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Anstöße sonn- und feiertags

18FEB2024
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„Möge der neue Tag dir den Blick für die Schönheit der Welt schärfen!“

Mit diesem Segenswort aus Irland möchte ich Sie in diesen Sonntag begleiten.

„Bene dicere“ ist das lateinische Wort für segnen. Übersetzt heißt es „Gutes sagen“. Und genau das ist der Sinn eines Segens: Mir etwas Gutes zuzusagen.

Ich glaube, dass diese schöne Tradition im Lauf der Zeit ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Wenn ich in die Schule gegangen bin, hat mir meine Mutter öfter mal mit dem Finger ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet. Das ist auch eine Form des Segens. Gott begleite und behüte dich, bedeutet es.

Hier bei uns im Schwarzwald ist es noch üblich, „ade“ zu sagen, wenn jemand sich verabschiedet. Auch das ist eigentlich ein Segen. Sei „mit Gott“ unterwegs. Deutlich wird das in der längeren Form „adieu“. Übrigens: Die gleiche Bedeutung hat auch das vielerorts bekannte „tschüß“.

Mich stimmen Segensworte positiv. Sie sprechen mir Mut zu. Das macht es mir leichter, in den Tag hinein zu gehen. Wie oft stelle ich fest, dass ich einfach nur so in den Tag hineinstolpere. „Möge der neue Tag dir den Blick für die Schönheit der Welt schärfen!“ öffnet meine Augen für das, was ich sonst gar nicht sehe: Die Welt ist schön. Es ist ein neuer Tag. Ich darf neu anfangen.

Aus Irland kenne ich viele Segensworte, eine sehr alte Tradition dort. Die irischen Segensworte sind sehr bildhaft. Sie lassen sich gut verstehen. In Irland hat der Glaube an Gott sich intensiv entwickelt. Viele Klöster sind entstanden. Vor 1.500 Jahren verlassen irische Mönche die Insel, um ihren Glauben weiterzugeben. So sind sie nach Mitteleuropa gekommen. Mit ihrer bildhaften Sprache haben sie sich schnell die Sympathien erobert. Sie haben mit ihrer naturverbundenen, weltoffenen Art deutliche Spuren hinterlassen. Sie haben viele Klöster gegründet und so die Germanen und die Alemannen zum Glauben gebracht.

Die irischen Segensworte haben in den letzten Jahren viele Freunde gefunden. Am Beginn einer Reise werde ich immer wieder einmal gebeten, einen Reisesegen zu sprechen. Da nutze ich gerne ein irisches Segenswort.

Und so wünsche ich Ihnen auch heute für diesen Tag: „Möge der neue Tag dir den Blick für die Schönheit der Welt schärfen!“

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SWR4 Abendgedanken

22DEZ2023
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Heute am Vormittag habe ich mit 100 Schülerinnen und Schülern Adventssingen gefeiert – in der Grundschule hier in Furtwangen. Ja, ich sage bewusst feiern, weil die Kinder es sehr gerne tun. Es ist für sie ein großes Fest – und für mich auch. Der Schulalltag wird unterbrochen und wir stimmen uns gemeinsam auf Weihnachten ein. Jeden Freitag im Advent haben wir das gemacht. Und es hat mich immer begeistert und angerührt, wenn alle Kinder freudig und kräftig mitsingen mit ihren hellen Stimmen.

Miteinander singen ist etwas, was zu Hause in vielen Familien nur noch selten gemacht wird. Umso wichtiger ist es, bei anderen Gelegenheiten miteinander zu singen. Der Advent bietet sich dazu ganz besonders an, denn die Advents- und Weihnachtslieder sind schön und gehen ans Herz.

Adventssingen hat eine lange Tradition. In vielen Kirchen, ja sogar in großen Sälen oder Theatern wird Adventssingen angeboten. Ein bisschen der Hektik des Alltags entfliehen, sich gemeinsam auf die Ankunft Jesu vorbereiten. Es geht dabei nicht um eine Konzertveranstaltung, bei der man nur zuhört. Beim gemeinsamen Singen kann jeder die Lieder viel intensiver wahrnehmen und viele rührt das Singen emotional stark an.

