielgruppe. Die Frau aber lässt nicht locker, fällt sogar vor Jesus auf die Knie, um dann von ihm gesagt zu bekommen - so wörtlich: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und es den Hunden vorzuwerfen“. Heißt also: die Frau und ihr Volk gehört zu den Hunden, und mit den Kindern meint er sein eigenes. Überheblicher geht’s wohl kaum. Die Frau gibt trotzdem nicht auf, kämpft für ihr Kind wie eine Löwin und erwidert schlagfertig: Da habe er wohl recht, aber selbst die Hunde bekämen zumindest etwas von den Brotresten. Da muss es bei Jesus „Klick gemacht“ haben, denn er revidiert seine Haltung, lobt sogar den starken Glauben der Frau und kümmert sich um die kranke Tochter.

Diese Stelle ist für mich einer der stärksten Hinweise, dass Gott es mit dem Mensch-Sein Jesu wirklich ernst gemeint hat. Der Gottessohn Jesus spielt nicht nur die Rolle Mensch, sondern lebt sie mit allem Drum und Dran. Er wächst heran wie ein normaler Jugendlicher seiner Zeit mit guten und mit schlechten Tagen und bekommt auch die Klischees und Vorurteile seiner Umwelt mit. Und dazu gehört wohl auch, dass man mit „denen von der fremden Religion“, (hier sind sie Kanaanäer gemeint) nichts zu tun haben will. Und so reagiert Jesus zuerst auf die Bitte wie es in seinem Umfeld üblich war: abweisend. Er macht was alle machen. Nur mit einem Unterschied und zwar mit einem gewaltigen: er bleibt nicht im Vorurteil gefangen, sondern ändert seine Meinung und heilt das kranke Kind. Er gibt de facto seinen Fehler zu, und das fällt vielen bis heute sehr schwer. Aber Jesus ermutigt mich, es beim nächsten Fehler vielleicht auch so zu versuchen. Denn der nächste Fehler kommt bestimmt.

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SWR1 Begegnungen

Wer Ulrich von Plettenberg, Generalvikar des Bistums Trier, neu begegnet fragt sich oft wie er ihn anreden soll. Auswahl gibt es genug, Domkapitular, Graf, Doktor, Generalvikar oder alles zusammen. Im Gegensatz zu anderen, die ihre Titel täglich polieren ist er selbst ist in diesem Punkt gelassen und uneitel. Für unsicher fragende Gäste hat er eine einfache Antwort:

Was  Ihnen am leichtesten über die Lippen geht. Mir ist es egal ob ich Herr Plettenberg, oder Herr von Plettenberg, oder Graf Plettenberg oder Generalvikar oder wie auch immer angesprochen werde.Wenn ich erkenne, das ich gemeint bin reicht mir das.

Seit gut einem Jahr ist er nun die Nummer 2 im Bistum Trier. Als Generalvikar ist er Stellvertreter von Bischof Stephan Ackermann und Chef der Verwaltung. Vorher wirkte er als Pfarrer der saarländischen Pfarreiengemeinschaft „Am Schaumberg“. Sein Studienort Rom fasziniert den 53jährigen bis heute und damit ist nicht nur der Vatikan gemeint. Die Weite der Stadt, ihre Geschichte und ihre so unterschiedlichen Facetten lassen ihn immer wieder dorthin zurückkehren. Einer Lieblingsorte ist die Kirche Santa Maria in Trastevere im gleichnamigen Viertel. Dort treffen sich jeden Abend Mitglieder der Gemeinschaft San Egidio zu einem täglichen Abendgebet. Für den Studenten von Plettenberg war dies ein gern besuchter Ort.

Diese Gastfreundschaft und dieses Entgegenkommen hat mich damals sehr fasziniert und die Atmosphäre des Gebets so dass ich während meiner römischen Zeit relativ regelmäßig beim Abendgebet war und dann sogar ab und zu aushilfsweise - später dann als Priester- sonntags mitgefahren bin in ein Seniorenhaus und dort Messe gefeiert hab.

San Egidio ist keine Ordensgemeinschaft, Frauen und Männer in unterschiedlichsten Berufen und Lebensweisen verbindet das Gebet und das soziale Engagement für die Armen. Ebenso sind sie immer wieder vermittelnd in Krisenregionen der Welt unterwegs. Heute Abend trifft sich die Gemeinschaft zum Weltfriedenstreffen in Münster.

