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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Gott ist auch mitten unter den Kochtöpfen.“ Teresa von Ávila hat das gesagt, eine Ordensfrau, die im 16. Jahrhundert gelebt hat; sie gilt als große Mystikerin. Heute wird in der Kirche an sie erinnert.

Von einer Mystikerin würde man wahrscheinlich anderes erwarten als solche Bodenständigkeit. Unter Mystik verstehen viele etwas Abgehobenes, etwas, das sich jenseits unseres Alltags vollzieht, in einer anderen Welt. So sehr es Teresa, die im Alter von 20 Jahren in ein Karmelitinnenkloster eingetreten war, „nach innen“ gezogen hat, zu einem „inneren Beten“, wie sie es nannte, so sehr ist sie aber auch Zeit ihres Lebens immer wieder durch ganz alltägliche Dinge „geerdet“ worden. Da war zum Beispiel die schnell anwachsende und viel zu große Klostergemeinschaft, in der sie sich häufig in ihrer Vorstellung, geistlich zu leben, gestört gefühlt hat. Eine Zeit lang war sie sehr krank, so schwer, dass man geglaubt hat, sie würde es nicht schaffen. Und dann ist sie auch noch in mehrere religiöse Krisen geraten. Mystik, das lerne ich an Teresa, ist beides: Ein Weg nach innen, der häufig aber außen beginnt und am Ende wieder nach außen führt. Teresa hat es beispielsweise geliebt, Menschen kennenzulernen; vielfach sind daraus Freundschaften geworden. Entsprechend hat sie auch Freundschaft mit Gott und mit Jesus gesucht; gepflegt hat sie sie im Gebet, das sie als „Verweilen bei einem Freund“ angesehen hat.

Aber auch das darf als ein Weg nach außen gelten: Dass Teresa ihre inneren Erfahrungen aufgeschrieben hat. Darunter auch die, dass Gott mitten unter den Kochtöpfen ist. Sie hat damit sagen wollen: Bei Gott, bei Jesus verweilen, das kann ich immer. Ich brauche dazu keine idealen Voraussetzungen wie etwa ein Kloster oder einen stimmungsvollen Gottesdienst am Sonntag. Auch mitten im Alltag – wenn ich dusche; wenn ich am Schreibtisch sitze – überall kann ich mich Gott zuwenden, kann er Teil meines Lebens sein, so, wie ich es auch bei einem Freund oder einer Freundin tun würde.

Teresa ist mit Gott in einer freundschaftlich-vertrauten Weise umgegangen und hat damit eine für ihre Zeit ungewohnte Frömmigkeit vermittelt – so bodenständig, dass sie noch heute guttut und wegweisend ist – nicht nur für die, die am Kochtopf stehen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Einladung zur Dankbarkeit“ – so lautet der Titel eines Büchleins, das ich in diesem Sommer gelesen habe.[1] Es enthält eine Fülle von Gedanken, über die ich nur staunen kann. Man sollte ja meinen, Dankbarkeit sei etwas so Alltägliches, dass man eigentlich alles darüber weiß. Doch die „Einladung zur Dankbarkeit“ geht von einer gegenteiligen Erfahrung aus. Wir seien heute eine ziemlich undankbare Gesellschaft, heißt es da. Wir wollten immer noch mehr besitzen, weil wir nicht dankbar sein könnten für das, was wir schon haben. Dabei seien unsere Vorfahren dankbare Menschen gewesen und hätten durch ihre Dankbarkeit Freude gefunden. Denn ihnen sei bewusst gewesen, dass es einen „Geber aller Gaben“ gibt, und dass sie selbst Gabe seien.

Besonders berührt hat mich in dem Büchlein das Kapitel „Wie wir dankbare Menschen werden“. Dankbarkeit, heißt es da, beginnt im Bereich der Sinne, wörtlich: „…mit jener staunenden Freude, die sich am Sinnlichen ganz von selbst entzündet. Wer das bezweifelt, braucht nur ein Fußbad zu nehmen. Da wird Dankbarkeit ganz spontan lebendig.“ Die gleiche Erfahrung kann ich fast überall machen, wo der Alltag mich hinführt. Ich merke: Ich brauche nur darauf zu achten, und Dankbarkeit wird mich beinahe überwältigen. Die Frage ist, ob ich das tue. Der Autor verrät, dass er seit Jahren täglich in seinen Taschenkalender zumindest eine Sache schreibt, für die dankbar zu sein ihm vorher noch nie in den Sinn gekommen ist. Wer darin eine schwierige Übung vermutet, wird staunen, wie viele Gründe einem in den Sinn kommen können, dankbar zu sein.

