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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18OKT2022
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Dieser Tage traf mich fast der Schlag. Ich hörte im Autoradio, dass Patriarch Kyrill von Moskau die russischen Soldaten mit Märtyrern vergleicht, also mit Menschen, die für ihre Religion sterben. Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche hatte die Soldaten aufgefordert:

 „Geht mutig zur Erfüllung Eurer militärischen Pflicht. Und denkt daran, dass ihr, wenn ihr euer Leben für eure Heimat und eure Freunde gebt, mit Gott in seinem Reich, seiner Herrlichkeit und dem ewigen Leben sein werdet“. * Das sagt ein Kirchenmann! Der 75- jährige Kyrill pries Opferbereitschaft als höchstes Gut.

Er sagte weiter: "Und deshalb glauben wir, dass dieses Opfer alle Sünden abwäscht, die ein Mensch begangen hat".

Also: wer im Krieg stirbt, der kommt direkt in den Himmel.                                                                              Ich will nicht mit dem Finger auf andere zeigen, ohne zuerst vor der eigenen Tür zu kehren. Auch meine Kirche, die katholische, hat Waffen gesegnet und die Lehre vom gerechten Krieg verkündet. Aber seit dem 2. Vatikanischen Reform-Konzil 1965, wo beschlossen wurde, Gottesdienste nicht mehr in Latein zu halten sondern in der jeweiligen Muttersprache und wo festgehalten wurde, dass auch Menschen in anderen Religionen Gott finden können, nicht nur in der katholischen Kirche.

Da wurde das Segnen von Waffen und Soldaten abgeschafft.

Es passt auch überhaupt nicht zu dem Gott, an den ich glaube. Wenn Jesus einen Raum betritt, sagt er immer: Friede sei mit euch.

Einer seiner Ehrentitel ist „Friedensfürst“ (Jes.9,5) 

Die Friedensstifter preist er selig.   (Mt 5,7)           

Dieser Gott, dieser Jesus soll Waffen segnen und Kriege gut heißen???                            Im Leben nicht.    

Beim Weltkongress der Religionen in Kasachstan vor kurzem, wo sich Religionsführer aus aller Welt zum Austausch treffen,  sagte unser Papst Franziskus, Religionen sollten sich niemals in den Dienst weltlicher Macht stellen und niemals zum Krieg aufrufen.**

Genau.

* Quelle:  katholisch.de  13.9.2022

** Paulinus Nr 39 Seite 2

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17OKT2022
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Findest du die Kirche nicht ätzend? Jetzt bist du doch in Rente, jetzt kann dir nix mehr passieren. Tritt doch endlich aus der Kirche aus! So fordern mich manchmal Bekannte auf. Ja, ich finde manches schrecklich. Das Schneckentempo in vielen Reform-Fragen. Die mangelnde Kommunikation zwischen Rom und den Kirchen vor Ort. Die Angst vor Experimenten. Den Umgang mit der sexuellen Gewalt und die zögerliche Haltung der Verantwortlichen. Auch in den Gemeinden machen viele die Augen zu und wollen, dass alles bleibt, wie es früher war. Aber früher ist vorbei.

Ich bin 6 Wochen nach meiner Geburt getauft worden und habe viel Gutes in den 66 Jahren erlebt: Aufbrüche nach dem Konzil, langsame Öffnung für Frauen, die auch etwas zu sagen haben, eine wunderbare berufliche Zeit als Seelsorgerin in Krankenhäusern, wo ich mit Menschen und ihren Ängsten zu tun hatte, aber den lieben Gott im Gepäck, was für viele tröstlich war.

Der SWR hat eine Umfrage gemacht auf 20 Standesämtern in Rheinland Pfalz und Baden-Württemberg, warum Menschen aus der Kirche austreten. Über 800 Menschen haben daran teilgenommen; nicht viel vielleicht, aber die Aussagen sind deutlich; Durchschnittsalter 31 Jahre – da kann man sich ausrechnen, wie das weitergeht.

Ungefähr 90 % von denen, die ausgetreten sind, wollen der Kirche die Knete entziehen. Nicht, weil sie es sich nicht leisten können, sondern weil sie über den Umgang mit Missbrauch in der Kirche und über den Umgang mit der Hälfte der Menschheit (den Frauen) verärgert sind. Viele bezeichnen sich selbst trotzdem als religiös und würden Kinder oder Enkel nicht daran hindern, sich in der Gemeinde vor Ort zu engagieren.