Ich finde es einen wunderbaren Ansatz Kirche zu sein, Kirche zu leben, den Glauben zu leben, weil es diese Verbindung hat von Gebet und Tun.

Den Glauben leben - das wird nicht selten schwierig, wenn Menschen durch Schicksalsschläge aus der Bahn geworfen werden. Naturkatastrophen, Terror, unheilbare Krankheiten lassen immer wieder fragen warum Gott das zulässt. Fromme oder leichtfertige Antworten helfen dann überhaupt nicht.

Bei manchem Kondolenzgespräch oder wenn andere zu mir kommen und sagen das und das ist mir passiert, wie soll ich das mit dem lieben Gott in Vereinbarung bringen, sag ich: treten sie dem lieben Gott vors Schienbein.

eine etwas heftig die Formulierung, aber seinen Schmerz und seine Wut in den Himmel zu schleudern kann zum Glauben dazugehören.

Das ist ganz legitim, das ist in der Bibel hundertmal passiert, das dürfen wir offen vor ihn hintragen. Ob das Zweifel oder Ärger oder Klagen  oder Anklagen sind. Schwierig wird es für mich wenn ich in diesem Moment Gott ausblende…weil ich dann ein Teil meines Lebens nicht mehr vor Gott bringe.Mein Leben mit allen Freuden aber auch mit allen Sorgen, allen Kümmernissen, allen Leiden vor Gott bringen, das ist für mich ein christliches Leben. 

Teil II

Graf von Plettenberg, Generalvikar des Bischofs von Trier, zu seinen Aufgaben gehört auch die Umsetzung der Beschlüsse der Trierer Bistumssynode. Drei Jahre hatten sich die unterschiedlichsten Menschen aus dem Bistum in Arbeitskreisen und Versammlungen mit der Frage beschäftigt, wie Zukunft der Trierer Kirche aussehen könnte. Wichtig ist dem Generalvikar dabei unter anderem:

Herauszukommen aus dem Kreisen um uns selbst, dieser ständigen Selbstbetrachtung und hinzuschauen: wer sind eigentlich die Menschen für und mit denen wir da sein wollen.

Mit ihnen sich von manchen Traditionen zu lösen und neue Schritte zu wagen hat auch mit Abschieden zu tun und die sind nie leicht. Schon die Bibel weiss davon.

Das Emmausevangelium ist mir sehr wichtig - auch jetzt im Zusammenhang mit der Synodenumsetzung - dieses Aufbrechen aus einer Trauer heraus, das auch offen einzugestehen, auch vor Jesus einzugestehen und dann noch einmal offen zu sein für die Begegnung und neue Erfahrung mit Jesus.

Die beiden traurigen Emmausjünger gingen mutlos ihren Weg und erkennen erst spät, dass Jesus eine ganze Zeit an ihrer Seite gegangen war. Unerkannt. Das erinnert mich an ein Wort des Jesuitenpaters Alfred Delp, der von den Nazis verfolgt, inhaftiert und ermordet wurde. Es heisst: „Gottes Kraft geht alle Wege mit“. Dieses Wort begleitet auch die Schüler und Schülerinnen der Alfred Delp Schule in Hargesheim. Ulrich von Plettenberg war dort einige Jahre Schulpfarrer. In dieser Gesamtschule werden  neben dem Gymnasial- und Realschulzweig auch Hauptschülerinnen und Hauptschüler ausgebildet. Der heutige Generalvikar hat auch ihre Wege begleitet - mit Respekt vor deren praxisorientierter Ausbildung:

Weil ich handwerklich absolut ungeschickt bin. Von daher zu vermitteln: so, ihr könnt etwas was ich nicht kann, oder ihr könnt etwas lernen was ich nicht kann, wo ich auf euch angewiesen bin. Aus diesen Haltung heraus zu versuchen ein Selbstbewusstsein zu geben war mir immer ein Anliegen.

Selbstbewußtsein, das sich seiner Verantwortung bewußt ist. Mit Blick auf die anstehenden Bundestagswahlen erinnert er sich an einen Besuch mit älteren Schülern bei dem mittlerweile verstorbenen Widerstandskämpfer Philipp von Boeselager und was dieser den Jugendlichen für ihre Zukunft geraten hat:

Sie haben eine Verantwortung. Eine politische Verantwortung. Die Verantwortung ist: gehen Sie wählen. Mir ist egal was Sie wählen solange Sie eine demokratische Partei wählen sind Sie gut dran. Dann haben Sie ihre Aufgabe und Ihre Verantwortung wahrgenommen.“ Das ist auch das was ich immer weitergeben würde: gehen Sie wählen.