Seit ich diesen Gedanken gelesen habe, ertappe ich mich dabei, nach solchen Gründen zu suchen. Und so freue ich mich plötzlich über die bunten Blumen auf einer Verkehrsinsel mitten in der Stadt, ebenso, wie über die freundliche Beratung am Schalter des Reisezentrums der Deutschen Bahn und über die Sorgsamkeit, mit der meine Friseurin mir die Haare geschnitten hat. Es stimmt: Solche Alltäglichkeiten sind mir vorher nicht weiter aufgefallen. Inzwischen tun sie es, und so werden sie zu Gelegenheiten dankbar zu sein, auch Gott gegenüber, dem Geber aller Gaben.


[1] David Steindl-Rast, Einladung zur Dankbarkeit, hrsg. von Ulla Bohn, Freiburg im Breisgau (Kreuz Verlag) 2012.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Damit wir klug werden“ – so lautet das Leitwort für den Evangelischen Kirchentag, der nächstes Jahr in Stuttgart stattfinden wird. Seit gut einem halben Jahr begegnet es mir bei den vielen Vorbereitungen, die in den Stuttgarter Gemeinden bereits auf vollen Touren laufen. „Damit wir klug werden“ – das hört sich an, als seien wir es nicht. Geb‘ ich mir nicht alle Mühe, eine Entscheidung gut zu überlegen und durchzuspielen, damit sie klug wird? Freilich, nicht immer gelingt das. Manchmal mache ich auch die Erfahrung, dass ich vorschnell gehandelt habe, dass etwas noch nicht entscheidungsreif war. Wann ist etwas klug und wann nicht?

Das Leitwort des Kirchentags greift ein Wort aus der Bibel auf. „Unsere Tage zu zählen, das lehre uns, damit wir klug werden“, heißt es da (Psalm 90,12).[1] Ich verstehe das als einen Impuls, meinen Tagen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sie nicht einfach verstreichen zu lassen, einen nach dem anderen, als ginge das einfach so weiter. Ich weiß aus Erfahrung, dass es nicht so weitergeht. Aber ist das dann schon klug? Ist es nicht so, dass meine Tage in der Regel vollgepackt sind – angefangen von den ganz gewöhnlichen Aufgaben bis hin zu den großen Herausforderungen? Wie oft muss ich mir eingestehen, dass ich etwas nicht geschafft habe. Tu ich zu viel?

So wichtig es sein mag, sich diese Frage gelegentlich zu stellen: Zu klugem Handeln im Sinne des Bibelworts scheint mir das allein noch nicht zu führen. Eher ist es die Entdeckung, wie sehr vieles von dem, was ich alles tue und noch zu tun beabsichtige, um mich selbst kreist. Wäre es nicht klüger, weniger zu tun, besser darauf zu achten, was an jedem Tag Neues geschieht, sich eher von den Tagesereignissen an der Hand nehmen zu lassen und darin Gottes Führung zu entdecken?

Meine Tage zu zählen, das kann bedeuten, sie bewusster zu erleben. Statt sie untergehen zu lassen in all den Verpflichtungen, die ich habe und vorhabe und für die ein Tag oft nicht reicht, ist es – denke ich – besser, ein paar Augenblicke die Zeit anzuhalten, nachzudenken. Und dabei kann ich dann auch an Gott denken, für den tausend Jahre sind wie der Tag, der gestern vergangen ist (Psalm 90,4).


[1] Lutherübersetzung 1984: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Im hebräischen Original heißt es: „Unsere Tage zu zählen, das lehre uns, damit wir ein weises Herz erlangen.“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg 5,29) Der Apostel Petrus hat das gesagt. Zum wiederholten Mal hatte man ihn beschuldigt, im Namen Jesu zu lehren, obwohl das ausdrücklich verboten war. Die Richter verloren deshalb allmählich die Geduld. Doch selbst Todesdrohungen konnten Petrus nicht davon abhalten, die Botschaft Jesu zu verkündigen.

