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SWR1 Begegnungen

Ostermontag

Teil 1. Was will der Kultursommer mit der Religion

Jürgen Hardeck kommt gerade von einem Termin im Ministerium. Im Büro hängen große Kalender und Tabellen mit Aufgaben, die noch erledigt werden müssen, bevor es Anfang Mai losgeht. Dann wird in Frankenthal der diesjährige Kultursommer unter dem Motto „Gott und die Welt" eröffnet. Über 250 Veranstaltungen drehen sich dann um das Verhältnis von Religion und Kunst. Jürgen Hardeck ist eigentlich erstaunt, dass es 21 Jahre gedauert hat, bis Gott und Religion beim Kultursommer im Mittelpunkt stehen.

Also, dass wir mal so ein Motto machen müssen, war uns eigentlich immer schon klar, denn letzten Endes kommt ja alle Kunst aus der Sphäre des Religiösen, des Rituals. Kunstgeschichte und Religionsgeschichte sind seit Jahrtausenden eng miteinander verbunden.

Jürgen Hardeck ist Religionswissenschaftler, er muss das wissen. Musik, Theater und bildende Kunst war schon immer ein Mittel, mit Gott und mit seinem eigenen Ich in Kontakt zu kommen. Und er weiß, dass in diesem Jahr in Rheinland Pfalz einige bedeutende religiöse Feste stattfinden, Zum Beispiel die Heilig Rock-Tage in Trier, achthundert Jahre Abtei Marienstatt oder die Luther-Dekade der evangelischen Kirche. Aber ich spüre ganz deutlich, dass er den Kultursommer nicht als PR-Veranstaltung für die christlichen Kirchen sieht:

 es gibt auch religionskritische Beiträge im diesjährigen Kultursommer, wie alle Religionen eingeladen sind, sich aktiv an der Gestaltung des Kultursommers zu beteiligen. 1046

Zum Beispiel in der Nacht der Religionen. Musica Sacra - also heilige Musik ist ihr Thema. Musik kommt ohne Sprache aus, und kann deshalb eine Brücke zu den anderen Religionen und Kulturen bilden.  Ich kann mir das gut vorstellen: Wenn orthodoxe Männerchöre gemeinsam mit kongolesischen Gospelsängern singen, und wenn dann noch islamische Musiker und buddhistische Maskentänzern dazukommen, ihre Spiritualität durch  Musik ausdrücken, dann hilft Kunst ganz bestimmt, den Respekt der Religionen untereinander zu fördern. Auch Jürgen Hardeck sieht das so: Keine Religion hat die alleinige Wahrheit für sich gepachtet, findet er. Das ist wie in der Geschichte, mit den sechs Blinden, die einen Elefant betasten und beschreiben sollen:

jeder kriegt ein anderes Stück zu fassen, ein Bein, den Rüssel, den Rücken und jeder beschreibt dann sozusagen wie der Elefant ist, aber natürlich hat keiner von ihnen den ganzen Elefant betastet und deswegen, unsere Erkenntnis bleibt Stückwerk, das wusste übrigens schon der Apostel Paulus und wenn man so klug ist, das zu wissen wird man mit vielleicht auch toleranter und in dem Sinne können wir auch von den asiatischen. Religionen lernen. 1049

 

Das sagt der Religionswissenschaftler und Sinologe, Jürgen Hardeck. Aber Toleranz gegenüber anderen Religionen heißt doch nicht, dass alles irgendwie gleich wichtig und gleich richtig ist. Toleranz, so wende ich ein, braucht auch Standpunkte und Positionen. Genau, sagt Hardeck. Und deswegen müssen wir in Westeuropa uns auch wieder neu über die christliche Religion verständigen:

ich glaube, dass die Religion selbst für Menschen, die sich von ihr verabschiedet haben, immer noch eine große Bedeutung haben kann. Ich hab ein bißchen Sorge, dass wir zu leicht bereit sind, das Kind mit dem Bade auszuschütten, in dem wir vergessen, wie sehr unsre komplette kulturelle Tradition von religiösen Motiven geprägt ist, dass wir diese Symbole überhaupt nicht mehr verstehn, ich kenne viele Leute, die kennen Werbespots besser als Bibelstellen.

Musik:

Teil 2. Was erwartet Jürgen Hardeck von der Religion

Jürgen Hardeck war früher mal Ministrant. Er kennt also die Riten der katholischen Kirche. Später hat er vergleichende Religionswissenschaften und fernöstlichen Philosophien studiert. Jetzt ist er Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Kultursommers und trifft buchstäblich Gott und die Welt, weil sich das Festival in diesem Jahr mit der Verbindung von Kunst und Religion beschäftigt. Er selbst beobachtet die Religion aber eher von außen. Gläubig ist er nicht:

Nicht mehr im traditionellen Sinne. Ich mag die Etiketten nicht, aber wenn man mir ein Etikett anhängen möchte, dann bin ich wahrscheinlich schon ein Agnostiker, allerdings einer mit größtem Respekt vor den religiösen Traditionen der Menschheit.

Ich frage mich, ob seine Distanz zum Glauben daher rührt, dass er so viele Religionen  studiert hat. Er kennt ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile.

Sie sind ambivalent - sie haben zerstörerische und gefährliche Züge in sich, sie haben aber auch sehr viele konstruktive Züge in sich und ich möchte ungern das Wertvolle verlieren, was wir in den religiösen Traditionen der Menschheit finden können. Deswegen ist auch mein Interesse an dem Phänomen Religion ungebrochen.

