Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR4

 

Autor*in

 

Archiv

SWR4 Abendgedanken

23FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Schon im Kindergarten habe ich gelernt: „Nach dem Klo und vor dem Essen Händewaschen nicht vergessen!“ Und bis heute ist diesen Satz immer wieder einmal zu hören. Es hat ja auch etwas für sich, mit sauberen Händen sich an den Tisch zu setzen.

Den Dreck kann ich abwaschen von meinen Händen. Aber eben nur den Dreck und nicht etwas meine Taten! Die Verantwortung dafür kann ich nicht einfach loswerden, indem ich meine Hände ins Wasser halte.

Aber genau das hat der berühmteste Händewascher der Bibel gemacht. Pontius Pilatus. Der hat nämlich seine Hände öffentlich gewaschen und laut dazu gesagt: Ich wasche meine Hände in Unschuld. Weil er nämlich nicht so stark war, wie sein Amt es verlangte. Weil er nicht bereit war, Verantwortung zu übernehmen oder ganz bewusst zu einer Entscheidung zu stehen.

Pontius Pilatus war römischer Stadthalter in Jerusalem. Und weil Israel von den Römern gesetzt war, war er für Recht und Ordnung zuständig. An diesem besonderen Tag bringen die Hohenpriester und Schriftgelehrten aber einen Mann namens Jesus zu ihm, damit er ihn zum Tode verurteilt.

Pilatus ist das einfach lästig. Was da genau vor sich geht, will er gar nicht wissen. Er will mit diesem Konflikt zwischen den Juden und Jesus nichts zu tun haben, er will sich raushalten, ein reines Gewissen haben. Deswegen wäscht er in aller Öffentlichkeit seine Hände demonstrativ mit Wasser und in Unschuld. Damit zeigt er: Ich habe mit dieser Tat nicht so tun. Ich habe ein reines Gewissen!

Das geht nicht. Ich kann mein Gewissen nicht mit Seife waschen. Ich kann meine Hände nach dem Klo und vor dem Essen und zu anderen Gelegenheiten reinigen. Aber mein Gewissen? Das kann ich nur reinhalten, wenn ich zu dem stehe, was ich tue und entscheide. Und manchmal muss ich vielleicht auch Entscheidungen treffen, die mir nicht gefallen, die aber dennoch richtig sind.

Ich kann meine Hände nicht in Unschuld waschen. Ich muss zu meinen Entscheidungen stehen. Und wenn ich einen Fehler gemacht habe, ein schlechtes Gewissen habe, dann muss ich reden, mich dazu bekennen. Leicht ist das nicht. Aber ich weiß, dass ein schlechtes Gewissen mich belastet. Also vertraue ich meine Sorgen Gott an. Bete, rede, hadere und gebe meine Nöte ab. Ich rede mit anderen Menschen, die mir wichtig sind. Und ich merke, dadurch bekomme ich die Kraft, zu meinen Entscheidungen zu stehen. Ich bin dann auch stark genug, um Verzeihung zu bitten. Ganz ohne Wasser und Seife. Und mein Gewissen wird wieder rein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39360
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

22FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Immer wieder einmal, wenn mir im Alltag ein kleiner Fehler unterläuft oder ich irgendetwas vergessen habe, dann tröstet mich eine Freundin und sagt: „Keine Sorge - Da kräht schon morgen kein Hahn mehr danach.“ Meistens hat sie recht. Zum Glück. Meistens war die kleine Panne einfach nicht weiter wichtig.

Dass diese Redensart – Da kräht kein Hahn nach – entstanden ist, das hat mit der Bibel zu tun und mit der Passionszeit, in der wir uns gerade befinden. Momentan erinnern sich die Christinnen und Christen an die letzten Tage im Leben von Jesus, bevor er am Kreuz gestorben ist.

In dieser Geschichte spielt der Hahn eine besondere Rolle: Da kräht der Hahn laut und überdeutlich. Weil Petrus, einer der engsten Vertrauten von Jesus, auch einen Fehler macht – und zwar einen großen!

