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SWR4 Sonntagsgedanken

Das sind die Feiertagsgedanken, ausgestrahlt in Ba-Wü, Feiertagsgedanken, in Rh-Pf  sprach Anne, Madeleine Plum siehe unten!

Heilige - was sind das für Leute?

Ein junger Mann ist auf der Suche nach Gott.  Er glaubt ihn bei einem heiligen Hindu zu findenund reist deshalb   nach Indien. Der Guru empfängt ihn freundlich, lacht ihn aber auch ein bisschen aus:  "Um Gott zu finden, ... brauchst  du überhaupt nicht in Indien herumzufahren ... Kehre lieber heim in die Religion, in der du aufgewachsen bist. Es gibt im Westen echte Heilige genug." Dieser Rat hatte Erfolg. Der Gottsucher - er heißt Hans Conrad Zander - sah sich um unter den vielen christlichen Heiligen Europas und wurde fündig. Neun von ihnen beschrieb er  in einem kleinen Buch, das von Humor und  Sympathie für diese heiligen Personen nur so sprüht.  
Heilige - ja, was sind das für Leute? Warum wird ihnen heute, am 1. November, von der katholischen Kirche ein eigenes Fest gewidmet: der Tag "Allerheiligen"?
Was Heiligkeit ausmacht, bringt das genannte Buch gleich zu Beginn auf den Punkt: "'Liebe Gott und tue, was du willst.' An dieses Wort des heiligen Augustinus haben sich alle Heiligen gehalten." Man kann es nicht treffender sagen. Heilige waren und sind nicht  in erster inie Menschen  ohne Fehl   und Tadel, manchmal ganz im Gegenteil! 
Das Wesentliche ist, dass sie ihr ganzes Leben ohne Wenn und Aber auf die Karte "Gott" gesetzt haben.  Dass sie von diesem Gott geliebt werden, ist eine Erfahrung, die manchmal wie ein Wirbelsturm über sie kommt -  und damit ändert sich ihr ganzes Leben. Teresa von Avila z.B., ein Fräulein aus gutem Hause, lebte jahrelang  in einem Kloster, wo die geistlichen Damen sich  reichlich  mit Klatsch und Tratsch unterhielten und eine ziemlich laue Frömmigkeit praktizierten, Teresa wurde schwer krank - heute würde man sagen: : psychosomatisch -  und das brachte die Wende. In einem aufwühlenden inneren  Erlebnis wurde sie  von der Wirklichkeit und Nähe Gottes  erfasst.  Und nun, erfüllt vom Feuer des "wirklichen" Gottes - bricht sie mutig alle Dämme. Sie entweicht heimlich aus dem bisherigen Kloster, gründet mit wenigen anderen Frauen ein neues und gerät von da an in Dauerkonflikte mit der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit. Trotz gewaltiger Widerstände aus vielen Richtungen lebt sie aus einer inneren Gelassenheit, die ihre Verankerung in Gott hat. "Obschon er der Herr ist", schreibt sie, "kann ich mit ihm umgehen wie mit einem Freund"  Und: "Ganz in seinem Inneren gewahrt der Mensch, wie in einem tiefen Abgrund, die Anwesenheit Gottes." Solche Aussagen mögen in uns Trauer und Sehnsucht erwecken, vielleicht auch Abwehr und Skepsis. Kann es solche Gottesnähe heute noch geben? Heilige sind in diesem Sinn wie Kirchtürme, die nach oben zeigen:  Sie sind in diese Erde eingelassen und haben dort ihren angewiesenen Ort. Doch zugleich weisen sie nach "oben", in eine Region, die  schon nahe   und doch nicht zu greifen ist.    

(Musik)

Die   Hafenstadt Cartagena in Kolumbien vor knapp 400 Jahren:  Ein Schiff läuft ein, beladen mit Hunderten von Schwarzen:  Männern, Frauen und Kindern. Sie wurden in Afrika von  Sklavenjägern gefangen und sollen auf dem Markt an Plantagen- und Bergwerksbesitzer verkauft werden. Ein weißhäutiger Pater bahnt sich den Weg an Bord. Ungeachtet des entsetzlichen Gestanks, der aus den Schiffsluken dringt, steigt er hinab unter Deck, trägt die Kranken und Sterbenden ans Licht, wäscht die Wunden, so gut er kann, versucht die Verzweifelten zu beruhigen und zu trösten.  Pedro Claver - so heißt der spanische Jesuit - versucht alles , um das Schicksal dieser Unglücklichen zu lindern. Im Spital und Lager hilft er mit Lebensmitteln und Medizin, er kämpft gegen  die sittliche Verwahrlosung vieler Gefangener, er predigt den barmherzigen Vatergott Jesu Christi und lebt diese Barmherzigkeit selbst vor.  Rund 40 Jahre lang hält Pedro Claver dieses Leben aus, geliebt von den Schwarzen, aber ständig gefährdet durch Anfeindungen und Todesdrohungen. Erst als dieser Menschenrechtler des 17. Jahrhunderts zu Grabe getragen wird, zeigt sich, dass seine Predigt von der Gotteskindschaft aller Menschen Früchte getragen hat: Weiße und Schwarze folgen einmütig seinem Sarg und sind vereint in Trauer und Verehrung. Mit Recht sprach ihn die Kirche später heilig. Pedro Claver verwirklichte ein  Wort  aus dem Neuen Testament in besonders   eindrucksvoller W eise: "Wer Gott liebt, soll auch seine Schwester und seinen Bruder lieben" (1. Johannesbrief 4,21).  Was  Heilige im Lauf der Jahrhunderte hier ins Werk gesetzt haben, ist gewaltig: Hilfen für Kranke, Arme und Behinderte, Schulen  und Heime für junge Menschen,  Seelsorge für Einsame, Entwurzelte und Verzweifelte. Es wäre aber ein Missverständnis, Heiligkeit mit spektakulären Taten gleich zu setzen. Teresa von Avila sagt es so: "Herr, du verlangst von einem Menschen, der entschlossen ist, dich zu lieben und sich dir zu überlassen, weiter nichts, als dass er sich gut in das hineinfindet, was du ihm aufträgst!  Denkt also daran, dass der Herr auch in der Küche zwischen denTöpfen umhergeht und dass er innen und außen bei euch ist." Ich bin überzeugt, dass es in diesem Sinn viele unerkannte Heilige unter uns gibt, die für ihre Mitmenschen und für Gott da sind - und das alles ,ohne es an die die berühmte "große Glocke"  zu hängen: die Frau, die ihren bettlägerigen Mann oder das behinderte Kind jahrelang pflegt; der so genannte "kleine" Angestellte, der  ein offenes Ohr hat für die Freuden und Nöte der Kollegen und sich für sie einsetzt; die alte Frau, die, ohne zu klagen,  Ja sagt zu ihrem mühselig gewordenen Leben.
"Heilige sind wie  Stimmgabeln in einer verstimmten Welt" (Kyrilla Spieker) - deshalb, meine ich, lohnt es sich aus heute noch, das Fest Allerheiligen zu feiern. 

Sendung für Rh-Pf !

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von Anne-Madeleine Plum, Mainz, Katholische Kirche

 Teil 1. Allerheiligen

Ich mag das Fest Allerheiligen. Weil ich die Heiligen mag. Und noch mehr, weil Allerheiligen das Fest zu Ehren all der Menschen ist, die heilig waren und lebten, ohne dass irgendjemand sie offiziell heilig gesprochen hat. Sie sind so etwas wie die anonymen Heiligen, ohne Gedenktag im Kalender. Aber weil es sie gab und gibt - deshalb gibt's Allerheiligen. Dabei ist das Fest heute ein bisschen verwirrend. Es ist eine Art Quer-durchs-Gemüsebeet-Fest. Die einen gehen zum Friedhof und zünden Kerzen für ihre Verstorbenen an oder schmücken die Gräber. Die andern müssen an Allerheiligen erst mal ausschlafen, weil die Halloween-Feier doch etwas länger gedauert hat. Überall stehen schon seit Wochen Kürbisse in unseren Schaufenstern - und was man sonst noch an Gespensterzubehör für Halloween braucht. So mancher ärgert sich, schimpft auf den heidnischen Kommerz. Viele junge Leute zucken die Schultern und feiern trotzdem.
Dabei heißt Halloween eigentlich „All-Hallows-Eve" - also der Abend vor Allerheiligen. Und die ausgehöhlten Kürbisse waren mal nichts anderes als Rüben-Windlichter, in denen man Kerzen zu Ehren der Verstorbenen aufstellte. Aus den Rüben wurden dann in Nordamerika Kürbisse, die sind größer und lassen sich so noch besser für diesen Zweck verwenden. Auch der Brauch, an diesem Abend von Tür zu Tür zu ziehen und „trick-or-treat" - „Süßes oder Saures" zu verlangen, hing mit den Verstorbenen zusammen. Arme Leute gingen einst in Irland und Britannien von Haus zu Haus, erbettelten sich Essbares - um als Gegenleistung am darauffolgenden Tag für die Verstorbenen der Spender zu beten. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, dass unter unseren eigenen Verstorbenen auch ein Heiliger war. Jedenfalls hätte das Paulus behauptet: Für ihn waren die Heiligen nichts anderes als Menschen, die an Jesus Christus glauben, die durch Taufe und ein Leben in seinem Sinn mit ihm verbunden sind. Also - eigentlich alle Christen, die ihr Christsein auch leben. Manchmal bekommt man, mal scherzhaft, mal verärgert, in geselliger Runde zu hören: „Sei doch nicht so heilig!" Gemeint ist: „Sei doch kein Spielverderber" oder: „Das eine Glas kannst Du auch noch trinken", oder ähnliches. Paulus würde uns zu Allerheiligen das Gegenteil raten: „Sei doch ein bisschen heiliger. Du gehörst doch zu Jesus Christus." Ich bin mir ziemlich sicher: Zu einem Heiligen in seinem Sinn gehören auch Gastfreundschaft und Humor. Ich mache deshalb auf, wenn Kinder an Halloween an der Tür klingeln. Und wenn sie mir eine Minute Zeit lassen, frage ich sie einfach, ob sie denn wüssten, was es mit dem Fest Allerheiligen auf sich hat. Denn das ist schließlich die andere Hälfte von Halloween. 