 Und diesem Appell kann ich mich nur anschliessen. Mit Ausrufezeichen.

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SWR1 Begegnungen

Isabel Schosnig ist Schauspielerin in Berlin. Ich treffe sie in ihrer Berliner Wohnung. Sie erzählt mir sofort von ihrem aktuellen Theaterprojekt, dass Sie auf besondere Weise fasziniert: Der Besuch der alten Dame, von Friedrich Dürrenmatt.  Ein Stück
über die Macht des Geldes, menschliche Versuchungen mit
fatalem Ausgang. Ganz in die Rolle einzutauchen, sich ganz
mit ihr im Spiel zu identifizieren ist für Isabel Schosnig jedesmal
eine Herausforderung.

Meine Erfahrung ist, dass wenn man da wirklich reingeht, wenn
man kein Urteil darüber hat, fühlt man sich als Schauspieler
danach wie frisch geduscht. Man hat eine gute Vorstellung
gespielt. Wenn ich mich verweigere und mich nicht öffne, dann bleibt da ein ganz unzufriedenes Gefühl übrig.

Das Gefühl hat sie allerdings selten. Isabel Schosnig liebt ihren Beruf und erarbeitet sich ihre Rollen mit großer Intensität, Genauigkeit und Leidenschaft. Ihr Schauspielstudium schloss sie 1998 an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig ab. Es folgten Engagements in München und Leipzig. Vom Leipziger Schauspielhaus wechselte sie 2001 an das Deutsche Theater in Berlin. Seit 2010 arbeitet sie freischaffend, auch für Kino und Fernsehen. Für sie ein Traumberuf.

Wir erleben ja als Schauspieler Dinge, die erleben ja Menschen nicht in einem Leben. Das geht ja gar nicht - so viele Biographien, die wir spielen und die wir uns hineindenken und fühlen müssen. Im besten Sinne macht das weit. Wenn man sich drauf einlässt.

Je nach Rolle geht das mal leichter mal schwerer. Manchmal sogar viel schwerer. In gerade gesendeten Folgen der TV-Serie „In aller Freundschaft“ spielte sie eine Mutter, die mit der unheilbaren Krebskrankheit ihres Sohnes konfrontiert wird. Die Dimension dieser Rolle wurde für sie größer je mehr sie sich mit der Rolle beschäftigte.

Ich wußte es würde mit dem Tod enden, es geht um Sterbehilfe, aber wie genau diese Geschichte verlaufen wird das hab ich erst im Laufe der Zeit mit den Büchern erfahren.

Sie ist selbst Mutter einer Tochter. Deshalb war es nicht leicht sich ganz in das Spiel hineinzugeben.  

Bei der Rolle habe ich gemerkt, das es da etwas gibt in mir, das da nicht rein will. Weil das die größte Angst und die größte Furcht wäre das selber zu erleben, erleben zu müssen.

Für sie selber ist der Gedanke an den Tod nicht unbedingt nur düster. Er hat auch eine religiöse Dimension.

Für mich ist Sterben eine Kunst. Bewusstes Sterben ist für mich die höchste Kunst und auch die höchste Gnade. Wenn einem das zuteil wird. Das würde ich mir für mich wünschen aber man weiss das eben nicht wie das so vorgesehen ist. Was ich zeitlebens gehabt habe ist ein Glauben und den hab ich. Wirklich. Und der wird eigentlich immer feste. Und das ist mein eigener.

Teil 2

Begegnung mit der Schauspielerin Isabel Schosnig aus Berlin. Geboren 1972  verbrachte sie ihre Kindheit in Leipzig. 1988 konnte sie aus der DDR ausreisen und ihr Schulausbildung mit dem Abitur in Stuttgart beenden. Die Sehnsucht nach etwas, dass das rein Menschliche übersteigt, das perfekter ist, führt sie aus ganz gewöhnlicher Alltagserfahrung sehr früh zu Gott. 

Obwohl ich meine Eltern so geliebt habe so wie sie waren  - als Kind kriegt man ja mit, wenn die Eltern miteinander streiten oder sie Probleme haben - wußte ich, die sind menschlich, die haben Fehler, die sind nicht weise und ich hab mir immer weise Eltern gewünscht.  Also so bin ich überhaupt zu Gott gekommen. Das war ja in der DDR nicht unbedingt populär.

