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SWR4 Abendgedanken

09FEB2023
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Jetzt ist das Jahr gerade Mal sechs Wochen alt. Da kann man schon noch fragen, was man von dem Jahr so erwartet, finde ich. Jedenfalls habe ich das in der Schule meine Klassen gefragt. Sie sollten sich im Raum aufstellen. In die eine Ecke, wenn sie die Zukunft ganz entspannt sehen. Und in die andere Ecke, wenn sie sich eher Sorgen machen, was dieses Jahr noch alles auf uns zukommen könnte. Was mich dabei echt zum Nachdenken gebracht hat, war: je älter die Kinder waren, desto mehr von ihnen standen in der „Sorgen-Ecke“.

Bei dem, was gerade so auf unserer Welt los ist, würde ich vermutlich auch eher in der „Sorgen-Ecke“ stehen. Andererseits möchte ich mir eigentlich gar nicht immer nur Sorgen machen. Schon allein deshalb, damit meine Kinder trotzdem mit Freude aufwachsen können. Mir hilft da ein Satz von Jesus, den er mal gesagt hat: „In der Welt habt ihr Angst. Aber fasst Mut, ich habe die Welt besiegt!“ Ich finde es gut, dass Jesus nicht gesagt hat: „Macht Euch keine Sorgen.“ Oder: „Ihr braucht keine Angst zu haben.“ Nein. Ich glaube, dass er gewusst hat, dass es einfach Sachen auf unserer Welt und in unserem Alltag gibt, die uns Angst machen. Damals, wie heute. Damals waren es vielleicht die Angst vor den Römern – der Besatzungsmacht. Oder die Angst vor Krankheiten. Heute ist es die Angst vor einem Krieg, der sich ausbreitet. Oder die Angst, die Strom- oder Gasrechnung nicht mehr bezahlen zu können. Und auch die Angst vor manchen Krankheiten ist noch geblieben.

Deshalb geht der Satz von Jesus ja auch noch weiter. Fasst Mut, sagt er, ich habe die Welt besiegt. Ich verstehe das so: Dass nicht alles, was uns Angst macht und uns Sorgen bereitet, plötzlich weg ist. Nein. Aber Jesus hat uns durch sein Leben immer wieder gezeigt, dass es mehr als das gibt. Eine Welt, wie Gott sie sich für uns gewünscht hat. Ohne, dass sich Nationen angreifen. Ohne, dass jemand krank wird. Und genau dieses Mehr ist es, das mir eigentlich Mut macht. Denn ein bisschen was von dieser anderen Welt, wird sichtbar, wenn ich was dafür tue. Mich zum Beispiel gerade in der Schule dafür einsetze, wie Kinder und Jugendliche miteinander und mit mir umgehen.

Ich habe mich am Ende dann auch in keine der Ecken gestellt. Eher in die Mitte. Aber doch mehr Richtung entspannte Zukunft. Genau deshalb. Weil ich ein Stück weit, in meinem Alltag, was dafür tun kann, dass wir nicht nur voller Sorgen in die Zukunft schauen.

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SWR4 Abendgedanken

08FEB2023
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Endstation – so muss es sich für die Frau anfühlen. Sie ist Mitte 70. Ihr Mann im Pflegeheim und schwer dement. Ich begleite die Familie gerade in meiner Gemeinde.

Jetzt hat sie das Haus verkauft und zieht in eine kleinere Wohnung. Eigentlich wollte sie das noch mit ihm zusammen. Aber zu Hause ging es einfach nicht mehr. Jetzt der Umzug. Aber Endstation?

Ich meine, die Situation an sich ist schon bitter. Er hat bis 70 gearbeitet. War selbstständig. Ist dann krank geworden. Demenz. Was für eine Diagnose. Und es ist so schnell so viel schlimmer geworden, dass er jetzt ins Pflegeheim musste. Für die Familie war das ein Abschied auf Raten und doch auch eigentlich keiner. Er ist ja noch da.