Teil 2. Das Fest unserer Zukunft

Es gibt heute nicht wenige Leute, die mit den Heiligen gar nichts anfangen können. Sie verbinden mit „heilig" alles Mögliche - bloß nichts, was anziehend, sympathisch oder interessant wäre. Sondern den Staub der Jahrhunderte, blasse und ernste Gesichter - kurz gesagt, ihnen fallen zum Stichwort „Heilige" nur Menschen ein, die weder Spaß am eigenen Leben haben, noch Spaß verstehen. Wer so denkt, den würde ich gern mal an einen Ort schicken, an dem man sich vom Gegenteil überzeugen kann: ins Kloster Heiligenkreuz bei Wien. So mancher kennt es durch den berühmt gewordenen gregorianischen Gesang dieser Zisterzienser-Mönche. Sie haben es damit sogar in die Charts geschafft. Über achtzig Mönche sind es und jede Menge junge Männer aus allen möglichen Ländern sind darunter. Hört man ihren Gesang - dann klingt es tatsächlich nach Himmel. Ergreifend schön. Ernst und feierlich. Er lässt uns die Zeit vergessen. Kein Wunder, dass die Besucherströme immer mehr werden.Wer eine solche Gruppe von Mönchen aber einmal außerhalb der Gottesdienste erlebt, der sieht nicht nur kluge, ernste und ausdrucksstarke Gesichter. Sondern auch lachende und frohe. Ob sie im Sturmschritt mit flatterndem schwarz-weißen Ordensgewand durch das Klostergelände eilen, - die „lebendigen Zebrastreifen", wie man sie scherzhaft nennt. Ob sie ausgelassen und vergnügt aus einem Auto steigen - oder am Festtag zusammen mit ihrem Abt auch einmal ein Bierchen trinken: Keine Spur von Langeweile und Lustlosigkeit. Im Gegenteil. Lebensfroh und lebendig wirken sie. Sie arbeiten viel, erklärt Abt Gregor glaubhaft. Und scheinen neben allem Bemühen um Heiligkeit doch ganz von dieser Welt. So entwaffnend, wie dieser väterlich lebenskluge Abt über seine eigenen Schwächen schreibt, so humorvoll erklärt er auch, dass er gerade deshalb im Kloster gelandet ist, weil er nie ein guter Beter gewesen sei. 
Und genau das macht mir diesen Abt und diese Mönche so sympathisch. Sie stehen zu ihren menschlichen Schwächen. Aber sie lassen es nicht dabei bewenden. Sondern versuchen, Gottes Ruf zu folgen. Und der ruft uns alle - zu einem Leben, das mehr möchte als laue Halbherzigkeit. Ob Mönch oder Familienmensch spielt dabei überhaupt keine Rolle. Wir sind berufen, heilig zu sein, weil Jesus Christus, der uns ruft, uns als seine Mitstreiter und Freunde gewinnen möchte. Allerheiligen ist ein Fest, das die unbekannten Heiligen vergangener Zeiten feiert. Aber noch viel mehr ist es ein Fest, das unseren Blick auf das lenkt, was vor uns liegt: unsere eigene Zukunft. Trau Dich, ein bisschen heiliger sein zu wollen, sagt uns das Fest Allerheiligen. Denn auf diesem Weg gehst Du Gott entgegen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9325
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SWR4 Sonntagsgedanken

Gestern war der 1. Mai,  Tag der Arbeit. In den Reden ging es vor allem um Arbeitsplätze, gerechte Löhne und Kündigungsschutz - wichtige Ziele, um die immer neu gekämpft werden muss. Allerdings: Wer Arbeit hat, empfindet sie  oft als ödes Einerlei oder drückende Last. Vielleicht brauchen wir manchmal  mehr Aufmerksamkeit, einen offenen, wohlwollenden Blick - und unser Arbeitsalltag bekommt  Farbe und GIanz.
In einem Gedicht von Matthias Claudius - er lebte um 1800 - beschreibt ein Bauer , wie er seinen langen, harten Arbeitstag beginnt: 

Frühmorgens, wenn der Tau noch fällt,
geh ich, vergnügt im Sinn,
gleich mit dem Nebel naus aufs Feld
und pflüge durch ihn hin
und sehe, wie es wogt und zieht
rund um mich, nah und fern,
und sing dazu mein Morgenlied
und denk an Gott den  Herrn.  

Der Bauer beginnt seinen Arbeitstag  buchstäblich "in aller Herrgottsfrühe", denn sein wichtigster Kontakt, seine "hotline", steht bereits: Es ist die Verbindung zu Gott, von ihm fühlt er sich getragen und begleitet.
Überall an seinem Arbeitsplatz entdeckt  er Gottes Spuren : 

Indessen steigt die Sonn herauf -
und scheinet hell daher -
ist so was auch für Geld zu kauf
und hat der König mehr?
Und wenn die junge Saat aufgeht,
wenn sie nun Ähren schießt,
wenn so ein Feld in Hocken steht,
wenn Gras gemähet ist:
Oh, wer das nicht gesehen hat,
der hat des nicht Verstand.
Man trifft Gott gleichsam auf der Tat
mit Segen in der Hand.
Ich meine, diese Verse  könnten  auch uns heute noch  inspirieren: Jeder ist eingeladen,  in seinem Arbeitsalltag die  Schönheiten der Schöpfung wahrzunehmen: den Sonnenaufgang über dem Nachbarhaus,  den Vogel, der vor dem Bürofenster singt, die silbernen Regentropfen an der Fensterscheibe.
Man trifft dann - sagt das Gedicht - " Gott gleichsam auf der Tat / mit Segen in der Hand." Das gilt auch für unsere Arbeitsvorgänge. Wenn der Kranführer Bauelemente bewegt, dann leistet er Millimeterarbeit. Wenn die Laborantin chemische Prozesse in Gang setzt oder  die Hausfrau die richtige Backtemperatur einstellt - immer werden dabei Naturgesetze angewandt, die in der Schöpfung schon angelegt sind.
Für gläubige Menschen ist    Arbeit  daher immer auch ein Mitwirken mit den   von Gott  gegebenen Kräften, eine Einladung, sie weiter zu entfalten und mit-schöpferisch einzusetzen.  So gesehen, hat  jede Arbeit - auch die unscheinbarste -  ihren  Wert und ihre eigene Würde - allerdings gehören    menschenwürdige Bedingungen dazu.  In den "Sonntagsgedanken" geht es um den Arbeitsalltag, um seine Last und um seine oft unentdeckten Freuden. Der Dichter  Matthias Claudius lässt einen Bauern  von seiner harten Arbeit sprechen. jedes  Selbstmitleid ist ihm fremd:
Und wird's mir auch bisweilen schwer:
Mag's doch! Was schadet das?
Ein guter Schlaf stellt alles her
und morgen bin ich baß
und fange wieder fröhlich an
für Frau und Kind. Für sie,
solang ich mich noch rühren kann,
verdrießt mich keine Müh.

