Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

  

SWR4

 

Autor*in

 

Archiv

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

31AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Jetzt mach mal, Junge, zeig uns deine Weisheit!“ Ich lehne mich zurück und verschränke die Arme vor der Brust. Ich mache ein ernstes Gesicht.

Wir haben einen neuen Kollegen im Team. Ganz jung. Frisch von der Uni. Und der hat ein Selbstvertrauen. Beim ersten Treffen hat er schon den Mund aufgemacht. Ich glaube, bei mir hat es zwei Jahre gedauert, bis ich mich getraut habe, was zu sagen. Und der sagt direkt beim ersten Mal was. Er hat neue Ideen. Er will unser Team entwickeln, fördern, neu aufstellen.

Beim zweiten Treffen hält er einen Vortrag. Mit Beamer, mit Präsentation. Tortendiagramme, Statistiken, viele Folien. Und er redet und erzählt uns, wie wir alles besser machen können. Das ist der Moment! Ich lehne mich zurück und denke: „Na, dann, viel Vergnügen. Mach mal. Das haben wir alles schon ausprobiert. Vor zwanzig Jahren hat das schon nicht geklappt.“

Und da erschrecke ich. Ich denke: „Ich bin auf dem Weg, ein alter Sack zu werden.“ Ich frage mich: „Wann war der Moment? Wann bist du alt geworden? Hörst du ihm nicht zu, weil er jung ist? Nur deshalb?“

Als Gott Mose und Jeremia zu Propheten beruft, lehnen beide ab. Sie sagen: „Ich bin zu jung, um ein Prophet zu sein.“ Aber Gott sagt: „Macht nichts. Ich bin bei euch. Ihr kriegt das hin!“

Früher habe ich immer gedacht: „Super. Gott ist mit den Jungen.“ Jetzt ertappe ich mich, wie ich denke: „Junge Menschen wie Mose und Jeremia haben Recht, wenn sie sich zurückhalten. Man sollte erstmal was lernen, erstmal arbeiten, bevor man die Klappe aufreißt.“

Und wieder erschrecke ich. Ich muss zugeben: Gott spricht offensichtlich durch Jung und Alt. Da gibt es keinen Unterschied. Es ist egal, ob ein junger Mensch etwas sagt oder ein alter. Beide können Recht haben. Weisheit kommt nicht mit dem Alter wie falsche Zähne oder graue Haare.

Also bemühe ich mich. Ich setze mich gerade hin, nehme die Arme runter und versuche, ein freundliches Gesicht zu machen. „Bitte“, denke ich, „vielleicht hast du ja tatsächlich frische Ideen. Ich will zuhören!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31572
weiterlesen...

Anstöße sonn- und feiertags

30AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die alte Dame greift ins Leere. Sie hat die Hand ein wenig zur Seite ausgestreckt. Als sie merkt, dass da nichts ist, blickt sie kurz hoch. Es fällt ihr wieder ein. Corona. Abstand. Sie schaut zu ihrem Sohn. Er sitzt zu weit entfernt. Sie wohnen nicht in einem Haushalt. Es ist notwendig. Schön ist es nicht. Sie lässt die Hand wieder sinken.

Ich stehe in der Trauerhalle,  halte eine Beerdigung. Der Mann der alten Dame ist gestorben. Und niemand kann ihre Hand halten. Eine Welle der Trauer überflutet mich. Ich sehe die alte Dame an und sie sieht mich an. Ich sage: „Du bist nicht allein.“

Sarah steht an der Tür. Sie ist vier Jahre alt, ein kleines Mädchen mit unheimlich großen Augen. Ich habe Sarah vor drei Wochen getauft. Ich habe zu ihr gesagt: „Sarah, jetzt geht es los. Du bist dran.“ Aber Sarah wollte nicht zu mir nach vorne kommen. Sie hat nach der Hand ihrer Mama gegriffen. Und als Mama dann mitgegangen ist, dann ist sie gekommen. Sie war nicht allein.

