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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13SEP2023
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Du hast nicht aufgepasst. Oder: Du warst nicht schnell genug. Beim Training der Kinder oder bei Spielen habe ich so etwas oft gehört. Ein Fehler, und ein Spiel kann verloren sein. Und ich erinnere mich selber, dass früher im Sportunterricht manchmal diese Angst da war: Wenn ich einen Fehler mache, dann sind alle sauer.

Mir ist längst klar: Fehler passieren einfach.  Im Haushalt, bei der Arbeit, in der Schule, besonders auch beim Kommunizieren. Niemand kommt daran ganz vorbei. Warum ist es so schwer, sich Fehler einzugestehen? Leichter lässt sich sagen: Ich was nicht, an mir liegt es nicht!

Kindern versuchen wir es beizubringen: Entschuldige Dich. Gib Deine Fehler zu! –aber mache ich das immer? Wenn ich Fehler zugebe, dann könnte das schwach aussehen. Und Schwäche wirkt uncool.

Anders erlebt Paulus, was Gott zur Schwäche sagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Da ist Gottes Kraft etwas, was gerade bei vermeintlich Schwachen zum Zuge kommt. Wo ich zugeben kann und nicht beschämt werde. Wo ich nicht perfekt sein muss, weil Gott mir eine andere Stärke schenkt – eine fehlerfreundliche.

Und in der Bibel, da sind ganz viele alles andere als perfekt: Noah war mal ziemlich betrunken und hat sich peinlich aufgeführt. Petrus hat Jesus verleugnet. Durch diese biblischen Personen wird mir klar: Menschen können Vorbilder sein und trotzdem Fehler haben. Über ihnen allen wird das große Thema von Einsicht, Umkehr und Vergebung aufgespannt.

Ja: Fehler sind menschlich. Aber sie müssen keine Katastrophe sein. Wenn Einsicht und Vergebung, Ehrlichkeit und Güte unser Miteinander bestimmen, dann werden Fehler nicht geleugnet.

Dann kann ich sagen: Es tut mir leid. Wo dieser Satz auf guten Boden fällt, hat Gottes Aufruf zu Versöhnung und Vergebung gute Mitspieler erfunden – nicht fehlerlos, aber menschlich und fair.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12SEP2023
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Gibt es Geschichten, an die Sie sich immer wieder gerne erinnern? Kleine Alltagsmomente, die etwas in Ihnen zum Leuchten bringen?

Meine Tochter hat mir von so einem Erlebnis erzählt, und die Geschichte ist schon eine Weile her. Sie war spät dran und lief, so schnell sie konnte, zum Bus. Den Bus zu verpassen hätte bedeutet: eine ganze lange Stunde auf den nächsten warten. Der Busfahrer hat davon nichts mitbekommen, dass da hinten ein Kind angerannt kam.

Aber ein anderer Fahrgast. Der war sogar schon ausgestiegen, hat sich dann aber extra noch mal in die Tür gestellt, so, dass die Tür nicht schließen konnte, und der Bus stehen bleiben musste. Es ging nur um ein, zwei Minuten, aber das hat meiner Tochter geholfen, eine ganze Stunde zu sparen.

Außer Puste, aber total dankbar ist sie die Stufen hochgestolpert und hat sich bei dem fremden Helfer bedankt.

„Er hätte das ja nicht machen müssen“, hat sie mir später gesagt. „Aber ich hab‘ das so toll gefunden, ich werde das nie vergessen.“

Dieser Satz hat mich berührt. So vieles vergesse ich leider. Aber Erinnerungen gehen meist mit Gefühlen einher, und ich möchte lieber immer wieder die wachrufen, die mich lächeln lassen, die mir guttun. Von den anderen gibt es schon genug.

Meine Tochter erinnert sich an den Glücks-Retter in der Bustür, und ich mich mit ihr. Also sogar ein doppelter Gewinn: ihre Erinnerung wird zu meiner, ihr Glück hat sie mit mir geteilt und ich werde mich daran erinnern – hoffentlich auch in dem Moment, wenn vor mir vielleicht mal die Tür zugeht im Bus und ich solches Glück nicht habe.

