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SWR2 Wort zum Sonntag

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!
„Mit Beten allein kann man die Welt nicht verbessern.“ Solche oder ähnliche Reaktionen hört man immer wieder, wenn Vertreter der Kirche sich in aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen einschalten. Das klingt plausibel vor allem, wenn man die drängende Not und Ohnmacht so vieler Menschen weltweit vor Augen hat. Tatkräftiges Handeln ist angesagt. Niemand kann die Augen vor Terror und Elend, vor Demütigung und Unterdrückung, und sei das noch so weit entfernt, einfach verschließen. Und wer sich mitten in die Nöte, Spannungen und Konflikte hineinbegibt, muss entscheiden, muss handeln, auch wenn die äußere Situation zu schier unlösbaren inneren Konflikten führt. Er hat Verantwortung übernommen und kann sich nicht einfach herausziehen.
„Beten allein genügt nicht.“ Auch als Kirche mischen wir uns ein in die Fragen unserer Zeit. Unser Glaube fordert von uns ein Engagement in der Gesellschaft. Der christliche Glaube trägt in sich die Option für die Armen – und er muss sich immer wieder an diesem Maßstab messen lassen. Die Fragestellung, was ein Glaube ohne Werke, ohne tatkräftiges Engagement wert sei, hat schon in den frühchristlichen Gemeinden für ziemlichen Wirbel gesorgt. Im Jakobusbrief lesen wir: „Was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten? Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch! ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen – was nützt das?“ (Jak, 2,14ff) Das sind deutliche Worte.
Aber wir sollten vorsichtig sein, diese Worte einfach mit der Parole „Beten allein genügt nicht“ gleichzusetzen. Dahinter stecken nicht selten ein ironisch-misstrauisches Herunterspielen der Wirkkraft von Glauben und Gebet und ein fatales Überschätzen der eigenen, menschlichen Kräfte und Machbarkeiten. Der Menschheit wäre so manches Abenteuer schier unlösbarer Gewaltverstrickung erspart geblieben, wenn man sich im biblischen Sinn in das Gebet vertieft hätte – und sich von den Möglichkeiten und den Wegen des lebendigen Gottes her den eigenen Weg hätte weisen lassen.
Beten macht demütig, aber nicht untätig. Im Gegenteil. Papst Benedikt hat das in seiner ersten Enzyklika am Beispiel von Mutter Theresa aufgezeigt. Er schreibt: „Das Gebet als die Weise, immer neu von Christus her Kraft zu holen, wird hier zu einer ganz praktischen Dringlichkeit. Wer betet, vertut nicht seine Zeit, selbst wenn die Situation … einzig zum Handeln zu treiben scheint. Die Frömmigkeit schwächt nicht den Kampf gegen die Armut oder sogar das Elend des Nächsten. Die selige Theresa von Kalkutta ist ein sehr offenkundiges Beispiel dafür, dass die Gott im Gebet gewidmete Zeit dem tatsächlichen Wirken der Nächstenliebe nicht nur nicht schadet, sondern in Wirklichkeit dessen unerschöpfliche Quelle ist.“ (DCE, 36)
Ich habe das Beten von meiner Mutter gelernt. Vier Kinder hat sie großgezogen und manche schwere Situation bewältigt. „Das Gebet gibt mir die Kraft dazu.“ sagt sie. Ihr Glaubensbekenntnis hat mich schon früh dagegen immunisiert, dass es eine fromme und eine reale Welt gebe, die beide wenig miteinander zu tun hätten. Hier war die ganz reale auch die fromme Welt – und genau das war so überzeugend und so wirksam.
„Beten allein genügt nicht.“ Diese Parole hat etwas Richtiges in sich – und doch ist sie auch auf fatale Weise falsch. Sie wird vor allem dann angewendet, wenn man begründen will, warum in schweren Konfliktsituationen eine reine Gesinnungsethik nicht ausreicht. Natürlich gibt es immer wieder Situationen etwa der Gewaltanwendung in Notwehr oder zur Verteidigung wesentlicher Grundrechte und ist ein solches Handeln bei strikter Anwendung der die Gewalt einschränkenden Regeln verantwortbar. Aber jedes Mal ist damit auch eine menschliche Niederlage verbunden, mitten in den Handlungszwängen zeigt sich eine tragische Ohnmacht. Den Teufelskreis durchbricht nur das eine: „Hier hilft nur beten.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=7605
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SWR2 Wort zum Sonntag