Jetzt steht sie an der Tür. Der Verstorbene ist ihr Opa. Sie hält die ganze Zeit die Hand ihrer Mutter. Ich sehe sie an und sehe den ängstlichen Ausdruck in ihren Augen. Ich sage: „Du bist nicht allein!“

Sarah kennt das. Das habe ich ihr auch bei ihrer Taufe zugesprochen. Ihre Familie hat ihr dieses Versprechen als Taufspruch ausgesucht. Aus dem Alten Testament.

„Sei mutig und stark! Fürchte dich nicht und hab keine Angst; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir bei allem, was du unternimmst.“ (Jos 1,9) Du bist nicht allein.

Sarah versteht das. Mama ist bei mir. Ich kann mich sicher fühlen. An Mamas Hand kann ich auch solche Situationen wie jetzt überstehen. „Es ist schlimm“, denke ich, „dass die alte Dame jetzt keine Hand halten kann. Ich blicke sie an. Sie schaut zu mir und ich sage ihr dieses Versprechen Gottes zu: „Du bist nicht allein.“

Die alte Dame nickt. Sie blickt zur Tür und versucht, ihre Enkelin anzulächeln. Dann blickt sie zum Sarg. Auch ich wende mich dahin und denke: „Dieses Versprechen ist viel größer als wir ahnen. Es gilt sogar im Tod.“ Deshalb sage ich auch zu dem Verstorbenen: „Du bist nicht allein.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31571
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Ich bin begrenzt! Dieser Satz steht auf dem LKW, der vor mir fährt. Wir sind in einer Baustelle. Tempo 60. Aber ich könnte sowieso nicht überholen. Der LKW ist viel zu breit. Begrenzt, aber breit. Ich bin begrenzt!

Ich muss lächeln. Das ist ein schöner Satz für einen LKW. Natürlich ist er begrenzt. Er ist so und so lang und so und so breit. Das muss man wissen, damit der Besitzer sagen kann, wieviel er transportieren kann. Das ist für ihn wichtig zu wissen, es ist notwendig, um das Geschäft betreiben zu können.

Ich bin auch begrenzt, denke ich. Aber ich vergesse das gerne. Ich bin in meinem Leben begrenzt. Ich kann manche Dinge und andere kann ich nicht. Im Fußball bekomme ich jeden Dienstag meine Grenzen aufgezeigt. Da sehe ich, dass ich nicht mehr so schnell bin wie früher. Und nicht mehr so viel Luft habe, um lange zu rennen. Aber noch schlimmer ist eine andere Erkenntnis. Auch mein Leben ist begrenzt. Es hat einen Anfang – das ist nicht schlimm – und es hat ein Ende – das ist schlimm. Wie soll die Welt ohne mich weitergehen? Irgendwie kränkt mich das. Die Welt wird weitergehen, auch wenn ich sterbe. Was passiert dann mit mir?

Vor mir ein LKW, hinter mir ein LKW und die fahren immer ziemlich dicht auf. Gerade bei Tempo 60 in der Baustelle. Da kann man schon mal drüber nachdenken, was passiert, wenn einer von uns nicht rechtzeitig bremst.

Ich glaube: Das ist der Punkt, an dem der Glaube einsetzt. Ich bin begrenzt, aber ich bin nicht allein. Gott ist unbegrenzt und er ist immer bei mir. Auch dann, wenn ich an meine Grenzen komme. Im Leben. Wenn ich nicht mehr kann und nicht weiß, wie es weitergehen soll. Und Gott ist bei mir an der letzten Grenze. Wenn ich sterbe, dann hilft er mir weiter. Dann gehen wir gemeinsam über die Grenze.

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ (Ps 18,30). So heißt es in einem Psalm. Mit Gott springe ich über die letzte Grenze. Das macht mich frei und unbegrenzt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26535
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Renata und ich sitzen in der Küche. Sie muss mir etwas erzählen. Von einem gemeinsamen Bekannten.