Als ambivalent empfinde ich in unserem Gespräch auch Jürgen Hardecks Verhältnis zum Glauben. Auf der einen Seite sieht er den großen kulturellen Schatz, den die christliche Religion hervorgebracht hat: Händels Oratorien zum Beispiel, Messen von Mozart, oder auch die Gemälde von Dürer, Cranach und Michelangelo. Auf der anderen Seite hat er sich vom Glauben emanzipiert. Er sieht den Glauben aus dem Blickwinkel der modernen Philosophie - Religion verlagert für ihn die inneren Sehnsüchte des Menschen auf ein höheres Wesen, auf Gott. Aber trotzdem sieht Hardeck auch die Stärken der Religionen. Wenn sie sich auf ihre innersten Werte besinnen, dann sind  sie für Jürgen Hardeck eine Orientierung für eine menschenfreundliche Weltordnung:

Ich bin Humanist und ich würde sagen, diese menschlichen Sehnsüchte und Hoffnungen, die muss man auch sehr ernst nehmen. Wir wünschen uns eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit und der Liebe, Und das sind Ziele, die die Religionen propagieren und diese Ziele sind ja richtig und gut (und deswegen glaube ich, ganz im Sinne von Prof hans Küng und seinem projekt weltethos) Wir brauchen den Dialog der Religionen für den Frieden in der Welt für eine gerechte Welt. Wir brauchen sie noch.

 

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SWR1 Begegnungen

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Teil 1: Kunst rettet Kirche 

Ein Graffiti in der Kirche - passt das zusammen? Seit letztem Jahr schon. Im Juli 2011 wurde im badischen Goldscheuer bei Kehl eine Kirche wiedereröffnet, die der Street-Art Künstler Stefan Strumbel ausgestaltet hat. Seine Kunst und die Menschen vor Ort haben die Kirche vor der Schließung gerettet.

 Ich war sehr fasziniert, so viel Menschen wie da kamen - und dann am Schluss die Standing-Ovation. Das war wunderschön. Auch die ältere Generation, die zu mir kam, mit Tränen in den Augen, und haben sich gefreut, dass wir wieder die Kirche ins Leben gerufen haben.

 Karl Lagerfeld und Hubert Burda besitzen Kunstwerke von ihm. Und für das SWR3 New Pop-Festival in Baden-Baden hat Stefan Strumbel das Plakat entworfen. Seine Kunst wird dort ausgestellt. Und alle wollen ein Interview mit dem angesagten Künstler, der Kuckucksuhren bunt oder neo-barock aufmotzt oder Schwarzwaldmädels als Guerillakämpferin mit Maschinengewehr abbildet. Klar, dass Stefan Strumbel wenig Zeit hat. Dauernd klingelt sein Handy. Trubel in der Galerie. Also gehen wir raus auf die Terrasse, der Springbrunnen plätschert. Romantisch und kitschig schön, wie seine Kunstwerke. »Heimat« das ist sein Hauptthema, und dabei benutzt er auch viele Symbole aus dem religiösen Bereich: Engel, Beichtstühle und Kruzifixe. Und holt sich dafür Rat:

 Ich hab mit Pfarrer Braunstein Kontakt aufgenommen, schon Jahre zuvor, weil ich immer mit der Symbolik der Kirche gearbeitet habe und ich wollte wissen, wie jemand aus der Kirche tickt, der für die Kirche arbeitet und der mir theologischen Inhalt und Input gibt. Ich wollte in meinen Werken und Objekten, wenn ich Kreuze, mit dem Tod und mit dem Leben gearbeitet habe, niemand zu nahe treten.

 Und dann kommt dem katholischen Pfarrer die verrückte Idee, wie er seine Kirche retten kann: »Maria, Hilfe der Christenheit« sollte geschlossen werden. Eine typische sechziger Jahre Kirche, viel Beton, architektonisch nichts Besonderes, aber hoher Sanierungsbedarf. Stefan Strumbels Eindrücke :

 Also ich kam rein und es war für mich wie so ne Sporthalle. Da hätten nur noch die Sprossenwände gefehlt.

 Aber genau diese Kirche will der Pfarrer retten, weil sie für die Menschen von Goldscheuer ein heiliger Ort ist. Dort werden ihre Kinder getauft, sie heiraten und betrauern ihre Verstorbenen. Die Kirche bedeutet Heimat. Deshalb bittet der katholische Pfarrer den Street-art Künstler, die Kirche neu zu gestalten.

 Und es war für mich trotzdem das Kirchenschiff, das Entkernte war für mich sofort pure Energie und Inspiration. Mir sind sofort Ideen eingefallen, wo ich verwirklichen konnte. Ich finde Kirchenschiffe an sich, durch die Architektur, haben eine Macht, die auf mich wirkt und es hat so eine Aura. In Worte kann ich's gar nicht fassen. Aber sie ist einfach für mich ein Ort, wo ich Inspiration erfahre.