Früher gab es so Sprüche wie „Jesus Ja, Kirche Nein“ oder „der Vater im Himmel ist ja in Ordnung, aber das Bodenpersonal…“  Ich finde, die Gemeinschaft der Glaubenden vor Ort ist wichtig, deshalb bleibe ich dabei. Und in der Kirche.

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Anstöße sonn- und feiertags

16OKT2022
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Komm mal an die andere Seite, ich höre doch rechts nix. Den Satz kenne ich von Hannah, nur vergesse ich oft, welche Seite die Hörende ist und welche gehörlos. Von der linken Seite aus kann man sich gut mit ihr unterhalten, nicht nur in Bezug auf das Hören selbst, sondern auch, weil sie von vielem Ahnung hat.

Dann die Hiobsbotschaft: Hans rief an, dass Hannah jetzt auch auf dem linken Ohr nicht mehr hören kann. Unfassbar.

Ich kam an ihrem Haus vorbei, sie stand im Hof mit dem Rücken zu mir. Ich sprach sie an – blöd.  Jetzt in den Hof reingehen und sie von hinten berühren – geht gar nicht. Sie wird furchtbar erschrecken.

Also klingeln, vielleicht ist Hans zuhause und lässt mich rein und holt sie dann dazu.          

Ja, so hat es geklappt, wir saßen dann mit einem Haufen Zettel im Garten, ich schrieb meine Fragen und Gedanken auf, sie konnte sprechen.

Manchmal zu laut, sie hört sich ja selbst nicht, aber sie hat schnell gelernt, das zu regulieren.

Beim nächsten Besuch hatte sie schon eine Zaubertafel, auf die der Besuch schreiben kann.

Sie liest, reagiert,  und dann – zack- wird alles gelöscht.

Blöd für mich, dass ich Linkshänderin bin und natürlich in der Schule gezwungen wurde, mit dem guten Händchen zu schreiben. Ergebnis ist eine ziemlich unleserliche Handschrift. Aber Hannah kommt damit zurecht.

Hans hat sich bestimmte Gebärden angewöhnt, wenn er mit ihr redet. Er hat keine Lust, immer alles aufzuschreiben. Das führt manchmal zu  Missverständnissen. Es ist eben keine richtige Gebärdensprache, die können die beiden nicht.

Witzig ist natürlich, wenn sie ihn etwas fragt und, während er grade seine Antwort auf die Tafel schreibt, die Antwort laut selbst gibt.

Tja, 53 Jahre lang verheiratet, da weiß man oft, was der andere denkt.

Demnächst bekommt Hannah vermutlich eine  Hörprothese, wo unter die Haut hinter dem Ohr Sender und Verstärker eingebaut werden, die den Hör-Nerv stimulieren.

Ich habe schon Leute kennengelernt, bei denen man gar nicht merkt, dass die auf andere Art hören als ich. Seit 1957 experimentieren Forscherinnen und Forscher damit und in Deutschland gibt es aktuell ungefähr 30.000 Menschen, die auf diese Weise hören.

Sagenhaft, der Erfindungsreichtum der Menschen, auch im Guten.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30JUL2022
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Auf dem Weg zur Autobahn ist kurz vor der Auffahrt an der Schnellstraße noch ein kleiner Parkplatz. Keine Ahnung, warum. Noch schnell was trinken? Telefonieren? Ehe man mit dem Handy geblitzt wird und ein Knöllchen bekommt?

Jedenfalls stehen da tatsächlich immer ein oder zwei LKW und ein paar Autos. Dieser Tage sah ich einen Mann in oranger Warnweste. Der hatte eine Zange in der Hand und einen Eimer. Im Vorbeifahren konnte ich sehen, dass er Dreck aufsammelte. Ein paar Meter weiter stand auch das zugehörige Auto der Straßenmeisterei und ich sah noch andere Personen mit Zange und Eimer.

