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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23DEZ2023
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Was ist an Weihnachten heute eigentlich christlich? Wo doch Jesus gar nichts von Plätzchen und Tannenbäumen, von Glocken und Weihnachtsmann gewusst hat? Immer wieder bringen die jüngeren Gemeindemitglieder es mit Krippenspielen zum Ausdruck: Es geht hier nicht um irgendein Familienfest, sondern um einen einzigartigen Moment, um eine Geburt in einem Stall in Bethlehem. Die hat wie jede Geburt mit Gott zu tun und ist doch ganz anders. Gott wird Mensch, als kleines Kind. Gott überrascht. Gott lässt sich anders finden als gedacht.

 Die entscheidenden Momente, die mit Jesus Christus zu tun haben, waren keine lauten, da wurde nicht geworben und geläutet oder argumentiert und gestritten. Die drei entscheidenden Momente sind das Innehalten, das Staunen beim Neugeborenen in der armseligen Futterkrippe.

Dann das Trauern am Kreuz, die Totenstille - und dann das Erschrecken und Erkennen am leeren Grab. Alles Momente, die tief innen etwas bewegen, die besonders sind. Herzensmomente, die jeder nur selber in sich spüren kann. Das Christliche an Weihnachten ist für mich, dass es ganz anders ist als wir denken, dass es überraschend ist. Zum Staunen. Keine ausgedachte Religion, sondern ein geschenkter Moment. Wo sich zeigt: Da schenkt Gott Liebe in leisen Momenten, und solche Liebe kann noch 2000 Jahre später in mir etwas bewegen.

Ich weiß zwar, dass dieses kleine Kind viel noch vor sich hat, dass Menschenleben immer auch Menschenleid mit sich bringt. Aber Jesus steht für etwas, worüber ich nur staunen kann: Leben kehrt zurück. Hoffnung siegt. Der Anfang und das Ende sind Momente zum Staunen, ohne Worte, aber mit Hoffnung: es geht weiter, trotz allem. Ich bin auch dieses Jahr gespannt, welche Worte ich im Krippenspiel hören werde, die genau das zu fassen versuchen: Die unaussprechliche Liebe Gottes, die jedes Jahr neu staunen lässt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22DEZ2023
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Jedes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt denke ich an die Geschichte vom verlorenen Schaf. Ich weiß: Diese Geschichte spielt nicht im Advent. Jesus erzählt sie als Erwachsener, um zu beschreiben, dass Gott wie ein Hirte ist. Wie einer, der sich um ein einzelnes verlorenes Schaf Sorgen macht und alle anderen zurücklässt, bis er es wiederfindet. Ähnliche Sorgen hatte ich mal auf dem Weihnachtsmarkt. Da ist zwar kein Schaf verloren gegangen, aber der Sohn von Freunden. Unsere drei Kinder und deren drei Kinder hatten viel Spaß an den Buden. Auf einmal waren es nicht mehr sechs, sondern nur noch fünf Kinder. So sehr wir gesucht haben im Gedränge – vom sechsjährigen Simon keine Spur. Je länger Simon verschwunden war, desto größer wurde die Sorge. Was tun? Anders als im Gleichnis vom verlorenen Schaf hatten wir es einfacher. Wir hatten nicht 100 Schafe zu beaufsichtigen, sondern nur 5 Kinder - und waren nicht ein Hirte, sondern 4 Erwachsene. Die Suche ging los. Ich werde nie vergessen, wie das war, als ich ihn endlich gefunden habe: Wie große Gelassenheit und große Sorge aufeinanderprallen können. Er hat sich gar nicht verloren gefühlt, er hat fasziniert an einem Stand mit Blechspielzeug gestanden, hat uns und die Zeit vergessen und ist sichtlich erstaunt gewesen, als ich gerufen habe – „Da bist Du ja, Simon, Gott sei Dank!“ Ende gut, alles gut. Es gab eine Extra Zuckerwatte.