Evangelisch getauft war es nicht leicht zum Christsein zu stehen. Ihr Bruder erlebte staatlichen Druck als er mit der aus Westdeutschland gekommenen Bewegung „Macht Schwerter zu Pflugscharen“ sympathisierte. Druck gab es für ihn auch in der Schule. 

Da hat er gebetet vor einer Russisch Arbeit und hat ne 2 geschrieben. Er war eigentlich sehr schlecht in der Schule und darauf hat die ganze Klasse gebetet, weil sie dachte das könnte helfen und dann wurde er von einer Klassenfahrt ausgeschlossen.

Christliche Gemeinden waren damals Zufluchtsorte. Für Menschen verschiedener Überzeugungen und Lebensstile.

In der DDR war Kirche eher was für die Liedermacher, da probten die Punksbands, da war was los. Das hatte auch eine kulturelle Dimension und war eine Gegenbewegung, die so die Lücken in der DDR gesucht hat und wo man auch Schutz finden konnte. 

Nach ihrer Ausreise aus der DDR kam sie in Kontakt zu christlichen Gemeinden in Westdeutschland. Der Unterschied erstaunte sie sehr.

Ich bin nämlich in die Kirche gegangen, weil ich dachte da wird richtig was los sein, da lern ich die coolen Jugendlichen kennen. Ich war mittlerweile 15. Ich hab eine Flasche Rum mitgenommen, obwohl ich gar keinen Alkohol getrunken habe und dann hab die so auf den Tisch gestellt, und die sassen da und guckten, was ich da mache und sagten alle meine Hobbys sind…und so. Und ich hörte zu und ich dachte Oh Gott das ist ganz anderes, die sind alle geborgen, aufgehoben, viel kindlicher, als ich das jetzt gewohnt war. Das kam mir eng vor. Damals.

Weite ist Isabel Schosnig aber nicht nur im Beruf, sondern auch im Leben  wichtig. Ihre Tochter wählte den katholischen Religionsuntericht. Für sie kein Problem. Aber etwas legte sie ihrer Tochter an Herz. 

Also ich hab immer gesagt du kannst dich jederzeit taufen lassen wenn du das möchtest, aber die einzige Bedingung, die ich stelle ist, dass du jede Religion kennenlernst. Dass du dich wirklich dafür auch interessierst und nicht einfach so in was hineinkommst. 

So zu raten hat für mich etwas von dem, was Isabel Schosnig sich selbst von ihren Eltern gewünscht hat: eine Spur von Weisheit.

 

 

 

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SWR2 Wort zum Tag

- aufmerksam sein

Es passiert auch heute noch. Wenn eine U-Bahn aus dem Tunnel in den Bahnhof einfährt, sehe ich manchmal einen weißen Schatten vor der Bahn. Es ist jetzt schon mehr als dreißig Jahre her, da war dieser weiße Schatten eine junge Frau. In einem weißen Kleid. An Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern. Nur an das weiße Kleid, dass die Frau gesprungen ist und die Leute aufgeschrien haben. Die Frau hatte einige Zeit neben mir gestanden, wie viele andere im morgendlichen Berufsverkehr. Jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt. Ich wollte mich gleich an der Uni einschreiben, andere dachten vielleicht an einen Einkauf, an irgendeine Klassenarbeit, an die nächste Schicht. Niemand ahnte, was sich in der jungen Frau abspielte. Ich hab auch nichts bemerkt, wie sollte ich auch.

Trotzdem. Vielleicht hätte ihr Gesicht doch etwas verraten, wenn es jemand interessiert hätte. Was weiß ich schon, was in Menschen vorgeht mit denen ich zusammenarbeite. Oder die mit mir im gleichen Haus wohnen. Geschweige denn, neben mir in irgendeiner U-Bahn-Station stehen. Viel hat sich bei mir auch nach diesem Schock nicht geändert. Kann es auch nicht. Ich kann nicht immer in den Gesichtern der Leute nach Problemen suchen oder mich durch gewollt-fürsorgliche Fragen aufdrängen. Aber ich kann auf Standby stehen für den Fall, dass mich jemand braucht. Wenn zum Beispiel meine saloppe Standardfloskel „Wie geht’s denn“, mit „Verdammt schlecht“, beantwortet wird. Ich kann damit anfangen nicht wegzuschauen, wenn jemand an der Straßenecke vor sich hinweint. Ich kann mal die Luft anhalten und nicht den Chef rauskehren, wenn ich ahne, dass der, der da gerade Mist gebaut hat, Kopf und Herz voller Probleme hat. Und wenn ich für jemand überhaupt nichts direkt tun kann, obwohl ich merke, hier stimmt was nicht, kann ich ihm zumindest einen guten Gedanken hinterher schicken. Und ein guter Gedanke kann auch ein kurzes Gebet sein. Ich werde nicht alle persönlichen Katastrophen verhindern können, die sich in meiner Reichweite abspielen. Aber ich kann wach bleiben für das, was neben mir passieren kann. Hellwach.