Ich finde es sehr nett, dass sie die Parkplätze und Straßenränder sauber halten. Besonders gegenüber der Natur. Da wächst ja Gras. Und Brennnesseln, Lupinen, Margeriten, Ginster, alles Mögliche. Die Parkplätze und die Straßenränder könnten ein Ort der Erholung und der Augenweide sein. Die Grünstreifen entlasten die Augen vom ständigen Blick auf den Asphalt. Sie kühlen im Sommer. Ein Geschenk, das die Natur uns macht, um auf der Autobahn etwas Schöneres zu sehen als grau und Blechlawinen.

Wenn der Mensch nicht wäre. Sie wissen bestimmt, was ich meine. Dafür brauchen wir die Dreckwegmacher. Nicht nur an der Autobahn.

Als wir vor ein paar Wochen an einem der kleinen Maare in der Eifel waren, gingen wir noch zum Königssee. Ein verwunschenes Fleckchen Natur, ein bisschen versteckt, viele laufen dran vorbei. Wenn man am Wasser steht, spiegeln sich der Himmel und die umstehenden Bäume auf der glasklaren Wasseroberfläche und die Karpfen sind gut zu erkennen, auch allerlei anderes Getier. Und auch der Mensch war da: eine Bierflasche und zwei Trinkpäckchen zeugen davon. Unfassbar.

Manchmal bin ich auch eine Dreckwegmacherin: Ich habe einen Müllbeutel im Rucksack und befreie die schöne Welt. So wie die Leute an den Dreckwegtagen in vielen Städten und Gemeinden oder die, die Müll aus den Flüssen fischen. Ich bin sicher: Am Ende gewinnen die Dreckwegmacher. Zur Freude der Schöpfung und aller Geschöpfe.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29JUL2022
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Wer mich kennt, weiß, dass ich keine Tierfreundin bin. Doch Schildkröten faszinieren mich. Und ich mag Kühe. Ich habe ein Mobile aus Holz, da tanzen die Kühe sehr elegant vor dem Fenster, das ist schön. Aber sonst bin ich eher ängstlich und zurückhaltend mit Tieren. 

Aber ich bin auch keine Tierfeindin. Ich finde es furchtbar, wenn ich von Tieren erfahre, die im Knast sitzen. Hühner zum Beispiel in den sogenannten Legebatterien. Hacken sich gegenseitig blutig, weil sie keinen Platz zum Leben haben. Oder diese klugen, geselligen, flinken, reinlichen Tiere, die wir „Schweine“ nennen. Kein Platz, keine Wiese, qualvolle Enge, gnädigerweise einen Spalt, durch den etwas Tageslicht und Luft in den Stall kommt. Unerträglich. Die Leute, die Tiere so halten, nennen sich Fleisch-Erzeuger. Was für ein Quatsch. Kühe bekommen Kälber, Schafe Lämmer, Hühner legen Eier, kein Mensch kann Fleisch erzeugen.

Unsere Nachbarn haben drei kleine Hunde. Wilma, Lillith und Lucy. Und sie haben Hühner. Und Willi, den Hahn. Manchmal geben sie uns ein paar Eier ab. Und sie bringen ihren Kindern bei, dass alle Tiere liebenswert sind: Käferchen, Würmer, Libellen, Hunde, Katzen, Mäuse, egal was. Die haben mir den Tipp gegeben, in einem Hofladen mein Fleisch zu kaufen.

Ich hab mir zuerst die Kühe auf der Weide angesehen, die wirkten zufrieden. Die Schweine waren reinlich und hatten Platz zum Rennen. Sogar Puten laufen da frei rum. Das Fleisch im Hofladen ist teurer als im Supermarkt. Aber weil ich nicht jeden Tag Fleisch esse, ist mir das egal. Und ich habe ein gutes Gefühl dabei. Denn die Tiere haben ein schönes Leben auf diesem Hof. Und solange ich keine Vegetarierin bin, esse ich gelegentlich gern Gulasch oder Hähnchenfilet. Und die Eier von Willies Hühnern: lecker.

Ich hoffe, die Tiere haben einen gnädigen Tod. Ich sehe sie an als einen Teil der Schöpfung Gottes. Genau wie wir: Teil der Schöpfung.

Meine Nachbarn haben recht: wenn schon Tierfreund, dann von Hunden und Hühnern, von Katzen und Kühen, von Goldfischen und Gänsen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28JUL2022
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Die katholische Nationalhymne ist das Glaubensbekenntnis. Wenn das im Gottesdienst irgendwo auf der Welt kommt, stehen alle auf: die Stunde der Gläubigen.