Dass das Leben und alles, was dazugehört irgendwann einmal zu Ende ist, scheint die Menschen schon früher beschäftigt zu haben. In einem Gebet in der Bibel heißt es: „Der Mensch ist so vergänglich wie das Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Feld. Wenn der Wind über sie hinwegfegt, ist sie dahin. Wo sie gestanden hat, bleibt keine Spur von ihr.“

Es stimmt: Unser Leben kann sehr zerbrechlich sein. Für diese Familie bricht da buchstäblich ganz vieles von heute auf morgen weg. Und trotzdem: Jeder Mensch hinterlässt Spuren im Leben, auch, wenn der Mann sich nicht mehr daran erinnern kann. Gemeinsame Erinnerungen, Urlaube, Planungen, vielleicht eine Familie. Deshalb ordnet dieses Gebet auch das Leben in ein großes Ganzes ein. Und erinnert daran, dass das Leben ein großes Geschenk von Gott an uns Menschen ist. Und, dass es gut ist, das nicht zu vergessen. „[…] und vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat“, so heißt es auch in diesem Gebet.  

Ja, die Situation der Frau ist bitter. So hat sie sich das sicher nicht vorgestellt, und ich hätte es ihnen auch anders gewünscht. Und trotzdem ist es alles andere als eine Endstation. Es ist eine weitere Station auf dem Weg des Lebens. An der jetzt eben vielleicht dran ist, das nicht zu vergessen, was alles gut war in diesem Leben. Dankbar dafür zu sein, was sie alles gemeinsam geschafft und erlebt haben.

Schmerzvoll ja, aber nicht hoffnungslos. Der Weg hat sich verändert, ist anders verlaufen als gedacht. Das ist sicher nicht einfach. Aber wer weiß, vielleicht kann so auch dieser Abschnitt noch was ganz Besonderes werden.

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SWR4 Abendgedanken

07FEB2023
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Immer, wenn ich ein Eichhörnchen sehe, muss ich daran denken, dass Gott jetzt lächelt. Doch wirklich. Warum? Na ja: Ich war bei einem Seminar und das hat mit so einer Entspannungsübung angefangen. Wir sollten die Augen schließen, ruhig atmen und dann an etwas denken, was an dem Tag schön war. An dem Tag habe ich morgens bei uns auf dem Balkon ein Eichhörnchen gesehen. Deshalb habe ich an dieses Eichhörnchen gedacht. Und dann kam die nächste Aufgabe. Dass wir uns eben vorstellen sollten, dass uns in diesem Augenblick Gott angelächelt hat.

Dieses Bild kriege ich jetzt nicht mehr aus dem Kopf. Weil ich das in dem Moment so toll fand. Gott lächelt mich an. Durch dieses kleine rotbraune Pelzknäuel. Irgendwie dachte ich in dem Moment: Ja, eigentlich stimmt das. In der Bibel gibt es viele alte Gebete, die genau das beschreiben. Dass Gott auch in den ganz kleinen und alltäglichen Sachen uns Menschen begegnet ist.

Die Frage ist dabei vielleicht: Will und kann ich das so sehen. Oder nicht. Ich meine, dass da an dem Morgen gerade ein Eichhörnchen vor meinem Fenster war. Dass kann ja auch einfach Zufall gewesen sein. Oder es hatte Hunger und hat sich bei den Sonnenblumenkernen im Vogelhäuschen bedient – wenn Eichhörnchen denn Sonnenblumenkerne fressen. Aber ja: Ich glaube, dass mir Gott jeden Tag auf ganz unterschiedliche Weisen begegnen kann. Wenn ich mich mit anderen Leute treffe und unterhalte. Wenn ich morgens mit meinem Hund unterwegs bin und es langsam hell wird. Wenn mich jemand in der Fußgängerzone einfach so anlächelt.

Ich glaube, ich bin aufmerksamer geworden, seitdem ich da ein bisschen mehr drauf achte. Aufmerksamer, dankbarer und vielleicht ein bisschen besser gelaunt. Es gibt so viele Sachen, die mir meinen Alltag manchmal echt schwer machen. Und ich mache mir manchmal so viele Sorgen über die Zukunft. Wo sich unsere Welt gerade hin entwickelt. Dass sich die Leute – zumindest gefühlt – immer mehr streiten. Und dann noch jeden Tag in den Nachrichten Krieg, Inflation und Klimawandel. Ich merke, dass es mir guttut, nach den schönen Sachen zu suchen. Das in meinem Alltag zu finden, worin mich Gott anlächelt. Mich nicht nur runterziehen zu lassen. Sondern mich an den vielen kleinen Sachen zu freuen, die es – Gott sei Dank – auch gibt. Und sei es eben in einem kleinen Eichhörnchen. Ich glaube, ich nenne es ab jetzt Smiley. Und hoffe, dass es noch oft zu Besuch kommt.