Jesus – erzählt die Bibel – ist heimlich nachts von seinen Feinden verhaftet worden. Und in dieser Not hat Petrus seinen Herren im Stich gelassen und hat Jesus verleugnet. Er hat dreimal die Freundschaft zu Jesus abgestritten, gesagt: Ich kenne den nicht. Jesus? Wer ist eigentlich Jesus? Und ich? Ich soll dazu gehören? Niemals.

Und nach diesen Worten kräht der Hahn. Der Hahnenschrei erklingt laut und rüttelt Petrus wach. Und Petrus erinnert sich, dass Jesus ihn gewarnt hatte und gesagt hatte: »Amen, das sage ich dir: Heute, in dieser Nacht, noch bevor der Hahn zweimal kräht, wirst du dreimal abstreiten, mich zu kennen.«

Von wegen: Da kräht kein Hahn nach! Das Gegenteil ist der Fall. Der Hahn erinnert Petrus an seinen Verrat. An sein mangelndes Selbstbewusstsein, an fehlendes Vertrauen in den Glauben und an die Freundschaft.

Schwächen und Fehler, nach denen der Hahn kräht: laut und überdeutlich. Und Petrus durch Mark und Bein geht. Nie wird er diese Nacht vergessen. Er wird aber auch nie wieder diesen Fehler begehen. Ein Fehler, der so groß ist, dass der Hahn danach kräht.  Hat er in jenem Augenblick nicht zu Jesus gestanden, so wird er mit dem Hahnenschrei zu einem, der sich bekennt.

Daran erinnert mich der Hahn: Ich kann mich ändern. Ich kann zu dem stehen, die ich bin, was ich bin. Ich muss meinen Glauben nicht verleugnen, sondern ich kann mich frei bekennen.

Und wenn morgens der Hahn bei uns in der Nachbarschaft kräht, macht er mich nicht nur wach, sondern erinnert mich auch an Petrus. An einen, der einen großen Fehler gemacht hat, aber daraus gelernt hat. Änderung ist möglich. Von wegen: Da kräht kein Hahn nach. Petrus und seine Umkehr kann ich nicht vergessen. Zeigt sie mir doch: Steh zu dir und deinem Glauben. Das höre ich, wenn der Hahn kräht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39359
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

21FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Karten zu lesen ist gar nicht so einfach. Also Landkarten, Wanderkarten, Straßenkarten. Und ich fürchte, so langsam verlerne ich das Kartenlesen auch. Weil ich nämlich meistens mein Handy oder ein Navi benutze, die Zieladresse einfach eintippe und mich dann führen lasse.

Noch vor wenigen Jahren habe ich mich anders auf meine Wege vorbereitet. Egal wo oder wie ich unterwegs war, immer habe ich vorher auf eine Karte geschaut, habe mir versucht, den Weg einzuprägen und eine schöne Strecke zu finden.

Es war für mich immer ein kleines Abenteuer, wenn ich mit der Karte in der Hand aufgebrochen bin. Umwege und blanke Nerven waren genauso Teil des Weges wie schöne Sehenswürdigkeiten, und interessante Straßenzüge.

Manchmal vermisse ich das. Mit dem Navi bin ich zwar schneller und sicher unterwegs. Aber dafür wartet keine Zufallsentdeckung auf mich. Kein Abenteuer.

Vielleicht nehme ich bei meiner nächsten Wanderung doch lieber wieder eine Karte aus Papier in die Hand. Oder ich gehe einfach so los, ganz ohne Navi oder Karte. Aber das wäre mir dann doch zu viel Abenteuer. Obwohl ich mein Ziel wahrscheinlich trotzdem erreichen würde: irgendwie und mit einigen Erfahrungen im Gepäck. So wie Sara und Abraham, der sich vor einigen tausend Jahren auf den Weg gemacht haben. Ohne Navi, ohne Karte, einfach nur mit Gottes Zusage: Geht los, vertraut mir, ich zeige euch ein Land, in dem ihr leben könnt.

Und die beiden sind tatsächlich losgegangen, weg von der sicheren Heimat hinein ins Abenteuer. Voller Gottvertrauen. Und mit dem Gefühl, irgendwie wird es gut werden. Es wird sich lohnen. Und wir werden einiges erleben.