Dieser Bauer weiß, wofür er sich plagt: Es ist seine Familie, für die er zu sorgen hat, und deshalb ist ihm nichts zu viel. "Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie," sagt der Psychologe  Frankl und spricht damit eine zeitlose Erfahrung aus: Erkenne ich einen echten Sinn in meiner Arbeit, werden auch Mühen und Lasten erträglich. Unzählige Menschen arbeiten so und tragen durch ihren hohen Einsatz zum Gelingen  in unserer Gesellschaft bei.
Ich frage eine Krankenschwester,  ob ihre Tätigkeit in der Unfallnachsorge    nicht sehr unbefriedigend sei:  jeden Tag "nur" Verbände erneuern,  Gipsschalen polstern, Papiere hin- und hertragen. "Nein", antwortet sie lächelnd, "meine Arbeit macht mir Freude: Ich begleite die Menschen in der ersten Zeit nach ihrem Unfall, in dem oft langwierigen   Heilungsprozess  mit  seinen  Hochs und Tiefs. Wenn ein Patient  vor mir sitzt, begegne ich einem  ganz bestimmten Menschen mit seiner eigenen Krankheit und  Geschichte,  die mich interessieren. Natürlich gibt es auch  mal Ärger und zu viel Stress, aber: Ich liebe meine Arbeit! Der Facharzt äußert sich ähnlich: "So weit  möglich, möchte ich meinen Patienten etwas von der Schwere ihrer Situation nehmen - auch seelisch".  Er erzählt und lacht dabei, dass er damit bei einer alten Dame unerwarteten Erfolg hatte: Nach abgeschlossener Behandlung tauchte sie eines Tages wieder bei ihm auf und fragte, ob er nicht noch einen schönen Witz auf Lager habe. sie könne den für ihr Kaffeekränzchen gebrauchen!
Arbeit hat viele Gesichter, düstere und helle. "Der glückliche Bauer"  in dem    Gedicht von Mattthias Claudius hat gewiss kein leichtes Leben, aber er steht in Verbindung mit Gott und das ist für ihn wie ein Stück offener Himmel.  
Wenn die christlichen Kirchen so entschieden gegen Sonntagsarbeit  und verkaufsoffene Sonntage kämpfen, dann deshalb, um möglichst vielen Menschen ein solches Stück offenen Himmel zu ermöglichen, eine Pause, ein Aufatmen, damit sie  nicht ständig dem  Arbeits- und Konsumdruck   ausgesetzt sind.
Die  französische Schriftstellerin Madeleine Delbrel sagte es so:
"Geh - ruh dich aus - in Gott".

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8142
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SWR4 Sonntagsgedanken

Das Wochenende steht vor der Tür und Familie Becker diskutiert. "Müssen wir nicht die Müllers endlich mal einladen?“, fragt Frau Becker, "ich glaube, wir sind jetzt dran.“„Ihr wolltet doch morgen mit uns in den Zoo gehen“, maulen die Kinder. "Morgen geht nicht," sagt der Vater, "da ist Fußballspiel im Stadion." „Und wer lernt mit mir Englisch?“, ruft die Tochter, "wir schreiben doch eine Klassenarbeit!“ „ „Alles zu viel!“, seufzt die Mutter, „wer soll denn das alles schaffen?"

„Alles zu viel!“ - das gilt nicht nur hier. Das Warenangebot in unserem Land ist riesig. Die Freizeitindustrie versorgt uns rund um die Uhr und die Medien überschütten uns pausenlos mit Informationen und Unterhaltung.
So entsteht Erwartungs- und Leistungsdruck: Dieses Sonderangebot darf ich mir nicht entgehen lassen. Diese Veranstaltung müsste ich besuchen. Frühkindliche Bildung ist wichtig, haben wir da für unseren Sohn genug getan?

Diese Appelle "Ich sollte..., Ich müsste..." führen leicht dazu, dass wir ständig den Eindruck haben, etwas zu verpassen oder zu versäumen. Wir bemühen uns möglichst vielen Anforderungen nachzukommen und bleiben doch unzufrieden.

Manche Zwänge - vor allem im Arbeitsleben - sind nicht zu umgehen, andere existieren nur scheinbar und wir könnten uns ihnen durchaus verweigern. Ein viel beschäftigter Professor berichtet, dass ihm nichts Schöneres passieren kann, als wenn in seinem Wohnort im Hochschwarzwald mal der Strom ausfällt. Welche Befreiung: Der Fernseher funktioniert nicht, er kann nicht an den Computer - auf einmal ist Zeit zum Lesen da - und siehe da, das geht!

Stromausfall ist schlimm, aber vielleicht muss manchmal so etwas passieren, damit wir merken:So vieles brauche ich gar nicht. Vieles ist überflüssig und raubt mir Zeit und Kraft: manche Konsumartikel, Unternehmungen, Termine. Es wäre gut, immer wieder inne zu halten: Habe ich mein Leben noch selbst in der Hand oder werde ich gelebt? Der Apostel Paulus gab einmal den Rat: "Prüfet alles und das Gute behaltet!" - das scheint mir hier durchaus aktuell zu sein!


( M u s i k )

In den "Sonntagsgedanken" geht es um die vielen Anforderungen in unserem Leben, die uns ständig nach außen ziehen und uns daran hindern, zu uns selbst zu kommen. Für Christen hat seit einigen Tagen die Fastenzeit begonnen, das sind 6 Wochen der Vorbereitung auf Ostern. "Fastenzeit" klingt düster und negativ, doch das Gegenteil ist gemeint.
Eine Freundin erzählte mir: "Heute habe ich es geschafft, die große Schublade aufzuräumen, um die ich jahrelang einen Bogen gemacht habe. Du weißt, da drin war der ganze Papierkram über unsere Ehekrise. Ich habe jedes Stück in die Hand genommen und genau geprüft. Das meiste ist im Papierkorb gelandet. Du glaubst nicht, wie wohl ich mich jetzt fühle: Ich hab das Gefühl: Jetzt kann ich neu anfangen zu leben!"

Um ein solches Entrümpeln geht es auch in der Fastenzeit: Überprüfen, was ich an Ballast mit mir schleppe, und mich dann entschieden davon trennen. Vielleicht habe ich mein Leben voll gestopft mit Terminen und Aktivitäten und übersehe den Menschen neben mir , der mich braucht. Vielleicht entdecke ich schlechte Gewohnheiten, die mir selbst schaden und anderen schon längst auf die Nerven gehen. die ich aber aus Bequemlichkeit immer so weiter laufen lasse. Vielleicht schleppe ich eine Kränkung mit mir herum, die längst vergangen ist, die ich aber immer wieder aufwärme.
Weg lassen, los lassen - so entstehen Freiräume und es wird klarer, was uns wirklich wichtig ist im Leben.

Auch Jesus , an dem sich Christen orientieren sollten, geriet in die Versuchung, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Er hätte den Weg zum Volkshelden einschlagen können: den Leuten Brot und Arbeit verschaffen, möglichst alle Kranken heilen, sich gegen die römische Besatzung stellen. Jesus aber hatte, bevor diese Versuchung an ihn
herantrat, allein gewesen mit Gott, er hatte gebetet und gerungen und nun war ihm sein Weg gewiss. "Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt", antwortet er seinem Versucher - und: "Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich allein nieder werfen und ihm allein dienen" (Matthäus 4, 4.7). Damit werden Werte wie materielles Wohlergehen, Erfolg und Ansehen nicht schlecht geredet, aber von Jesus auf die richtigen Plätze verwiesen. Wo sie absolut gesetzt werden, werden sie leicht zu Götzen, die uns versklaven, oft ohne dass wir es merken.
Die Fastenzeit lädt dazu ein, unser Leben daraufhin zu überprüfen: Vielleicht gibt es allerlei zu entrümpeln, damit wir Zugang zu dem finden, was nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft Sinn und Glück gibt. Vielleicht wird es uns geschenkt, in dem bunten Vielerlei unseres Daseins einen Schatz zu finden, von dem wir endgültig leben können. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7686
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SWR4 Sonntagsgedanken

„Ich komme in ein Haus. Die abgehärmte Frau in Lumpen weint, ein Kind auf dem Arm, ein Kind im Leibe und eine Schar Kinder unter dem Strohdach. (…) Hunger, Hunger, sagt sie. Mich ergreift der Jammer, (…).
Ich verschaffe ihr einen Laib Brot. Sie ist etwas getröstet. Da kommt ihr kleiner lieber Dreckspatz mit der hier üblichen (…) Konservendose, (…). Seine Dose ist leer geblieben. (…) Hunger, sagen sie, Essen (…). Ich nehme den Kleinen an die Hand und lasse ihm an der Feldküche seine Konservendose füllen. Getröstet und glücklich wackelt er fort. Nun kennen sie den Doktor, auf Schritt und Tritt folgt mir die kleine Hungerschar.“