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
längst ist es Herbst geworden. Die Tage sind kurz und die Nächte lang. Das Wetter oft kalt und regnerisch. Wohl auch deshalb, weil der Herbst die Zeit des Sterbens und Sich-Zurückziehens in der Natur ist, ist der November der Monat mit den meisten Totengedenktagen: Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag.
Die Menschen denken an ihre Verstorbenen: gute, vielleicht manchmal auch etwas melancholisch eingefärbte Erinnerungen steigen auf, Trauer über einen noch frischen Verlust, Dankbarkeit, jemanden gehabt zu haben. Für den einzelnen Menschen wie für eine Gesellschaft ist es wichtig, gerade im mitmenschlichen Bereich auch eine Kultur der Erinnerung zu pflegen. Ob eine Gesellschaft noch human denkt, sieht man auch an ihrem Umgang mit dem Tod und mit den Toten. Sind sie vergessen und abgeschrieben – oder gibt es eine Verbundenheit der Generationen auch über den Tod hinaus?
Das katholische Allerheiligenfest, das wir zu Beginn des November-Monats gefeiert haben, zeigt allerdings bereits, dass diese Kultur der Erinnerung und des Gedenkens nicht ein rein rückwärts gewandtes Denken ist. Wir schauen voraus auf das, worauf wir nach der Botschaft der Bibel hoffen dürfen.
Als Christen leben wir aus dem Glauben, dem Tod in unserem Leben nicht das letzte Wort überlassen zu müssen. Keine Frage, er ist mächtig und schneidet tief ein in unser Leben. Er beendet langjährige Verbindungen der Liebe und Zuneigung, manchmal unerwartet von einem Moment auf den anderen. Doch damit hat sich der Mensch von Anfang der Zeiten an nicht abfinden wollen. In seinem Buch „Personen“ hat der Philosoph Robert Spaemann daher die Unsterblichkeit des Menschen als ein Postulat, also eine Forderung der Liebe bezeichnet.
Der Glaube greift diese Forderung der Liebe auf. So hofft der Christ gegen die mächtige Erfahrung des Todes auf den je größeren Gott des Lebens. Er hofft darauf, dass der Tod nicht die Macht hat, die Existenz des Menschen ganz auszulöschen, sondern dass Gott den Menschen ins Leben hinüber rettet. Das wollen die Totengedenktage im November: Sie verweisen auf das Leben mit Gott. Sie sagen: Dein Leben geht nicht ins Leere. Es geht auf Gott zu.
Dies ist möglich, weil Gott auf uns Menschen zugekommen ist. Jetzt zum Jahresende hin werden die Tage immer noch kürzer, das Dunkel scheint immer noch mehr zuzunehmen. Doch dann, wenn das Licht am schwächsten erscheint, dann sagt uns die Kirche, dass die Rettung bereits gekommen ist, in Jesus Christus.
Immer wieder dürfen wir uns das sagen lassen, und wir dürfen es feiern:
Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm. So sagt es der erste Johannesbrief. Wenn es dunkel, kalt und regnerisch ist, erscheint uns diese Aussage vielleicht noch einleuchtender und trostvoller als sonst. Durch Gott ist ein Licht aufgestrahlt im Dunkel der Welt, das nie mehr verlöschen wird. Es will auch denen leuchten, die einen lieben Menschen verloren haben. Was für ein großer Trost ist es, dass Gott uns nie allein lässt.
Ich wünsche Ihnen einen lichtvollen Sonntag. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7207
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SWR2 Wort zum Sonntag