 Auf jeden Fall denke ich seitdem beim Weihnachtsmarkt an das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Und beim Gleichnis vom verlorenen Schaf denke ich: Kann es sein, dass ich oft gar nicht weiß, dass mein Weg mich von anderen, die mich beschützen oder mir guttun, wegbringt? Kann es sein, dass ich manchmal alles um mich herum vergesse und etwas verfolge, was mir irgendwann zu schaffen machen könnte? Simon hätte bestimmt irgendwann Angst bekommen.

Ich glaube an einen Gott, der seine Augen überall hat, und sich sorgt. Und der, wenn ich den Weg nicht finde, überall einen Weg sich bahnt, um mir zu helfen. Das kann sehr überraschend sein. Und beruhigend - auch im größten Gewimmel wird einer mich nicht vergessen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

21DEZ2023
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Eine Freundin von mir hat gerade ihre Mutter verloren. Die Frau, die immer da war - mit der sie so viel erlebt hat. In ihrem Leben hat es so bedrohliche Momente gegeben, sie hat fliehen müssen und hat woanders neu angefangen, um zu überleben. Kein leichtes Leben, aber die verstorbene Mutter hat immer gesagt: Es lohnt sich dennoch.

Sie hat nie den Glauben an Gott verloren. Wenn andere gesagt haben: „Ob es einen Gott gibt? Wenn Dir so viel zugemutet wird?“, da hat sie dennoch tief vertraut, dass er da ist. Aber auch sie hat Angst gekannt und tiefen Schmerz, und das macht jetzt vor allem ihre Familie durch – erstes Weihnachten ohne die Mutter und Oma, der so viel zu verdanken ist.

Wie soll das gehen? Es ist da nichts schönzureden: es ist eine schmerzhafte und zutiefst schlimme Erfahrung, wenn jemand fehlt, gerade an Weihnachten. Wo alles an früher erinnert, wo es um Freude und Gemeinschaft geht und auf einmal nichts mehr ist, wie es war.

Hinter vielen beleuchteten Fenstern und hinter vielen geschlossenen Türen gibt es solch schmerzhaften Erfahrungen – dass Weihnachten nicht mehr ist, was es war. Für viele eine schlimme Zeit voller Trauer: Es fehlt der wichtigste Mensch. Dennoch: Etwas bleibt, und das wird manchmal erst spürbar, wenn der erste Schmerz ein klein bisschen weniger wird.

Ein Platz am Tisch bleibt leer – aber der Platz im Herzen nicht. Der kann erfüllter werden mit der Zeit. Und der Platz bei Gott, der Platz in dieser Weihnachtswirklichkeit, wo Himmel und Erde verbunden sind, der bleibt auch nicht leer. Ein Mensch, der uns geprägt hat, ein geliebter Mensch kann mir nie genommen werden. Die Mutter meiner Freundin hat es so ausgedrückt: „Gott hat mir schon so viel geholfen, er hilft auch in Trauer.“ Auch durch den Tod hindurch bin ich bei ihm und wir bleiben verbunden. Weihnachten ist dann nur eine Etappe auf dem Weg, bis wir wieder zusammen sind. Ein Weg, der oft hart ist. Aber wie die Verstorbene gesagt hat: er lohnt sich. Kein Schmerz bleibt von Dauer. Die erlösende Liebe Gottes schon.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

20DEZ2023
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So was hatte ich noch nicht erlebt. Es gibt im Krankenhaus Stoßzeiten, da kommen die Visite, Physiotherapie und andere Dienste, das Essen oder Angehörigen. Und es gibt ruhige Zeiten, Alleinsein und Grübeln. Von der Krankenhausseelsorge wollten wir letztes Jahr vorweihnachtliche Klänge auf die Stationen bringen – nur wann? Weder die Visite noch den langersehnten Besuch wollten wir stören. Wir haben uns für den frühen Abend entschieden, kurz vor Weihnachten. Und vorher angekündigt, dass gleich Musik kommt. Wir sind als Klinikseelsorger unterwegs gewesen und zwei Musikerinnen haben uns mit Cello und Flöte unterstützt.  Und dann ist etwas Wunderbares passiert: Aus Zimmern, wo ich Patientinnen und Patienten noch am Morgen mal dösend, mal bedrückt oder sogar weinend vorgefunden haben, kamen auf einmal Stimmen, die mitsangen. Aus einem Zimmer sogar viele, weil gerade noch Besuch da war. Da, wo Menschen mit Rollator oder Stock kommen konnten, sind einige auf den Flur getreten, haben zugehört oder mitgesungen.