Der Mann, der diese Szene in einem Brief an seine Frau schildert, ist der evangelische Pfarrer und Arzt Kurt Reuber. Er schreibt aus Russland, wo er im Zweiten Weltkrieg als Seuchenarzt eingesetzt ist. Ein außergewöhnlicher Mann: Er hat Theologie und Medizin studiert und ist außerdem ein begabter Zeichner und Maler.
Mit aller Intensität erlebt er die Härte des Krieges: Kampfhandlungen, Verwundete und Tote, aber auch das Elend der russischen Zivilbevölkerung, die zuvor schon durch den Stalinschen Terror gelitten
hat. Vor allem die Alten, Mütter und Kinder leiden. Er berichtet: „Schwangere Frauen mit Kindern auf dem Arm und am Rock, mit Bettelsack und Lumpen, (…) 60 km im Schlamm zu Fuß, heimatlos, auf der Suche nach Brot ( … ), die Männer im Krieg untergegangen.“
Der deutsche Arzt hilft, wo er kann, und dann zeichnet er die Menschen. Unter Schmutz und Elend sucht und findet er das menschliche Antlitz und das hilft ihm diese Situation zu ertragen. Einige Kinder „habe ich hingesetzt und ihre Köpfe gezeichnet. Ich staune, welch feine Züge man unter der Dreckmaske entdeckt.“
Im November 1942 wird Kurt Reuber nach Stalingrad abkommandiert. Zwei Tage nach seiner Ankunft ist die Stadt von der Roten Armee vollständig eingekesselt. Hitler verbietet die Kapitulation und so beginnt für die eingeschlossenen deutschen Soldaten eine Zeit äußerster Entbehrung: Hunger und Kälte, tägliches Sterben, keine Aussicht auf Befreiung.
In der Hölle von Stalingrad stellt sich dem hoch sensiblen Theologen und Arzt die Frage nach dem Glauben ganz radikal. „Nun wird Weihnachten“, schreibt er seiner Frau am 20 Dezember. „Man drängt mich, dies und das für das Fest zu zeichnen.“ - Was wird er darstellen? -

Heiligabend 1942 im Kessel von Stalingrad. Die von der Roten Armee eingeschlossenen deutschen Soldaten feiern Weihnachten. Sie haben Adventskränze aus Steppengras und „Weihnachtsbäume“ aus Holzspänen gebastelt und versuchen sich gegenseitig eine Freude zu machen.
Der Truppenarzt und Pfarrer Kurt Reuber, künstlerisch begabt, hat etwas Besonderes für seine Mannschaft: „Als ich (…) die Lattentür unseres Bunkers öffnete und die Kameraden eintraten, standen sie wie gebannt, andächtig und ergriffen schweigend vor dem Bild an der Lehmwand, unter dem auf einem (…) eingerammten Holzscheit ein Licht brannte.“
Was die Männer dort sehen, ist unter schwierigsten Bedingungen entstanden: der enge Bunker, ein paar schwarze Kohlestifte, die immer wieder in den Lehmspalten verschwinden, als Papier die Rückseite einer russischen Landkarte.
Das Bild zeigt eine sitzende Frau mit einem Kind auf dem Schoß, „Kind und Mutterkopf zueinander geneigt, von einem großen Tuch umschlossen, Geborgenheit und Umschließung von Mutter und Kind“. Ruhe geht von den Figuren aus, die Linien sind groß und einfach. Das weite Tuch, das Mutter und Kind umhüllt, hat etwas Überpersönliches. Der Betrachter spürt: Es ist nicht dieser Umhang, , der Mutter und Kind Geborgenheit gibt. Sondern da ist eine Helligkeit, ein Licht zwischen den beiden Gesichtern, von dem man nicht weiß, woher es kommt.

An den Bildrand schrieb der Künstler in großen Buchstaben: „Weihnachten 1942 im Kessel“ und dann: „ Licht- Leben- Liebe“.
Welch ein Gegensatz!
„Licht – Leben - Liebe“ – das sind biblische Symbolworte für Jesus von Nazaret. Er lebte die Liebe und musste dennoch die Finsternisse von Angst, Schmerz und Tod durchwandern. So zeigt dieses Weihnachtsbild auch kein holdselig-harmloses „Christkind“, sondern nur ein kleines Köpfchen über einem schmächtigen Oberkörper. Aber Licht ist auf ihm, denn dies ist der, sagt der Maler – „der, unter Schmerzen geboren, alle Dunkelheit und Traurigkeit überstrahlt.“
Die „Madonna von Stalingrad“ – so wurde das Bild später genannt – sie bringt die christliche Botschaft konzentriert zum Ausdruck: In Jesus ist Gott uns nahe gekommen. Und er bleibt nahe. Er kann erfahren werden, wenn Menschen einander Liebe und Geborgenheit schenken, aber auch dann, wenn es im Leben dunkel wird. In seinen Briefen aus Stalingrad erinnert der Maler an ein altes Weihnachtslied:

Das ewig Licht geht da herein,
gibt der Welt ein neuen Schein.
Es leucht wohl mitten in der Nacht
und uns zu Lichtes Kindern macht.

Kurt Reuber blieb diesem Glauben treu bis zum Ende. Er starb im Januar 1944 in einem russischen Gefangenenlager. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7136
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SWR4 Sonntagsgedanken

Vor Jahren half ich mit bei der Haus- und Straßensammlung für das Hilfswerk „Caritas“. Als ich an einer der vielen Wohnungstüren klingelte, öffnete eine ältere Frau. Ich sagte mein Sprüchlein und bat um eine Spende. Beim Wort „Caritas“ verzerrte sich das Gesicht der Frau: „Wir haben immer gebetet. Mein Mann ist trotzdem im Krieg gefallen. Ich gebe nichts!“ Und sie schlug mir die Tür vor der Nase zu.
Was mich damals betroffen machte und bis heute beschäftigt, ist die Argumentation der Frau: Sie rechnete vor: So viele Gebete habe ich investiert, den Gewinn aber hat mir Gott verweigert, denn mein Mann ist im Krieg ums Leben gekommen. Also gebe auch ich keinen Pfennig für eine Institution, die sich auf diesen Gott beruft.

Als ich Schulkindern von diesem Erlebnis erzählte, meinte eine 10-Jährige: „Na ja, die Frau hat eben gedacht: Gott ist ein Automat. Für das,
was sie reinschmeißt, muss das herauskommen, was sie sich gewünscht hat.“ Ich glaube, treffender kann man es nicht sagen. Es gibt diese Einstellung: Manche Menschen betrachten ihr Beten, ihr zur Kirche Gehen oder ihre Spenden für einen guten Zweck als eine Art Einzahlung, für die sie einen entsprechenden Gegenwert erwarten. Treffen sie Schicksalsschläge oder sonstige unerwünschte Vorfälle,
fragen sie: „Wie habe ich das verdient?“ und kündigen Gott die Freundschaft.
Ich bin vor Kurzem auf einen Spruch gestoßen, der, wie ich meine, dazu etwas Wichtiges zu sagen hat. Die erste Aussage lautet: „Die Liebe zählt nicht“. „Zählen“ meint hier die Tätigkeit und will sagen: Ein liebender Mensch denkt und handelt großzügig und ohne Berechnung. Der zweite Satz scheint dem ersten zu widersprechen, denn er behauptet: „Nur die Liebe zählt“. Und das heißt: Am meisten kommt es im Leben auf die Liebe an, ihr kommt die höchste Geltung zu.
Sehr eindrucksvoll kommentiert das die Kurzgeschichte „Das Brot“ von Wolfgang Borchert. In den Hungerjahren nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckt eine Frau, dass sich ihr Mann eines Nachts heimlich in die Küche geschlichen und dort eine Scheibe Brot abgeschnitten hat. Sie tut, als hätte sie es nicht bemerkt. Am nächsten Abend aber isst sie selbst nur eine einzige Scheibe und schiebt ihm die andere hin. „Iss du man, ich vertrag dies feuchte Zeug nicht.“ Er greift zu, senkt aber den Kopf vor Scham, denn er hat ihre liebevolle Lüge durchschaut. Diese Frau wusste: ‚Auch mir stehen zwei Scheiben zu’, doch ihr Herz hat sich an diesem Abzählen nicht beteiligt. Sie schenkte das Ihrige hin – nicht aus Berechnung, sondern aus Liebe.