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SWR4 Abendgedanken

06FEB2023
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Ach wissen Sie … meine ganze Kraft gehört jetzt meinem Mann. Das hat mir bei einem Besuch neulich eine Frau erzählt. Er – erst Anfang 70 – ist krankheitsbedingt ein sogenannter Vollpflegefall. Und sie hat es sich zur Aufgabe gesetzt, ihn zu pflegen. Und zwar rund um die Uhr. Man sieht es ihr an, wie sehr das an ihre Substanz geht. Sicher: zwei Mal am Tag kommt der Pflegedienst und auch die Kinder sind mit eingespannt. Aber die meiste Zeit ist sie doch allein. Vor allem nachts.

Ich sehe ihre Erschöpfung und den festen Willen, dass sie es schaffen will, ihn daheim zu pflegen. Ich spüre, dass sie enttäuscht und traurig ist. Dass sie sich den gemeinsamen Lebensabend doch irgendwie anders vorgestellt hatten. Ihre Wut, dass sie dieses Los gezogen haben.

Und ich merke: Nichts von dem, was ich sagen könnte, würde sie trösten. Keine Sprüche, keine Geschichte. Es kommt wirklich nicht oft vor, dass ich sprachlos bin. Aber in so einem Fall? Das macht auch mich irgendwie hilflos und verunsichert mich.

Deshalb habe ich beschlossen, einfach nur da zu sein. Zuzuhören. Mir ihre Geschichte erzählen zu lassen. Wo sie herkommt, wie sie sich kennengelernt haben. Wie ihre Kinder auf die Welt gekommen sind. Von vielen Urlauben, Wanderungen und Ausflügen. Während sie erzählt hat, war ich einfach nur da. Habe mit ihr gelacht, als sie was von den Enkeln erzählt hat. Am Ende haben wir noch ein Gebet gesprochen und ich habe mich verabschiedet.

Dieser Besuch hat mich noch lange begleitet. Weil ich glaube, dass es ganz vielen Menschen so geht. Und dass es vielen Menschen so guttun würde, wenn sie jemanden hätten, der einfach für sie da ist. Und zuhört. Genau das ist aber oft so schwer. Das habe ich ja auch gemerkt. Ich würde doch so gerne helfen. So gerne trösten. So gerne irgendwas tun, damit es der Frau besser geht. Aber das hilft alles nicht. Und das macht mich so sprachlos. Und dann denke ich, bevor ich nicht weiß, was ich sagen soll. Oder sogar noch was Falsches sage, ziehe ich mich lieber zurück.

Ich bin mir mittlerweile aber ganz sicher: Ich muss gar nichts sagen. Ich muss gar nichts tun. Einfach nur da sein und zuhören.  Damit diese Frau merkt, dass sie nicht allein ist. Dass die Welt sie nicht vergessen hat. Vielleicht, dass Gott sie nicht vergessen hat. Dass sie einfach nicht allein ist mit dem, was sie umtreibt.

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SWR4 Abendgedanken

30DEZ2022
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Schon wieder ist ein Jahr zu Ende. Was uns wohl das neue bringen wird? Ich versuche eigentlich schon immer alles eher positiv zu sehen. Aber ich schwitze jetzt schon, wenn ich an die Stromabrechnung denke, die irgendwann im Januar ins Haus flattern wird. Und, wenn ich so an die letzten Jahre denke. Was alles passieren könnte, dann fühle ich mich schon so ein bisschen hilflos und allein gelassen. Was ist, wenn jemand in der Familie krank wird? Oder ich an einen Freund denke. Kann er seinen Job jetzt doch behalten, oder kommt noch irgendwann die Kündigung?