Mich beeindruckt das: Aufbrechen, sich auf den Weg machen und Neues wagen. Wenn wir uns heute mit dem Navi aufmache, dann ist das ja eigentlich gar kein Aufbruch. Wir wissen ja schon ganz genau, was kommen wird. Manchmal wäre es besser, auch mal nicht sicher zu sein, ob es der richtige Weg ist, oder zu merken, dass viele Wege ans Ziel führen. Weil Gott mit geht, weil Gott uns auch die Möglichkeit gibt, aus Sackgassen wieder rauszukommen und eigene Erfahrungen zu machen.

Für meinen nächsten Urlaub habe ich mir eine Karte gekauft. Und dann werde ich es wagen: Einen Blick auf die Karte werfen und losgehen. Mal gucken, was passiert. Aber ich werde ans Ziel kommen. Wie Sara und Abraham. Mit Gottes Segen und einer guten Portion Gottvertrauen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39358
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

20FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Marie ist meine Heldin. Aber in der Zeitung oder im Fernsehen wird man trotzdem nicht über sie berichten. Marie hat nichts gemacht, was Helden normalerweise so machen. Sie hat weder todesmutig einen Brand gelöscht, noch jemanden aus der Pasche geholfen.

Und trotzdem ist sie meine persönliche Heldin. Denn Marie gibt nicht auf. Mehrmals in den letzten Jahren ist sie schwer krank gewesen, ist es nun schon wieder. Gerade als alles gut war, ist erneut die Diagnose gekommen: Krebs. Sofortige Operation. Und Marie hat die Situation angenommen.

Mich beeindruckt Marie sehr mit ihrer lebensbejahenden Einstellung. Sie ignoriert die Krankheit nicht, sie informiert sich immer über jedes Risiko, wägt ab und blickt nach vorne. Aber ihre Krankheit schwächt sie natürlich auch. Und in den Momenten, in denen alles über sie hereinbricht, da sagt sie, dass sie froh ist, nicht alleine zu sein, dass sie und ihre Familie sich gegenseitig tragen und sich getragen fühlen.

„Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig“ – so formuliert es Paulus in der Bibel in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth. Und sagt damit: Gott macht einen nicht zum starken Helden, der alles im Griff hat. Nicht immer läuft alles wie geplant. Nicht immer ist alles gut, geht es dir nur gut, bist du gesund und erfolgreich. Es gibt die Momente der Schwäche, der Krankheit und der Enttäuschungen. Und dann zeigt sich Gottes Kraft und Gottes Liebe.

Mir kommt es vor, als würde Marie genau so leben. Sie weiß, dass nicht alles von ihr abhängt, dass sie nicht alles planen und bestimmen kann. Sie nimmt aber trotzdem nicht alles einfach so hin. Sie lebt weiter. Mit den Enttäuschungen des Lebens und freut sich über alles, was ihr gelingt, was sie noch oder wieder machen kann. Sie nimmt mit Freude am Leben teil, singt im Chor, engagiert sich. Voller Energie und mit Lebensfreude.

„Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Wenn ich Marie treffe, dann bin ich jedes Mal wieder beeindruckt. Weil sie ihr Leben lebt. Mit allem, was dazu gehört. Mit ihrer Krankheit, gegen die sie voller Kraft kämpft. Mit ihrer Zuversicht, dass sie gewiss noch einige Jahre leben kann – so Gott will.

Marie ist meine persönliche Heldin. Sie ist so stark, obwohl sie so schwach scheint. Und wenn ich sehe, wie Marie ihr Leben trotzdem lebt, dann bin ich zuversichtlich, dass diese Kraft auch in mir steckt. Und auch für mich gilt: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39357
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

19FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die Fastenzeit hat begonnen. Die sieben Wochen zwischen Fasching und Ostern möchte ich nutzen und ganz bewusst auf etwas verzichten, dass ich sonst immer habe oder mache. Ich habe beschlossen, dieses Jahr Ungeduld zu fasten. Das klingt seltsam. Aber ich bin ziemlich ungeduldig. Bei mir muss es weitergehen mit einer Sache, oder eine Lösung muss her, wenn es irgendwo einmal klemmt. Ich bringe damit auch ganz schön viel voran. Aber ich bin eben auch ungeduldig mit anderen. Und manchmal will ich vor lauter Ungeduld auch etwas erzwingen. Und das stresst mich.