(Musik)
In den „Sonntagsgedanken“ geht es um einen Spruch, bei dem es wichtig ist, genau hinzuhören. „Liebe zählt nicht. Nur die Liebe zählt.“ Schwierig vielleicht auf den ersten Blick, doch wenn man näher hinschaut, ein interessantes und wichtiges Wortspiel. Es könnte die Überschrift zu einem Gleichnis sein, das Jesus einmal erzählt hat.
Von zwei erwachsenen Söhnen hat der jüngere das Elternhaus frühzeitig verlassen, hat sein gesamtes Erbe durch ein verschwenderisches Leben aufgebraucht und kehrt nun elend und abgerissen nach Hause zurück. Der Vater sieht ihn kommen und reagiert so: Er läuft dem Sohn entgegen, fällt ihm um den Hals und küsst ihn. Dann wird ein großes Fest veranstaltet zur Feier seiner Wiederkehr.
Das ist ein Gleichnis, d.h. es geht hier nicht um eine pädagogische Anleitung, wie Eltern mit ihren Aussteiger-Kindern umgehen sollten. Der barmherzige Vater steht für Gott und seine überreiche Güte. Wo immer ein Mensch sich aufmacht zu ihm, da wird ihm Gott nicht das Register seiner Sünden vorhalten und daraufhin die Tür zumachen. Wo ein Mensch umkehrt, sich ehrlich umwendet hin zu Gott, da kommt ihm dieser voller Barmherzigkeit schon entgegen.
Dies ist die zentrale Botschaft Jesu: Gottes „ Liebe zählt nicht “ – eben darum setzte sich Jesus demonstrativ mit so genannten „Sündern“ zu Tisch - zur Empörung vieler Frommer, die davon überzeugt waren, dass man eine fest gesetzte Anzahl von Gesetzen zu befolgen habe, um das Heil zu erlangen.
Im Gleichnis Jesu ist es der ältere Bruder des jungen Taugenichts, der seinem Vater bittere Vorwürfe macht. Er zählt auf: „So viele Jahre diene ich dir, (…) mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt.“ Der Vater lässt sich auf diese Argumentationsebene gar nicht ein, sondern antwortet ganz schlicht: „Aber jetzt müssen wir uns doch freuen
und ein Fest feiern, denn dein Bruder (…) war verloren und ist wieder gefunden worden“. Wie es in der Geschichte dann weiter geht, erfahren wir allerdings nicht.
So großherzig wie Gott zu sein, das gelingt uns nur selten oder nie. Aber jeder sieht ein: „Nur die Liebe zählt“.
Ob ein Kind in Armut oder Wohlstand aufwächst – nur wenn es geliebt wird, kann es sich entfalten. Zwei Ehepartner stehen gemeinsam eine schwere Zeit durch mit vielen Schicksalsschlägen, weil sie sich gegenseitig tragen und stützen. Den ehemals erfolgreichen Sportler zwingt eine schwere Krankheit zum Aufgeben, doch seine Freunde halten zu ihm und geben ihm so neuen Lebensmut.
Ob es uns momentan gut geht oder nicht - immer sind wir eingeladen, so gut wir können zu lieben: Menschen in unserer Nähe oder auch – wer weiß – in der Ferne. Wer liebt, macht die Welt auf jeden Fall ein Stück besser und heller und kann es vielleicht selbst erleben: „Die Liebe zählt nicht. Nur die Liebe zählt.“



(Der Ausspruch stammt von Pauline von Mallinckrodt, 1817-1881, Ordensstifterin, Gründerin einer Blindenanstalt und zahlreicher Mädchenschulen. Das Gleichnis vom barmherzigen Vater steht bei Lukas 15,11-32).https://www.kirche-im-swr.de/?m=6659
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SWR4 Sonntagsgedanken

Feiertagsgedanken zu Fronleichnam (Ba-Wü)

(die Feiertagsgedanken in Rh-Pfalz von Kalle Grundmann finden Sie unten)

In meiner Jugendzeit – wir hatten noch kein Fernsehen – betrachtete ich oft die schönen Bilder in den Kunstbänden der elterlichen Büchersammlung.. Ein Bild beschäftigte mich damals besonders: Man sieht eine Straße mit vielen Bäumen, Häuser mit Vorgärten und einen kleinen Platz. An einer Balustrade im Vordergrund lehnt ein schöner junger Mann in lässiger Haltung, seiner Kleidung nach ein Student oder ein junger Künstler vom Ende des 19. Jahrhunderts. Mit einem gelangweilt-spöttischen Gesichtsausdruck sieht er dem zu, was sich in einiger Entfernung von ihm abspielt. Auf der Straße zieht eine Prozession vorüber, eine lange Reihe von Menschen, die hinter einem Baldachin hergehen. Unter dem Tragehimmel geht ein Priester in langem Gewand mit einem Kelch in den Händen. Einige Ministranten in Chorröcken tragen Fahnen und Kerzen voran, andere schwenken Weihrauchfässer, die mitziehenden Leute scheinen zu beten oder zu singen. Der Titel des Bildes ist „Fronleichnam in München“, gemalt wurde es von Hans Thoma.
Was mich an diesem Bild betroffen machte, war der Gegensatz zwischen der erhaben-feierlichen Prozession und der distanzierten, ja, herablassenden Haltung des Zuschauers.
Irgendwie kam mir die Situation bekannt vor. Ich wuchs in der Diaspora auf, d.h. in einer Gegend, in der die katholischen Christen der Nachkriegszeit in der Minderheit waren. Ich ging bei den Fronleichnamsprozessionen mit, fühlte mich dabei aber höchst unbehaglich. Hatten die Häuser, an denen wir vorbeikamen, nicht alle Augen? Was dachten die Leute von uns, wenn sie neugierig oder befremdet stehen blieben und uns beim Beten und Singen zusahen?
Als ich älter wurde, kamen eigene Glaubenszweifel hinzu:
Was machen wir Katholiken eigentlich, wenn wir hinter einem goldenen Gefäß herlaufen, in dem sich nichts als ein rundes Stückchen Brot, genannt Hostie, befindet? Der Priester trägt sie vor lauter Ehrfurcht mit verhüllten Händen, sie wird beweihräuchert, die Gläubigen gehen vor ihr sogar in die Knie. Kann man glauben, was die kirchliche Lehre sagt: dass in diesem Brot Jesus Christus gegenwärtig ist?
Heute i s t Fronleichnam. An diesem Tag nicht arbeiten müssen – das wird gern von vielen akzeptiert. Wo aber stehe ich in der Szenerie des Festes selbst: am Rande wie der junge Mann auf dem Bild - drinnen oder draußen? - Dazu nach der Musik ein paar Anregungen.

(M u s i k)

Katholiken feiern heute Fronleichnam. Der Name kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet: „Leib des Herrn“. „Leib“ meint nach biblischem Sprachgebrauch den ganzen Menschen, hier also: Jesus Christus, den die Christen als ihren Herrn bekennen.
Dieser Jesus, Handwerker aus Nazaret, war es, der etwas so Alltägliches wie Brot auf sich hin deutete. „Nehmt hin, das ist mein Leib, das bin ich für euch“, sagte er zu seinen Jüngern, als er zum letzten Mal vor seinem Tod mit ihnen zusammen aß. Das war vor gut 2000 Jahren und doch haben die Christen aller Konfessionen diese Worte und dieses letzte Abendmahl nie vergessen, sondern es ist für sie wichtig bis heute.
Jesus lebte aus einer tiefen Verbundenheit mit Gott, den er als seinen liebenden Vater erfahren hatte. Nun „konnte“ er gar nicht anders als diese Liebe weiterzugeben an alle: ganz konkret, ohne Vorbehalt, auch an die, die ganz unten sind.
So war er wie Brot, dessen Sinn darin besteht, verbraucht zu werden. Essen heißt aber auch: Die Speise wird verwandelt und spendet so neues Leben. „Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus über sich selbst. „Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben“ (Johannes 6, 35 und 51).
Das erinnert mich daran: Ich kann auf Dauer nicht leben von Kreuzworträtseln, Fernsehserien und Börsengängen, sondern davon, dass ich geliebt werde und selbst lieben kann.
Fronleichnam will auf diese Lebensquelle hinweisen und sie feiern: auf Jesus, in dem die Liebe Gottes sichtbar geworden ist und der im Zeichen des Brotes weiter unter uns lebt.

Kein Tag vergeht in unserer Mediengesellschaft, an dem nicht irgendwo Shows „abgezogen“ werden. Stars auf der Bühne, Stars im Fernsehen - sie werden beklatscht, bejubelt, bezahlt - und irgendwann sind sie „weg vom Fenster“. Die „Show“, die sich heute, am Fronleichnamstag, ereignet, ist von anderer Qualität: Sie „zeigt“ jemanden „vor“, „stellt“ jemanden „aus“, der nichts sein wollte als Brot – Brot, das von Gott kommt und zu Gott hinführen will. Und das hat Folgen.

Der Schriftsteller Lothar Zenetti bringt es in diese Verse:

So gab der Herr sein Leben,
verschenkte sich wie Brot.
Wer dieses Brot genommen,
verkündet seinen Tod.

Wer dies Geheimnis feiert,
soll selber sein wie Brot,
so lässt er sich verzehren
von aller Menschennot.

Als Brot für viele Menschen
hat uns der Herr erwählt,
wir leben füreinander,
und nur die Liebe zählt.