Nicht nur Helfende haben gesungen, sondern die Patienten selber, so gut es ging: O Tannenbaum, Alle Jahre wieder, und vieles mehr.
Singen, ja überhaupt Musik soll heilende Wirkung haben. Egal ob im Krankenhaus oder zu Hause. Die dabei waren, haben zumindest einen heilsamen Moment erlebt. Eine Erinnerung und einen Hoffnungsschimmer, über die Zimmergrenzen hinaus. Musik heilt; Musik verbindet: Vergangenes mit Heute, Verzagen mit neuer Hoffnung, Menschen miteinander und Fragmente meines Lebens, die in Krankheit oft so schwer zusammenzubringen sind, schwer auszuhalten sind. Durch nur wenige Töne hat sich wieder ein ganz anderes Bild ergeben können.  

Nicht nur im Advent, aber da ganz besonders. „Das war der schönste Moment im Krankenhaus“, sagte mir eine Patientin später. Lieder begleiten uns ein Leben lang - Hoffnung kann nicht besser ausgedrückt werden als durch die Melodie, die in der Tiefe meines Herzens liegt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

19DEZ2023
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„Manche haben Gesichter, als wäre Schenken was Schlimmes.“ Das sagt die Frau neben mir in der Straßenbahn. Die Frau neben mir ist sichtlich geschafft, und hat doch nur noch eine Sache in der Stadt besorgen wollen, eigentlich hat sie ja schon alles. Viel Gedränge hat sie erlebt. Und eben Menschen, von denen sie sagt: „Manche haben Gesichter, als wäre Schenken was Schlimmes.“

Stimmt, denke ich: Für jeden bedeutet Schenken etwas anderes. Die Menschen scheinen sich aufzuteilen in die, die Geschenke mögen und die, die es als Pflicht oder Druck erleben. Ich bin zwischen den Stühlen: Wo Schenken überdimensioniert ist, wo es in Druck oder Erwartungshaltungen ausartet, da stimmt es für mich nicht. Aber ich freue mich über Geschenke immer noch wie ein Kind, vor allem, wenn es Überraschungen sind. Klein, aber persönlich. Und ich schenke gerne. Das Eigentliche ist für mich die Geste dabei. Schenken an Weihnachten hat damit zu tun, dass Gott sich selber schenkt. So kann Schenken nicht materiell oder mit Druck geschehen, sondern von Herzen und frei. Jemanden eine Freude machen. Sich freuen, wie die Menschen an der Krippe sich gefreut und etwas mitgebracht haben. Miteinander Menschlichkeit erleben – in allem, was in der Welt gerade los ist und was Druck und Unfrieden macht. Eine Erinnerung daran, dass Schenken mit Frieden, Hoffnung und Solidarität zu tun hat. Gott an unserer Seite. Solidarisch. Gott ganz klein, ungeschützt, uns geschenkt. Was machen wir daraus? Hoffentlich nicht nur Gedränge und Unfreundlichkeit, worüber die Frau in der Straßenbahn stöhnte. Sie hatte eine Kleinigkeit erworben: eine Wolle für den Schal, den ihr Enkelkind bekommen soll, den will sie noch fertig machen. „Es soll es warm am Hals haben und an mich denken können - ich hoffe, der Schal kommt gut an“, sagt sie.