„Freut euch Weihnachtskinder, die schönste Zeit ist da“ ein Lied von Detlef Jöcker, ist in der Schule jedes Mal der Beginn des Adventssingens gewesen. Von der Sehnsucht und der Vorfreude auf Weihnachten sprechen die Lieder, die ich mit den Kindern singe, vom Spielen im Schnee und der Weihnachtsbäckerei. Wir singen von dicken, roten Kerzen, die angezündet werden, von der Spannung des Geschenkeverpackens. Besonders gerne singen die Kinder von den dunkelgrünen Tannenzweigen, die helle Kerzen tragen und unsere Herzen öffnen, denn das Lied singen wir mit Bewegungen. Und jedes Mal habe ich auch eine weihnachtliche Geschichte erzählt.

Als Weihnachtskind, so erlebe ich mich auch schon immer. Gerne erinnere ich mich daran, was meine Schwester, zwei Nachbarskinder und ich jedes Jahr in unserem Zehnfamilienhaus in Kassel gemacht haben. Am Heiligen Abend sind wir bei allen älteren Leuten im Haus vorbeigegangen und haben Advents- und Weihnachtslieder gesungen. Das ist so schön, haben sie uns immer wieder gesagt. Und wir hatten eine große Freude dabei.

Und ich habe gespürt: Weihnachtskinder, sie sind jung und alt.

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SWR4 Abendgedanken

21DEZ2023
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Heute ist der kürzeste Tag des Jahres. Es ist jeden Tag ein bisschen dunkler geworden, manchmal hat man das Gefühl, es wird gar nicht mehr richtig hell. Besonders hart wird es in dieser dunklen Zeit für Menschen, die an ihren Depressionen leiden. Und je nördlicher man kommt, desto früher dämmert es. In den skandinavischen Ländern verschmelzen die dunklen Tage sogar zu einer einzigen langen Nacht.

Kein Wunder, dass diese lange Dunkelheit unsere germanischen Vorfahren geprägt hat. Sie haben vermutet, dass zwielichtige Wesen in den Mittwinternächten wüten. Die Dunkelheit hat sie in Hab-Acht-Stellung versetzt. Sie haben versucht, sich mit allerlei Zauber vor dem zu schützen, was sie nicht sehen konnten.

Es ist, als hätten sie lange gewartet auf die Botschaft von einem Retter, der sich selbst als „Licht der Welt“ bezeichnet. Einer, der in der Nacht geboren wird, um die Welt zu erhellen. Die frühe Kirche hat folglich die Geburt Jesu geschickt als Lichterfest inszeniert. Damit ist auch klar, dass Weihnachten auf der nördlichen Halbkugel entstanden ist, denn auf der südlichen Halbkugel beginnt ja jetzt der Sommer und da ist es hell.

Mit Kerzen, Lichterketten und leuchtenden Sternen sehnen wir Weihnachten herbei - die Ankunft des Licht- und Lebensbringers.

Seit Jahrhunderten berührt es Menschen, dass Gott sich in Gestalt eines Kindes in diese Welt begeben hat. Er verlässt den hellen Himmel, um Licht in unsere Nacht zu bringen. „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt“. So hat es Jochen Klepper in seinem Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“ geschrieben.

Ich glaube, seit dem ersten Weihnachten gibt es keinen Ort mehr, der ganz und gar dunkel ist. Licht macht sichtbar, was verborgen ist. Licht hilft dem Vertrauen auf die Sprünge. Licht erlöst von ängstlicher Anspannung und

Hirngespinsten. Ich bin froh, dass ab jetzt die Tage wieder länger werden und das Licht wieder mehr wird. Selbst eine Kerze sorgt schon dafür, dass es nicht mehr dunkel ist. Und an Weihnachten die vielen Lichter erhellen alles, ich spüre immer, wie es dann hell wird im Herzen und warm. Auch durch die Nähe anderer Menschen. Denn Licht ermöglicht Vertrauen. Und Vertrauen brauchen wir, um Nähe zulassen zu können.

Gott erschleicht sich diese Nähe nicht. Er ermöglicht sie, indem er Licht ins Dunkel bringt. Nicht nur am dunkelsten Tag des Jahres.