Ich kann den Text gut mitbeten. Ich glaube an Gott, der die Welt geschaffen hat. Ich glaube an Jesus, der mit seinem Leben ein Beispiel der Nächstenliebe gegeben hat. Ich glaube auch an den Heiligen Geist, der in der Welt wirkt. Und ich glaube daran, dass Gott uns nicht im Tod stecken lässt, sondern aufweckt zum ewigen Leben.

Nur ein Satz will mir nicht mehr recht über die Lippen. „Ich glaube an die Heilige katholische Kirche.“  Da stocke ich immer. Nicht erst, seit die Skandale um sexuelle Gewalt und Vertuschung und Lügen den Blick auf die Kirche verdunkeln. Auch manches aus der Vergangenheit war schlecht: die Mission mit dem Schwert, die Hexenverbrennungen, die Wissenschaftsfeindlichkeit ...wie soll ich da an eine heilige katholische Kirche glauben?

Klar, der Text ist sehr alt, aus dem 3. oder 4. Jahrhundert, da gab es noch nicht evangelisch und katholisch, nicht mal die orthodoxe Kirche, sondern nur die eine, einzige, katholische Kirche. Und katholisch kommt aus dem Griechischen und bedeutet allgemein. Ich bekenne also eigentlich im Glaubensbekenntnis, dass ich an eine allgemeine Kirche glaube, weltumspannend. Die auf der ganzen Welt zuhause ist, weil GOTT in der ganzen Welt zuhause ist.

Aber im heutigen Sprachgebrauch verstehen wir eben unter katholisch die Konfession, die katholische Kirche im Gegensatz zu den orthodoxen oder evangelischen Kirchen, die ja alle christliche Kirchen sind. Ursprünglich war das nicht so gedacht. Ursprünglich war „weltumspannend“ gemeint.

Dass Gott in der ganzen Welt zu finden ist, glaube ich sicher. Ein altes Wort sagt: Wenn der Missionar kommt, war Gott längst da. Das glaube ich auch. Aber vielleicht ist es doch einfacher für IHN, überall zu sein, wenn Menschen IHM dabei helfen. Wenn sie trösten. Wenn sie Beistand leisten. Wenn sie Mut machen.

Wenn ich das so sehe, kann ich gut bekennen, dass ich an die Kirche Gottes glaube, die in SEINEM Sinn aktiv ist. Das ist dann keine Nationalhymne, sondern eine richtige „Internationalhymne“.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04MAI2022
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„Manchmal hab ich richtig Lust, schon im Himmel zu sein“. Silke war erstaunt, als ich das sagte. Wir hatten uns über die Kirche unterhalten und dass sie ihre Ämter in der Pfarrgemeinde aufgegeben hat. Auch, weil sie sich zu oft geärgert hatte. Und wegen der Katastrophe der sexuellen Gewalt und der ganzen Vertuschungen. Darüber war ihr sogar der Glaube an Gott fraglich geworden. Deshalb suchte sie nach einer Alternative zur Kirche. 

In Langenfeld in der Eifel ist ein ehemaliges Kloster, das wird heute von Buddhisten genutzt, die da leben, den Buddhismus tiefer studieren und Meditationskurse geben für suchende Menschen. In diesem Kamalashila-Institut will sie sich jetzt umsehen. Ich war da auch schon mal, es wirkt ein bisschen aus der Welt gefallen, geheimnisvoll, anziehend. Aber das mit der Wiedergeburt im Buddhismus, das wäre nichts für mich.

Nee, sagte ich, ich hab mehr Lust auf den Himmel.
Sie erklärte mir, dass es bestimmt paradiesisch wäre, als Katze in ihrem Haushalt wiedergeboren zu werden. Hm, ich weiß nicht... Und dann fragte sie mich, wie ich mir denn den Himmel vorstelle.
Naja, in der Bibel sagt Jesus mal: im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.

Ich stelle mir den Himmel also vor wie eine riesige WG, rundum viel Grün und Blumen und Vögel, vielleicht mit so Laubengängen und Balkonen, sodass man zu den Paradies-Mitbewohnern Kontakt aufnehmen kann. Platz genug für jeden und alles unter der himmlischen Sonne der Liebe Gottes.