 Also hat Stefan Strumbel versucht, die Aura der Kirche in Kunst auszudrücken. Aber ist es so einfach, ein Heimatgefühl zu schaffen? Reicht es aus, die heilige Maria in Tracht auf die Kirchenwand zu sprühen? Die Madonna ist nur ein Teil des gelungenen Konzeptes: Die Kirche in Goldscheuer ist etwas Besonderes geworden, sie hat klare Strukturen bekommen, auch witzige Elemente. Sie ist Kraftquelle für die Menschen vor Ort:

 Ich hab mich mit der Gemeinde ausgetauscht, ich hab mich an der Gemeinde orientiert, ich hab das ganze Projekt für die Gemeinde gemacht. Ich wollte einen Ort schaffen, das keine Stefan-Strumbel-Kirche ist, sondern ein Ort, wo die Leute immer wieder hinkehren, um ihre Religion zu leben, um Heimat zu erfahren.

 Teil 2. Was ist Heimat

 Wer im Internet nach Stefan Strumbel und seiner Kunst sucht, findet knallbunte Bilder von Kuckucksuhren, neonfarbig beleuchtete Kruzifixe und Schwarzwaldmädel mit Palästinenser-Halstuch. Provozierend geht Strumbel mit Bildern um, die für viele Heimat bedeuten. Aber Stefan Strumbel, den ich in Baden-Baden treffe, will mit seiner Kunst nicht verletzen, sondern tief liegende Emotionen auslösen:

 Für mich ist Heimat ein Gefühl, ein Gefühl der Geborgenheit, der Freude, des Glücks. Und ich versuche durch meine Werke, durch meine Objekte und Installationen, die Menschen, die Leute, die sich mit mir und meiner Kunst auseinandersetzen, auf ihre eigene Heimreise schicken, dass sie sich mit ihrer eigenen Heimat auseinandersetzen.

 Deshalb passt es ganz gut zu seiner Kunst, dass er eine katholische Kirche komplett neu gestalten durfte. Er hat den Altarraum mit LED-Licht akzentuiert, der Gebetsecke mit Comic-Sprechblasen ein modernes Gesicht gegeben. Und er hat eine sechs Meter hohe Madonna an die Wand gesprüht, mit der passenden badischen Tracht. Diese Madonna mit dem Jesuskind war ihm ganz wichtig:

 Die Mutterliebe ist für mich der Punkt, wo viele Menschen sagen, wo ist deine Heimat, und da sagen viele: der Geburtsort. Und ich denke, dass es die Geburt ist und die Mutterliebe.

 Und diese Liebe zur Heimat hat er bei den Menschen in Goldscheuer gespürt. Die wollten ihre Kirche retten. Weil sie mit der Kirche ihren Lebensmittelpunkt verbinden. Alles, was Ihnen heilig ist, findet auch in der Kirche seinen Platz. Aber was verbindet Stefan Strumbel mit Heimat?

 Heimat ist überall, Heimat liegt in der Luft, man muss sie nur schnuppern, man muss sie schnuppern wollen. Und Heimat will jeder und empfindet jeder. Jeder steht morgens auf und will das Gefühl von Heimat. Heimat kann man sich für kein Geld der Welt kaufen und ich denke, dass Heimat die stärkste Droge der Welt ist, weil jeder sie will und jeder sie braucht. 

Heimat ist Strumbel wichtig, aber Kirche und Glaube, das spüre ich bin unserem Gespräch, bieten ihm keine Heimat.

 Die Institution Kirche und der Glaube, der interessiert mich nicht. Mich interessiert eigentlich an der Kirche nur die Kunst und die Macht der Symbolik. Ich glaube, aber das ist ein ganz persönlicher und ganz intimer Glaube.

 Ich bin da anderer Meinung. Heimatgefühl und Glaube leben auch davon, dass Menschen eine Gemeinschaft bilden, zusammen feiern, gemeinsame Rituale und Symbole haben. Aus einem privaten Glauben entstehen keine machtvollen Symbole. Aber Stefan Strumbel hatte bei der Ausgestaltung der Kirche »Maria, Hilfe der Christenheit« einen ganz klaren Vorteil: Er ist Außenstehender, er konnte ganz ohne Vorbehalte das Wesentliche der Kirche, ihre stärksten Seiten betonen. Dadurch konfrontiert er die Menschen mit der Frage: Was ist Dir heilig?

 Es war fantastisch. Am Anfang war ich natürlich der böse Mann mit der Sprühdose in der Kirche und am Schluss waren alle glücklich und die Kirche ist voll. Und die wird besucht und ich denke, wir haben alles rausgeholt, was man hätte machen können.

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 Teil 1. Ein Abt im Popbusiness