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SWR4 Abendgedanken

20DEZ2023
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Weihnachten, was war das noch?
War Licht und Glockenklang. Geschenke unterm Tannenbaum, Gedichte und Gesang.
Weihnachten, was war das noch?
Denk schnell noch einmal nach! Bestimmt wird die Erinnerung in deinem Herzen wieder wach.“ So fragt Rolf Zuckowski in einem seiner Weihnachtslieder.
„Weihnachten, was war das noch?“ Ich verbinde viele Erinnerungen mit Advent und Weihnachten, etwa das Plätzchenbacken in den Adventswochen. Leider wurden die dann in Kisten verpackt. „Erst an Weihnachten“, hat meine Mutter immer gesagt.
Ich erinnere mich an den Duft nach Zimt und Mandarinen, das Flackern von vielen Kerzen. Und natürlich am Heiligen Abend das Warten mit meiner Schwester und meinen Großeltern, bis wir ins Wohnzimmer kommen durften. Im Wohnzimmer haben wir dann jedes Jahr zuerst die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium in der Bibel gelesen. Als ich klein war, hat sie mein Vater gelesen. Als ich größer geworden bin, durfte ich das Vorlesen übernehmen. Dann erst hat es die Geschenke gegeben.
Der Advent ist die Vorbereitungszeit auf Weihnachten. Innehalten und innerlich ausrichten. Ich setze mich im Advent gerne in die Kirche, wo ich Pfarrer bin, und zünde die Kerzen am Adventskranz an. Besonders beeindruckend finde ich, wie wenige Kerzen es braucht, damit die Kirche nicht mehr dunkel ist. Und mit jeder Kerze mehr wird es heller. Das ist die besinnliche und stille Seite des Advents. Denn als Pfarrer mache ich immer die Erfahrung, dass ich meiner Zeit voraus lebe, wenn ich zum Beispiel den Weihnachtsgottesdienst vorbereite.
Wenn wir in meiner Familie Plätzchen backen, dann werden sie nicht weggestellt. Auch im Advent schmecken sie sehr gut. Und ich genieße es, Advents- und Weihnachtslieder zu singen.
Und natürlich sind auch die „Dezemberträume“ von Rolf Zuckowski immer dabei mit der Frage „Weihnachten, was war das noch?“ Und ich höre schon das Klingen der Glocken. Auch wenn Geschenke nicht mehr das Wichtigste sind, als Erwachsener freue ich mich genauso, wenn auf einem „für Joachim“ oder „für Papa“ steht. Und schon ist sie wieder wach, die Erinnerung in meinem Herzen.

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SWR4 Abendgedanken

19DEZ2023
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24 Türchen – dieser kleine Hinweis reicht vermutlich, dass Sie schon ein Bild davon haben, um was es mir heute geht: Den Adventskalender. Er begleitet Kinder, Jugendliche, auch Erwachsene durch die Adventszeit.

Ja, ich habe auch einen Adventskalender. Und jeden Morgen freue ich mich darauf, ein Türchen aufzumachen.

Der Liedermacher Rolf Zuckowski hat darüber einmal ein Lied geschrieben. „Kleine Kinder, große Kinder“, hat er es genannt. Da singt er von den 24 Türchen, die den Weg zum Weihnachtsbaum begleiten. Von Kindern, die manchmal gar nicht abwarten können, bis das nächste Türchen dran ist und manchmal gleich alle öffnen. Und von großen Leuten, die auch leuchtende Augen bekommen, wenn sie vor ihrem Adventskalender stehen und die Türchen öffnen. So geht’s auch mir, wenn ich mein Adventstürchen öffne.

Manche Städte und Gemeinden lassen sogar Gebäude zu Adventskalendern werden. Das größte Adventskalenderhaus der Welt steht in Gengenbach im Kinzigtal, das ist im Schwarzwald in der Nähe von Offenburg. Das Rathaus dort hat genau 24 Fenster und die werden seit 1996 jedes Jahr zu einem riesigen Adventskalender. Hinter den Fenstern werden jedes Jahr Kunstwerke gezeigt, auf Folie gezogen und hinterleuchtet. Dieses Jahr sind es paradiesische Bilder von einem der renommiertesten deutschen Illustratoren der Gegenwart, Olaf Hajek.