„Ja, und dann habe ich ihm 100 Euro geschickt und gewartet.“ Renata stellt die Kaffeetasse ab. Sie ist empört und wartet auf meine Frage.
„Auf was hast du gewartet?“
„Na darauf, dass er sich mal bedankt. Aber glaubst du, da kam was? Nichts! Gar nichts!“ Sie wischt mit der Hand über den Tisch, als ob sie den Ärger wegwischen wollte. „Du kannst mir glauben“, ihr Finger deutet ärgerlich auf mich, „der ist für mich gestorben.“

Sie ist ziemlich in Fahrt und ich frage mich, ob ich nicht besser still sein sollte, aber ich kann es nicht lassen und sage: „Ich möchte nichts schenken, nur weil ich mir was davon erwarte.“ Renata blickt mich böse an: „Wie meinst du das?“
„Naja,“ sage ich, „warum hast du ihm geholfen? Ihm das Geld gegeben?“
„Weil er es nötig hatte. Weil er nicht wusste, wie er seine Miete bezahlen sollte.“
„Du hast es also nicht gemacht, weil du dir Dank erwartet hast? Oder vielleicht eine andere Gegenleistung?“„Nein, natürlich nicht!“

„Dann hast du doch richtig gehandelt und hast dir gar nichts vorzuwerfen. Ich verstehe also nicht, warum du böse bist. Du hast keinen Dank erwartet und hast keinen Dank bekommen. Also ist alles in Ordnung.“ Renata ist irritiert. Ich spreche weiter:

„Ich glaube, Gott erwartet manchmal auch viel von uns, aber von uns kommt nichts. Keine Dankbarkeit, nicht mal ein Gedanke an ihn. Und trotzdem: Für ihn sind wir nicht gestorben, sondern er bemüht sich immer weiter um uns.“

Renata schaut mich an: „Du hast ja Recht. Und so hoch will ich das ja auch gar nicht hängen. Aber verstehst du, dass ich mich ärgere?“
„Absolut“, sage ich, „das macht man einfach nicht, dass man sich nicht bedankt. Aber ich glaube: Wenn du dich ärgerst, dann hilft es daran zu denken, warum du geschenkt hast. Nicht für den Dank, sondern weil du helfen wolltest. Das ist das Wichtige!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26534
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Was riecht besser?“ Die Frau am Regal hat zwei von diesen langen, weißen Papierstreifen in der Hand. Wir stehen in einem Drogeriemarkt in der Parfüm-Abteilung. Ich bin selbst gerade dabei, mich durch das Sortiment zu riechen, weil ich meiner Frau ein Deo kaufen soll. Da sehe ich, dass es der Frau neben mir auch nicht besser geht. Sie hat auf jeden dieser Probierstreifen ein Parfüm gesprüht. Sie riecht abwechselnd dran. Dann hält sie den einen Streifen ihrer Tochter hin. Ich schätze, dass das Mädchen ungefähr zehn Jahre alt ist.

Die Mutter fragt: „Was riecht besser? Der?“ Dann nimmt sie den ersten Steifen weg und hält ihrer Tochter den anderen an die Nase: „Oder der?“ Die Tochter lässt sich Zeit. Die Mutter sagt:„Das ist der teure Duft“, sie hält den ersten Streifen hoch, „und das ist der billige Duft.“ Die Tochter ist sich mittlerweile ganz sicher. Sie deutet auf den zweiten Steifen: „Das riecht besser“, sagt sie.

Die Mutter runzelt die Stirn. „Der billige Duft“, fragt sie zweifelnd, „den habe ich doch schon die ganze Zeit.“ Und die Tochter sagt: „Ja, der riecht besser. Der riecht wie du.“

Die Mutter und ich sehen uns an. Ich glaube, wir denken das Gleiche. Es ist völlig egal, wieviel ein Duft kostet. Der Duft riecht gut, weil Mama so riecht. Es ist eigentlich nicht der Duft. Es ist die Liebe, die die Tochter empfindet. Kein Parfüm riecht so gut wie die Liebe. Kein Duft ist so anziehend wie die Liebe.