„Pater Pop" hat ihn die Süddeutsche Zeitung genannt: Abt Rhabanus Petri, Missionsbenediktiner in Bayern, entstaubt gemeinsam mit zwei Mitbrüdern das deutsche Kirchenlied. Und stürmen als »Die Priester« die Hitparaden. Aber so richtig passt der Abt nicht rein in das Popbusiness:
Ich nehme das ganz gelassen. Ich muss sogar schmunzeln, wenn man uns die Boygroup nennt, weil wir doch Männer zwischen 45 und 48 sind. Und ich denke, wir stehen im Leben und sind keine Boygroup mehr.
Abt Rhabanus Petri will keine Karriere im Musikgeschäft machen. Trotzdem hat er eine CD eingesungen und tourt demnächst durch Deutschland.
Trotzdem hat er Zeit für ein Gespräch mit mir - aber  nur ein bisschen. Als ich Abt Rhabanus Petri im Benediktinerkloster Jakobsberg bei Mainz treffe, ist er gerade auf Heimaturlaub. Normalerweise ist er Abt eines Klosters in Niederbayern - und seit kurzem auch Popstar. Der ganze Medienrummel hat ihn schon etwas überrascht: Studio-Aufnahmen, Dreharbeiten am Montblanc, Auftritte in großen Deutschen Fernsehshows, viele Interviewanfragen. Zu verdanken hat er das Ganze dem Erzabt der Benediktiner, Notker Wolf. Der spielte selbst schon in der Öffentlichkeit als rockender Mönch „Highway to hell"  auf der Gitarre. Rhabanus Petri ist einen Schritt weitergegangen  und singt christliche Lieder in moderner Fassung. Weil er damit die Menschen von heute ganz anders erreichen kann.
Die allermeisten Reaktionen sind positiv, dass Menschen eben sagen: die Musik rührt uns an, sie bringt uns Gott ein Stück näher, wir spüren, es kommen Saiten in uns zum Klingen, die wir schon lange nicht mehr gehört haben. Es sind mitunter auch Menschen, die zu der Kirche nicht mehr so direkt den Kontakt haben, aber trotzdem an Gott glauben. Und mit dieser Musik auch ein Stück Spiritualität für sich aufnehmen.
Aber das Ganze ist natürlich eine Gratwanderung. Auch ich bin hin und hergerissen. Wie viel Modernes vertragen die alten christlichen Gesänge, ohne beliebig zu werden? Wenn alte christliche Hymnen mit Pop-Klängen aufgemotzt werden, und die drei Priester bei ihren Fernseh-Auftritten in künstlichen Nebelschwaden stehen, dann gibt es, ganz klar, auch Kritik. Abt Rhabanus Petri hat sich damit auseinandergesetzt:
Es gibt Leute, die sagen, das ist fast esoterisch, oder das auf dem Berg oben, das ist ja furchtbar kitschig. Wir wussten, dass wir's nicht allen recht machen können und das kann keiner. Wir haben aber unser Bestes versucht und das ist für uns wichtig. 
Es geht nicht um ihn selbst, das glaub ich ihm sofort, als ich mit ihm spreche. Obwohl er auf den Coverphotos wie ein Bilderbuch-Mönch aussieht. Als Abt strahlt er Ruhe und Erhabenheit aus. Aber eitel macht ihn das nicht:
Doch, ich kann mich da gut erkennen. Ich bin dankbar. Wenn es gelingt, bin ich froh, aber so dass ich da jetzt wie der Pfau das Rad schlage, nein, das kenn ich nicht. Ich freu mich, wenn die Menschen sich freuen, das ist für mich das  Allerschönste. 
Die Verkaufszahlen scheinen ihm Recht zu geben. Im vergangenen Jahr haben »Die Priester« die Hitparaden gestürmt, gleichzeitig mit Pop-Größen wie Bruno Mars und Tim Bendzko. Und ein schöner Nebeneffekt ihres Erfolgs: Schon von Anfang an war geplant, mit der CD auch einen karitativen Zweck zu verbinden: 
Wir unterstützen ein Waisenhaus in Tansania wo Kinder, deren Eltern zum Beispiel an Aids gestorben sind, oder die irgendwie ihre Eltern verloren haben, die werden dort aufgenommen, haben also ein Dach über dem Kopf. Sie bekommen ihr Essen, sie spüren auch Geborgenheit, sie wissen, wo sie hingehören. Und was ganz wichtig ist, die Kinder bekommen eine gute schulische Ausbildung. 50 Cent pro CD gehen nach Tansania und unterstützen dieses Waisenhaus.  

Teil 2. Vor allem Mönch

Wenn Abt Rhabanus Petri von den ungewohnten Erfahrungen als Popstar spricht, von den Erfahrungen mit Mikrophonen und Maskenbildnern, dann lacht er oft. Überhaupt ist er ein Mensch, der gut ins barocke Niederbayern passt. Aber er stammt aus Rheinhessen, aus Sörgenloch. Und war in seiner Jugend begeisterter Fastnachter. Er kommt gerne im Urlaub hierher. Deshalb treffen wir uns im Benediktinerkloster Jakobsberg bei Mainz. Für ihn ein besonderer Ort: 
Jakobsberg ist für mich eine Wegmarkierung. Also hier hat das ganze angefangen, 1979, da hatte ich schon die Fühler ausgestreckt, ob ich nicht Mönch werden möchte. Und das hat dann hier gefunkt, und Jakobsberg war das Sprungbrett nach St. Ottilien. Also das ist schon auch geistliche Heimat.
Sein normales Leben im Kloster hat so gar nichts mit dem wilden oder glamourösen Leben eines Popstars zu tun: Keine Partys, sondern: 
Der normale klösterliche Alltag von morgens um 20 nach vier, da stehe ich auf, mit den Gebetszeiten, mit den verschiedene Aufgaben, die anstehen. Bis abends um acht, da endet dann der Tag. Dann gibt es jeden Montagmorgen um acht das Treffen der Oberen. Abt Prior und Subprior treffen sich, besprechen die vergangene Woche nach und planen die kommende Woche vor. Und dann Predigten, Einkehrtage, Exerzitienvorbereitungen, es wird mir nicht langweilig.
Er hat schließlich Verantwortung für ein ganzes Kloster. Und zwischen den Zeilen spüre ich: Er will auf keinen Fall, dass der Eindruck entsteht, er würde seine Gemeinschaft im Kloster Schweiklberg vernachlässigen, nur sein eigenes Ding machen. Denn als Benediktiner hat er die Treue zur Gemeinschaft versprochen. Und für einen kurzen Moment spüre ich die Zerreißprobe, zwischen der jahrhundertealten Spiritualität und den Anforderungen der heutigen modernen Zeit. In dieser Spannung fühle ich mich als Christin auch ganz oft. Wie viel Moderne verträgt die christliche Botschaft? Abt Rhabanus Petri weiß, wo sein Platz ist:
Ich bin immer und zuerst Benediktinermönch und das möchte ich auch leben. Das ist ja auch die Kraftquelle; das tägliche Gebet miteinander in der Kirche, die Feier der Eucharistie, das möchte ich auch nicht missen.
Zum Glück kann er beides sein: Mönch und Musiker. Umso schöner, wenn er durch seine Musik die Menschen für Gott interessieren kann:
Dann freu ich mich, weil ich seit Kindesbeinen eigentlich singe. Der Gesang gehört zu meinem Leben dazu und ich bin ja nicht umsonst Benediktiner geworden. Bei uns wird ein Großteil des Stundengebetes gesungen, und da spür ich, da bin ich mit Leib und Seele dabei und es tut mir gut. Ich hab Freude am Singen. Und ich glaube, mit dem Gesang kann man eben auch Brücken bauen zu den Herzen der Menschen.