Dann erinnere ich mich, dass ein Mensch mal so gehandelt hat – und so für lange Zeit inmitten von Alltagssorgen für eine gute Erinnerung und ein Lächeln gesorgt hat.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11SEP2023
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Eine Situation, die im deutschen Schienennetz fast täglich passiert. Ein Zug ist auf unbestimmte Zeit verspätet, kann nicht weiterfahren. Ein paar Mal kommt diese Ansage, die Stimmung unter den Fahrgästen im überfüllten Zug sinkt ins Bodenlose. Druck bei denen, die dringend weitermüssen, Unverständnis und Wut.

Eine solche Situation hat mir neulich ein Freund erzählt: Da geht nichts mehr, und irgendwann bekommt auch der Lokführer Hunger. Doch als er ins Bordrestaurant kommt, formiert sich der Unmut und richtet sich gegen seine Person. So sehr er auch entschuldigend zu erklären versucht, man lässt ihn kaum ausreden, und es kommt zu Pöbeleien. Es fehlt nicht viel, und einige würden sogar handgreiflich werden. Gegen diesen Lokführer. Der Zug steht, die Luft steht, die Lauten werden lauter.

Etwas passiert dann ganz unbemerkt: Eine schmächtige Person kauft ein Eis an der Theke, bahnt sich den Weg durch die Leute und hält es dem Lokführer hin mit den Worten: „Sie sind bestimmt auch fertig mit den Nerven. Hier, eine kleine Erfrischung.“ Es wird still. Ein paar glucksen verlegen und murmeln etwas, na ja gut.

Auf jeden Fall kehrt plötzlich Frieden ein, obwohl der Zug noch steht und nichts gelöst ist. Doch: etwas ist schon gelöst. Die Spirale der Wut dreht sich nicht weiter. Der Hass auf einen Sündenbock wird unterbrochen. Einer muss herhalten: das haben Menschen leider viel zu oft so gehandhabt.

Aber diese Geschichte macht einen ganz wunderbaren Ausweg klar: es braucht manchmal nur den Mut einer einzigen Person, um diesen Automatismus anzuhalten, um aus Irrsinn und möglicher Gewalt Frieden und Anstand zu machen. 

Es ist noch lange nicht gesagt, dass das immer funktioniert. Doch ich lerne daraus: Lieber einmal zu viel einen kleinen Schritt machen. Lieber einmal nicht mit den Anderen zusammen schimpfen, sondern für Verständnis werben.

Lieber einmal tief durchatmen und sich fragen: kann ich meinen Ärger in etwas Gutes umwandeln? Manchmal braucht es nur einen einzigen Menschen, der diesen mutigen Schritt wagt. Und der so Frieden schafft.

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Anstöße sonn- und feiertags

10SEP2023
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Der Sonntag ist ein Segenstag. Eine Frau in meiner früheren Gemeinde hat einmal gesagt: „Den Segen im Gottesdienst, den brauche ich einfach. Sonntag ist mein Segenstag. Sonst ist die ganze Woche nix.“

„Der Herr segne Dich und behüte Dich…“ - so lautet der Segen, mit dem evangelische Gottesdienste enden.  Dieser Segen ist nicht einfach noch ein Wort zu den vielen, die schon gesprochen wurden, sondern eine Tat. Er befähigt dazu, mit Mitgefühl und Solidarität miteinander umzugehen – segensreich halt. Einer, der daran erinnert hat, ist Dietrich Bonhoeffer.  Er hat geschrieben: „Segnen heißt, die Hand auf etwas legen und sagen: du gehörst trotz allem zu Gott.“