Denn oftmals kann ich ja gar nichts ändern. Wie beim Pflanzen der Blumenzwiebeln. Ich kann sie nur setzen, ich kann sie aber nicht zum Wachsen bringen. Ich muss lernen zu warten und das auch üben.

Auch im Wartezimmer beim Arzt. Es heißt ja nicht umsonst „Warte-Zimmer“. Auch, wenn ich einen festen Termin vereinbart habe, muss ich eben manchmal Geduld haben – weil der Patient vor mir mehr Zuwendung gebraucht hat, als ursprünglich geplant. Oder weil es unerwartet ein Problem oder sogar einen Notfall gegeben hat. Ich muss geduldig sein und warten. Auch wenn mir und anderen das schwerfällt. Aber es ist nun mal so.

Geduld war, ist und wird immer wichtig sein. Weil das Zusammenleben mit anderen Menschen und das Miteinander im Alltag nicht immer einfach ist. Und auch, wenn ich am liebsten immer alles gleich und jetzt erledigt hätte: Ich bin nun mal nicht allein auf der Welt.

In der Bibel, in einem Text vom Apostel Paulus heißt es: „Habt Geduld mit allen“. Paulus sagt also, dass ich nicht nur mit anderen geduldig sein soll, sondern auch mit mir selbst. Dann wird das Zusammenleben leichter, weil ich andere nicht unter Druck setze. Dann wird mein Alltag leichter, weil ich nicht immer alles gleich und sofort erledigen muss und weil ich kapiere, dass nicht alles immer in meiner Hand liegt.

„Habt Geduld mit allen“. Das alte biblische Motto ist mein Motto für die Fastenzeit. So faste ich dieses Jahr Ungeduld. Ich weiß, das wird für mich eine ganz schöne Geduldsprobe. Es wird mir sehr schwerfallen, nicht so schnell voranzukommen, wie sonst. Aber wenn er mir gelingt, dann habe ich nicht nur verzichtet, sondern auch ganz viel gewonnen. Nämlich an einem guten Miteinander, das geduldig viel schöner ist und auch an Zeit. Denn ich verschwende meine Zeit nicht länger damit, mich zu ärgern. Ich kann Blumenzwiebeln nun mal nicht zwingen, schneller zu wachsen. Manchmal sind beim Arzt andere vor mir dran. Manchmal tut es einfach gut, geduldig zu sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39356
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

01DEZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Jedes Jahr im Dezember freue ich mich auf meinen Adventskalender. Der meine ist gefüllt mit Geschichten, Gedichten, besinnlichen Gedanken, nachdenklichen Sprüchen, biblischen Worten und schönen Bildern. Und mit seiner Hilfe wird mein Tagesablauf adventlich. Morgens schon nehme ich mir nämlich ganz bewusst Zeit für diesen besonderen Kalender.

Und um all das genießen zu können, muss ich meinen gut strukturieren, morgendlichen Alltag unterbrechen, anders organisieren. Der Advent braucht seine Zeit. Zehn Minuten am Morgen für den Adventskalender verändern meinen ganzen Tag.

Weil ich mich jeden Tag daran erinnere, auf was ich im Advent warte. Nämlich auf Weihnachten. Auf die Geburt des Kindes im Stall. Darauf, dass Gott uns Menschen ganz nahe kommt, ein Kind wird, um als Mensch bei uns zu sein.

Zehn Minuten am Morgen, zehn Minuten für mich und meine Gedanken. Zehn Minuten Vorbereitungszeit auf Weihnachten. Stressfrei. Gemütlich. Das tut gut. Und so fange ich auch ganz anders an. Mit einem Impuls für den Tag und einem adventlichen Anschubser. Und der Schubser lautet: Mach was aus dieser besonderen Zeit. Unterbrich deinen Alltag und lass dich auf die besinnliche Zeit ein. Lass dich nicht stressen, auch wenn es stressig wird. Lass dich zu Tee und Gebäck einladen und genieße es. Verschenke fünf Minuten an andere, indem du ihnen bewusster zuhörst. Back Kekse, aber nur dann, wenn du wirklich Lust hast. Dekoriere das Haus, aber mit den Sachen, die dir wirklich gefallen. Zünde eine Kerze an und mach nichts. Auch das gehört in diese Zeit.