Da bin ich sicher. Ich glaube, diese Frau schenkt etwas von sich selbst – wie der Dichter Joachim Ringelnatz es ausdrückt: „Schenke herzlich und frei. Schenke dabei, was in dir wohnt.“ Das geht auch jetzt noch. Ohne Druck -  frei und herzlich.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18DEZ2023
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Dieses Jahr habe ich mir schon im September vorgenommen, mich auf den Advent zu freuen. Und ab und zu war es tatsächlich da, dieses Vorfreudegefühl. Und jetzt, wenn ich Kinder sehe, die auf dem Weihnachtsmarkt gerne Karussell fahren und Plätzchen naschen, dann ist die Adventsfreude da -trotz aller Krisen, Enttäuschungen und Sorgen.

Dabei ist der Advent fast schon wieder vorbei, es ist der letzte Montag im Advent. Und bei aller Freude: wie kann ich das ausklammern, was gerade auf der Welt los ist, oder Menschen vergessen, die ich im Krankenhaus betreue und die alles andere als Freude empfinden?

Ich glaube, dass beides, das Schöne und das Traurige zusammengehören. So wie wir Bitteres und Süßes schmecken können, manchmal sogar gleichzeitig. Advent ist die Vorfreude auf einen Gott, der Bitteres auf sich nimmt. Advent ist ein Öffnen von Türen, die manchmal erst durch Bitteres hindurch neues Licht und neues Schmecken möglich machen.

Ich wünsche jedem Menschen, dass auch in schweren Zeiten Inseln der Freude möglich sind, dass stürmische, schwere oder ratlose Zeiten kleine Verschnaufpausen lassen - mal bei einem duftenden Tee, einem Stollen, bei Kerzenlicht und Gebet. Bei guter Musik. Ich brauche das. Daher habe ich dieses Jahr die Freude etwas ausgedehnt. Ein kleiner Trick, aber manchmal hat das schon vor Adventsbeginn geholfen, und auch jetzt habe ich einen Vorsatz gefasst: Mich auf Weihnachten freuen, aber ganz besonders auf den Teil der Weihnachtszeit, der noch lange bis ins neue Jahr geht.  Ruhigere Tage, wirkliche Besinnung und Aussichten auf ein neues Jahr, das mehr von Zuversicht als von Ängsten bestimmt sein darf. Wenn ich an Weihnachten erlebe, dass Menschen mit mir in dieser Hoffnung und Vorfreude unterwegs sind, und wenn ich mich durchs Christkind an alle Kinder erinnern lassen, dann finde ich Inseln der Freude. Und das lässt in mir Kraft wachsen, auch für das Schwere. Und Hoffnung: Advent heißt, dass Gutes kommt!

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Anstöße sonn- und feiertags

17DEZ2023
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Nur 18 Jahre alt ist sie geworden: Selma Merbaum, eine weniger bekannte deutschsprachige Dichterin aus Rumänien. Nächstes Jahr würde sie hundert werden, doch gestern hat sich ihr Todestag zum 81. Mal gejährt. In ihren wenigen Jahren erlebte sie den Verlust ihres Vaters, das Leben im Ghetto und KZ. Schon als Schülerin dichtet sie. Nur durch zwei Freundinnen ist sie heute noch bekannt, denn die haben die fast 60 Gedichte gerettet. Wie viele mehr wären es geworden, hätte nicht der unfassbar brutale Hass so früh ihr Leben vernichtet.

Menschen sind zu den schlimmsten Dingen fähig. Menschen sind aber auch zu guten Dingen fähig. Es gibt Zeitzeugen des Holocaust, die sich alten Wunden aussetzen und davon erzählen, damit Andere aus der Geschichte lernen. Es gibt in allen Weltanschauungen und Religionen Menschen, die für Versöhnung und Menschenwürde eintreten. Und es gibt Kunst, die selbst Schlimmstes überdauert und zeitlose, auch traurige Wahrheit in bestechende Worte fasst.