Urlaub und Ferien sind für viele von uns vorbei oder neigen sich dem Ende. Der Alltag umfängt uns wieder. Manch einer steht vor wichtigen Entscheidungen. Auch politisch wird der Herbst wieder neu Weichen stellen.
Für dieses Bestehen des alltäglichen Lebens mit seinen Herausforderungen gibt uns Jesus einen wichtigen Rat mit: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ (Mt 10, 16) Was meint Jesus damit?
Es gibt nicht wenige, die meinen: Klugheit ist keine Tugend, sondern moderne „cleverness“. Klug ist, wer am geschicktesten für sich selbst oder seine Interessen zu sorgen weiß, wer am intelligentesten die Schleichwege zur Macht oder zum Erfolg benutzen kann. Das steht gegen die gesamte abendländische und christliche Tradition, dass nämlich die Klugheit die Erste und die Gebärerin aller anderen Tugenden ist. Wie aber soll die zweite Kardinaltugend, die Gerechtigkeit, aus solcher Art verstandener Klugheit sich entfalten können? Oder die dritte: die Tapferkeit, der Mut. Klug scheint zu sein, wer gar nicht erst in die Verlegenheit solcher Tapferkeit kommt. Der Philosoph Josef Pieper schreibt: „Auf die Klugheit beruft sich der ‚gewiegte Taktiker’, der sich dem Einsatz der Person zu entziehen weiß“ (Josef Pieper, Das Viergespann, München 1964, 17). Auf diese Weise werden Lüge und Feigheit nicht selten als „klug“ gepriesen, Wahrhaftigkeit und tapfere Selbsthingabe, ehrlicher Einsatz „unklug“ geheißen. Dass wir die echte Tugend der Klugheit so wenig von solchen Entstellungen zu unterscheiden wissen, zeigt den Verlust von Tugend in unserer Gesellschaft ziemlich deutlich an.
Was also meint die klassische Tugend der Klugheit? Klug ist, so lesen wir bei den wahrhaft Weisen, wer die Wirklichkeit so sieht, wie sie ist. Der also, der sich nichts vormachen lässt und sich selbst nichts vormacht. Klug ist, für wen die Wahrheit die höchste Richtschnur des Lebens ist und nicht der Eigennutz. Die Tugend der Klugheit ist die Einübung in eine Weltsicht, die nicht vom eigenen Machtwahn, vom reinen Besitzstreben, von Lobbys und Interessen, von Ideologien oder augenblicklichen Launen geleitet ist, sondern dieses alles als Götze zu entlarven weiß, sobald es sich selbst verabsolutiert. Die Tugend der Klugheit setzt den einen und einzigen Gott als Schöpfer und Wahrheitsgaranten aller Wirklichkeit an die erste Stelle und entthront alle selbst gemachten Götter und Dämonen. Sie hat als Tugend eine nicht zu unterschätzende kritische Funktion.
Die Tugend der Klugheit beinhaltet vor allem heute, wo es allenthalben um das „Promoten“ der eigenen Interessensphären geht, eine nicht einfache Askese. Sie ist ständige Einübung in die Unbestechlichkeit und Wahrhaftigkeit als persönliche Wesenshaltung. Das ist wirklich keine leichte, aber lebenswichtige Übung, mein gesamtes Leben, mein Denken, Fühlen, Urteilen und Handeln, auf Wahrheit, Sachlichkeit und Wirklichkeit auszurichten. Wer hier korrupt wird, wird es auch in allem anderen. Und er ist am Ende den Moden und Launen der Zeit völlig ausgeliefert. Insofern ist die Tugend der Klugheit auch die einzig gute Basis für eine echte Lebenstüchtigkeit.
Im Evangelium wird der als klug gepriesen, der sein Haus nicht auf Sand, sondern auf Fels gebaut hat (vgl. Mt 7,24ff). Die Klugheit als Tugend baut das Haus des Lebens auf sicherem Fundament. Sie lebt im Inneren von dem Wissen um die Wahrheitsmacht Gottes, auf deren Grund sich seine Gerechtigkeit vollzieht. Sie übt in die gute Ehrfurcht vor Gott ein und macht so furchtlos den Menschen gegenüber, die die Wahrheit mit Füßen treten. Die Klugheit gibt dem Denken und Handeln das angemessene Maß und befreit von aller Maßlosigkeit und Gier. So ist sie wahrhaft Tugend – Anleitung zu einem besseren und sinnvolleren Leben.
Nicht nur für diesen Herbst gilt es daher, mitten in unserer Welt mit ihren Demagogen und Wölfen klug zu sein – mit einer Klugheit ohne Falsch. Denn: „Wer Gott, dem Allerhöchsten traut, der hat auf keinen Sand gebaut.“ (GL 295) Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6709
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SWR2 Wort zum Sonntag