In der Bibel sagt ein Mann zu seiner Frau: „Du riechst besser als jede Salbe.“ (Hoh 4,10). Wenn man jemanden liebt, dann kann man ihn auch gut riechen. Ich glaube, das gilt auch für Gott. Er kommt uns mit seiner Liebe so nah, dass er uns riechen kann. Nicht unser Parfüm, sondern unseren ganz eigenen Geruch. Er nimmt uns so wahr, wie wir sind und geht mit uns. Es ist gleichgültig, welchen Duft wir auflegen. Gott kann uns riechen, weil er uns liebt. Und nichts riecht so gut wie die Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26533
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Hast du dein Sparschwein geschlachtet?“ Ich stehe in einer Bankfiliale und mein alter Schulfreund Carsten kommt gerade rein. Er hat eine durchsichtige Tüte in der Hand. Ich sehe, dass darin lauter Münzen sind.
„Nein“, sagt er lachend und kommt zu mir, „das ist das Glück des Jahres.“ Er hält die Tüte hoch und strahlt mich an.
„Das Glück des Jahres? Hast du im Lotto gewonnen?“ frage ich und denke gleichzeitig: „Ein großer Gewinn kann das nicht gewesen sein, das sind ja nur Münzen.“
„Ja und Nein!“, antwortet Carsten, „nein, ich habe nicht im Lotto gewonnen. Und Ja: diese Münzen stehen für alle glücklichen Momente, die ich in diesem Jahr hatte.“

Er sieht, dass ich überhaupt nicht verstehe, was er meint und erklärt:
„Weißt du, ich habe eine neue Strategie zum Glück entwickelt. Ich warte nicht auf das große Glück, sondern mache mir bewusst, wie viele glückliche Momente ich jeden Tag habe. Jedes Mal, wenn ich glücklich bin, werfe ich 10 Cent in ein Sparschwein. Wenn ich schön warm geduscht habe zum Beispiel. Das kann nicht jeder Mensch auf der Welt so einfach wie wir. Das mache ich mir bewusst.“
„Und dann wirfst du 10 Cent ein?“ „Ja, genau. Wenn die Kinder anrufen. Oder wenn ich morgens aus dem Fenster sehe und den schönen blauen Himmel bewundere. Dann kommen 10 Cent in das Schwein. Und immer wenn das Schwein voll ist, gehe ich auf die Bank und zahle mein Glück auf ein Sparkonto. So mache ich mir bewusst, dass ich eigentlich viele glückliche und schöne Momente in meinem Leben habe.“

„Das ist eine super Idee,“ sage ich, „man vergisst ja so leicht, wie gut es einem eigentlich geht. So ähnlich steht das sogar in der Bibel: Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! (Ps 103,2).“
„Was alles in der Bibel steht“, sagt Carsten und wundert sich. „Aber es stimmt ja. Wir vergessen viel zu oft, wie gut es uns eigentlich geht. Und meine Münzen erinnern mich eben daran.“ „Komm“, sage ich, „mach mal die Tüte auf. Ich glaube, ich muss mal 10 Cent rein schmeißen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26532
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Neulich habe ich meinen Freund Tim getroffen. Ich bin sein „Experte für Gottesfragen“.
„Glaubst du, dass Gott auch manchmal gerührt ist?“ Tim schaut mich neugierig an. „Ob Gott gerührt ist? Wie kommst du denn auf die Frage?“

Tim zeigt mir einen Schlüsselanhänger. „Den hat mir meine Tochter zum Vatertag geschenkt.“ Der Schlüsselanhänger sieht aus wie ein Herz. Das Mädchen hat ein Bild von sich reingeklebt und auf die Rückseite „Ich liebe dich, Papa“ geschrieben. Mit vier Ausrufezeichen.