Früher hatte ich manchmal Angst, bestimmten Leuten dort zu begegnen. Ich hatte in den Jahren, nachdem mein Vater gestorben war, gar keine Lust auf den Himmel. Es war kompliziert gewesen zwischen mir und ihm und ich war froh, dass das vorbei war. Mittlerweile denke ich aber, dass diese menschlichen Schwierigkeiten dann endgültig keine Rolle mehr spielen. Nicht falsch verstehen, ich will nicht sofort in den Himmel. Nicht heute und auch nicht morgen oder übermorgen. Meistens lebe ich total gern, grade jetzt in dieser bunten Frühlingszeit.  Aber ich vertraue für später auf die HimmelsWG Gottes. Bestimmt sorgt ER dafür, dass es dort keinen Krieg mehr gibt und keine Not und keine Krankheit und keine komplizierten Gefühle und kein Leid.

Vielleicht auch keine Zeit mehr. Nur noch die Ewigkeit.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

03MAI2022
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Meine Mutter hatte Brustkrebs. Meine Oma auch. Deshalb gehe ich regelmäßig zur Vorsorge. Das ist immer ein bisschen aufregend, aber bisher war nie was. Genau, bisher. Jetzt stutzt die Ärztin und schickt mich zu weiteren Untersuchungen. Schon geht das Kopfkino los. Hab ich einen Tumor? Muss ich mich operieren lassen? Wird es schlimm?  Sterbe ich daran?

Ich sage mir all das, was ich anderen in der Situation sage.
Es muss ja nichts Schlimmes sein. Warte erst mal die genaue Diagnose ab.Mach dich nicht verrückt. Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht. Die Medizin macht so große Fortschritte. Du kennst doch Freundinnen, die Brustkrebs hatten. Man kann es überleben. Ganz überzeugend ist das alles nicht.

Wenn ich nachts aufwache, sind die Gedanken sofort wieder da. Wenn ich unter der Dusche stehe oder im Auto sitze und ohne große Gedanken bin, dann kommt direkt das fiese kleine Gefühl: hm, was wäre, wenn. Nicht schön, diese Tage bis zum nächsten Gespräch mit der Ärztin.

Ich saß unter dem Damoklesschwert. Damokles war ein Diener, der seinen Herrscher um sein Glück und seinen Reichtum beneidete. Der König lud ihn zu einem Festmahl ein. Allerdings hing über dem Thron des Königs ein Schwert an einem Pferdehaar. Und Damokles spürte, wie unsicher jedes Leben ist: jederzeit kann das Schicksal zuschlagen. Den Menschen aus dem heiteren Himmel reißen. Man weiß nur nicht wann – und wie schlimm es wird. Egal, ob König oder Knecht.

So geht es Menschen, die auf eine Diagnose warten. Oder auf die Kündigung ihres Arbeitsplatzes. Oder einen finanziellen Einbruch. Oder eine Nachricht aus dem Krieg. Sie sitzen unter dem Damoklesschwert.
Bei mir ist alles gut ausgegangen. Was mir geholfen hat: dass ich nicht allein war mit meiner Angst. Ich suchte mir Beistand. Die Freunde, die Familie, Gott. Die bleiben. In guten und in schlechten Tagen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

02MAI2022
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Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich einen gepflegten Garten mit einem Fliederbusch, der im Frühjahr dreifarbig blüht: weiß, blass-lila und ein tief dunkles lila. Es gibt viel Wiese, das lieben die Maulwürfe und schmeißen oft nachts vor Begeisterung kleine Erdhaufen hoch – nicht zur Freude der Gärtnerin. An der Hauswand Maiglöckchen, Rosen blühen, Dahlien, Gemüse wird angebaut, Zwiebeln, ein paar Kartoffeln, Bohnen. Ein Teil des Gartens wird von einer Nachbars-Familie mit drei Kindern bewirtschaftet, die ziehen Möhren und Tomaten. Die meiste Arbeit bleibt aber an der Gärtnerin hängen. Und fast jeden Tag unterstützt sie ihren Garten mit Pflegearbeiten, weil der natürlich den Wettbewerb um den schönsten Garten im Dorf gewinnen will.

Seit sie älter geworden ist, teilt sie sich die Arbeit besser ein. Nicht mehr so viel auf einmal, Pausen einlegen. Dann sitzt sie auf dem Mäuerchen in der Sonne und genießt den Anblick.