„Du bist ein Gott, der mich sieht. Das ist ein Satz aus der Bibel. Es ist die Jahreslosung, so etwas wie das Motto, das über dem nächsten Jahr 2023 stehen wird. Du bist ein Gott, der mich sieht. Das hat eine Frau in der Bibel gesagt. Sie war eine schwangere Magd, eine Sklavin, auf die niemand groß Rücksicht genommen hat. Eines Tages ist sie davongelaufen, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat. Ihre Herrin hatte sie furchtbar gequält, aus Eifersucht und Neid. Schwanger und allein saß die Arme nun in der Wüste auf der Flucht. Sie hatte schon fast aufgegeben – da wurde sie von einem Engel gerettet. Aber nicht durch ein Wunder, nicht durch Geld oder was zu Essen. Nein. Der Engel hat die Frau gerettet, indem er ihr ihre Würde zurückgegeben hat. Er hat sich für sie interessiert. Er hat ihre Not gesehen und ihr so ganz wortwörtlich ihr Ansehen wiedergegeben. Und da wusste die Frau, dass sie nicht alleine ist. Und dass es eine Zukunft für sie und ihren Sohn geben wird.

Du bist ein Gott, der mich sieht. Für mich heißt das: Gott interessiert sich für mich. Weiß, wie es mir geht und was mich so beschäftigt. Gott sieht mich und jeden einzelnen Menschen.

Das heißt für mich auch, dass er sieht, was mich in diesen Tagen um Silvester umtreibt. Dass er mit auf jede Abschlagszahlung schaut, die uns zum Schwitzen bringt. Dass er auf jede Bewerbung schaut, die jemand voller Hoffnung an eine Firma schickt. Auf jedes Krankenblatt, jedes Kündigungsschreiben, jede Geburtsurkunde und jede Glückwunschkarte. Dass er einfach immer und überall mit dabei ist.

Mir hilft das, dass ich weiß: Egal, was mir 2023 so bringt. Gott sieht mich. Und er ist immer für mich da. Davon kann ich natürlich auch keine Rechnungen bezahlen. Und eine Krankheit verschwindet auch nicht einfach so wieder. Aber ich weiß einfach. Da sorgt nochmal jemand mit. Da schaut buchstäblich nochmal jemand mit drauf.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Rutsch. Lassen Sie sich sehen. Nächstes Jahr.

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SWR4 Abendgedanken

29DEZ2022
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Ich frage mich in letzter Zeit oft, was eigentlich gerade mit unserer Welt los ist. Krankheiten, Kriege, Katastrophen. Auch die Advents- und Weihnachtszeit hat sich dieses Jahr deshalb irgendwie dunkler angefühlt. Da passt es vielleicht ganz gut, dass es in diesem Jahr auch nicht so viel Beleuchtung gegeben hat. Auf der Welt ist eben nicht alles hell, strahlend und in Ordnung.

Jesus hat Mal selber von sich gesagt, dass er das Licht der Welt sei. Und genau dieses Licht kam an Weihnachten zu uns. Gott ist zu uns gekommen, weil er es ganz genau wissen wollte, wie es ist als Mensch zu leben. Und wie es ist Mensch zu sein.

Ich denke, dass viele Probleme von damals genau die gleichen gewesen sind, wie heute. Es gab auch damals die Armen, die wenig bis nichts hatten. Es gab die Reichen, die vor lauter Geld gar nicht wussten, wohin mit ihrem Reichtum. Die sich Paläste gebaut haben und vom Fenster aus in die Slums der Armen rüber schauen konnten.

Es gab mächtige Herrscher, die im Prinzip machen konnten, was sie wollten. Und die, die von der Hand in den Mund gelebt haben. Und eigentlich ist es heute doch auch noch so.

Natürlich haben wir uns weiterentwickelt. Gott sei Dank. Wir haben Fortschritte gemacht in der Medizin und Technik. Und ich dachte, wir wären auch friedlicher geworden und vernünftiger. Aber der neue Krieg in Europa, in der Ukraine hat mir deutlich gezeigt: Es gibt eben immer noch Menschen, die ein genug nicht kennen. Die immer noch mehr Macht brauchen. Und denen es scheinbar ganz egal ist, was sie damit anderen Menschen antun. Bei denen Profit an erster Stelle steht. Und die vermutlich alles kurz und klein schlagen würden, damit sie nicht zugeben müssen: Ich lag falsch.