„Den hat sie in der Grundschule gebastelt!“ Jetzt verstehe ich langsam. Tim fährt fort: „Und du erzählst doch immer, dass Gott uns liebt wie wir unsere Kinder lieben. Dass wir alle Gottes Kinder sind.“

„Und du warst so gerührt von dem Geschenk deiner Kleinen, dass dir diese Frage eingefallen ist“, sage ich.
„Ja. Und was glaubst du: Ist Gott manchmal auch gerührt. Glaubst du, er freut sich manchmal auch so richtig über uns? So wie wir über unsere Kinder?“

„Aber ganz sicher“, sage ich, „in der Bibel steht das ganz klar. Jesus erzählt eine Geschichte von einem Schäfer. Er hat eines seiner Schafe verloren. Der Schäfer geht und sucht. Am Ende findet er das eine Schaf und bringt es zu seiner Herde zurück. Und dann freut er sich. Und ich stelle mir vor: Wenn das Schaf ihn dann aus diesen braunen Schafsaugen dankbar anschaut, dann ist der Schäfer auch gerührt. Und genauso ist es mit Gott. Gott freut sich über jeden von uns. Er freut sich sogar so sehr, dass er jedem von uns hinterhergeht, wenn wir uns mal verlaufen haben.“

„Naja, meint Tim, Wir sind ja nicht so oft dankbar. Genau wie unsere Kinder. Aber Du denkst, wenn wir mal an Gott denken und ihm danken, dann ist er genauso gerührt wie ich?“

„Ich glaube schon“, sage ich, „Gott ist ja auch nicht gefühllos.“
Tim betrachtet den Schlüsselanhänger. „Jetzt muss ich für das Ding nur noch einen schönen Platz finden.“ Ich sage: „Am Schlüsselbund wäre gut.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26531
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Wie soll ich dieser Tüte widerstehen?“ Ich wende mich an meine Frau. „Jedes Mal, wenn ich denke: die Küche ist ungefährlich, kommst du!“ Meine Frau versteht nicht. „Was habe ich denn gemacht? Ich war doch nur einkaufen.“

„Genau das meine ich.“ Ich zeige auf den Küchentisch. Da liegt eine Tüte Chips. „Du weißt genau, dass ich den Dingern nicht widerstehen kann.“ „Jetzt, mach doch kein Drama draus. Die habe ich für mich gekauft. Für dich sind die Äpfel da!“
„Äpfel! Ha! Äpfel. Wenn es im Paradies schon Chips gegeben hätte, dann hätte Eva auch keinen Apfel genommen.“ Ich blicke nach rechts: Da der Apfel. Und links: Die Chips.

Der Apostel Paulus hat mal geschrieben: „Ja, wie ich handle, ist mir unbegreiflich. Denn ich tue nicht das, was ich eigentlich will. Sondern ich tue das, was ich verabscheue.“
Bei Paulus ging es sicher nicht um gesunde Ernährung und Sport. Aber es ging darum: Es ist nicht leicht das zu tun, was richtig ist. Auch weil es manchmal einfach bequemer ist das Falsche zu tun. Und deshalb ich erkenne immer wieder: Ich bin auf Hilfe angewiesen. Jemand muss mir helfen, das Gute auch zu tun, und nicht nur zu wollen. Alleine fehlt mir oft die Kraft dazu. Deshalb brauche ich Gottes Hilfe. Und vielleicht auch die von meiner Frau!

Ich sage zu ihr: „Ich habe eine Idee. Wenn du das nächste Mal, eine Tüte Chips kaufst, dann versteck‘ sie einfach vor mir. Das wäre mir eine echte Hilfe!“
Meine Frau nickt: „Und wenn du wirklich was Gutes für dich tun willst, dann geh doch wieder mal zum Fußballspielen. Da trainierst du dir die Chips auch wieder ab.“ „So machen wir das“, sage ich, „und jetzt: Gib mir mal den Apfel rüber!“ Meine Frau schaut mich irritiert an: „Echt jetzt?“ „Ja, ich esse erst den Apfel. Und dann die Chips! Die sind ja nicht wirklich böse, die kleinen Dinger! Die können ja nichts dafür, dass sie so gut sind.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25689
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Ich bin froh, wenn die dunkle Zeit vorbei ist.“ Hans-Peter schaut trübe in sein Glas.
„Warum“, frage ich, „wirst du depressiv? Musst du nicht. Es wird doch schon wieder heller. Wir gehen der Sonne entgegen. Es wird bald Frühling.“ Er schaut hoch: „Nein, ich werd‘ nicht depressiv. Ich werd‘ arm!“