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Teil 1. Fragen und Antworten

Er hätte evangelischer Pfarrer werden können. Aber er ist Sänger geworden. Sehr erfolgreich sogar. Tim Bendzko ist ein echter Senkrechtstarter. Schon seit erster Song wird ein Hit. „Nur noch kurz die Welt retten" war wochenlang einer der meistgespielten Lieder in Deutschland. Der schnelle Erfolg kommt zwar überraschend, aber dass er Sänger werden wollte, wusste er schon ganz lange:

 Gefunden hab ich den Weg schon relativ früh, und hab halt jetzt einfach Glück, dass das jetzt genau alles so geklappt hat, wie ich mir das vorgestellt habe. Sicher, dass das mein Weg sein wird und muss, bin ich mir, seitdem ich zehn bin.

Tim Bendzko ist zur Zeit sehr gefragt. Seit der 26 jährige Berliner Sänger mit seinem Lied „Nur noch kurz die Welt retten" die Hitparaden gestürmt hat, will jeder etwas von ihm. Und trotzdem, als ich ihn bei einem Konzert hinter der Bühne treffe, wirkt Tim Bendzko ganz entspannt. Keine Spur von Starallüren. Dabei hat er jede Menge Talente: Fußball hat er gespielt, in der Jugendauswahl, Autos versteigert, und sogar evangelische Theologie studiert. Seinen Lebenslauf kommentiert er aber eher ironisch:

 Dass ich die Sachen gemacht habe, heißt ja nicht, dass ich da Talente habe. Man kann ja heutzutage auch ohne Talente viele Sachen machen.

 Und warum hat er Theologie studiert, will ich wissen? Er wollte eine Ordnung reinbringen in die Unordnung in seinen Kopf, sagt Tim Bendzko:

 Ich hab das studiert, eigentlich in erster Linie, weil's mich interessiert hat, und ich eben viel über Glaube, Religion, Philosophie nachgedacht habe. Und ich wollte einfach mal alle möglichen Ansätze da kennen lernen. Natürlich dann mit der Endkonsequenz, wenn ich alles kenne, ich mir dann irgendwelche Fragen nicht mehr stellen muss.

 Kann das gut gehen? Wenn einer, der eher atheistisch geprägt ist, Theologie studiert? Um zu verstehen, was die Welt zusammenhält? Kann man das Thema Glauben mit Vernunft analysieren? Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Aber Tim Bendzko hat es versucht, er hat die Bibel gelesen, und hat an der Uni verschiedene Glaubensrichtungen kennen gelernt. Ob er Antworten auf seine Fragen gefunden hat, will ich wissen.

 Ja, es gab unfassbar viele Antworten, weil ich verschiedenste Religionen da kennen gelernt habe. Und das Ergebnis war für mich am Ende, dass es so viele plausible Sachen gibt, dass ich einfach keine Antwort brauche für mich. Ich muss nicht wissen, wie das funktioniert, weil es wahrscheinlich auch von alleine funktioniert.

Tim Bendzko hat also die Unordnung im Kopf auf seine ganz eigene Art und Weise gelöst. Warum soll er sich auf eine bestimmt Art und Weise zu glauben, festlegen? Diese Schlussfolgerung ist mir fremd, aber ich bin auch seit meiner frühesten Kindheit mit dem Katholischen Glauben vertraut. Im Studium habe ich gelernt, meine Religion zu verstehen. Aber in letzter Konsequenz ist der Glaube mehr als reine Vernunft. An dem Punkt, sagt Tim Bendzko, ist er ausgestiegen,:

Das hatte ich bei dem Studium relativ häufig, und dann wurd´s dann stellenweise echt absurd, was da für Sachen vorgeschlagen wurden. Wir hatten irgendwann einmal Niklas Luhmann, Systemtheorie, und das war total plausibel und es war am Ende nicht nötig, Gott ins Spiel zu bringen, weil das auch so funktioniert hat.