Trotz allem –das war für Bonhoeffer wichtig, denn er musste in seinem Leben so vielem trotzen, was sein Leben angegriffen hat. Er ist verfolgt und von den Nazis hingerichtet worden. Und doch hat er zeitlebens daran festgehalten: nicht aufgeben, sondern segnen und sich für das Gute einsetzen. Für ihn stand fest: „Wir haben Gottes Segen empfangen im Glück und im Leiden.“ 

Diese Worte von Bonhoeffer kommen mir oft in den Sinn. Mein Leben ist so viel leichter als seines, ich kenne nicht die Gefahr und das Leid, dem er ausgesetzt war. Aber die Fragen: „Hat das alles einen Sinn?  - wie kann das Gute sich durchsetzen?“ - diese Fragen kenne ich auch.

Auch mit einem Segen ist nicht alles leicht. Da sind schwere Zeiten nicht ausgeschlossen. Vielmehr ist es, wie Bonhoeffer sagt: „Trotz allem.“ Trotz aller Schwierigkeit kann etwas Gutes entstehen. Segen heißt für mich: Gott ist auch in schweren Zeiten bei Dir.

So hat es die Frau in meiner Gemeinde erfahren. Sie hat gesagt: „Wenn etwas nicht leicht ist, wenn ich allein bin, dann nehme ich diesen Segen aus dem Gottesdienst mit heim: Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. -Das lässt meine ganze Woche in einem anderen Licht erscheinen.“

Ich glaube, sie hat da etwas Wunderbares für sich entdeckt. Die Leuchtkraft des Segens. Sonntag ist Segenstag:  Gottes leuchtenden Segen, den wünsche ich Ihnen heute Morgen!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10JUN2023
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Loneliness und loveliness – Einsamkeit und Lieblichkeit. Im Englischen ist da nur ein einziger Buchstabe Unterschied. Die Autorin Christine Paintner spielt mit diesem winzigen Unterschied und stellt fest: Leben kann viel mit Einsamkeit zu tun haben. Aber es kann auch immer wieder ganz und gar lieblich, wunderbar sein.

Ich selber staune oft darüber, wie nah diese Momente im Leben manchmal sind, nur einen einzigen Buchstaben, einen Augenblick entfernt. Wenn ich mich einsam fühle, dann geht es mir ganz und gar nicht gut. Leben ist dann oft anstrengend, überfordert mich. Einsam sind Menschen, die alleine leben, aber auch in einem Altersheim, in einer Familie, in einer WG kann ich einsam sein. Wenn mir niemand zuhört. Wenn ich mich nicht traue, um etwas zu bitten. Wenn ich mich verletzt fühle.

Genauso kenne ich Momente, wo ich mich von einem auf den anderen Moment leicht fühle. Intensive und glückliche Momente, lovely. Loveliness, da steckt ja auch love, Liebe drin. Momente, wo ich mich angenommen fühle, vielleicht sogar geliebt. Ich kann an einer Blume riechen und denken: Gott liebt diese Welt. Er liebt mich und ich kann es genießen. Wenn ein Mensch mich anstrahlt. Einfach da ist, wie es mir guttut, mal mit Abstand, mal ganz nah. Das sind Momente, die das Leben reich machen. So nah ist beides beieinander:

Loneliness und loveliness. Was ich tun kann, dass der eine Buchstabe sich verwandelt und einsame Momente wunderbar macht, das kann ich für mich selber oft nicht sagen. Aber ich kann den Buchstaben austauschen für einen anderen Menschen. Einsamkeit verwandeln.

Wenn einer traurig ist und ich merke es, nicht ignorieren, sondern fragen: kann ich was tun?  Wenn ich jemanden einsam wähne, eine Geste schenken - einen Anruf, einen Brief. Ich denke an Dich. Du bist nicht allein. Damit schenke ich auch mir selber viel.