Vor einer Stunde ist das neue Fenster geöffnet worden. Heute ist es ein farbenprächtiges Bild. Eine Frau ist dort zu sehen. In der einen Hand trägt sie einen Apfel, in der anderen wächst ein grüner Spross direkt aus ihrem Zeigefinger. Auf dem Kopf hat sie viele Früchte, unter anderem eine Melone und eine Papaya. Außerdem einige Tiere, etwa ein farbenprächtiger Pfau und ein herrlicher Schmetterling. Und wunderschöne Blumen, so zum Beispiel eine Sonnenblume. Paradiesisch eben.

Das zieht viele Menschen an. Rund 100.000 sind es, die im Laufe der Adventszeit Gengenbach besuchen, um den Adventskalender zu bestaunen.

Ob großer oder kleiner Kalender, ob Kind oder Erwachsener, fünf Türchen sind es noch, die wir öffnen können. Ich bin gespannt, was sich dahinter verbirgt.

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SWR4 Abendgedanken

18DEZ2023
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Die Hektik dieses Tages geht langsam zu Ende.

Advent und Hektik, das passt nicht zusammen, spüre ich. Und doch gibt es kaum eine andere Zeit im Jahr, in der so viele Menschen hektisch so viele Dinge erledigen.

Viele hetzen in diesen Tagen von Weihnachtsfeier zu Weihnachtsfeier. Jeder Verein, jede Firma will damit ihren Jahresabschluss feiern und auf diese Weise Menschen Danke sagen für die Arbeit des Jahres.

Dieses Jahr spüre ich - wie fast jedes Jahr – einen gewissen Geschenkestress. Manchmal habe ich Ideen, aber manchmal fällt mir gar nichts gescheites ein, was ich schenken kann.

Da finde ich es echt gut, wenn ich anderen Zeit schenke, die wir gemeinsam verbringen.

Bei mir steht zum Beispiel für heute Abend kein Termin mehr im Kalender. Ich freue mich auf einen gemütlichen Abend mit meiner Frau. Wir brühen uns duftenden Adventstee auf und genießen dazu etwas Süßes.

Wir haben Zeit füreinander und können in aller Ruhe miteinander reden. Über alles sprechen, was so lange liegen geblieben ist, was jeder von uns auf dem Herzen trägt. Über fröhliche Momente, die jeder von uns erlebt hat, aber auch über das, was uns traurig macht. Über Fragen, an denen wir noch knabbern und noch keine Antworten haben. Jeder hört dem anderen aufmerksam zu und lässt ihn ausreden. Dazu brennen die Kerzen am Adventskranz und nur wenig elektrisches Licht. Das ist für mich Advent.

Gerade für Menschen, die alleine leben, vielleicht niemanden sonst haben, ist die Advents- und Weihnachtszeit eine große Herausforderung. Da sind Weihnachtsfeiern eine willkommene Abwechslung, um Gemeinschaft zu erleben und ein bisschen der Einsamkeit zu entfliehen.

Ich hab keine Zeit, leider ein sehr verbreiteter Satz unter uns Menschen. Dabei haben wir doch alle sehr viel Zeit. Schließlich liegt es an uns, wie wir unsere Zeit einteilen und wo wir Prioritäten setzen.

Zeit schenken, ein Geschenk, das viel Freude bringt und fast nichts kostet. Probieren Sie es gerne einmal aus.

Für mich ist ein solches Zusammensein auch ein Zeichen, dass Gott uns seine Kraft schenkt, in der Ruhe, in der Stille, ganz ohne Hektik.

Das ist Advent.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18NOV2023
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Friedhöfe sind für mich kein Ort des Grauens oder der Furcht. Oft sind sie sogar parkähnlich gestaltet. Und so gehe ich immer wieder einmal auf Friedhöfen spazieren und schaue mir Gräber an. Häufig bin ich erstaunt, wie persönlich die Gräber gestaltet sind. Und dann stelle ich mir manchmal auch vor, wer dieser Mensch gewesen sein könnte.

Auf meinem Weg denke ich an die Menschen, die aus meiner Familie bereits verstorben sind. Und in Furtwangen auch an Menschen, die ich selbst beerdigt habe.

Im November mache ich das öfter. Denn die Gestecke und Lichter auf den Gräbern machen dann besonders deutlich, dass wir mit unseren Verstorbenen verbunden sind, dass wir sie nicht vergessen haben.