Im Februar war ein junger Mann bei ihr - eigentlich auch nicht jung, aber gemessen an ihr schon. Der Sohn. Sie saßen nebeneinander auf der Gartenmauer, nachdem er den Flieder und den Pflaumenbaum beschnitten hatte. Die Gärtnerin steigt nicht mehr dauernd auf Leitern. Sie macht noch viel selbst, aber nicht mehr alles.

Und für mich sieht es so aus, als ob sie das sehr genießen würde, dass der große Sohn neben ihr sitzt und ihr die schwere Arbeit abgenommen hat.

Nicht selbstverständlich, wie sie von anderen hört. Schön zu wissen, dass sie nicht alles selber machen muss. Dass sie manches der jüngeren Generation überlassen darf. Der größte Teil ihres Lebens liegt hinter ihr, jetzt ist gewissermaßen die Nachspielzeit. Aber auch nach ihr wird es Gärtnerinnen und Gärtner geben, die alles zum Wachsen und Blühen bringen und die ernten, was die Gärtnerin noch gesät hatte.

Nach dem Frühling kommt der Sommer, dann der Herbst, dann der Winter, auch ihr persönlicher Winter wird kommen. Und dann kommt wieder ein Frühling für den Garten. Und irgendwann sitzt der Sohn da, wo heute die Gärtnerin sitzt, und neben ihm ein jüngerer Mensch. Der Kreislauf des Lebens. Und im Himmel wird die Gärtnerin ihre Freude daran haben.

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12FEB2022
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Nach der Arbeit musste ich mit meinem Auto noch in die Werkstatt. Vorne rechts war ein kleines  Glasfenster zerbrochen. Ich hatte die Werkstatt meines Vertrauens angerufen; die konnten, weil sie meinen Fahrzeugschein kopiert haben, das Glas schon tags zuvor bestellen. Als ich eintraf, war alles vorbereitet. Ich ließ den Schlüssel stecken und durfte mich in eine Ecke setzen und mir einen Kaffee machen. Nach ungefähr 20 Minuten waren die Mechaniker fertig. Als ich bezahlen wollte, sagte der Chef: „Ups, der TÜV ist fällig. Dann machen wir am besten gleich einen Termin aus.“

Das passte mir überhaupt nicht. Ich vertraue dieser Werkstatt, aber 25 Minuten Fahrtzeit eine Strecke plus die Wartezeit, das muss auch in meinen Wochenplan passen.

Als ich so zögerlich nach einem freien Nachmittag im Kalender suchte, sagte er: „Wenn Sie jetzt Zeit haben, schieben wir Sie kurz dazwischen. Der TÜV ist sowieso da.“

Na prima, zwar hatte ich eigentlich direkt wieder fahren wollen,  aber das spart mir ja locker zwei Stunden an einem anderen Tag und gemacht werden muss es ja.

Also zapfte ich mir noch einen Kaffee und wartete und der TÜV wurde gemacht und die Rechnung hatten sie auch direkt fertig und ich wollte mit Karte bezahlen, die funktionierte aber an dem Tag nicht. „Egal“, sagte der Chef, „überweisen Sie später, jetzt erst mal gute Fahrt.“ Prima.

Warum erzähle ich das eigentlich? Ist doch nichts besonderes.

Oh doch. Mir fällt oft gar nicht auf, wenn ganz viele Sachen klappen. Nur das, was nicht klappt, das macht mich wütend und ich erzähle ausführlich zuhause und meinen Freundinnen davon. Aber an den meisten Tagen könnte ich abends „Danke, lieber Gott“ sagen, weil so wenig schief ging und so viel Gutes passiert ist.

Deshalb jetzt auch die Geschichte von einem ganz normalen Tag voller Wunder: in der Dusche gab es genug heißes Wasser, das Auto war angesprungen, auf der Arbeit gab es nichts, was ich nicht bewältigen konnte, das Glas wurde repariert, der Kaffee in der Werkstatt war gut und umsonst, der TÜV hatte keine Kritik an meinem schönen grünen Auto, dem Blitz, und abends hatte mein Partner gekocht und im Fernsehen kam ein spannender Film.  

Was will ich eigentlich mehr?

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