Vielleicht ist es das, was Jesus auch mit Nächstenliebe meint. Wenn ich selber mein Leben lieber lieblich und leicht habe, warum das nicht auch anderen schenken? Loveliness statt loneliness, Lieblichkeit statt Einsamkeit. Ein kleiner Buchstabe, doch große Wirkung.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09JUN2023
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FEHLER! Mit einem Pling erscheint ein neues Fenster auf meinem Computerbildschirm. Gerade hatte ich so vor mich hingearbeitet - da lässt mich diese Meldung aufhorchen. FEHLER! Darunter habe ich dann die Möglichkeit auszuwählen: ignorieren, beheben oder beenden. Ich entscheide mich für IGNORIEREN und es funktioniert. Das Fenster schließt sich. Irgendwann wird die Fehlermeldung wieder erscheinen, aber erstmal kann ich weiterarbeiten.

Im Leben geht es manchmal aber nicht so einfach. Wie neulich zum Beispiel. Da habe ich mit einer Freundin über Dinge diskutiert, die wir bei uns ändern wollten. Sie macht gerne alles auf den letzten Drücker – aber darunter leidet nicht nur sie, sondern auch viele um sie herum. Weil sie dann andere Abmachungen ignoriert oder der Druck sie unausstehlich macht. Sie hat zu mir gesagt: „Ich weiß das ja. Aber wie ändern?“ Wir haben dann etwas ausgemacht. Sollte sie wieder was vor sich herschieben, dann werde ich ihr einen Hinweis geben. Achtung: nicht ignorieren! Nicht aufschieben!

Ein kleiner Hinweis von Freundin zu Freundin –  Achtung Fehler! Schon allein das hat bei ihr einen Unterschied gemacht. „Du -  ich bin schon fertig mit dem Antrag“, hat sie neulich zu mir gesagt. Und ich: „Äh, der muss doch erst nächste Woche weg...?“  Wir haben gelacht, denn ein bisschen hatte ich ihr vorher Beine gemacht. Nur nicht auf den letzten Drücker!

Es gibt viele kleine, auch liebenswerte Fehler, die ich ignorieren kann, bei mir und anderen. Aber anderes schadet auch. Nur auf Fehler ignorieren zu drücken hilft dann nicht weiter. Sondern hinsehen und die unangenehme Frage aushalten: Was hindert Dich, es anders, es besser zu machen? Das kann ein Gespräch mit einem anderen Menschen sein, der mir besser den Spiegel vorhalten kann als ein Computer. 

Nämlich liebevoll und Mut machend:  Du, es geht auch anders. Du kannst auch anders. Nicht ignorieren, sondern offen sein, Unterstützung finden - manchmal ein erster Schritt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07JUN2023
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„So, wie mein Name immer ausgesprochen wird, werde ich mich jedes Mal im Grab herumdrehen.“ Diesen Satz hat der Häuptling Seattle gesagt, der eigentlich anders hieß, aber unter diesem Namen in die Geschichte eingegangen ist. Im Evangelischen Gesangbuch findet sich das Lied „Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig“, und darunter steht: in Anlehnung an eine dem Häuptling Seattle zugeschriebene Rede.

Am 7. Juni 1866, vor genau 157 Jahren, ist er gestorben. Er hat im 19. Jahrhundert in den Auseinandersetzungen zwischen weißen Siedlern und Amerikas Ureinwohnern eine Rolle gespielt. Es wurde viel über ihn geschrieben: von kämpferischen Zeiten und umstrittener Anpassungspolitik. Von seiner Konversion zum Christentum und von der Rede, die ihm zugesprochen worden ist.

Berühmt geworden ist er für den Gedanken: Nicht nur der Mensch ist wichtig. Die ganze Erde ist heilig und mit Respekt zu behandeln. Die Erde gehört nicht dem Menschen, sondern der Mensch der Erde. So hat er gefragt: „Wie könnt ihr den Himmel oder die Wärme der Erde kaufen oder verkaufen? Diese Vorstellung ist uns fremd. Was immer der Erde widerfährt, widerfährt auch den Kindern der Erde.“ 

So hat er es ausgedrückt. Kinder der Erde – für mich hat das auch damit zu tun, sich als Kinder Gottes zu sehen. Vor Gott sind wir alle gleich viel wert - und gleich verantwortlich für den Erhalt dieser Erde, die sein Geschöpf ist. Das wurde im Laufe der Geschichte wieder und wieder vergessen.