Das gilt auch für die vielen Menschen, die in den Kriegen überall auf der Welt sterben und gestorben sind. Fast auf jedem Friedhof gibt es einen Bereich, wo die Opfer der Weltkriege bestattet sind. Morgen, am Volkstrauertag, werden dort wieder Kränze abgelegt und an sie gedacht. Damit wir sie nicht vergessen.

Es gibt auf den Friedhöfen aber auch Gräber, die tragen keinen Namen. An die denkt vielleicht niemand mehr. Im Stillen hoffe ich allerdings, dass es nur daran liegt, dass keiner mehr da ist, der für das Grab sorgen kann.

Vergessen, daran musste ich auch denken, als ich meine bisher traurigste Beerdigung gehalten habe. Da habe ich eine Frau beerdigt und nur eine einzige Person ist zur Beerdigung gekommen. Da war ich sehr dankbar, dass auch die Sargträger dageblieben sind und wir gemeinsam für die Frau beten konnten.

Ich wünsche mir, dass niemand einsam und vergessen den letzten Weg antreten muss.

Heute Abend werde ich wieder auf den Friedhof gehen und ein Licht anzünden am Grab meiner Schwiegermutter. Ich freue mich darauf, dass ich auch auf vielen anderen Gräbern die Lichter leuchten sehe, gegen das Vergessen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17NOV2023
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"Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde." Dieses Lied, das sich so wunderbar singen lässt: Ist das nur eine schöne Floskel oder ein frommer Wunsch?

Manche Alltagserfahrungen sprechen eine andere Sprache. Da scheint es keine Berührung zwischen Himmel und Erde zu geben. Wenn wir uns vor lauter Routine nur noch im Kreise drehen. Wenn ein Konflikt die Familie lähmt. Wenn die Partnerschaft hohl wird. Wenn ein lieber Mensch stirbt.

Doch manchmal gelingt es uns, den Himmel auf die Erde zu holen. Wie im Kinofilm "Wie im Himmel". Der Film erzählt die Geschichte von Daniel, einem

Stardirigenten. Seelisch und körperlich am Ende, erleidet er einen Herzinfarkt. Sein bisheriges Leben passt nicht mehr zu ihm, er muss neu beginnen und zieht sich in sein einsam gelegenes Heimatdorf zurück.

Dort lässt er sich überreden, den Kirchenchor zu leiten. Schon als Junge hatte er davon geträumt, Musik zu machen, die die Herzen der Menschen öffnet. Das gelingt ihm jetzt bei seiner Arbeit mit dem Chor. Er geht auf jede Sängerin und jeden Sänger individuell ein, ermuntert sie dazu, ihren je eigenen Ton zu finden. Das setzt ungeahnte Energien frei.

Die Sängerinnen und Sänger gewinnen ein neues Selbstwertgefühl, das ihr

ganzes Leben verändert. Sie erkennen, dass jede und jeder einzelne von ihnen etwas beitragen kann zur gemeinsamen Musik.

Daniel erlebt, wie sehr sein Chor ihn liebt. Die starken Glückserfahrungen dieser Tage lösen bei ihm einen erneuten schweren Herzinfarkt aus. Sterbend hört er noch, wie sein Chor, auch ohne Dirigent, die richtigen Töne findet und andere Sängerinnen und Sänger mit seiner Begeisterung ansteckt. Die Musik wird zu einem Erlebnis, das alle verbindet.

So gelingt das, was Daniel immer geträumt hatte: Mit der Musik die

Herzen der Menschen zu öffnen. Und dabei berühren sich Himmel und Erde.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16NOV2023
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Vor ein paar Jahren bin ich plötzlich krank geworden. Blutvergiftung. Alles musste sehr schnell gehen. Ich kam ins Krankenhaus und konnte nur hoffen, dass alles wieder gut wird. Erst hinterher bin ich zum Nachdenken gekommen.

Ganz unwillkürlich ist mir da auch das Buch Hiob aus der Bibel eingefallen. Ich habe das Gefühl gehabt, dass es mir so ähnlich ging. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, dass ich krank geworden bin.