Ich verstehe nicht und er erklärt: „Ich gehe jeden Morgen durch alle Zimmer im Haus und mache das Licht aus. Meine ganze Familie lässt das Licht an. Mein Sohn in seinem Zimmer, meine Frau im Wohnzimmer und meine Tochter im Bad. Überall brennt Licht.“

„Das kenne ich“, sage ich, „das geht mir auch so. Aber ich verstehe das auch. Klar ist es gut und wichtig, Energie zu sparen. Aber ich stehe auch nicht gern auf, wenn es dunkel ist. Ich brauche auch Licht, um munter zu werden. Licht ist warm, Licht heißt: Komm, heute wird ein guter Tag.“

„Und deshalb hat sich Jesus wahrscheinlich mit dem Licht verglichen, oder?“ „Ich denke schon“, antworte ich, „Licht war schon immer ein Zeichen, dass etwas gut ist. Wo Licht ist, da ist Leben. Wo Licht ist, da findet man seinen Weg. Und da ist es warm. Ich bin das Licht der Welt! Heißt: Wo ich bin, da kann man gut leben. Wo ich bin, da ist es warm und geborgen. Und wer sich an mir orientiert, der findet einen guten Weg.“

„Das mit dem Weg gefällt mir“, sagt Hans-Peter, „damit kann ich was anfangen. Bei den Kindern im Zimmer ist das ganz wichtig. Da fällt man ja sonst über alles drüber. Wenn man da im Dunkeln durchgeht, muss man aufpassen, dass man nicht in was reintritt.“
„Na also“, sage ich, „dann weißt du doch, warum da Licht sein muss. Damit du sicher deinen Weg findest. Durch das Kinderzimmer.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25688
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Das ist zu viel. Du machst zu viel!“ Anja schüttelt den Kopf. Sie weiß, dass ich Recht habe. Aber sie will es nicht hören. Wir stehen zwischen Tür und Angel. Um uns herum tobt das Alltagsgeschäft ihrer Arztpraxis. Es ist viel los. Patienten warten im Wartezimmer. An der Anmeldung brummt es.

„Ich weiß,“ antwortet sie, „aber du siehst doch, was hier los ist. Viele Menschen suchen Hilfe und ich habe die Verantwortung, ihnen zu helfen. Du weißt doch: Mit großer Kraft kommt große Verantwortung.“ Sie lächelt mich an.

„Jetzt komm mir nicht mit Spiderman!“, sage ich. Ich kenne den Spruch. Onkel Ben, der Onkel von Peter Parker, alias Spiderman, der sagt diesen Spruch. Kurz bevor er stirbt. Er ist sozusagen das Vermächtnis an seinen Neffen. Spiderman soll seine Fähigkeiten dazu einsetzen, Menschen zu helfen und Gutes zu tun. Wer stark ist, soll auch gut sein.

„Doch! Genauso ist es aber.“ Anja blickt sich in ihrer Praxis um. „Da ist viel dran an dem Spruch. Ich habe die Möglichkeit, Menschen zu helfen. Also habe ich auch die Pflicht, es zu tun. Ich habe die Kraft und ich habe die Verantwortung.“

„Aber nicht um jeden Preis“, sage ich. „Wenn du selbst dabei krank wirst, dann hast du keine Kraft mehr und keine Verantwortung.“
Sie nickt. „Ich übertreibe es ja nicht. Ich sage ja nur, dass ich tue, was ich kann. Darum geht es. Nicht mehr und nicht weniger.“ Ich lenke ein: „Und das hast du alles aus Spiderman gelernt?“

„Nein,“ Anja schüttelt den Kopf und lacht: „Das steht auch in der Bibel. Im Lukasevangelium. Da gibt es genau den gleichen Gedanken, nur ein bisschen anders ausgedrückt: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“

Ich bin beeindruckt. So habe ich den Vers noch nie verstanden. Ich umarme sie zum Abschied und sage: „Dann geh mal los, Dr. Spiderfrau, und rette deine Patienten!“  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25687
weiterlesen...