Das ist für mich Advent. Mitten im Trubel der Weihnachtsmärkte zur Ruhe zu kommen, morgens den Kindern noch einen Zimtstern in die Brotdose zu legen, einfach mal aus dem Fenster zu schauen, Glühwein mit Freunden zu trinken und abends eine Kerze anzünden. Die Wartezeit bis Weihnachten zu überbrücken, mit Freude und Freunden.

Heute Morgen habe ich die erste Seite im Adventskalender gelesen. Zehn Minuten Zeit wurden mir geschenkt. Und voller Freude habe ich den Tag begonnen. Noch 23-mal kann ich das diesen Dezember machen. So bereite ich mich auf Weihnachten vor. In Ruhe. Mit meinem Adventskalender, der meinen Alltag unterbricht. Zehn Minuten, die für mich was Besonderes sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38819
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

30NOV2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Mit folgender Frage habe ich neulich meine 20 Konfirmandinnen und Konfirmanden so richtig ins Schwitzen gebracht. Ich habe sie gefragt: „Was ist mir wichtig in meinem Leben?“

Zuerst haben sich die Jugendlichen gar nicht damit auseinandersetzen wollen. Sie mussten erst ein bisschen „aufgetaut“ werden: Familie, Freunde, Geld, später einen guten Beruf haben, ein eigenes Haus, Freundschaft, Gesundheit, Computerspielen, Fußball, abhängen, nichts tun, Schule, Handy haben sie nach und nach genannt.

Wichtige Lebensthemen, ja. Ich war mir aber sicher, dass da noch mehr ist, und habe noch einmal gefragt: „Was ist euch im Leben so wichtig, dass ihr alles andere dafür aufgeben würdet?“

Die Köpfe haben geraucht, die Gespräche wurden intensiver und dann ist die Frage aufgekommen: „Können wir noch mal von vorne anfangen? Denn wir haben vorhin Dinge aufgezählt, die doch nicht so wichtig sind.“

Fasziniert und verblüfft habe ich zugesehen, wie die Jugendlichen eine Sache nach der anderen über Bord geschmissen haben: Handy? Ist schon wichtig – aber sooo wichtig nun auch wieder nicht, außer man verabredet sich mit der besten Freundin Computer genauso. Wobei Zocken mit Freunden schon Spaß macht. Ja, aber mit Freunden. Okay, dann Freunde und nicht der Computer. Fußball? Ja, aber manchmal hat man auch keinen Bock aufs Training, eher dann wieder Lust auf die Kumpels. Und wenn man nach Hause kommt, soll jemand da sein.

Drei Dinge blieben am Ende stehen: Familie, Freunde und Liebe. Und das hat einer der Jugendlichen dann so zusammengefasst: Wir einigen uns einfach auf Liebe. Denn die Liebe umfasst auch meine Familie und meine Freunde.

„Stimmt“, hat ein Mädchen gesagt, „Liebe ist nämlich ganz vielfältig. Ich kann meine Eltern lieben, aber das ist eine andere Liebe als die zu meinen Freunden und meinen Freund liebe ich nochmal ganz anders.“

Zufrieden haben sich alle angeschaut. Erwartungsvolle Blicke ruhten auf mir. „Bestimmt steht dazu auch etwas in der Bibel“, haben die Jugendlichen gesagt. Da habe ich gelacht. „Aber sicher“, habe ich geantwortet. „Der Apostel Paulus hat es so ähnlich gesagt. Der meinte, dass am Ende Glaube, Hoffnung und Liebe bleiben. Aber das die Liebe das Größte ist.“

„Na denn, dann stehen wir doch in einer guten Tradition“, hat jemand gemurmelt. Und alle waren zufrieden. Schön, dass die Liebe den jungen Menschen so wichtig ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38818
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

29NOV2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Im November beginnt die Mützenzeit. Als Kind habe ich mich immer geweigert, eine Mütze zu tragen. Oder ich habe sie mir von meiner Mutter aufsetzen lassen, bin los zur Schule und habe das ungeliebte Ding hinter der nächsten Ecke wieder abgenommen und in den Ranzen gestopft. Mütze zu tragen, habe ich damals als uncool und unnötig empfunden.