Liebe Hörerinnen und Hörer!
60 Jahre Grundgesetz – in diesen Tagen haben wir in der Bundesrepublik der Erfolgsgeschichte unserer Verfassung gedacht, die 1949 die Grundlage für einen freien und demokratischen Aufbau unseres Vaterlandes nach der Katastrophe des Nazi-Regimes und des Zweiten Weltkriegs bildete. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes sahen sich dabei eindeutig in einer Verantwortung „vor Gott und den Menschen“. Diese Prägung hat den Weg unseres Landes bis auf den heutigen Tag bestimmt. Angesichts dessen, was vorausging, dürfen wir dafür tief dankbar sein.
Dass der Friede der vergangenen 60 Jahre in Westeuropa und die Aussöhnung, besonders zwischen den einstigen „Erzfeinden“ Frankreich und Deutschland, keine Selbstverständlichkeiten sind, das ist mir dieser Tage wieder so richtig bewusst geworden, als ich im Rahmen der Feierlichkeiten zur 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Chartres und Speyer einer Einladung nach Frankreich folgte. Was muss es doch teilweise für eine Überwindung gekostet haben, aufeinander zuzugehen und miteinander den Weg der Versöhnung einzuschlagen! Gefordert ist dafür eine Offenheit gegenüber dem Anderen, die in ihm nicht den Konkurrenten und Gegner, sondern den Mitmenschen und potentielle Partner sieht. Immer wieder müssen wir uns fragen, ob wir diese Offenheit heute mitbringen.
Bei uns in Speyer steht als Stein gewordenes Symbol dieser Aussöhnung die Friedenskirche St. Bernhard. Vor 55 Jahren wurde sie eingeweiht, nur neun Jahre nach dem Ende des Krieges. In der kleinen Pax-Christi-Kapelle wird Erde von vielen Schlachtfeldern aus der ganzen Welt aufbewahrt: bleibende Mahnung daran, dass der Ungeist des Krieges nicht wieder Macht über uns gewinnen soll. Friede meint mehr als nur die Abwesenheit des Krieges. Die französischen Katholiken haben viel Geld für den Bau der Bernhardskirche gespendet. Sie handelten aus dem Geist des Evangeliums Jesu heraus, der uns den Hass überwinden lehrt und uns im Anderen die Schwester und den Bruder erkennen lässt. Was die Apostelgeschichte in der Bibel vom ersten Pfingstereignis berichtet, das können Menschen auch heute noch erfahren: dass es Verständigung und Verstehen gibt über die Grenzen von Kultur und Sprache hinweg. Der Geist, den Jesus seinen Jüngern versprochen hat, ist heute lebendig und am Wirken. Auch heute lässt er Menschen heraustreten aus der Enge der Angst, lässt sie menschliche Grenzen und Hindernisse überwinden.
Die Politikerinnen und Politiker, die für die Aussöhnung standen, haben ebenfalls aus diesem christlichen Geist heraus gehandelt. Sie haben ihre christliche Überzeugung in die politische Debatte eingebracht. Sie wussten, dass ein politisches System sich nicht selbst Grundlage sein kann, sondern noch aus etwas anderem heraus seine Werte und Überzeugungen bezieht. 60 Jahre Grundgesetz sind daher auch ein Anlass, dass wir uns auf die Wurzeln unserer Verfassung und unseres Gemeinwesens besinnen: die Verantwortung vor Gott und den Menschen. Gemeinsame Werte und Grundüberzeugungen bleiben dann in unserer Gesellschaft lebendig, wenn wir uns dieser Verantwortung vor Gott wieder mehr bewusst werden.
Im Brief an die Römer erinnert uns der hl. Apostel Paulus daran, was es bedeutet, wenn die Verantwortung vor Gott ernst genommen wird. Er schreibt: „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist … Lasst uns also danach streben, was zum Frieden und zum (gemeinsamen) Aufbau beiträgt.“ (Röm 14,17)
Dazu wünsche ich uns Mut und Zuversicht. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6135
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SWR2 Wort zum Sonntag