Feiertagsgedanken zu Fronleichnam von Kalle Grundmann, Koblenz

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Fronleichnam: Von der Prozession zur Demonstration so kann man mit zwei Schlagworten umschreiben, wie sich das Fronleichnamsfest in den letzten Jahrzehnten geändert hat. W

Teil 1

Meistens haben wir geschwitzt, manchmal sind wir aber auch nass geworden. Auf alle Fälle war sie sehr lang und sehr feierlich: Die Fronleichnamsprozession in dem Dorf meiner Kind-heit. Sie war früher in katholischen Dörfern einer der wichtigsten Veranstaltungen im Jahr. Und auch für mich als Kind gehörte sie zum Jahresrhythmus wie die Umzüge an Fastnacht, Kirmes und St. Martin. In meinen Kindheitserinnerungen hat sich dieser Tag fest einge-prägt. Noch heute sehe ich das Dorf vor mir; festlich geschmückt: mit Blumen, Kerzen, Heiligenfiguren und Fahnen an den Häusern. Ja, ich kann den Weihrauch förmlich riechen und die Schellen hören, die erklangen, wenn wir uns zum feierlichen Segen knien mussten. Und noch heute sind mir die feierlichen Kirchenlieder und die Blaskapelle im Ohr.
Natürlich weiß ich auch noch, dass es für uns als Kinder nicht nur feierlich sondern auch langweilig war. In Zweierreihen wurden wir aufgestellt, Mädchen und Jungs getrennt. Wir durften nicht rennen oder laufen, geschweige den reden. Wir durften nur feierlich schrei-ten, mussten singen und beten..
Heute ist das anders. Es gibt nur noch wenige Dörfer, in denen Fronleichnam so feierlich begangen wird wie zu meiner Kindheit. Selbst dort, wo noch der überwiegende Teil der Be-völkerung katholisch ist, sind längst nicht mehr alle Häuser geschmückt und auch nicht alle Katholiken machen mit. Wie denn auch, viele sind nämlich gar nicht da. Sie nutzen diese Tage für einen Kurzurlaub oder machen heute einen Tagesausflug. Die Fronleichnamspro-zession ist heute nicht mehr eine Veranstaltung des ganzen Dorfes, sondern höchstens noch der Kirchengemeinde. Man kann also sagen: aus der Prozession aller wurde eine De-monstration einiger. Wobei das Wort Demonstration bei uns häufig einen negativen Beige-schmack hat. Leute machen eine Demo, wenn sie gegen etwas sind. Die Fronleichnamspro-zession ist da anders. Sie ist eine Demonstration für etwas. Eine Demonstration für das Kleine und Unscheinbare. Denn während der Fronleichnamsprozession wird in einer Monst-ranz ein kleines Stück Brot getragen, eine Hostie. Mehr nicht. Keine Machtdemonstration also, keine Protestdemonstration. Mit der Fronleichnamsprozession wird deutlich: Gott zeigt sich in den kleinen, unscheinbaren Dingen, wie in einem Stück Brot.

Teil 2

Wenn heute wieder in vielen Dörfern und Städten eine Fronleichnamsprozession durch die Straßen zieht, dann ist das auch eine Demonstration . Aber für was demonstrieren diejeni-gen, die in einem kleinen Stück Brot Gott durch die Straßen tragen? Denn nichts anderes geschieht an Fronleichnam. Der „Leib des Herrn“, die Hostie, das kleine Stück Brot, von dem wir sagen, da ist Gott ganz anwesend, wird in einem prachtvollen Schaugefäß durch den Ort getragen. Gott durch den Ort zu tragen, ist für mich eine sinnenfällige Demonstra-tion dafür, dass der Gott Jesu Christi ein Gott ist, der sich nicht in eine Kirche einschließen lässt. Der nicht nur für die Gebete der Frommen da ist. Dem die Sorgen und Nöte aller Menschen wichtig sind. Ein Gott, der auf die Straßen und Plätze will – unabhängig davon, wie viele Leute am Straßenrand stehen und ihn bejubeln.
Gott will auf die Straßen und Plätze und er will, dass wir ihn dorthin tragen. Eine kleine Epi-sode aus den herrlichen Geschichten von Don Camillo und Peppone, dem katholischen Pfar-rer und dem kommunistischen Bürgermeister aus einem oberitalienischen Städtchen, macht dies anschaulich. Jährlich findet hier eine Prozession statt, in der das Kruzifix aus der Kir-che an den nahe gelegenen Fluss getragen wird. Peppone möchte mit einer Abordnung sei-ner Kommunistischen Partei und der roten Fahne daran teilnehmen. Don Camillo verbietet dies natürlich. Darauf hin droht Peppone jedem, der an der Prozession teilnehmen möchte. Und so kommt es, dass tatsächlich niemand mitgeht. Alle haben Angst vor ihrem Bürger-meister – und bleiben zuhause. So geht dann der Pfarrer Don Camillo ganz allein mit dem schweren Kreuz durch die menschenleeren Straßen. Nur ein Hund begleitet Don Camillo und Jesus. Während des ganzen Weges flucht Don Camillo über Peppone und die, die sich von ihm haben einschüchtern lassen. Aber Jesus am Kreuz geht gar nicht auf das Geschimpfe ein, sondern freut sich, endlich auf den Straßen und Plätzen des Ortes zu sein und bald in der Sonne am Fluss zu stehen. Dort angekommen, kommen dann auch die Menschen dazu, an ihrer Spitze Peppone, der kommunistische Bürgermeister.
Nun, das ist vielleicht ein bisschen viel Happy End. Aber wenn durch die vielen Fronleich-namsprozessionen, die heute stattfinden, deutlich wird: Gott will zu den Menschen, dann haben sich diese Demonstrationen gelohnt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6122
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SWR4 Sonntagsgedanken

Ohne Vorankündigung fragte ich eine Bekannte: “Was ist für dich Alltag?“ Sie antwortete spontan: „Alltag ist Kochen, Bügeln, Putzen, Waschen! Dass das Essen jeden Tag auf dem Tisch stehen muss! Und dass ich schon im voraus weiß, wie mein Partner auf etwas reagiert und was für ein Gesicht er dabei macht. Im Alltag ist alles so eintönig!“ Ihr heftiger Ton gab mir zu denken. Muss unser Alltag „grau“ und schwer erträglich sein? Oder gibt es Möglichkeiten, ihm positive Seiten abzugewinnen?
Es kommt wohl darauf an, wie wir selbst den Alltag sehen.
Die tägliche Arbeit lässt uns spüren: Wir Menschen sind bedürftige, abhängige Wesen, die alle Kräfte einsetzen müssen, um körperlich und geistig zu überleben. Kein wissenschaftlich-technischer Fortschritt wird es fertig bringen, dass wir einmal nicht mehr arbeiten müssen - und das ist gut so.
„Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ – dieses Jahrtausende alte Wort aus der Bibel bleibt aktuell (Genesis 3,18).

Der Alltag verlangt von uns, unser eigenes Ich immer wieder zurückzustellen: Anstatt unseren persönlichen Neigungen nachzugehen, müssen wir eine vorgegebene Aufgabe erfüllen und Zeit und Kraft dafür einsetzen. Unsere Fähigkeiten werden dabei herausgefordert, unsere Ausdauer erprobt. Wer gute Arbeit am Tag geleistet hat, darf mit sich zufrieden sein. Er hat damit - nicht zuletzt - auch der ganzen Gesellschaft einen Dienst erwiesen. Ob ein Betrieb, eine Behörde oder die Familie – alle leben davon, dass möglichst viele möglichst gut ihre alltägliche Arbeit tun.
Für den Umgang mit anderen ist der Alltag eine gute Schule, denn er bringt uns mit Leuten zusammen, die wir uns meistens nicht ausgesucht haben. Vorausgesetzt, wir sind dazu bereit, kann jeder Tag zu einem kleinen Training in Sachen Rücksichtnahme und Toleranz werden – und das tut dann allen gut!
Es gibt viele Gründe, den Alltag mit freundlichen Augen zu betrachten.
Allerdings kommt es auf die richtige Dosierung an. Der große Dichter und Menschenkenner Goethe hatte dafür dieses Rezept:

Tages Arbeit, abends Gäste,
saure Wochen, frohe Feste
sei dein künftig Zauberwort.

(Musik)

Der Theologe Karl Rahner sieht im Alltag „die Schule der Nüchternheit, die Einübung der Geduld“. Hier, in tausend kleinen Situationen, ist Gelegenheit, mitmenschlich zu sein, christlich gesprochen: den Nächsten zu lieben. Oft sind es die Kleinigkeiten, die schwer fallen. Wie sehr etwa können uns Menschen, mit denen wir Tag für Tag zusammen sind, auf die Nerven gehen! Hilfreich ist da die einfache Erkenntnis: Auch ich nerve andere, auch ich bin des Öfteren schwer zu ertragen.
Der Apostel Paulus traut seiner Gemeinde zu, solche Probleme in christlichem Geist anzugehen:

„Ihr seid von Gott geliebt … Darum bekleidet euch mit aufrichtigem
Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig
und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen
hat“ (Brief an die Kolosser 3, 12-13).