Ganz umsonst war das Theologiestudium trotzdem nicht: Tim Bendzko hat Ordnung für sich geschaffen. Manche Fragen stellt er sich nicht mehr, weil er weiß, dass es darauf keine eindeutigen Antworten gibt. Deshalb will er sich beim Glauben auch nicht festlegen:

 Also, ich hab so meinen Weg gefunden, wie das gut funktioniert. Und das hat ja auch was mit Glauben zu tun, weil ich im Endeffekt nicht weiß, ob das wirklich so funktioniert. Aber ich bin jetzt nicht gläubig im Sinne davon, dass ich irgendeiner Religionsgemeinschaft angehöre oder angehören möchte.

 Teil 2. Konsequenzen

Tim Bendzko ist einer, der sich Gedanken macht. Das merkt man seinen Texten an: „Wenn Worte meine Sprache wären", singt der Berliner in einem anderen seiner Lieder. Schon seit seiner Kindheit hat sich Tim Bendzko gefragt, was die Welt zusammenhält.

Und er wusste, dass er Lieder schreiben und singen will, seit er zehn Jahre alt war. Kein Wunder, dass sein erster Hit sich wie eine Hymne für Weltverbesserer anhört: „Ich muss nur noch kurz die Welt retten." Wer genau hinhört, merkt aber schnell, dass Tim Bendzko den Text ironisch meint:

In den Strophen geht's halt nicht darum, die Welt zu retten. Es ist einfach eine Floskel, die der Freund meiner Mutter immer zu ihr gesagt hat, wenn er Computer spielen gegangen ist. Und es für mich so ein bisschen stellvertretend, um eben zu sagen: Hier, komm, ich hab ganz wichtige Sachen zu tun - aber eigentlich macht man halt so belanglose Sachen.

 Die Zeit vertun, sich treiben lassen und dabei auch noch ganz wichtig tun, das kritisiert Tim Bendzko in seinem Lied. Belangloses Zeug zu machen, das ist nicht sein Ding. Deshalb hat er aufgehört, Fußball zu spielen und Theologie zu studieren. Und ich spüre in unserem Gespräch: Er meint es ernst.

 Also, ich finde, wenn man in irgendeiner Sache so seine Passion findet, dann sollte man dem auch nachgehen. Und wenn das irgendwie Würfel sammeln ist. Aber ich finde das ganz schwierig, wenn Leute ein Hobby haben - und machen dann einen Job, der ihnen keinen Spaß macht. Wenn man sich dafür interessiert und da so drin ist und gerne anderen Leuten da was mitgeben möchte, soll man Theologe werden. Das finde ich total super, und so ist das bei mir ähnlich. Ich hab nicht Lust, was anderes zu machen, außer Musik. Wenn das meine Passion ist, dann mach ich das.

 Das ist natürlich leicht gesagt, vor allem weil Tim Bendzko das Glück hatte, bei einer Castingshow der Mannheimer Pop-Band „Die Söhne Mannheims" entdeckt zu werden. Deshalb wirkt er sehr unbeschwert. Ich erlebe das bei vielen Menschen anders: Das eben nicht so viel Glück zusammenkommt. Dass was schief geht. Aber dass man auch scheitern kann, kann sich Tim Bendzko anscheinend nur schwer vorstellen. Er hat seine Berufung gefunden. Und das hat für mich dann doch mit dem Glauben zu tun: Mit dem Glauben, dass jeder Mensch seine Berufung finden kann, dass Gott für jeden Menschen viele Möglichkeiten eröffnet. Bendzko hat jetzt dank seines Erfolges viele Möglichkeiten. Aber er selbst weiß um die Grenzen dieses Erfolges, will kein Vorbild oder Vorzeige-Promi werden. Will nicht ganz alleine die Welt retten.

 Ich find das immer schwierig, so dieses Große - „Ich muss jetzt mal die Welt retten" ­- und sich vor jede Kamera stellen und erklären, wo ich in Uganda kleinen Kindern geholfen habe. Das soll jeder für sich so machen, wie er das für richtig hält.

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SWR4 Abendgedanken RP

Die Idee finde ich toll: Da haben zwei Kanadier die Internetseite »Happy Rambles« gegründet. Das heißt etwa: »Glückliches Herumstreunen«. Da kann man Tag für Tag aufschreiben, wofür man heute dankbar ist. Diese Gedanken werden dann auf der Internetseite gespeichert. Nicht nur an einem Tag, sondern jeden Abend, 365 mal im Jahr. Heraus kommt dann ein Tagebuch der Dankbarkeit. Und das Beste: Man kann jederzeit in die eigenen gesammelten Einträge reinschauen, natürlich auch am Jahresende, wenn sowieso ein Rückblick ansteht. Aber die Erfinder der Internetseite empfehlen: „Schauen Sie sich ihre Momente der Dankbarkeit an, wenn es Ihnen schlecht geht, wenn sie eine Krise in der Familie oder in der Arbeit haben." Diejenigen Menschen, die ihre dankbaren Momente festhalten, in einem Tagebuch oder ähnlichem, die gehen optimistischer in die Zukunft, schlafen besser und haben sogar einen besseren Blutdruck. Sagen wissenschaftliche Studien. Und dass Dankbarkeit gut tut, wissen schon die Menschen der Bibel. Die Psalmen, eine Sammlung von Liedtexten, sind fast so etwas wie ein altes Tagebuch der Dankbarkeit. Fast jeder zweite Psalm singt ein Loblied auf Gott, weil er das Leben und seine wunderbare Schöpfung schenkt. Im Psalm 145 heißt es: „Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken." Dankbarkeit heißt aber nicht, naiv und blauäugig die dunklen Stunden im Leben zu verdrängen. Es tut mir aber gut, wenn ich mich nicht auf das Schlechte konzentriere, sondern auf das Gute im Leben. So wie der englisch Staatsmann Francis Bacon gesagt hat: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind."