Wir wissen ja, dass unsere Zukunft von der Zukunft der Erde abhängt. Doch über die Konsequenzen streiten wir. Häuptling Seattle hat es in einfache, eindrückliche Worte gefasst: Leben können wir nur mit, nicht gegen die Natur. 

Ich glaube, wenn immer mehr Menschen diese Einsicht leben würden, dann könnte Häuptling Seattle sicher friedlicher ruhen. Auch 157 Jahre nach seinem Tod gilt der Satz: Jeder Teil dieser Erde ist heilig. 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06JUN2023
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Neulich habe ich gedacht: Es ist Freitag, der Dreizehnte. Dabei ist es ein Dienstag gewesen, nichts besonderes – aber alles ist vom ersten Moment an schiefgelaufen: Verschlafen, kaum richtig wach, mit Kopfschmerzen und ohne Frühstück habe ich mich schnell fertiggemacht. Zum ersten Termin viel zu spät wegen Stau. An jeder Ecke, wo man sich verfahren oder verlaufen kann, die falsche Richtung genommen. Zwischendurch den Schlüssel verloren, einen wichtigen Brief nicht mehr gefunden, einen erwarteten Anruf verpasst und so weiter. Ich hätte diesen Tag am liebsten aus meinem Kalender gestrichen, er wollte einfach nicht besser werden. Und ich war heilfroh, als ich abends gut zuhause war und hätte am liebsten geheult -  und da kam diese Nachricht.

Von einem Kollegen, den ich kurz gesehen hatte, ein Gespräch zwischendurch. Er hat geschrieben: „Ich habe mich verstanden gefühlt. Gut, dass ich Dich heute gesehen habe.“ Eine kurze Nachricht, und auf einmal ist mir der vermieste Tag in einem ganz anderen Licht erschienen. Vielleicht habe ich alle kleineren Missgeschicke wie durch ein Vergrößerungsglas gesehen und dabei das eigentlich Wichtige ganz übersehen. Das geht schnell, vor allem wenn ich hetzte und nicht auf die kleinen Momente zwischendurch achte.

Es ist völlig egal, ob an einem Freitag, dem Dreizehnten oder an einem anderen Tag. Wenn es mal richtig blöd läuft, dann brauche ich zwei Dinge: einen Gott, der mir einen Schutzengel an die Fersten heftet, damit ich keinen Unfall baue oder sonst irgendwas Schlimmes passiert. Und jemanden, der mir einen Lichtblick schenkt. Der mir sagt: „Es war schön, Dich zu sehen. Dein Tag war nicht umsonst. Hey, so schlimm ist es doch gar nicht.“ Dann hat auch ein schwieriger Tag was Gutes, und zu irgendetwas ist man immer gut.

Diese Botschaft möchte ich Ihnen heute Morgen mit auf den Weg geben: Es ist gut, dass es SIE gibt – und einen wunderbaren Tag wünsche ich Ihnen!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05JUN2023
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„Charakterisiere die Hauptperson des Romans.“ Ich erinnere mich an manche Klassenarbeit in der Schule, wo solche Aufgaben gestellt worden sind. Gut geht das bei Personen mit extremen Charaktereigenschaften: hinterlistig und gemeingefährlich oder gütig und aufopfernd -  klare Einteilungen. Schwieriger wird es, wenn ich an mich selber oder an andere denke, die ich als unauffällig oder „ganz normal“ bezeichnen würde – wie kann das beschrieben werden?

Wenn ich zum Beispiel in einem Trauergespräch mir ein Bild von einem Menschen mache, dann sind die Erinnerungen von Angehörigen und Freunden wichtig. Manche erzählen über eine Person: Sie war immer zufrieden. Er war sehr hilfsbereit. Sie war lustig. Oder: er hatte stets einen guten Rat. So bleiben uns Menschen manchmal im Gedächtnis. Doch solche Beschreibungen sind nur ein Teil, denn: Jeder Mensch hat so viele verschiedene Facetten und Möglichkeiten. 