Hiob, ein Mensch, der alles verliert und am Ende krank wird. Dabei hat er ein frommes Leben geführt und Gott vertraut. Die Frage, warum gerechten und frommen Menschen Leid geschieht, hat die Menschen schon vor 3000 Jahren beschäftigt. Weil es so viele Erklärungsversuche für diese Frage gegeben hat, hat man diese zu einer Geschichte zusammengefügt: dem Buch Hiob.

Am Anfang steht die schlechteste Erklärung. Gott und Teufel sollen gewettet haben: Hiob glaubt an Gott, weil es ihm gut geht, behauptet der Teufel. Wenn sich das ändert, ändert sich auch sein Glaube.

Zur Probe wird Hiob mit leidvollen Schicksalen überschüttet.

Da sträubt sich etwas in mir. Ich möchte nicht Teil einer Wette sein. Und außerdem: Der Gott, an den ich glaube, wettet nicht um Menschenseelen.

Aber es gibt ja noch weitere Erklärungen, die in den anderen Personen der Geschichte stecken. Hiobs Frau ist genervt von seinem Gejammer. Er soll seinen Verstand einschalten, die Ärmel hochkrempeln und weitermachen.

Seine Freunde glauben, dass er etwas falsch gemacht hat. Es sei ihm nur noch nicht bewusst geworden. Aber Hiob streitet es ab.

Ich hätte gerne weitergemacht und habe nicht das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Aber ich konnte nicht, ich bin krank gewesen.

Und ich habe in dieser Situation gespürt, wie schnell man an der Liebe Gottes anfängt zu zweifeln. Ganz wichtig ist für mich aber das Vertrauen in Gott gewesen. Dass er mich nicht vergisst und verlässt.

Auf Gott hat auch Hiob immer vertraut. Und so bekommt er am Ende sogar zurück, was er verloren hat. Eine neue Familie, Gesundheit und Wohlstand.

Wenn ich die Vögel am Himmel sehe, merke ich mit Dankbarkeit, dass ich wieder gesund bin. Dann denke ich an Hiobs Worte: "Ich hatte Gott nur vom Hörensagen vernommen, aber nun haben meine Augen ihn gesehen."

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

15NOV2023
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Im Sommer sind meine Frau, meine Tochter und ich zum Urlaub an die Ostsee gefahren. Aber wir sind erst viel später losgekommen, weil noch so viele kleine Dinge erledigt werden mussten.

Als wir dann fast da waren, ist die Autobahn durch einen schweren Unfall voll gesperrt worden.

Ohne die Verzögerung ganz am Anfang der Reise wären wir vielleicht selbst in den Unfall verwickelt worden.

"Da haben wir aber einen Schutzengel gehabt", haben wir uns gesagt.

Aber stimmt das? Was ist mit den Menschen, die das Unglück getroffen hat?

Darf ich behaupten, ich sei beschützt worden, während andere vor den Trümmern des Unfalls stehen und vielleicht hilflos zusehen müssen, wie jemand stirbt? Zufälle können wir uns oft nicht erklären. Deshalb glaubt man auch, den Hauch des Schicksals zu spüren, und möchte wissen: Ist Gott für mich oder gegen mich?

Ich muss an die Geschichte von Mose denken, der Gott unbedingt sehen will. (Ex 33,18-23) Aber Gott verwehrt es ihm. Du würdest vergehen, sagt er: Kein Mensch wird leben, wenn er mich sieht. Dann stellt er Mose in eine Felsspalte, und Mose darf hinter ihm hersehen. So geht es mir auch. Gottes Spuren kann ich erst im Rückblick lesen. Im Hier und Jetzt kann ich ihn nicht sehen.

Und bei dem schweren Unfall auf der Autobahn fällt es auch mir als Pfarrer schwer, in all den Trümmern noch Spuren Gottes zu finden. Das warum bleibt einfach im Dunkeln. Da bleibt der Zufall ein Zufall.

Wenn ich aber auf mein Leben zurückschaue, darüber nachdenke und dabei Ereignisse verbinde, versuche, mir einen Reim auf die Zufälle zu machen: Dann sehe ich: Es gibt eine Spur des Guten. Es ist mir so vieles geschenkt worden, immer wieder. Und dann kann ich etwas von Gottes Wesen und von seinem Wirken in meinem Leben erkennen.

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