Selma Merbaum ist für mich eine Künstlerin, die im Holocaust zugrunde ging, aber nie sterben wird. Das Lager, in dem sie gestorben ist, lag in der heutigen Ukraine. Dort ist heute Krieg. Sie hatte ihre Hoffnung auf Israel gerichtet, wo sie nie hingekommen ist– auch dort ist kein Frieden. So gelten Selma Merbaums Worte uns, die wir heute leben. In einem ihrer Gedichte beschreibt sie den Tanz Gilu mit den Worten: „Für uns ist es das Symbol unseres Lebens, unserer Wünsche: Freiheit auf allen Gebieten!“ -Frieden und Freiheit für alle Menschen. Wann wird das wahr? Vielleicht nie. Aber die Hoffnung, dass wir dem näherkommen, haben viele. Wir können mit wirken an einer Welt, in der niemand mehr ein so etwas erleiden muss, indem wir den Traum von Frieden und Freiheit immer mehr verwirklichen. Dann bleibt Frieden kein Traum und kein frommer Weihnachtswunsch, sondern der Wille Gottes auf Erden, zu dem wir berufen sind. Selma Merbaum ist am 16. Dezember 1942 mit 18 Jahren gestorben– aber unverwüstlich ist die Sehnsucht, die sie mit so vielen verbindet: Frieden und Freiheit. Endlich!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

16SEP2023
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Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Diesen Satz habe ich schon oft bei Beerdigungen gesagt. Und auch für mich selber habe ich immer wieder zu ergründen versucht, was das wohl heißen kann. „Dass wir sterben müssen“ - eigentlich eine Banalität. Wir wissen es. Dass wir sterblich sind. Dass alles, was uns umgibt, endlich ist.

Dennoch ist der Tod eine meist verdrängte Wahrheit. In dem biblischen Vers wird er mit zwei Worten verbunden, die mit Bildung zu tun haben. Mit Lehre. Und mit Klugheit. Zwei Wörter, die viel mit dem Leben zu tun haben.

Ich erinnere mich an meine Geburtsvorbereitungskurse. Für mich war es hilfreich. Zu wissen, was auf mich zukommt. Und zu wissen, dass ich nicht über alles, was da passieren kann, beunruhigt sein muss.  Dass Manches ganz normal ist, auch wenn es für mich ungewöhnlich und beängstigend sein kann. Kann ich mich wie auf die Geburt meiner Kinder auch auf das Sterben vorbereiten?

Sich damit auseinanderzusetzen hat etwas Gutes: Angst kann durch Wissen kleiner werden. Inzwischen gibt es sogenannte Letzte-Hilfe-Kurse. Wie bei den Erste-Hilfe-Kursen wird da in wenigen Stunden viel Wissen vermittelt, und zwar über das, was in den letzten Lebenstagen helfen kann. Es wird erklärt, wie sich der Tod vielleicht zeigt. Und was wir tun können, um nicht hilflos, sondern vorbereitet zu sein, ein bisschen jedenfalls.

Das Psalmwort „Lehre uns bedenken,…“ - das ist auch ein Gebet, das zum Vertrauen führen kann.

Und im Vertrauen auf Gott sagt: Der Tod hat auch eine wichtige Funktion, die oft vergessen wird. Er zeigt mir nämlich, dass all unsere Zeit kostbar ist.  Ein Schatz, den ich nicht vergeuden sollte. Gutes zu tun oder zu genießen, bewusst zu leben und Zeit für meine Liebsten und für meine Werte zu haben, das könnte dieses Klugwerden heißen.

Carpe diem. Pflücke den Tag! Das Heute ist wichtig, morgen könnte es zu spät sein. Ein schöner Aufruf – und eine Einladung, jetzt zu leben!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15SEP2023
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Einmal eine Nacht lang das Licht auslassen. Sobald es dunkel ist, überall auf elektrisches Licht verzichten: Was wäre das für eine Erfahrung? Bei der Earth Night, die nicht nur in Deutschland heute begangen wird, bleibt das Licht aus.

Nur einen Abend lang, eine Nacht lang. In Betrieben, auf der Straße, vielleicht auch im Nachbarhaus. Das ist vielleicht nur ein kleines Zeichen. Ein kleiner Beitrag, den wir leisten können, um Energie zu sparen, die nicht endlos zur Verfügung steht.
Manche sagen vielleicht: Das ist ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Oder: was soll das bringen angesichts der Weltbevölkerung, angesichts der Industrie und Wirtschaft, die pausenlos produzieren?