Jesus hat uns da in seinem Leben was ganz anderes vorgelebt. Ihm war es wichtig seinen Freunden zu zeigen, dass nur eines wirklich wichtig ist. Und zwar, wie wir Menschen miteinander umgehen. Menschlichkeit ist wichtig – und nicht Ruhm und Macht. Und – und das ist vielleicht das wichtigste überhaupt – dass Jesus dann immer bei uns sein wird. Auch heute. Und gerade dann, wenn ich mich frage, was mit der Welt eigentlich los ist. Bei allem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, könnte man sicher Denken, dass die Zukunft finster aussieht. Und vielleicht am liebsten den Kopf in den Sand stecken. Aber genau das will ich nicht. Denn: das Licht ist da. Es ist nicht umsonst, menschlich zu bleiben. Wir können füreinander da sein und ganz viele Menschen sind füreinander da. Die Reichen und Mächtigen werden das vielleicht niemals verstehen. Aber ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass die Menschlichkeit zählt. Das macht unsere Welt ein bisschen heller. Und dafür brauchen wir keine Weihnachtsbeleuchtung.

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SWR4 Abendgedanken

28DEZ2022
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Die Weihnachtskrippe mit dem Jesuskind kennen viele von uns ja eigentlich von klein auf. Da vergisst man leicht, dass eine Krippe eigentlich ein Futtertrog für Tiere ist. Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie es wäre, wenn diese Krippe selber erzählen könnte, was in dieser Nacht passiert ist?

Vielleicht ja so:
Mit Heu und Stroh kenne ich mich aus. Aber so was, habe ich jetzt auch noch nicht gesehen – das ist mir an diesem einen Abend durch den Kopf gegangen … Oh, wie unhöflich – bitte um Entschuldigung. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Kripastian, aber meine Freunde nennen mich Krippi. Ich bin eine Futterkrippe in einem Stall in Bethlehem. Zumindest war ich das bis eben diese zwei komischen Leute in den Stall gekommen sind. „Hier könnt ihr diese Nacht schlafen“, hat mein Chef zu ihnen gesagt. Aber mit Schlafen war nicht viel los in der Nacht.

Leider konnte ich nicht so richtig sehen, was da eigentlich vor sich ging. Aber plötzlich haben zwei sanfte Hände da etwas in mich hineingelegt. „Hmm – Heu war das nicht. Das riecht ganz anders. Stroh auch nicht. Das piekst viel mehr. Was konnte das sein? Es war klein, ein bisschen schrumpelig und irgendwie eingewickelt … und es hat sich bewegt. Ganz ruhig ist es plötzlich geworden. Und eine warme und sanfte Stimme hat gesungen: „Still, still, still, weils Kindlein schlafen will.“

Da habe ich es erst begriffen. Es war ein Baby, das da lag. Aber das geht doch nicht. Da haben doch kurz davor erst meine Freunde ihr Abendessen bekommen. Ein sabbernder Ochse und ein Esel. Menschen – auf Ideen kommen die manchmal.

Die Frau schien das nicht zu stören. Sie sang einfach weiter. Und ich wurde auch seltsam ruhig. Es gab nur noch mich, das Baby und diese Stimme. Dann muss ich wohl eingeschlafen sein und hatte einen ganz seltsamen Traum:

Es wurde plötzlich ganz hell und da waren plötzlich Schafe und noch viel mehr Menschen, die Geschenke mitgebracht haben. Das war schon fast königlich. Es herrschte Frieden auf der Welt. Zwischen Menschen und Tieren. Alles war irgendwie so liebevoll – als würde irgendjemand die ganze Liebe auf einmal über die Welt ausschütten. Ich war in dem Moment einfach nur glücklich.

Irgendwas ist besonders an dieser Familie und an diesem Kind. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich ein Teil von etwas ganz Großartigem geworden bin. Auch, wenn ich mir fast nicht vorstellen kann, dass sich irgendjemand für eine Futterkrippe in Bethlehem interessiert. Irgendwas hat sich aber verändert in dieser Nacht. Gott sei Dank.

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SWR4 Abendgedanken

27DEZ2022
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Neulich war ich bei uns in der Fußgängerzone unterwegs – es war noch Weihnachtsmarkt. Da kam eine junge Frau geradewegs auf mich zu: Knallpinke Haare, Jeans mit Löchern und einem struppigen Hund an der Leine. Ich war mir sicher, gleich kommt die Frage, ob ich mal nen Euro hätte – oder zwei. Für Hundefutter oder so etwas. Und innerlich habe ich mir schon zurechtgelegt, wie ich sie abwimmeln könnte. Und dann kam dieser Satz: „Entschuldigen Sie bitte, haben Sie vielleicht ein Taschentuch für mich?“

Klar, hatte ich. Und das wars auch schon. Ich glaube, ich hätte in dem Moment gerne Mal mein Gesicht gesehen. So geschämt habe ich mich. Wie kann man jemanden nur wegen seinem Aussehen gleich in so eine Schublade stecken? Das war mir echt arg. Gerade im Advent und in der Weihnachtszeit.