Liebe Hörerinnen und Hörer,
große Feste müssen gut vorbereitet werden, damit sie gelingen. Das kennen wir aus unserem persönlichen Leben. Ein runder Geburtstag, eine Goldene Hochzeit oder ein besonderes Jubiläum stehen an. Einladung und Ort, Essen und Festrede wollen bedacht sein. Große Feste sind Anlass zur Erinnerung, Besinnung und Vorfreude. Ganz besonders gilt dies auch für die großen Feste unseres Glaubens. Wie der Advent dem Weihnachtsfest vorausgeht, so bereiten wir uns 40 Tage lang auf Ostern vor in der österlichen Bußzeit oder Fastenzeit, wie sie im Volksmund heißt. Mitten in dieser Vorbereitungszeit befinden wir uns. Begonnen hat sie am Aschermittwoch. Ein Aschenkreuz ist uns auf die Stirn gezeichnet worden. Es erinnert uns eindringlich an unsere Vergänglichkeit. Geh in Dich, besinn Dich, sagt uns das Aschenkreuz. Nutz die Zeit der Vorbereitung auf Ostern. Kehr um und richte Dich wieder aus auf den Gott, der Dir in Jesus Christus Leben schenkt und den Tod überwunden hat. Dabei hilft uns das Fasten, der Verzicht auf sonst selbstverständliche Dinge. Dadurch werden wir feinfühliger. Wir schärfen unsere Sinne und unsere Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens und werden hoffnungsfroher, dass Gott all das Zerstörerische in unserem Leben, ja letztlich sogar den Tod, überwinden kann. Am Ende dieser Vorbereitungszeit auf Ostern steht die Feier der Heiligen Woche, der Karwoche, wie wir im Deutschen sagen. Das altdeutsche Wort Kara bedeutet Trauer und verweist auf das Gedenken an das Leiden Jesu Christi. Am Gründonnerstag und Karfreitag treten die Erzählungen des letzten Abendmahles, des Leidensweges und des Kreuzestodes Jesu in den Mittelpunkt. Gott hat in Jesus Christus gelitten und ist gestorben für uns. Das ist die Botschaft dieser Tage. In der Feier der Osternacht und des Ostersonntags freuen sich die Christen dann über die Auferstehung Jesu. Sein Licht erleuchtet das Dunkel des Todes. Die Vergänglichkeit und der Verzicht haben nicht das letzte Wort. Sie bereiten uns letztlich nur vor für die Botschaft der Auferstehung Jesu, durch die uns ein Leben in Fülle verheißen ist. Es ist gut, dass es die vorbereitende Fastenzeit vor Ostern gibt. Denn durch sie können wir noch einmal viel intensiver die Osternacht und den Ostersonntag feiern. Gott schenkt Leben in Fülle über den Tod hinaus. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5592
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SWR2 Wort zum Sonntag

Fast 1000 Jahre alt ist unser Dom in Speyer, ein imposanter Zeuge der Vergangenheit und ein lebendiges Haus Gottes bis heute. In wenigen Tagen feiern wir wieder unser jährliches Domweihfest, und in drei Jahren dürfen wir zum 950jährigen Jubiläum der Domweihe einladen.
Ich bin erst seit einem halben Jahr Bischof von Speyer. Was mich in dieser, am Alter des Domes gemessen, recht kurzen Zeit am meisten beeindruckt hat, ist die innige Beziehung, die viele Menschen zu diesem großartigen Bauwerk der Romanik haben. Der Speyrer Kaiserdom ist bis heute lebendig und nicht nur an hohen Festtagen mit Menschen gefüllt. Sie spüren das Besondere dieses geweihten Raumes. Der Dom besitzt nicht nur kulturelle, sondern geistliche Ausstrahlungskraft weit über die Grenzen unseres Bistums hinaus.
Es ist eigentümlich: Je weltlicher unsere Gesellschaft wird, desto mehr gewinnen solche geweihten Orte an Faszination. Etwas zu weihen, bedeutet, es aus dem Alltäglichen herauszuheben und zu einem Ort der Begegnung mit dem zu machen, was uns zum Staunen bringt, übersteigt und überwältigt. In der Weihe wird das von Menschen gebaute Haus Gott anheim gestellt, dass er es auf besondere Weise mit seiner Gegenwart erfülle. Dabei wird Chrisam verwendet, das heilige Öl, das wir auch von der Tauffeier, von der Priesterweihe und besonders von der Firmung her kennen. Dieses Öl füllt mit seinem besonderen Duft den Raum. Mit dem heiligen Chrisam wird der Altar gesalbt. Hier schließt Gott mit uns den neuen Bund in dem Blute Jesu Christi. Unter den Gestalten von Brot und Wein schenkt sich uns Jesus Christus ganz, und wir werden hinein genommen in das Lebensgeheimnis Gottes. An fünf Stellen wird auf dem gesalbten Altar Weihrauch verbrannt. Der aufsteigende Duft des Weihrauchs soll Zeichen sein für das Gebet der Gemeinde, das zu Gott empor dringt.
Durch all diese Riten wird sinnfällig deutlich: Hier ist ein besonderer Raum. Ein Ort der Nähe Gottes mitten in unserer Welt. Wir brauchen solche Räume. Sicher kann der Mensch an jedem Ort beten, aber in solchen Räumen erfahren wir gemeinsam, dass Gott uns spürbar nahe ist und dass er unserem Leben eine Größe gibt, die mehr ist als Arbeit und Sorge, mehr auch als Freizeit und Spiel.
In den gewaltigen, Himmel weisenden Mauern unseres Domes spürt man: Hier ist die Wohnung Gottes unter den Menschen. Wie gut, dass wir solche Orte haben. Wir könnten sonst vergessen, was wir sind: Kinder Gottes! https://www.kirche-im-swr.de/?m=4557
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SWR2 Wort zum Sonntag