November ist Mützenzeit – zumindest für mich. Denn inzwischen trage ich gerne Mützen. Nicht nur, weil sie eben doch angenehm warmhalten. Sondern auch, weil es mir gefällt. Und alle meine Mützen haben einen ganz besonderen Chic!

Denn meine Mützen habe ich mir nicht selbst gekauft, ich habe sie geschenkt bekommen. Von meiner Freundin, von einer Frau aus dem Dorf, von Freunden während des Studiums. Alle haben sie mir mit den Mützen etwas gewünscht: Nämlich, dass ich gut durch die kalte Jahreszeit komme. Und wenn ich eine davon über die Ohren ziehe, dann ist es, als würde ich ihre guten Segenswünsche anziehen: „Bleib gesund“ und „Sei gut behütet!“

Somit sind die Mützen für mich mehr als nur eine Kopfbedeckung. Sie sind ein Stück Segen, den mir Menschen mit auf den Weg geben. Mir soll nichts passieren, ich soll mich nicht erkälten

Meine Mützen wärmen meinen Kopf und meine Seele. Durch sie spüre ich die Wärme der Menschen, die sich um mich sorgen, die sich Gedanken um mich machen. Meine Gesundheit liegt ihnen am Herzen, beziehungsweise bedecken die guten Wünsche meine Ohren. Und das erinnert mich an meine Mutter, die es damals ja auch gut mit mir gemeint hat, die mir ihre Fürsorge gezeigt hat, indem sie mir die Mütze aufgesetzt hat.

Behütet durch das Leben zu gehen – das ist ein guter Wunsch, den man anderen mitgibt. Ein Segen. Mich erinnert das an die Zusage Gottes, dass er mit uns Menschen durch das Leben geht und uns für unsere Wege seinen Segen gibt. „Siehe, ich bin mit dir und werde dich behüten, wohin du auch ziehst“. So sagt Gott zu Jakob und verspricht ihm, ihn zu begleiten. Mit Wohlwollen und Fürsorge, auch wenn Jakob schon einige Fehler im Leben gemacht hat.

Daran erinnern mich meine Mützen. Dass Gott mir Fürsorge schenkt und Menschen, denen es wichtig ist, dass ich gut durch den Winter komme, egal wohin mich meine Wege führen. Bemützt und behütet geht es sich besser. Bleiben Sie auch behütet – ob mit oder ohne Mütze.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38817
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

28NOV2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Liebt eure Feinde!“ Dieses Gebot hat Jesus vor rund 2000 Jahren seinen Mitmenschen als Lebensregel mitgegeben: "Liebt eure Feinde!" Was für eine Herausforderung! Und sie ist bis heute brandaktuell.

Denn wenn ich morgens die Zeitung aufschlage und die Nachrichten lese oder abends die Nachrichten schaue und die Bilder des Tages sehe, bin ich fassungslos. Es gibt so viel Hass und Terror unter den Menschen.

Und wenn mich meine Kinder fragen: Warum leben Menschen nicht friedlich miteinander? Dann merken wir gemeinsam, dass es auch nicht einfach ist im Alltag friedlich miteinander zu leben. Da gibt es Streit in der Schule, Konflikte am Arbeitsplatz. Da ist schon der Frieden im Kleinen gefährdet. Und der Frieden im Großen ist momentan nicht da. Menschen tun Menschen weh, verletzen, töten. Menschen fördern das Unrecht und fordern gleichzeitig, im Recht zu sein.

Jesus hat damals versucht, die Welt zu verändern, das Miteinander zwischen den Menschen ins Lot zu bringen. Oftmals mit ungewöhnlichen Handlungen, oftmals mit Worten, mit denen keiner gerechnet hat. Und mit solchen paradoxen Aussagen, dass wir unsere Feinde lieben sollen.