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SWR2 Wort zum Tag

- oder anders als man denkt 

„Manchmal kommt es anders als man denkt“. Ein alter, etwas abgeleierter Spruch, aber er stimmt. Ein Beispiel. Da mühe ich mich intensiv um eine gute Sonntagspredigt. Lese, konzipiere, schreibe, verbessere. So lange bis ich zufrieden bin. Später dann in der Kirche: kein Versprecher, die Betonung ist richtig, die Pausen richtig gesetzt. Ich meine das gesagt zu haben, was mir wichtig erscheint. Alles läuft genauso, wie ich es am Schreibtisch ausgetüftelt habe. Also: alles glatt gelaufen. Ich könnte zufrieden sein. Aber dann: nichts passiert, gar nichts. Niemand aus der Gemeinde reagiert. Kein Sterbenswörtchen, keine Rückmeldung, nichts.

Dann das andere. Es gibt Tage, da es fällt mir schwer, zu predigen. Ich kämpfe mit dem Text, bin unzufrieden mit dem was ich zustande bringe und bin fest davon überzeugt: mit dieser Predigt gelingt dir gar nichts. Trotzdem halte ich sie und möchte mich danach am liebsten verkriechen. Aber genau dann kann es passieren, dass ich ein positives Echo bekomme, dass sich jemand für einen Satz bedankt, der ihn berührt habe und an den ich mich selbst nicht erinnern kann.

Das ist für mich oft unbegreiflich, aber deshalb nicht weniger wahr. Ich habe nicht alles in der Hand. Es passiert mehr zwischen Himmel und Erde als ich mir vorstellen kann. Unter dem Strich heißt das für mich: Kreis nicht zu sehr um dich selbst und mach dich nicht zu sehr abhängig von deinen eigenen Erwartungen. Nimm dich wichtig, aber nicht zu wichtig. Es hängt nicht alles von dir ab.  Du hast Verantwortung für deinen Teil, für die Aufgabe, die dir gestellt ist. Nutze alles, was du hast - deine Fähigkeiten, Talente und Ideen. Aber vergiss nie, dass da noch jemand auf seine Weise mitwirkt, von dem du das alles, hast. Gott selbst.

Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen zu fromm, aber ich glaube wirklich daran. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als ich mir vorstellen kann. Ich plane etwas, setze alle Energie daran, das Ergebnis zu erreichen, das mir vorschwebt. Aber es kommt anders. Nicht schlechter. Anders. Und manchmal wird es sogar besser. Mir hilft das beim wöchentlichen Ringen um eine gute Predigt und macht mich etwas gelassener. Denn das hab’ ich immer wieder erlebt, nicht nur beim predigen: Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade.

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SWR2 Wort zum Tag

Eines meiner Lieblingsbücher heißt: „Der Gaukler Pamphalon“. Es stammt von dem russischen Dichter Nikolai Leskow. Ihm zugrunde liegt eine Legende aus dem 4.Jahrhundert. Leskow beschreibt einen Menschen mit Namen Hermius, der es ganz genau wissen will. Alles in punkto Glauben ist ihm zu lasch. Er will es richtig machen, will das Evangelium genau nehmen und stürzt sich in Askese pur. Er verkauft seinen ganzen Besitz und wird Einsiedler. Er sucht einen Ort, wo er sich von der schnöden Welt zurückziehen kann und findet: eine Säule! Dort hält er tapfer allen Versuchungen stand und wird zum Musterbeispiel des Asketen. Das geht über Jahre so. Die Leute versorgen ihn mit Essen und erzählen ihm dies und das. Was so in der Welt passiert.