Ähnlich war das bei dem Mann, an den ich heute, am 22. März, erinnern will: Clemens August Graf von Galen. 1933 wird er Bischof von Münster, und er bleibt in diesem Amt bis zu seinem Tod 1946. Berühmt wird er, weil er in Wort und Tat den Nationalsozialisten die Stirn bietet und gleichzeitig fordert, die Kirche müsse das überall so tun. Jede Gelegenheit nutzt er, die NS-Ideologie zu verurteilen. In seinen Predigten prangert er offen an, dass die Nationalsozialisten behinderte Menschen, eventuell auch Kriegsversehrte, töten wollen. Abschriften davon werden in ganz Deutschland verbreitet. Sogar an der Ostfront werden die Texte des „Löwen von Münster“, wie ihn der Volksmund nannte, heimlich gelesen. Das hat dazu geführt, dass die Tötungsprogramme nicht mehr länger geheim zu halten waren und die Nazis sie aussetzten. Bischof von Galen ist dabei unbehelligt geblieben; man wollte schließlich keinen Märtyrer schaffen.

Ein Martyrium müssen Christinnen und Christen heute – Gott sei Dank – nicht mehr befürchten, wenn sie offen Stellung beziehen – zumindest nicht in unserem Land. So konnten unlängst Befürworter und Gegner eines neuen Bildungsplans für Baden-Württemberg ohne Schwierigkeiten auf die Straße gehen, um ihre Meinung kundzutun. Bei anderen Themen ist das genauso. Was mich dabei beschäftigt ist: Gibt es Menschen, die so deutlich Zeugnis geben, nur in den politisch brisanten Themen? Oder verändert das auch den Stil, wie wir miteinander umgehen und kontroverse Fragen des Alltags diskutieren? Mir ist dabei die Achtung vor Andersdenkenden sehr wichtig. Auch wenn es um ein Thema geht, für das ich mich als Christ engagiere: den Stellenwert des Sonntags zum Beispiel. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Es ist sicher spannend, das Petrus-Wort einmal in diesem Licht zu betrachten. Es ist dann nicht so weit von mir weg angesiedelt, sondern mitten in meinem Alltag.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

An einer der Stellen, wo ich als Pfarrer gearbeitet habe, gab es eine Barockkirche, in der nicht nur außen, sondern auch innen alle Viertelstunde eine Uhr geschlagen hat. Der helle Klang war unüberhörbar und hat sich an den unmöglichsten Stellen in den Vordergrund gedrängt – gerade dann, wenn ich ein Gebet zu sprechen hatte und es darauf ankam, dass alle es innerlich mitvollziehen konnten. Oder, wenn ich einen Predigtgedanken entfaltet habe – froh, darüber, dass mir die meisten dabei gefolgt sind. Aber wenn das helle „Bing!“ ertönte, war es für einen Augenblick aus damit: Dann konnten viele es nicht lassen, mehr oder weniger verstohlen auf ihre Armbanduhr zu schauen.

Natürlich hat der Künstler sich etwas dabei gedacht: Er erinnert uns daran, dass der Lauf des Lebens unaufhaltsam weitergeht und dass wir angesichts des Todes unsere Zeit nutzen sollen.

Darüber nachzudenken ist heute gar nicht einfach. Meine Tage sind meistens ausgefüllt, und ich merke, wie schnell dabei die Zeit vergeht. Vor allem private Dinge kommen viel zu kurz. Nicht selten sagt meine Frau: „Wir arbeiten viel zu viel, aber das Leben besteht nicht nur aus Arbeit.“ Wie Recht sie hat! Nur: Was mache ich, wenn Termine in meinem Kalender stehen, die andere da hineingesetzt haben? Wenn Aufgaben in einem bestimmten Zeitraum fertig werden sollen? Viele Menschen klagen über Zeitdruck und Zeitmangel. Und nicht wenige reagieren darauf mit Krankheit.