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SWR4 Abendgedanken RP

„Besser mit der warmen Hand geben, als mit der kalten." Diese alte Volksweisheit ist nicht so weit bekannt. Damit meinte der Volksmund: Am besten vererbt man schon etwas zu Lebzeiten an die Nachkommen. Aber dieser Spruch lässt sich auch wortwörtlich verstehen. Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass eine warme, gut durchblutete Hand durchaus Folgen für das Verhalten zu den Mitmenschen hat. In einem Versuch sollten Testpersonen Geschenke aussuchen, für sich oder für Freunde. Diejenigen, die vorher eine warme Tasse Kaffee oder Tee in der Hand hatten, haben regelmäßig Geschenke für ihre Freunde gewählt, die mit der kalten Hand suchten eher was für sich selbst. Es kommt also nicht von ungefähr, dass viele Menschen die Vorstellung von Wärme mit Großzügigkeit verbinden. Wer gastfreundlich und spendabel ist, wird als warmherzig bezeichnet. Wenn viele Menschen vom Wohlstand ausgeschlossen sind, dann sprechen wir von sozialer Kälte. Das heißt für mich: Wer in einer intakten Gemeinschaft leben will, der muss die zwischenmenschliche Wärme fördern. Das wird schon im Alten Testament so gesehen. Im Buch Kohelet heißt es: „Einer allein, wie soll er warm werden?" Das heißt auch: Wer nur auf sich selbst bezogen lebt, bleibt kalt und einsam. Aber wie kann ich es schaffen, dass ich warm und herzlich mit anderen umgehe? Ich kann ja nicht den ganzen Tag mit einer Tasse Kaffee rumlaufen. Bei uns zu Hause versuchen wir, einmal am Tag eine warme Mahlzeit zusammen zu essen. Damit wir spüren: Wir gehören zusammen. Und bei der Arbeit, da kann eine gemeinsame Kaffee- oder Teepause mit den Kollegen das Arbeitsklima verbessern. Mit den Nachbarn geht das auch. Zusammen können wir überlegen: Was braucht unsere Gemeinschaft? Wie schaffen wir es, dass uns und unseren Nächsten warm ums Herz wird?

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SWR4 Abendgedanken RP

„Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen." Dieser Spruch hängt manchmal in Fitness-Studios, Wellness-Oasen oder auch im Supermarkt. Allerdings ist diese Weisheit schon fünfhundert Jahre alt und stammt von der Heiligen Theresa von Avila. Die spanische Ordensfrau hat schon im ausgehenden Mittelalter gewusst, dass Leib und Seele zusammengehören. Also: Wer seinen Körper pflegt, der pflegt auch seinen Geist. Eigentlich weiß ich das. Aber im Alltag geht die Weisheit der heiligen Teresa oft unter: Zum Beispiel sitze ich zuviel; im Auto, am Schreibtisch, auch oft noch abends am Computer. Es gibt so viel zu erledigen, dass wenig Zeit bleibt, für Sport oder Bewegung an der frischen Luft. Außerdem gönne ich meinem Körper zu wenig Pausen - dabei tut ein kleines Mittagsschläfchen richtig gut. Ganz ähnlich ist das beim Kochen: wie oft greife ich zum fertigen Hefeteig aus dem Kühlregal, weil's schnell gehen soll, dabei weiß ich doch: Frischer Teig ist viel gesünder, schon beim Kneten duftet er so lecker und schmeckt auch herrlich. Mein Körper ist ein Geschenk Gottes - er ist nicht nur zum Funktionieren und Arbeiten da, sondern auch zum Genießen. Aber wie kann ich meinem Körper etwas Gutes tun? Wandern gehen zum Beispiel, und die Schönheit der Natur ganz bewusst wahrnehmen. Sport machen oder Tanzen, auch wenn's danach einen Muskelkater gibt, dann spüre ich zufrieden, was der Körper noch alles kann. Oder ein gutes Essen kochen mit Freunden, oder der Familie und dabei mit allen Sinnen genießen, riechen, schmecken, und das Auge mitessen lassen. Und sich Ruhe gönnen. Einfach mal nichts tun. Ich will mich gemütlich hinsetzen und wie ein Spruch bei uns zu Hause sagt: „In die anner Woch gucken."