Das ist nicht einfach. Eigentlich ist es unmöglich. Wie soll ein Opfer von Terrorismus seinen Feind lieben? Wie soll es das schaffen? Und auch im Kleinen ist es schwer. Auch wenn es „nur“ um Alltagsstreitigkeiten geht. Denn, wenn ich meine Feinde lieben soll, dann heißt das ja, dass ich mich mit Menschen auseinandersetzen muss, die es nicht gut mit mir meinen, vielleicht neidisch sind und die Sachen machen, die ich nicht nachvollziehen kann. Einfacher ist doch dann, diese Menschen nicht zu mögen, sie zu verurteilen, zu hassen.

Aber ich soll sie lieben. So sagt es Jesus. Das fordert mich ganz schön heraus. Lieben kann ich ja nicht auf Kommando. Liebe wächst, entsteht, weil ich jemand anfange zu mögen.

Allein schon, dass ich darüber nachdenke, warum ich meine Feinde lieben soll, gibt mir einen anderen Blick. Ich sehe die Menschen. Nicht allein ihre Taten. Ihr Verhalten. Das Warum kann ich trotzdem nicht immer verstehen. Aber ich kann den Menschen sehen, versuchen ihn zu verstehen.

So seltsam es auch klingt. Ich kann versuchen, meine Feinde zu lieben. Einfach ist das nicht. Doch irgendwo muss die Liebe doch auch anfangen. Ein Versuch ist es wert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38816
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

27NOV2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Kerzen gehören für mich ganz besonders in diese Woche, zwischen Ewigkeitssonntag und ersten Advent.

Gestern am Ewigkeitssonntag im Gottesdienst haben wir uns an die verstorbenen Menschen unserer Gemeinde erinnert und Kerzen für sie angezündet. Und nach dem Gottesdienst haben die Angehörigen die Kerzen mitgenommen und auf den Friedhof getragen. Abends beim Spaziergang mit dem Hund bin ich dann wieder am Friedhof vorbeigekommen. Und all die vielen Kerzen haben diesen traurigen Ort in ein kleines Lichtermeer verwandelt. Es war eine ganz besondere Stimmung: gar nicht mehr so traurig, trotz des feuchtkalten Abends. Das Licht hat mein Herz berührt, mich gewärmt. Die vielen Kerzen auf den Gräbern haben für mich den Friedhof zu einem Ort der Hoffnung gemacht.

„Du bist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht“ – so heißt es in einem alten biblischen Lied, in Psalm 36.

Gott als das Licht meines Lebens. Gott, der für mich das Dunkel erhellt, so dass ich besser sehen und erkennen kann, was in meinem Leben hinter und was vor mir liegt. Wie die Kerzen auf dem abendlichen Friedhof. In ihrem Schein sehe ich, was hinter mir liegt, sehe, wer mir fehlt, wen ich vermisse. Ich sehe, wie viel Zeit ich mit den Verstorbenen hatte, was wir gemeinsam an schönen und traurigen Dingen erlebt haben.

Im Lichte Gottes sehe ich aber auch, dass da noch etwas vor mir liegt, dass mein Weg nicht auf dem Friedhof endet, sondern dass ich lebe. Heute und hier, gemeinsam mit vielen anderen Menschen.

Ich darf traurig sein, ich kann traurig sein und manchmal muss ich auch einfach traurig sein, weil der Kummer überwiegt, weil mir jemand so richtig fehlt. Aber ich darf auch in traurigen Zeiten nach vorne schauen, darf lachen, darf mich an den schönen Dingen des Lebens freuen.

Für all das stehen die Kerzen auf dem Friedhof. Für das gelebte Leben und für das, was noch kommt. In ihrem Schein leuchten meine Erinnerungen und leuchtet meine Hoffnung, dass Gott die Quelle des Lebens ist und ich in seinem Licht sehe, wie schön das Leben sein kann.

Mit meinen Erinnerungen an viele Menschen, mit denen ich das Leben schon geteilt habe, bin ich an dem Abend weitergelaufen. Nach Hause. Vorbei an vielen hellen, erleuchteten Fenstern. Zu den Menschen, die mit mir weiterleben und mit denen ich in wenigen Tagen die erste Kerze auf dem Adventskranz anzünden werde. Dann wird mein Zuhause hell und warm durch das flackernde Licht der Kerze.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38815
weiterlesen...