Für gläubige Menschen kann der Alltag eine Einladung sein, gerade hier Gott zu begegnen. In einem Gedicht von Matthias Claudius beschreibt ein Bauer, wie er jeden Morgen zur Feldarbeit zieht und was er dabei erlebt: zuerst kalten, dichten Nebel, dann die aufgehende Sonne, dann die wachsende und reifende Saat. Mit Freude und mit Bewunderung sieht er direkt Gott am Werk:

Oh, wer das nicht gesehen hat,
der hat des nicht Verstand.
Man trifft Gott gleichsam auf der Tat –
Mit Segen in der Hand;

Und sieht’s vor Augen: wie er frisch
Die volle Hand ausstreckt
Und wie er seinen großen Tisch
Für alle Wesen deckt.

Manch einem mag so etwas kindlich-naiv erscheinen. Doch jeder lebt von Elementen, die vor ihm da waren und ohne die er nicht existieren könnte: von Luft und Wasser, von Sonne und Erde. Wir bauen Autos, Computer und Teilchenbeschleuniger, doch das ist nur möglich, weil wir schon vorhandene Kräfte und Gesetzmäßigkeiten nutzen. Vielleicht gewinnt unser Alltag an Farbe, wenn wir die Schöpfung, die uns umgibt, bewusster wahrnehmen. Und vielleicht geht es uns dann wie dem „glücklichen Bauern“, der darin Gott so nahe spürt.

Der Alltag ist und bleibt eine nüchterne Angelegenheit. Doch damit hält er in uns die Sehnsucht wach, dass das wohl nicht alles sein kann: arbeiten, Geld ausgeben, wieder arbeiten. Wenn die Bibel von unserer ewigen Zukunft bei Gott spricht, gebraucht sie das Bild von einem festlichen Mahl. Vielleicht dürfen wir manchmal einen Schimmer davon – etwa an einem Sonntag wie heute – herüber scheinen sehen – mitten im alltäglichen Grau. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5332
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SWR4 Sonntagsgedanken

Heute ist Totensonntag. Ich möchte ich Sie zu einem Gang über den Friedhof einladen. Hier ist ein Ort der Ruhe, wo wir unsere Alltagsgedanken einmal loslassen können. Ich möchte mit Ihnen einige Grabsteine besuchen, denen ich begegnet bin und die mich beeindruckt haben.
Einer dieser Grabsteine erinnert an eine Wanduhr: Zwei Zifferblätter sind darauf eingraviert. Die Zeiger des oberen geben eine genaue Zeit an: 5 Minuten nach 7 (Uhr), daneben steht der Name „Arthur“. Diese ungewöhnliche Botschaft macht betroffen: „Um 5 nach 7“ fand dieses Leben also sein Ende, die Erschütterung darüber ist gleichsam zu Stein geworden. Vielleicht kam der Verstorbene durch einen Verkehrsunfall ums Leben, vielleicht starb er nach langer Krankheit. - Das untere Zifferblatt ist leer. Einmal wird es den Namen und die Sterbezeit dessen angeben, , der dem Toten in dieses Grab folgen wird.
„5 nach 7“ – Der Tod ist eine Zäsur, wie es keine zweite gibt – schonungslos, unwiderruflich. Innerhalb einer Sekunde löscht ein Leben aus - und nichts ist mehr, wie es vorher war.
Was den Angehörigen bleibt, ist vor allem die liebevolle Erinnerung. So sagen es viele Grabinschriften in immer neuen Variationen. „Geliebt, beweint und unvergessen“, heißt es auf dem Grabmal einer 29-Jährigen. „Unvergessen in unseren Herzen“, sagt ein anderes - und ein drittes verspricht: „Du bist immer bei uns.“
Solche Versprechen können einen Menschen im Laufe der Zeit überfordern, und so ist es vielleicht kein Zufall, dass auf den Grabsteinen immer wieder „d i e Liebe“ genannt wird. Sie tritt gleichsam als überpersönliche Macht für uns ein, wenn unser aktuelles Andenken an die Verstorbenen schwächer wird. „Die Liebe höret nimmer auf, sie überdauert Tod und Grab“, so steht es auf einem Stein und auf dem nächsten : „Das Leben vergeht – die Liebe bleibt.“
Für manchen mögen das nur leere Floskeln sein. Inhaltlich aber drücken sie eine Ahnung und eine starke Sehnsucht aus: Die Liebe soll das letzte Wort haben und nicht der Tod!


Teil 2

In den „Sonntagsgedanken“ sind Sie dazu eingeladen, einen Spaziergang über den Friedhof zu machen und mit einigen Grabsteinen ins Gespräch zu kommen.
Was geschieht im Tod! Vor allem: Gibt es ein Danach? Diese Frage ist so alt wie die Menschheit selbst und lässt uns nicht in Ruhe. Doch hier können wir im strengen Sinn nichts mehr wissen, nichts beweisen oder widerlegen. Ob medizinische Erkenntnisse oder Nahtoderlebnisse – sie alle bleiben „außen vor“ und haben die eigentliche Grenze nicht überschritten.
„Ich glaube an das ewige Leben“, so lautet das klare Bekenntnis auf einem Grabstein und das Kreuz darüber lässt den christlichen Hintergrund erkennen.
Was heißt „ewiges Leben“? Eine bloße Verlängerung der irdischen Zeit ist wohl nicht gemeint, sondern eine Existenz von ganz anderer, nie gekannter Qualität. Die Grabinschriften sprechen davon in Bildern: „Der Tod geleitet uns hinein in neues Leben“ heißt es da oder „Tod ist Leben – Sterben (ist die ) Pforte.“
Eine tröstliche Vorstellung: der Tod als eine gütige Instanz, die uns durch eine dunkle Tür hindurchführt, d a m i t wir zu unserem eigentlichen Leben gelangen oder, wie es in der Bibel heißt, zu einem „Leben in Fülle“.
Christen glauben, dass sie durch den Tod hindurch zur endgültigen Gemeinschaft mit Gott gelangen. Sie haben dafür nur eine einzige Begründung: Gottes unermessliche Liebe. Zeuge dafür ist Jesus von Nazaret und dies bis zum Tod am Kreuz. Wenn Gott die Liebe selbst ist, dann wird er uns, seine Geschöpfe, lieben ohne Begrenzung und Ende und uns zu sich rufen – zusammen mit allen, die wir geliebt haben.

Liebe will Ewigkeit – diese Erfahrung können wir schon hier auf Erden machen. Manchmal erleben wir uns außerhalb von Ort und Zeit: wenn wir einen Menschen „grenzenlos“ lieben, wenn wir überwältigt sind von der Schönheit einer Landschaft oder einer bewegenden Musik. Vielleicht liegt darin eine Ahnung, dass wir auf Ewiges hin angelegt sind.
Augustinus, ein Theologe um 400, deutete es so:
„Unruhig ist unser Herz, o Gott, bis es ruht in dir.“

Ein Gang über den Friedhof tut gut:. Er hilft uns, zur Ruhe zu kommen und uns auf Wesentliches zu besinnen: auf unseren Tod und auf unser Leben.
Ich wünsche uns, dass wir erfahren dürfen, was uns eine Grabinschrift sagt:
„Ob blind oder sehend – dort sind wir im Licht.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=4846
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SWR4 Sonntagsgedanken

„Das hast du aber gut gemacht!“, lobt die Mutter. Die dreijährige Eva strahlt. Zum ersten Mal hat sie geholfen, den Frühstückstisch zu decken: Vorsichtig, in kleinen Schritten, hat sie den Brotkorb und die Marmelade herbei getragen und nichts ist dabei „schief gegangen“. „Hab ich eine große Tochter!“, sagt die Mutter und streicht ihr übers Haar. Am nächsten Morgen steht Eva in der Küchentür – zum Einsatz bereit. Ab jetzt hat die Mutter an ihr eine treue kleine Helferin. -
Herr Meier kommt beschwingt nach Hause. Der Chef hat ihm eine hohe Anerkennung ausgesprochen und angekündigt, dass er die Stelle des neuen Filialleiters erhalten wird. „Siehst du,“, sagt Herr Meier aufatmend zu seiner Frau, „ich hab doch gute Arbeit gemacht!“ Er holt eine Flasche Sekt aus dem Keller und es wird ein so fröhlich-harmonischer Abend wie schon lange nicht mehr.

Jeder von uns braucht Anerkennung und Ansehen. Von anderen bestätigt zu werden ist besonders in jungen Jahren wichtig, damit wir an uns selbst glauben und unsere Persönlichkeit entwickeln können. Doch auch später hängt unser Wohlbefinden immer wieder von der Anerkennung ab, die uns andere Menschen zuwenden oder verweigern.
Was unser Äußeres betrifft, so leben ganze Wirtschaftszweige davon, uns zu einem gesellschaftlich anerkannten Ansehen zu verhelfen: Mode und Kosmetik, Body-Building, Sport und Wellness.
Was allerdings am meisten öffentliches Ansehen gibt, ist materieller Besitz. „Hast du was, bist du was“, sagt das Sprichwort kurz und bündig, und daran hat sich im Lauf der Jahrtausende nichts geändert!