Natürlich bin ich nicht der erste, der das beobachtet, und es gibt längst Strategien, dem entgegenzuwirken. „Entschleunigung“ heißt beispielsweise eine. Meine persönliche „Entschleunigung“ übe ich gerade während der Fastenzeit. Statt mit dem Auto zur Post zu fahren, weil ich denke, so geht es schneller und so spare ich Zeit, versuche ich es gerade zu Fuß. Statt eins nach dem anderen zu erledigen, schiebe ich dazwischen eine kurze Pause ein, manchmal sogar mit einem Gebet, wie es die Mönche machen. Die Wirkung ist verblüffend. Ich schaffe meine Sachen, und es bleibt tatsächlich Zeit übrig – mitten am Tag. Das „Bing“ der Uhr hat Recht.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Manchmal bin ich froh, wenn ich eine Tür hinter mir zumachen kann. Schluss mit dem, was vorher war! Morgens zum Beispiel, wenn ich weg muss zur Bahn und es hektisch geworden ist. Oder abends, wenn der letzte Termin vorüber ist und ich das Gemeindezentrum abschließe. Endlich Ruhe! Endlich Feierabend! Ähnlich ist das zu Beginn des Wochenendes oder am letzten Arbeitstag vor dem Urlaub. Ich lasse etwas zurück – froh, nun frei zu sein und unbeschwert.

Natürlich gibt es auch das Gegenteil: Dass ich aus einer unbeschwerten Situation in eine schwierige gehen muss. Da öffne ich dann eine Tür, weiß aber nicht, was mich auf der anderen Seite erwartet. Der Schritt über die Schwelle fällt schwer.

In beiden Fällen symbolisiert die Tür eine Grenze: Mal geht es darum, sie zuzumachen, mal darum, sie zu öffnen. Mal mache ich sie vor mir zu, mal hinter mir. Im Bild der Tür erkenne ich einen Impuls, über mein Leben nachzudenken: Soll ich sie zumachen, wenn sie offen steht? Damit ich bei mir bleibe und bei dem, was gerade dran ist? Soll ich sie aufmachen, wenn sie verschlossen ist? Um mich weiterzuentwickeln? Um endlich meine Zukunftspläne anzugehen? Oder hinter mich zu bringen, wovor ich Angst habe?

Ich habe mir für die Fastenzeit einige Symbole ausgewählt, die mich anregen können zu wichtigen Fragen, die sonst in meinem Leben zu kurz kommen. Die Tür ist eine davon. Wenn ich morgens oder abends die Tür hinter mir zumache oder wenn mir irgendwo eine schmucke Tür auffällt, ein Kirchenportal zum Beispiel, denke ich ein bisschen weiter als sonst. Und dann bin ich schon mitten drin in Bereichen meines Lebens, in denen mehr steckt, als ich normalerweise sehe.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Wer vom Alltag spricht, tut das oft leicht negativ. „Der graue Alltag" ist so eine Redensweise. Immer dasselbe, von morgens bis abends, der gleiche Rhythmus, die gleichen Wege, die gleichen Menschen, die gleiche Arbeit. Bei so viel Eintönigkeit wächst das Gefühl: Ich muss da raus; ich muss meinem Alltag mal entfliehen. 

Der Evangelist Lukas greift in einer Geschichte beide Erfahrungen auf: den Alltag und wie man ihm entkommt (Lukas-Evangelium 15,11-32). Es geht um zwei Brüder: der jüngere hat den Alltag satt, er will da raus, und so geht er zu seinem Vater, bittet ihn, ihm seinen Erbteil auszuzahlen und macht sich auf und davon. Er kann nun das Leben in vollen Zügen genießen. Doch irgendwann ist das Vermögen dahin, und es beginnen harte Zeiten für ihn. Und weil er sieht, dass es selbst den Tagelöhnern seines Vaters besser ergeht als ihm jetzt, ringt er sich durch, nach Hause zurückzukehren, wohl wissend, dass das kein einfacher Gang sein wird. Doch der Vater reagiert anders als erwartet: Er ist voller Freude und er bereitet ihm deshalb ein Fest: Freunde werden eingeladen, das Mastkalb wird geschlachtet, es gibt Musik und Tanz.

 Nur einer kann sich nicht mitfreuen: sein älterer Bruder. Enttäuscht, ja wütend stellt er seinen Vater zur Rede. Wann hat man ihm schon einmal ein Fest gegeben? Wann durfte er sich mal Freunde einladen? Nicht einmal einen Ziegenbock sei er wert gewesen! Das hat er nun von all seiner Treue! Und nun kommt das Überraschende: Der Vater erinnert ihn an den Wert des Alltags: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein." 