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SWR4 Abendgedanken RP

Sie sind schon so alt - etwa 500 Jahre - und bewegen trotzdem viele Menschen: „die Gesichter der Renaissance." Genau so heißt die Portrait-Ausstellung im Berliner Bode-Museum, die noch bis zum 20. November zu sehen ist. Ein echter Publikumsmagnet. Und ein Gesicht ist jetzt schon der Star der Ausstellung: das Bild von der Dame mit dem Hermelin, gemalt von Leonardo da Vinci. Sie wirkt sehr lebendig, so als würde sie gleich mit dem Betrachter anfangen zu sprechen. Genau das war das Neue an diesen Bildern; vorher hat man Gesichter eher flächig gemalt, fast maskenhaft, aber in der Renaissance wurden die Portraits fast lebendig. Die Gesichter spiegeln eine Persönlichkeit. Genau wie im echten Leben. Ich schaue gerne in Gesichter, vor allem, wenn sie offen sind, zugewandt, und Blicke erwidern. Und die Lachfältchen um die Augen, Zorn- oder Grübelfalten auf der Stirn erzählen Geschichten von einem gelebten Leben. Manches schöne Gesicht kann fad und oberflächlich wirken, aber ein Mensch mit Persönlichkeit strahlt das auch in seinem Gesicht aus. Wir Menschen sind alle Originale, und unser Gesicht spiegelt unsere Persönlichkeit und unsere Seele. Das ist Grund genug, nicht die kleinen Fehler, sondern die Stärken im eigenen Gesicht zu entdecken. Weil wir nach Gottes Ebenbild geformt sind. In der Bibel, im Psalm 139 heißt es: „Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen." Jedes Gesicht ist kunstvoll gewirkt, egal ob mit Sommersprossen, Zahnlücken, Stirnfalten und großen auffälligen Nasen. Wenn alle gleich aussehen würden, wär's langweilig. Weil wir alle so verschieden sind, so originell, deshalb sind unsere Gesichter spannend. Ich glaube, Gott will keine Masken, sondern echte Gesichter.

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SWR4 Abendgedanken RP

Diese Meldungen kennen Sie bestimmt: Vorsicht, auf der A61 befindet sich ein Eimer auf der linken Spur! Ziemlich gefährlich, was da auf den Straßen alles so rumliegt. Für die Autofahrer und auch für die Arbeiter der Autobahnmeisterei, die Kopf und Kragen riskieren, um den ganzen Kram wieder einzusammeln. Genau das ist letztens vor meinen Augen passiert. Da wurden die Autofahrer kurz mit einer Signalflagge abgebremst, und dann rannte ein Arbeiter über drei Fahrbahnen, um einen Auspuff einzusammeln. Seitdem sind die Männer in Orange für mich so etwas wie stille Helden des Alltags. Sie räumen für uns die Straße frei. Und es gibt noch mehr solcher stille Helden: Feuerwehrleute, die nachts raus müssen und ihr Leben aufs Spiel setzen, nur weil jemand Lust hatte, Mülltonnen oder Autos anzustecken. Die Leute vom THW, die in Überschwemmungsgebieten Pumpen installieren. Erzieherinnen, die montags morgens im Kindergarten Krisenmanagement betreiben müssen, weil die lieben Kleinen am Wochenende zuviel Fernsehen gekuckt haben. Krankenpfleger, die im Akkord alte und kranke Menschen versorgen und dabei körperlich an ihre Grenzen kommen. Das wird alles so selbstverständlich hingenommen und meistens auch noch schlecht bezahlt. Solche Dienste werden nicht besonders hoch angesehen. Aber mir ist klar geworden, wie bitter nötig wir diese Dienstleister haben. Ich will ihren Dienst wahr nehmen und auch schätzen. Und - Ich habe mir fest vorgenommen, Danke sagen, wenn ich einen dieser stillen Helden treffe.

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SWR4 Abendgedanken RP

Steine sind meistens wertlos und werden buchstäblich mit Füßen getreten. Wenn sie über einen Kiesweg laufen, dann merken Sie das höchstens, wenn Sie einen Stein im Schuh haben. Aus kleinen Steinen kann aber auch ganz große Kunst werden, wie eine derzeitige Ausstellung in Überlingen zeigt: Europäische Mosaikkunst vom Mittelalter bis 1900. Bis Mitte Oktober können Sie wertvolle Mosaiken aus europäischen Museen sehen, unter anderem auch aus dem Vatikan. Und sie können den Effekt beobachten, der Mosaike so interessant macht: Wenn Sie nahe vor dem  Kunstwerk stehen, nehmen sie die einzelnen Steinchen wahr, für sich genommen, ein einfaches quadratisches Teilchen, aber wenn Sie sich weiter entfernen, geht das einzelne Teilchen in das Ganze über und ergibt das Bild. Ein schwarzes Steinchen wird zum Beispiel die Pupille, braune Steinchen die Falten unter den Augen. Für mich sind diese Mosaik-Kunstwerke so etwas wie Sinnbilder für das Zusammenleben von Menschen, in kleinen und großen Gemeinschaften. In einer Familie zum Beispiel, bei der Feuerwehr oder in einem Fußballverein. Einer, der gut dribbeln kann, gewinnt alleine kein Spiel. Es braucht viele verschiedene Steine für das Gesamtbild. Auch in einer christlichen Gemeinde leben ganz verschiedene Charaktere zusammen. Paulus vergleicht im ersten Korintherbrief die Gemeinde mit einem Körper: Der Kopf, der Rumpf und die Glieder gehören zusammen, Kein Körperteil kann zum anderen sagen: ich brauche dich nicht. Allerdings - Die Kraft, die alles zusammenhält, ist der Heilige Geist. Durch ihn werden die einzelnen Menschen zur Gemeinschaft. Deshalb gefallen mir Mosaike so gut, weil sie verdeutlichen: Einzeln sind es nur kleine, unscheinbare Teilchen, aber zusammen, ergeben sie ein buntes, lebendiges Bild.

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