Ich kann diesen Einwand verstehen - oft genug lasse ich mich auch von Resignation anstecken. Aber ich will das nicht, weil ich auch die Hoffnung für die Welt nicht aufgebe - und nicht aufhöre zu hoffen, dass noch Veränderung möglich ist.

Wenn ich heute das Tageslicht nutze und abends kein künstliches Licht anmache und wenn auch Straßenbeleuchtungen ausbleiben, dann wird mir eines auf jeden Fall bewusst: all das Licht, all unser Komfort ist zum Teil auch Luxus und ist nicht selbstverständlich. Und wird es auch nie sein.

Die Erde ist uns geliehen. Anvertraut, um sie zu bebauen und zu bewahren. So steht es auf den ersten Seiten der Bibel. Alles, was wir brauchen und gebrauchen, ist nicht selbstverständlich – und ist daher mit Verstand und Maßhaltung zu nutzen, nicht mit Gier und Gleichgültigkeit.

Heute abend zünde ich eine Kerze an. Oder sehe vielleicht einen Stern oder den Mond. Um dann den Tag, der hinter mir liegt, noch mal auf mich wirken lassen und vielleicht zu spüren: In jedem Tag liegen viele Geschenke. Aber auch Aufgaben. Und eine Aufgabe ist ganz bestimmt: Pass auf - auf dich; auf deine Mitgeschöpfe, auf die Welt. Weniger Licht ist manchmal mehr, weil dann sichtbar wird, was wirklich wichtig ist.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

14SEP2023
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Wollen Sie sich heute mal ein bisschen Luxus gönnen? Das ist ganz leicht möglich – auch ohne Geld. Denn heute ist der Tag der Stille. Und Stille ist ein echter Luxus. International Quiet Day – den würde ich auch gerne begehen, aber wie ich mich kenne, klingelt nachher mein Handy oder bellt mein Hund, und schon ist es aus mit der Stille.

Ob Fluglärm oder Nachrichtentöne, Menschen oder Tiere, Autos oder andere Maschinen. Wer hört, der hört meist nicht wenig, sondern eine Vielzahl von Geräuschen. Lärm kann krank machen, das ist längst erforscht. Aber Stille wird noch nicht allzu oft verordnet, obwohl sie eine wirksame Medizin sein könnte.

Ein arabisches Sprichwort sagt: „Zehn Gebote hat die Weisheit. Neunmal ‚Schweig!' und einmal ‚Red‘ wenig!“ Ich habe das selbst erfahren. Ein paar Mal habe ich mir den Luxus gegönnt, mich ganz bewusst einer Zeit der Stille auszusetzen. Ich war in Klöstern für eine stille Zeit, sogenannte Schweige-Exerzitien.

Da schweigt man freiwillig für ein paar Tage, nimmt Mahlzeiten miteinander ein, aber in Stille, verzichtet auf Handy und anderes und singt und betet mit, aber eben als Gast.

Da habe ich etwas gefunden, was mir sonst fehlt: friedliche Stille, Verständigung auch ohne Worte. Eine Sehnsucht, die in mir ist und die von äußeren Dingen so oft zugedröhnt wird.

Wenn ich Zeiten der Stille finde, merke ich, wie ich auch wieder anderen Menschen besser zuhören kann, wie auch die Beziehung zu mir und zu meinen Mitmenschen positiv beeinflusst wird.

Unbedingt wegfahren muss ich dafür aber nicht. Diesen Luxus kann ich mir sogar zuhause gönnen. Mir einen kleinen Ort schaffen, wo es möglichst ruhig ist: Eine Auszeit am See, am Fluss oder irgendwo in einer ruhigen Kapelle. Oder Zuhause. Anselm Grün nennt diesen Ort den „Raum der Stille in mir, wo Gott wohnt“.

Heute ist ein guter Tag, ihn aufzusuchen. Und die Stille zu genießen, die heilsam ist.

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