Da feiern wir doch, dass Gott selbst zu uns gekommen ist. Und zwar ganz egal, wie wir aussehen oder ob wir etwas hermachen. Das war ihm selber auch nicht wichtig. Er ist nicht mit viel Glanz und Gloria und einem großen Staatsempfang gekommen. Im Gegenteil. Still und leise bei den Ärmsten der Armen. In einem Stall. Nur ein kleines neugeborenes Kind. Hilflos. Schutzlos. Und völlig darauf angewiesen, dass es versorgt wird. Und doch: Gott selbst.

„Der Mensch sieht nur auf das Äußere, Gott aber sieht das Herz.“ An diesen Satz aus der Bibel, musste ich nach meiner kleinen Begegnung mit der jungen Frau immer wieder denken.

Das war auch was, was Jesus in seinem Leben immer wieder deutlich gemacht hat. Beurteile die Menschen nicht vorschnell nach ihrem Äußeren. Noch nicht einmal, nach dem, was sie tun und welche Rolle sie versuchen, auszufüllen. Er hat sich von jedem und jeder ansprechen lassen. Er hat sich mit Gaunern und Betrügern an einen Tisch gesetzt und ist zu denen gegangen, zu denen sonst keiner wollte. Jesus wollte das Herz der Menschen erreichen – durch jede Fassade hindurch.

Und genau das war von Anfang an schon so. Von Geburt an, als Jesus hilflos in einer armen Krippe gelegen hat.

Die Leute sollten ihn nicht gut finden, weil er stark und groß und mächtig war. Er wollte von Anfang an das das Herz von uns Menschen erreichen. Und vielleicht auch in jedem Menschen das allerbeste sehen. Auch die beste Version von mir. Mich und mein Herz so sehen, wie ich es eigentlich selber nicht kann. Klar, ich kann meine Mitmenschen nur nach dem beurteilen, was ich sehe. Und wie sie sich verhalten. Und trotzdem, habe ich mir das vorgenommen. Es immer wieder zu versuchen, sie – wenigstens ein bisschen – mit Gottes Augen zu sehen. Vielleicht gibt es dann noch mehr so „Taschentuchmomente“.

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SWR4 Abendgedanken

09SEP2022
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Die Hoffnung stirbt zuletzt – so heißt es in einem Sprichwort. Und zynische Leute ergänzen: Die Hoffnung stirbt vielleicht zuletzt – aber sie stirbt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass uns gerade tatsächlich die Hoffnung fehlt. Die Hoffnung, dass wir den Klimawandel noch in den Griff bekommen. Dass es irgendwann keine Kriege mehr auf der Welt geben wird. Und dass auf eine Pandemie nicht gleich die nächste folgt.

Vor allem in den letzten – bald drei Jahren – sind wir von einer Krise in die nächste geschliddert. Und wir spüren, wie verletzlich wir doch eigentlich sind.

Auch mir kommt die Hoffnung manchmal abhanden. Vor allem auch im Blick auf unsere Kinder. In was für einer Welt wachsen sie auf? Und was für Probleme werden sie später zu lösen haben? Können wir es ihnen jetzt noch leichter machen?

Fragen, die sich wie ein Schatten auf meine Seele legen, besonders abends. Aber dann kommt zum Glück ein neuer Tag. Manchmal hilft mir einfach, dass es wieder hell wird. Die Sonne jeden Tag auf- und wieder untergeht. Weil mich das an ein Versprechen erinnert: Ein Versprechen von Gott. Es ist eine bemerkenswerte Geschichte aus der Bibel: Denn Gott hat selbst einmal die Hoffnung verloren: die Hoffnung, dass die Menschen zu irgendetwas Gutem fähig sind. Er hatte das Gefühl, dass er nochmal ganz von vorne anfangen muss. Also hat er eine große Flut geschickt, eine Überschwemmung. Nur ein Mann namens Noah überlebte – zusammen mit seiner Familie und den Tieren an Bord eines Schiffes.  Die Menschen bekommen eine zweite Chance – aber auch sie sind nicht besser, gütiger oder gerechter als die Menschen vor ihnen. Vor der großen Katastrophe. Trotzdem gibt Gott selbst ein Versprechen ab: „Solange die Erde besteht, werden nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Er meinte damit, dass er mit der Schöpfung nicht nochmal ganz von vorne anfangen möchte. Die Lösung ist nicht ein Neustart und die Hoffnung, dass beim zweiten Mal alles perfekt laufen wird. Menschen sind nicht perfekt. Aber sie haben die Fähigkeit, etwas zu verändern. Wir können daran arbeiten, besser und gerechter zu werden. Und rücksichtsvoller gegenüber der Umwelt. Das ist vielleicht mühsamer und langsamer als ein Neustart. Aber es schenkt Hoffnung. Denn zu dieser Veränderung kann ich selber beitragen. Mit ganz kleinen und mit großen Schritten.