Plötzlich ist es nicht mehr die Geschichte des jüngeren Sohnes, genauso wenig wie es die Geschichte des älteren ist; es ist eine Glaubensgeschichte geworden. Sie erzählt vom Alltag meiner Gottesbeziehung. Für den jüngeren Sohn war dieser Alltag „grau" geworden, nichtssagend. Dem älteren dagegen fehlt die Erfahrung ohne diese liebevolle Geborgenheit zu leben. So schlecht ist der Abstand zum Alltag also nicht. Ich muss ihm ja nicht entfliehen, aber ich kann ihn mir schaffen, damit ich seinen Wert neu sehen kann: „Du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein" (Lukas-Evangelium 15,31).

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Wes' das Herz voll ist, des' geht der Mund über" - so lautet ein Sprichwort, das ursprünglich aus der Bibel stammt. Allerdings steht es dort in einem anderen Zusammenhang, als wir es heute verwenden. Ich jedenfalls kenne das Wort im Zusammenhang mit Begeisterung: Jemand ist voll von etwas, das er erlebt hat oder voll von etwas, wovon er überzeugt ist, und das muss er loswerden. 

Das gilt sicher auch von den vier Evangelisten im Neuen Testament, darunter Lukas, dessen Gedenktag heute begangen wird. „Evangelium" heißt: „Frohe Botschaft", und gerade frohe Botschaften möchte man nicht für sich behalten. Sie rühren einen innerlich an - das Herz ist dann in der Tat ganz voll. So lese ich in den Evangelien, etwa am Ende der Erzählung von der Heilung eines Gelähmten: „Da gerieten alle außer sich; sie priesen Gott und sagten: So etwas haben wir noch nicht gesehen" (Markus-Evangelium 2,12). 

Was mich an diesem Satz berührt, ist: Sie preisen Gott. Das, glaube ich, wollen die Evangelien auch bewirken: Dass ich mit in diesen Chor derer einstimme, die Gott preisen. Nicht nur, weil da irgendjemand geheilt wurde. Sondern weil solche Heilungsgeschichten mir sagen können: Auch du kannst bei Gott Heilung finden. Vielleicht ist das bei mir ja auch schon der Fall gewesen. Oder es setzt sich bei mir innerlich fest, sodass in mir das Vertrauen wachsen kann, dann Heilung zu finden, wenn es einmal nötig ist. Auch das klingt in den Evangelien an: „Jesu Ruf", heißt es am Ende einer anderen Heilungsgeschichte, „verbreitete sich immer mehr, sodass die Menschen von überall herbeiströmten. Sie alle wollten ihn hören und von ihren Krankheiten geheilt werden" (Lukas-Evangelium 5,15). Wenn wir in unserer Kirche in Stuttgart das Sakrament der Krankensalbung feiern, spüre ich etwas von diesen Worten, weil an solchen Sonntagen auch andere kommen als sonst.

Ähnlich ist das bei uns immer am letzten Sonntag des Monats, dann, wenn die Geldbeutel leer sind: Da füllt sich unsere Kirche mit zahlreichen armen und einsamen Menschen. Sie sind eingeladen zum „Vespern": Vesper im doppelten Sinn des Wortes: Zuerst wird ein kurzes Abendlob gefeiert und dann wird gemeinsam gevespert. Ein bisschen erinnert das an das Gleichnis vom Festmahl (Lukas-Evangelium 14,15-24): Da fordert der Gastgeber seinen Diener auf, auf die Straßen und Gassen der Stadt zu gehen und die Armen herbeizuholen. Unsere Gemeinde tut das, um ganz praktisch und ganz konkret das Evangelium zu verkünden. Denn: „Wes' das Herz voll ist, des' geht der Mund über."

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Störungen sind normalerweise ärgerlich, besonders wenn der Eindruck entsteht, sie sind bewusst herbeigeführt worden. In unserer Kirchengemeinde in Stuttgart taucht immer wieder einmal mitten in unseren Versammlungen eine Frau auf, die um einen Kaffee und etwas zu essen bittet. Dass wir dadurch unterbrochen werden und auch nicht weitermachen können, das stört die Frau nicht; in aller Ruhe genießt sie das Essen und Trinken und hält dabei die Leute auf Trab. Es bleibt in der Regel auch nicht bei der einen Tasse und dem einen Brot. Kein Wunder, dass sich unter den Versammelten Unruhe breitmacht. Die einen sagen: Sie kann doch nicht einfach in eine Versammlung hineinplatzen und erwarten, dass dann alles nach ihrer Pfeife tanzt! Die anderen werben für Gelassenheit und sie verweisen darauf, dass man von einer christlichen Gemeinde Nächstenliebe erwarten kann. 