Dass Schönheit, Gesundheit und materielle Güter vergänglich sind, ist kein Geheimnis und doch verhalten sich viele so, als hinge ihre persönliche Ehre allein davon ab.
Ein angesehener Dorfbewohner, früher auch politisch tätig, muss regelmäßig zur Chemotherapie in die Stadt. Er lässt sich nicht, wie vorgesehen, vom Krankenwagen abholen, sondern fährt mit dem eigenen Auto, obwohl das für seinen Zustand gefährlich ist. Die Leute sollten nicht merken, dass er ernstlich krank ist!

Zerbrechlich sind die Normen der Gesellschaft. Wo ist der Grund, der uns ein tragfähiges Ansehen gibt?

(Musik)

Ich will angesehen – ich will anerkannt sein! Das heißt doch: Jemand soll mich ansehen – mich, so wie ich bin, unverwechselbar, mit meiner eigenen Geschichte. Von außen erfahre ich Zuneigung und Abneigung, Beifall und Kritik. Da kommen dann schon Fragen auf: Wer bin ich ? Bin ich der, den die anderen in mir sehen? Was bin ich noch wert, wenn Jugend, Gesundheit und Besitz dahin sind, wenn ich vielleicht nichts mehr leisten kann und zuletzt nur noch auf die Hilfe anderer angewiesen bin?
Für die Bibel stammt alles, was lebt, von Gott, dem Schöpfer der Welt. Alle Menschen - ohne Unterschied - haben also den gleichen Ursprung und daher die gleiche Würde.
Doch nicht nur das: Der Gott der Bibel ist keine anonyme Macht, die sich in ein nebulöses Jenseits zurückgezogen hat. Er will Dialog-Partner des Menschen sein. „Ich kenne dich mit Namen“, sagt er zum Propheten Mose (Exodus 33,17) und ermutigt ihn, den ihm gegebenen Auftrag zu erfüllen. Er kennt ihn wie keiner sonst. Gott traut dem Menschen zu, seinerseits Partner Gottes zu werden, ohne dass er zuvor besondere Bedingungen zu erfüllen hätte.! Partner, mehr noch: Freund Gottes sein zu dürfen – das hängt nicht ab von Besitz und gesellschaftlicher Stellung, nicht vom Bildungsgrad, nicht einmal von besonderen „moralischen“ Qualitäten!

Gott kennt mich und ruft mich mit Namen - welch eine An-erkennung und welch ein An-sehen! „Gott sieht mich. Ich bin sein Augen-blick“ , sagt der Theologe Heinrich Schlier.
Wer sich von G o t t so angenommen weiß, kann die Urteile seiner Umgebung gelassener hinnehmen und Kränkungen leichter ertragen. Dass so etwas möglich ist, erlebte ich vor einiger Zeit bei einer kranken Freundin:
Wir schauten uns einen Fernsehbericht über die Berliner Filmtage an. Die Kamera zeigte eine Gruppe eleganter Frauen, die überwiegend in Rot gekleidet waren. „Die Farbe Rot ist zur Zeit ‚in’“, erklärte der Reporter. Meine Freundin lachte: Da bin ich aber alles andere als ‚in’!“ Sie saß in ihrem weißen Nachthemd im Bett, der Körper klein, mager, leicht verwachsen, die ungefüge Atemmaske auf Nase und Ohren geschnallt, an Schläuche angeschlossen – wie schon seit Jahren. „Nein, sag selbst,“ wiederholte sie, „ ich bin w i r k l i c h nicht in!“ Und sie lachte herzlich, so gut es die Atemmaske erlaubte. -
Meine Freundin ist eine gläubige Christin. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4254
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SWR4 Sonntagsgedanken

Wer „Peter“ oder „Paul“ heißt, hat heute Namenstag. Herzlichen Glückwunsch! Am 29. Juni erinnert ein eigenes Fest an jene beiden Männer, die in die Ursprungszeit der christlichen Kirche gehören: Petrus und Paulus.
P e t r u s, der ältere der beiden, hieß ursprünglich Simon, lebte am See Genesaret in Palästina und war von Beruf Fischer - ein Mann mit ungewöhnlichen Interessen, denn eines Tages ließ er alles liegen und stehen und schloss sich Jesus an, dem Wanderprediger aus Nazaret.
Simon war begeistert. Jesus war doch ein großartiger Volksfreund und Wundertäter! Von überall her strömten die Leute mit ihren Kranken herbei und Simon wurde Zeuge, wie viele geheilt wurden. Es fiel ihm nicht schwer, Jesus zu glauben, dass Gott alle Menschen ohne Vorbehalt liebt. Hatte er doch den Beweis täglich vor Augen!

Für Simon war klar und er sagte es laut: Jesus ist der Messias, der von Gott verheißene Befreier, auf den die Menschen warten. Und vermutlich fand er es ganz in Ordnung, dass ihm Jesus daraufhin den Beinamen ‚Petrus’, das bedeutet: ‚der Fels’, gab. Jawohl, auf ihn war Verlass!

Dann: jene furchtbare schwarze Nacht. Simon Petrus hat sich heimlich in den Hof des hohepriesterlichen Palastes geschlichen und kauert verängstigt am Feuer. Jesus ist verhaftet worden und wartet auf seinen Prozess. Für Simon ist nun alles aus und vorbei. Da ist eine aufdringliche Magd, die ihn offensichtlich als Jesus-Anhänger erkannt hat. Petrus widerspricht: „Nein, ich kenne diesen Menschen nicht!“ – ein Mann voller Angst, der seine Haut retten will. .
Jesus allerdings hatte vorausgesagt, dass es so kommen würde, und als sich Simon Petrus daran erinnerte, „ging“ er „hinaus und weinte bitterlich“(Lukas 22,62).
Simon, der Fels, auf den Jesus seine Kirche bauen will, weint:
über sich selbst, über das Leiden seines Herrn, über die Traurigkeit der Welt.

Er weint - doch diese Tränen sind nicht das Ende. Nach Ostern wird ein verwandelter Petrus vor die Menschen treten und Jesus Christus als den lebendigen Herrn verkünden. Unter Kaiser Nero wird er dafür in Rom im Jahr 67 hingerichtet.

Als Pa u l u s, der erste große Missionar der jungen Kirche, in den Städten seiner Zeit auftrat, sah es dort religiös bunt und verwirrend aus. Überall standen Tempel und Götterstatuen, aber die alten Religionen hatten abgewirtschaftet: Verschiedene Sekten und esoterische Kulte warben um die Gunst der Menschen. Was hatte der kleine unansehnliche Paulus dagegen zu bieten? Kein Sponsor, kein Werbeapparat griffen ihm unter die Arme. Da war nur er selbst mit seiner glühenden Leidenschaft für Jesus Christus. In einem umstürzenden Bekehrungserlebnis hatte er ihn als d i e Wahrheit seines Lebens erkannt. Unermüdlich, unter größten Strapazen reiste er seitdem durch Städte und Länder, wagte den Schritt von Asien nach Europa und trug so das Evangelium in die große Welt – ein Mann der Globalisierung.
Besonders eine Erfahrung war für ihn entscheidend geworden: Nicht dadurch werden wir zu „erlösten“ Menschen, dass wir eng gefasste religiöse Gesetze buchstabengetreu befolgen und dafür von Gott belohnt werden wollen. Gott ist kein Buchhalter! Es „genügt“, sich ihm „im freien Fall“ zu überlassen, in Glaube und Vertrauen. Kein unvernünftiger, „blinder“ Glaube ist gemeint, sondern einer, der Jesus Christus im Blick hat und der sich an ihm orientiert.
Petrus und Paulus, die Heiligen des heutigen Tages, wurden in der Kirchengeschichte auch für konfessionelle Interessen vereinnahmt oder sogar gegeneinander ausgespielt. Doch nur zusammen sind sie wichtige „Säulen“ der Kirche.
Petrus durchlief Stationen des Glaubens, die Menschen immer wieder erleben: von anfänglicher Begeisterung über Bedenken und Zweifel bis hin zu den dunkelsten Stunden mit der Frage: Wo ist Gott?
Es kann uns ermutigen, dass Jesus gerade ihm, der in der Gefahr schwach wurde, die Führungsrolle unter den Jüngern übertrug.. .„Du weißt, dass ich dich liebe,“ war das einzige, was er vorzuweisen hatte, und dem Herrn genügte das.
Und da sind wir im Zentrum der christlichen Botschaft, Auch für Paulus, den rastlos Tätigen, ist der allein gültige Maßstab die Liebe. Sie ist „das Band, das alles zusammenhält“, schreibt er in seinen Briefen (Kolosser 3,14). Fehlt die Liebe, verliert alles an Wärme, Fülle und Ausstrahlung, was ein Mensch sagt oder tut. Das gilt ebenso für die Kirche als ganze.

Paulus sagt:
„Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei: doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“(1. Brief an die Korinther, 13,13). https://www.kirche-im-swr.de/?m=3963
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