Doch die Stimmung des Hermius bleibt düster. Die Welt ist in seinen Augen schlecht. Dann hört er eines Tages von einem Menschen, von dem man erzählt, er sei so etwas wie ein Heiliger. Ein leuchtendes Vorbild in all dem weltlichen Durcheinander. Sein Name ist Pamphalon. Hermius lässt diese Nachricht nicht los. Er beschließt diesen Menschen kennenzulernen. Also steigt er von seiner Säule und macht sich auf den Weg. In seinen Gedanken stellt er sich diesen Pamphalon als einen Mega-Asketen vor, als einen superfrommen Menschen. Er findet ihn und erlebt die Überraschung seines Lebens. Dieser sogenannte Heilige entspricht ganz und gar nicht seinen Vorstellungen. Pamphalon ist ein Gaukler, ein Spaßmacher, der mit seinen Tricks und Kunststücken die Leute zum Lachen bringt und seine kleine Hütte gastfreundlich offen hält. Asket und Gaukler - zwei Welten begegnen sich. Während Hermius krampfhaft versucht, mit Strenge und Weltkritik die Moral hochzuhalten, lebt Pamphalon mitten in dieser Welt, begegnet den unterschiedlichsten Menschen und sorgt dafür, dass manch versteinerte Mienen aufgehellt werden.

Nichts gegen gut dosierte Askese und Verzicht, aber Glaube hat für mich zu allererst mit Lebenslust zu tun und nicht mit griesgrämiger Weltuntergangsstimmung. Die Botschaft des Evangeliums ist befreiend und das soll man uns Christen auch ansehen. Typen wie der Pamphalon in Leskow’s Erzählung kennen die Menschen, auch mit ihren Ecken und Kanten und lieben sie trotzdem. Und solche Exemplare, solche positiven Menschen, gibt es nicht nur in der Literatur. Gott sei Dank.                                                           

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SWR1 Begegnungen

Elke Rutzenhöfer ist promovierte evangelische Theologin und Germanistin. Sie ist Geschäftsführerin des Wichern-Verlages und lebt in Berlin-Kreuzberg. Wir treffen uns in ihrem Büro. Unseren ersten Kontakt hatten wir vor 15 Jahren. Damals betreute sie als Lektorin eines meiner ersten Bücher. Richtig kennengelernt haben wir uns aber erst im letzten Jahr. Auf einer ökumenischen
Kreuzfahrt zu den Ländern der Reformation. Anlass war das diesjährige Reformationsjubiläum. Frau Rutzenhöfer ist befreundet
mit Margot Kässmann, die auf dem Schiff den Part der evangelischen Bordpfarrerin übernommen hatte, ich war für diese Zeit ihr katholisches Pendant. Schön zu hören, was Frau Rutzenhöfer in guter Erinnerung behalten hat.

Dass sich auf diesem Schiff so etwas wie eine ökumenische Spiritualität gezeigt hat von der ich vorher dachte, dass es die gar nicht gibt.

Es verbindet uns mehr als uns trennt. Das kann ich unterschreiben. Und auch das, was sie sich als Frucht des Reformationsjubiläums für beide Kirchen wünscht.

Dass es nicht mehr drauf ankommt die Profile zu schärfen sondern geschwisterlich offen zu sein gegenüber all denen, die sich Nichtchristen nennen. Also die entweder einer anderen Religion angehören oder gar keiner.

Im Jubiläumsjahr dreht sich natürlich alles um die große Gestalt der evangelischen Kirche: um Martin Luther. Es gibt große Ausstellungen und Events zu seinem Leben und Werk und kritische Diskussionen über negative Seiten seiner Persönlichkeit, z.B. sein unakzeptables Verhältnis zu den Juden. Es gibt alle möglichen Formen der medialen Aufbereitung bis hin zum Merchandising aller Art. Die kleine Martin Luther Figur von Playmobil wurde bisher über 750.000 Mal verkauft. Die erfolgreichste Playmobilfigur aller Zeiten Auch ich hab’ sie mittlerweile geschenkt bekommen.

Ich meine, wir sind jetzt so in einer Zeit  wo man soviel historisches Bewusstsein hat, dass niemand ihn mehr zum Helden stilisiert. Aber die Gefahr ist ja immer in so einem Lutherjahr dass wir ihn dann doch zu einer Kultfigur machen. Find ich nicht so tragisch, dass ist in Zeiten von Massenkommunikation so.