Ich muss gestehen: Auch mich haben diese Auftritte schon mächtig geärgert; ich hätte sie mir diskreter gewünscht. Nachdenklich aber hat mich dann eine Geschichte aus der Bibel gemacht, in der genau das passiert (vgl. Lukas-Evangelium 7,36-50): Mitten in ein Abendessen hinein, das ein Pharisäer für Jesus gibt, platzt eine Frau. Sie geht gezielt auf Jesus zu, sie weint, sodass Tränen auf seine Füße fallen. Mit ihrem Haar trocknet sie Jesu Füße und salbt sie mit kostbarem, wohlriechendem Öl, das sie eigens mitgebracht hat. Das Problem: Jeder am Tisch weiß: Diese Frau ist eine Prostituierte. Doch zur Verwunderung aller und besonders seines Gastgebers stört Jesus sich nicht daran. Er kennt die Frau: Sie ist seinetwegen da, sie hat erlebt, dass Jesus sie ernst nimmt und nicht verurteilt, das weckt den Menschen in ihr, sie fühlt sich befreit, sie will etwas zurückgeben von der Zuwendung, die sie erfahren hat. 

All das erscheint in dieser Geschichte wichtiger als ein störungsfreies Abendessen. Gestört wird dort nur das scheinbar geordnete Leben, damit es sich wandeln kann. Eigentlich sollte ich der Frau in unseren Versammlungen dankbar sein. Immerhin hat sie mich, wenn auch sehr provozierend, an eine christliche Grundhaltung erinnert. Ich glaube an den Gott, der, wie es ein Psalmwort sagt, „den Schwachen aus dem Staub emporhebt und den Armen erhöht, der im Schmutz liegt" (Psalm 113,4.7).

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ein Auto an der Steckdose. Noch ist das selten zu sehen. Eines davon gibt es in meiner Nachbarschaft. Wenn ich dort vorbeigehe, sehe ich, dass es meistens mit einem Stromkabel verbunden ist. Eine Alternative zum Benzin, das aus Öl gewonnen wird. Zum einen ist Öl ein begrenzter Rohstoff. Und auf dem Weg zu uns ist es schon zu Katastrophen für Mensch und Umwelt gekommen, die nicht wieder gut zu machen sind.
Auch Strom kann, je nachdem wie er gewonnen wird, die Umwelt belasten. Allerdings nicht, wenn er aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, etwa aus Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie.
In unserer Gemeinde in Stuttgart beschäftigen wir uns während der Fastenzeit mit solchen Fragen. Dabei spielt es keine Rolle, wie neu die einzelnen Erkenntnisse sind; die meisten Gemeindemitglieder kennen sich sehr gut aus in der Umweltthematik. Trotzdem mussten wir feststellen, wie lasch wir zum Beispiel in unserem Umweltverhalten als Gemeinde geworden sind. Was hier gilt, gilt - das gaben viele zu - auch zu Hause. Etwas vereinfacht gesagt: An die Stelle von Umweltverantwortung ist im Laufe der Jahre Gedankenlosigkeit getreten. Und die Zeit, sich über Entwicklungen und neue Entdeckungen zu informieren, ist knapp geworden.
Seit Aschermittwoch schauen wir uns deshalb Sonntag für Sonntag einen Abschnitt aus der biblischen Schöpfungserzählung an. Am vergangenen Sonntag war es der vierte Schöpfungstag, an dem unter anderem von der Sonne, vom Mond und von den Sternen die Rede ist. „Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten, über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war" (Genesis 1,17-18).
Der Text gibt uns Anlass, über erneuerbare Energie nachzudenken und zu überlegen, was sich aus unseren Gedanken praktisch folgern lässt - nicht nur in der Gemeinde, sondern auch daheim und überhaupt in unserem alltäglichen Umweltverhalten. Für uns wird die Fastenzeit auf diese Weise ganz praktisch zu einer Zeit der Umkehr und inneren Erneuerung. Weil Gott Himmel und Erde gut gemacht hat.

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