In der Bibel schreibt der Apostel Paulus, welche Facetten Christenmenschen am besten haben sollten. Paulus schreibt: Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. 

Fröhlich. Geduldig. Beharrlich. All das wäre ich gerne - und auch noch gütig und humorvoll, mit Gottvertrauen und Mut. Ein hohes Ziel! 

Manche leben das vor. Ich denke an Eric, einen Freund aus Canada. Der hatte mal einen hohen Posten, aber Ruhm und Ansehen waren ihm nicht wichtig. Im Ruhestand hat er bei der Tafel mitgearbeitet. Er hat sich mit Riesengeduld für Jugendliche eingesetzt, bescheiden und mit Humor.

Ich bewundere ihn.  Auch weil ich so oft anders bin. Ungeduldig. Unsicher. Ängstlich. Aber umso wichtiger ist es, dass ich Ziele und Vorbilder habe. Jede Angst, die durch Gottvertrauen kleiner wird, jede Ungeduld, die durch liebe Menschen verschwindet, machen den Charakter reicher. 

Charakterisieren Sie die Hauptperson des Romans - bei mir würde das vielleicht lauten: Nicht perfekt, aber unterwegs, um zu lernen. Und dankbar für Menschen, die mich dabei ermutigen. Wie wäre das bei Ihnen?

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04FEB2023
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Bald werden viele wieder verkleidet durch die Straßen ziehen. Im Theater kann man das das ganze Jahr über erleben. Neulich bin ich mal wieder im Theater gewesen. Und selten hat mich die Sache mit den Rollen so gepackt und fasziniert wie da. Da haben drei Männer unzählige Frauen-  und Männerrollen gespielt und sind rasant in Rollen und Kleider geschlüpft. Wandlungsfähig und supergenial. Manche Frage hat sich aufgelöst, sobald eine neue Verwandlung stattgefunden hatte.

Auch ohne Theater finde ich mich im Leben in bestimmten Rollen wieder. Oft passt dazu ein bestimmtes Verhalten, Kleidung, bestimmte Regeln. Als Mutter habe ich eine andere Rolle, als beim Predigen, als Freundin ist meine Rolle anders als die der Kollegin. Nicht immer sind es meine Regeln und Rollenbeschreibungen, die ich dabei befolge. Manches ist in unserer Gesellschaft einfach so - oder ich bin geprägt worden. So funktioniert vieles im Zusammenleben. Meistens kann man die Rollen der Anderen ganz gut einschätzen und ahnt, wie die Anderen sich verhalten werden. Allerdings: Was oft hilft, kann auch hinderlich sein. Wenn ich mich selber oder andere zu sehr festlege. Wenn es keine Überraschungen mehr gibt. Wenn ich mich unter Druck fühle, weil ich nur so sein darf und nicht anders. Manchmal hilft es, die Rolle zu überdenken oder zu wechseln. Wenn ich mal ein handfestes Problem habe, oder mich festgebissen habe.

Wenn ich in einer Rolle festgefahren bin, dann möchte ich mich an das Theater erinnern und versuchen, in eine andere Rolle zu schlüpfen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Ab und zu aus der Rolle fallen und in überraschte Gesichter schauen. Wenn es niemandem schadet, kann solches Spielen helfen – einfach mal der Narr sein und das nicht nur an Fastnacht.

Mal sehen, ob es gelingt, mit oder ohne Verkleiden. Ein Problem mit etwas Humor und Abstand, in anderer Rolle und mit mehr Spielraum anzusehen. Dann ist das Problem nicht weg, aber vielleicht spielt es dann in mir nicht mehr die Hauptrolle. So dass ich lachen kann wie neulich im Theater, weil das Leben oft ziemlich schräg ist.

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