Als evangelische Theologin hat sich Elke Rutzenhöfer natürlich intensiv und inhaltlich mit dem großen Reformator beschäftigt. 

Also was ich am meisten an ihm schätze ist dass sich doch immer wieder herausstellt, dass er mehr Lebensfreude hatte als Angst. Angst scheint ja die zweite Seite von ihm gewesen zu sein. Womit ich wahrscheinlich überhaupt nicht zurecht gekommen wäre, wenn ich ihn gekannt hätte, wäre sein Jähzorn und sein Rabaukentum, diese Masslosigkeit in der Anklage. Diese völlige Masslosigkeit bei denen er denkt, die sind nicht auf seiner Linie.

Was Martin Luther mit dem Kirchenvater Augustinus verbindet und warum Elke Rutzenhöfer glaubt, dass evangelische Christen sich Papst Franziskus auch als ihren Papst vorstellen können, dazu mehr nach dem nächsten Titel.

Teil II

… und mit Dr. Elke Rutzenhöfer, Lektorin und Geschäftsführerin des evangelischen Wichern-Verlages. 1959 geboren studierte sie nach ihrer Schulzeit in Berlin Germanistik und Theologie. Beide Felder gehören zu ihrem beruflichen wie zu ihrem privaten Leben. Die leidenschaftliche Joggerin hält sich fit durch Laufen zum Tagesbeginn, aber vorher ist Literatur angesagt. Sie liebt die frühen Morgenstunden um zu lesen. Ihr Interesse ist breit gestreut und nicht nur auf rein christliche Literatur fokussiert. Auch wenn diese heute positiver gesehen wird als noch vor einigen Jahren.

Ich glaube wir haben nicht mehr diese Zeit wo man so mit spitzen Fingern christliche Texte oder auch biblische Texte anfasst. Als ich Germanistik studiert habe war christliche Literatur fast gleichbedeutend mit so ein bisschen Schund, Trivialliteratur -als sei da immer eine Missionierungskeule dabei. Und das haben wir nicht mehr.

 Ihre Examensarbeit im Fach Germanistik schrieb sie über Thomas Mann’s mehrbändiges Werk „Josef und seine Brüder“. In Theologie promovierte sie über Augustinus, den großen Kirchenvater. Das Interesse an der Beschäftigung mit dessen Schriften ist bis heute lebendig. Einige Worte waren Wegbegleiter.

Eines was mich bis heute ganz stark bewegt ist: „Und unruhig ist unser Herz bevor es ruht in dir.“ Das ist diese melancholische Haltung und diese Sehnsucht nach der Einheit.

Elke Rutzenhöfer sieht Parallelen und Verbindungslinien von Augustinus zu Martin Luther. Der große Kirchenvater lässt sich sowieso nicht von einer Konfession vereinnahmen und gehört zum gemeinsamen Erbe. Mit dem man sich auseinandersetzt.

Die Wahrheit in der Schrift zu finden - das hat Luther sicher auch stark von Augustinus gehabt. Und sich zu erforschen, das Gewissen zu erforschen, da gibt es sicher auch eine Brücke. Also Augustinus gehört uns allen.

Stimmt. So wie viele große Glaubensgestalten und Heilige, die vor der Reformation lebten und wirkten. Aber auch heute gibt es Persönlichkeiten, die durch ihr Charisma Grenzen überspringen und faszinieren. Bei einer Persönlichkeit wird das besonderes deutlich. Ich meine Papst Franziskus.

Es gab jetzt vor kurzem in der Zeit ein Interview mit ihm, da dachte ich also das ist ein Jahrhundertinterview. Es gab wahrscheinlich noch nie einen Papst der so freiherzig gesprochen hat wie er. Und ich würde mal sagen die meisten evangelischen Leute könnten sich den durchaus auch als ihren Papst vorstellen, denn ich vermute mal, der hat mindestens so viele Fans bei den Protestanten wie bei den Katholiken.

Vielleicht hilft das ja auch, das Tempo in Richtung Wiedervereinigung der Kirchen zu erhöhen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Elke Rutzenhöfer hofft es.

Das versteht von aussen ohnehin niemand mehr warum es diese zwei getrennten Kirchen gibt. Das mag alles formal seine Notwendigkeit haben, aber es sollten geistig-geistlich eigentlich wenig Gräben zu spüren sein. Das wäre mein Wunsch.

 Und meiner auch. Mit großem Ausrufezeichen.

 

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