„Ihr seid das Salz der Erde“. Zum Leitwort des Pfälzer Katholikentags in Speyer

Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen,
„Ihr seid das Salz der Erde“. Unter diesem Leitwort aus dem Matthäus-Evangelium konnten wir vor kurzem in Speyer ein großes Jubiläum feiern. Vor 100 Jahren haben sich unzählige Gläubige des Bistums Speyer zum ersten Mal mitten im Pfälzer Wald zu ihrem Katholikentag getroffen und damit eine Tradition gegründet, die von unten gewachsen bis heute von zahlreichen Gläubigen aus den Pfarrgemeinden und den katholischen Verbänden hochgehalten wird. Diese Treffen, die Jahr für Jahr tausende von Gläubigen anziehen, sind Ausdruck der gemeinsamen Freude am Glauben wie auch eines wachen und kritischen Geistes aus dem Evangelium heraus. Sie stehen in der Tradition des gesellschaftlichen und sozialpolitischen Engagements der katholischen Kirche und setzen sich immer wieder mit wichtigen Fragen an der Schnittstelle von Glauben und Welt auseinander. So zeigen sie die Bindekraft des Glaubens und seine Fähigkeit, Zeichen der Zeit zu deuten.

Salz der Erde sein – das ist gerade in Zeiten schwindender kirchlicher Bindung, großer Verunsicherung über die Geltung grundlegender Werte, die Herausforderung für uns Christen, unser großer Auftrag. Dabei geht es nicht nur um Dienstleistungen oder caritatives Engagement. Es geht darum, wirklich Sauerteig zu sein für die Welt. Unser Glaube an Jesus Christus hat die Kraft, die Welt zu durchwirken und umzuwandeln, damit Gottes Reich kommen kann.

Dabei tut es gut, sich bewusst zu bleiben, dass das Entscheidende hierbei nicht alleine von uns kommt. Gottes Geist ist es, der in uns wirken will und uns zum Zeugnis des Glaubens befähigt. Salz der Erde sein – können wir Christen das heute überhaupt noch? Ist der Anspruch in einer Welt, die von vielen anderen mächtigen Faktoren bestimmt wird, nicht zu hoch? Salzkörner sind klein und unscheinbar. Ein Leben nach dem Evangelium hängt nicht ab von starken Finanzen und von bis ins letzte durchorganisierten Plänen. Schon ein wenig Salz verändert den Geschmack. Auch eine rein zahlenmäßig kleiner gewordene Kirche kann stark sein, wenn sie wirklich auf diese verändernde Kraft des Glaubens vertraut. Beim Salz kommt es auf die richtige Dosierung an. Ein einziges richtiges Wort zur richtigen Zeit kann vieles bewegen. Ein wacher Christ unter vielen Schläfern kann entscheidendes anstoßen. Salz der Erde sein – das bedeutet für mich, der schleichenden Gleichgültigkeit entgegenzuwirken. Das Schicksal meines Nächsten, meines Nachbarn, meines Arbeitskollegen, darf mir nicht egal sein. Wir sehen, wie die soziale Schere in unserem Land immer weiter auseinander geht. Mitten in unserer Lebenswelt gibt es wieder Armut. Auch wenn wir nicht alle Probleme lösen können, Christ sein bedeutet immer aufmerksam zu sein für den Nächsten, Mitfühlen mit dem Schicksal des anderen und es bedeutet den Mut, die eigene Stimme für die Wahrheit und die Gerechtigkeit einzusetzen.

Die Speyerer Katholikentage sind eine solche Stimme des Glaubens in der Welt. Das durfte ich als neuer Bischof in Speyer zum ersten Mal lebendig erfahren. Da trifft man Gläubige, die seit Jahren sich mutig einsetzen für andere, die in Not, Armut, Elend sind. Und sie tun das ganz stillschweigend und im Verborgenen. Wenn ihre Augen leuchten, wenn man sich mit ihnen unterhält, dann versteht man, was Jesus gemeint hatte, als er zu uns Christen sagte: Ihr seid das Salz der Erde. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4015
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