Es ist vielleicht naiv. Aber ja, ich glaube immer noch, dass wir es schaffen können, dass wir in einer Welt leben, in der es allen Menschen, Pflanzen und Tieren gut geht. Und dass die Hoffnung eben doch nicht stirbt.

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SWR4 Abendgedanken

08SEP2022
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Du darfst erst, wenn ich was habe – das macht jeden Morgen unser Kaninchen-Chef seinen Mitbewohnern klar. Bei Tieren mag das ja ganz normal sein. Aber in letzter Zeit habe ich oft das Gefühl, dass das bei uns Menschen auch immer mehr so wird.

Neulich habe ich beobachtet: Wie hunderte Autofahrer gleichzeitig von einem Parkplatz losfahren wollten. Das war nach einem großen Konzert. Alle sind kreuz und quer über den Parkplatz gefahren. Vorfahrt? Egal! Sich an die angezeigten Wege halten? Wozu? Und das, nur um zwei Minuten früher nach Hause zu kommen. Sowas verstehe ich einfach nicht. Frei nach dem Motto: Platz da, hier komme ich! Ich bin mir sicher, dass jedem und jeder von uns da ein paar Beispiele einfallen. Da zieht einfach jemand in die Kreuzung rein. Dort drängelt sich jemand an der Schlange einfach vorbei. Und wenn es sein muss, dann fährt man auf der Autobahn halt rückwärts.

Was mich dabei stört ist nicht das Drängeln, oder dass ich dann fünf Minuten länger warten muss. Nein. Was mich stört, ist, dass sich einfach jemand für wichtiger nimmt als alle anderen.

Ein Sprichwort sagt: Wenn sich jeder selbst hilft, dann ist allen geholfen. Aber in was für einer Gesellschaft leben wir dann? Ich finde, sie würde dem Kaninchenstall bei uns zu Hause ähneln: Und da kriegt erst der Stärkste was zu fressen – der Rest muss warten, was übrigbleibt.

 „Was ihr für einen meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt […], das habt ihr für mich getan.“ Das hat Jesus gesagt und dieser Satz wird mir immer wichtiger. Weil er klar macht, dass mein Leben mit dem Leben von ganz vielen anderen Menschen zusammenhängt. Sogar, wenn ich versuche, von einem Parkplatz zu fahren, gleichzeitig mit vielen anderen: Hätte man von oben auf diesen Parkplatz schauen können, dann wäre es klar: Immer, wenn sich jemand einen Vorteil verschafft, klemmt es an unzählig vielen anderen Stellen. Deshalb darf mir nicht egal sein, was mit den anderen wird – Hauptsache ich bin als erster dran. Jesus hat immer versucht, den Leuten klarzumachen: „Hey, es ist wichtig, dass ihr füreinander da seid. Dass ihr euch gegenseitig helft“. Jesus hat schlicht erwartet, dass wir auf unsere Mitmenschen achten.  Bei allem, was man tut, wenigstens einen kleinen Moment drüber nachdenkt, was das für die anderen bedeutet.

Es scheint so einfach zu sein: Einfach aufeinander Acht geben, auch, wenn es dann trotzdem noch an der ein oder anderen Stelle klemmt. Das Zusammenleben wäre nicht perfekt, aber menschlicher – und nicht so wie im Kaninchenstall, wo der stärkste alle anderen erst einmal wegschuppst.

Und dann ist Jesus mittendrin und mit dabei. Denn er sagt: Was ihr für einen meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt […], das habt ihr für mich getan.“

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