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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Antoine de Saint Exupéry war nicht nur Schriftsteller, sondern auch begeisterter Flieger. Er erzählt, wie er einmal bei einem Überlandflug in eine sehr gefährliche Situation kam. Mitten im Flug merkte er, dass er eine Ratte mit an Bord hatte.
Sofort erkannte er die Gefahr: Wenn die anfinge, mit ihren scharfen
Zähnen ein Kabel anzunagen, könnte eine Katastrophe eintreten.
Er überlegte fieberhaft, was zu tun sei.
Nichts tun war zu gefährlich,
den Steuerknüppel loslassen - unmöglich
und für eine Notlandung gab es keinen geeigneten Platz.
Schließlich kam ihm die rettende Idee: Er ließ die Maschine steil in die Höhe steigen. Er hatte eine Atemmaske, doch die Ratte konnte dort oben in der dünnen Luft nicht überleben. Sicher konnte er wenig später am nächsten Flugplatz landen.

Für mich ist dies mehr als nur eine persönliche Erzählung. Ich empfinde sie als Gleichnis für das Leben. Auch da reisen immer wieder Nager mit, die für Unruhe sorgen und ziemlich gefährlich werden können.
Schmerz über Dinge, die wir erleiden und nicht ändern können.
Ohnmacht und Traurigkeit, die uns angesichts von Leid und Unglück zu erdrücken drohen,
Sorgen und Ängste, wenn man nicht weiß, wie es weiter gehen soll.

Wenn der Lebensmut erlischt und die Kraft zum Weiterflug erlahmt, wenn Zukunftsängste Atem rauben und jeder Tag zur Qual wird.

Das wäre etwas: dann das Höhenruder umlegen, aufsteigen in die Höhe und Sorgen und Ängsten ersticken.

Ähnliches erfahren Christen im Gebet. Wenn sie sich in ihrer Not Gott zu wenden und bei ihm Kraft und Hilfe finden. Wenn sie in den Turbulenzen ihres Lebens Gottes Nähe suchen und aus der Zusage, dass seine Liebe sie begleitet, Mut und Zuversicht schöpfen.

Dietrich Bonhoeffer betet einmal:
„In mir ist es finster, Herr,
aber bei dir ist das Licht.
Ich bin einsam,
aber du verlässt mich nicht.
Ich bin kleinmütig,
aber bei dir ist die Hilfe
Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede
In mir ist Bitterkeit,
aber bei dir ist die Geduld.
Ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den Weg für mich.

Ein Gebet aus großer Not - Als würde der Beter das Höhenruder umlegen und nach oben aufsteigen. Um weiter fliegen zu können und sicher zu landen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7662
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Irgendwo hinter dem Regenbogen, hoch über uns
gibt es ein Land, von dem ich in einem Wiegenlied erfuhr.
Irgendwo hinter dem Regenbogen, ist der Himmel blau
und die Träume, die du dich zu träumen wagst
gehen in Erfüllung.

Eines Tages werde ich mich auf einen Stern wünschen
und erwachen, wo die Wolken weit hinter mir liegen;
Dort schmelzen Probleme wie ZitronenBonbons
weit weg von den Spitzen der Schornsteine -
dort werdet ihr mich finden.

Somewhere over the rainbow – so lautet der Titel dieses wundervollen Liedes von Israel Kamakawiwo Ole'. Ich höre es gern, wegen seiner Schlichtheit, der schönen Melodie, der einfühlsamen Stimme - und wegen der Nähe zu dem ebenfalls großartigen Lied von Luis Armstrong: „What a wunderful world. Ich höre es als Lied der Hoffnung und Sehnsucht nach einer anderen, einer wundervollen Welt.

Freilich, diese Sehnsucht beißt sich hart mit der Wirklichkeit. Die ist meist anders: erdverbunden, knochenhart und oft irritierend verschlungen. Probleme, die sich stellen, schmelzen eben nicht dahin wie Zitronen Bonbons. Sorgen, die mich umtreiben, verflüchtigen sich nicht über den Wolken.
Ist es sinnvoll, der Wirklichkeit mit Träumen zu begegnen?

Mit den Christen aller Zeiten und Konfessionen bin ich davon überzeugt, dass wir Menschen Träume brauchen und Lieder der Hoffnung nötig sind, um auf dieser Erde bestehen und überleben zu können. Ohne sie würden wir den Mut verlieren, blieb oft nur Verzweiflung oder Sarkasmus.

Hoffnungsgeschichten, die über den eigenen Horizont hinausgehen, verbinden sich für mich allerdings mit dem Namen Jesus Christus. Denn er träumt nicht nur, leitet auch nicht nur an zum Träumen oder gar sich zum Herauszuträumen aus dieser Welt. Er lebt den Traum und tut nichts anderes, als die Liebe Gottes zu verschenken. Der Evangelist Matthäus fasst zusammen: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt“

Somewhere over the rainbow ... Irgendwo über dem Regenbogen. Nein, für mich ist das nicht nur weit oben im Himmel. Sondern hier auf Erden. Überall dort, wo Menschen aus der Liebe Gottes Trost schöpfen und neuen Mut finden, wo sie Lust haben, aufzustehen und diese Liebe weiterzugeben und staunend einstimmen: „what a wunderful world“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Guten Morgen,
„Die ganze Palette leben.“ So las ich unter einem Bild, das mich sehr beeindruckte. Es zeigte einen Mann mittleren Alters und ein vertrauensvoll fröhlich aufblickendes junges Mädchen. Beide waren dabei, sich gegenseitig als Clowns zu bemalen. Sie hatten offensichtlich viel Spaß dabei.
Die ganze Palette leben. – Das verbinde ich mit Urlaub und Freizeit. Nicht nur das Grau des Alltags erleben, in dem sich alles vermischt - sondern Zeit und Muße haben für die einzelnen Grundfarben der Farbpalette und sich an ihnen freuen:
am Blau des Meeres, am Gelb der Sonne und des Lichtes und am Rot der Liebe. Und dabei ein Gespür dafür zu bekommen, dass Gott es gut mit uns meint.
Die ganze Palette leben - Auf einer Farbpalette sind allerdings auch andere Farben, Mischfarben, Komplementärfarben. Farben, die sich ergänzen oder gut mischen lassen, oder auch Farben, die im Kontrast zueinander stehen.
Auch Freizeit und Urlaub sind sehr unterschiedlich. Nicht alle erleben diese Zeiten der Erholung unbeschwert. Abschiede sind bei den einen zu bewältigen, Sorgen angesichts der kommenden Wochen werfen bei anderen ihre Schatten voraus. Selbst die gemeinsame freie Zeit mit anderen, eigentlich zum Entspannen und Genießen, wird nicht immer als spannungsfrei erlebt. Im Gegenteil - sie führt oft zu schweren Belastungen.
Die ganze Palette leben? Auch in den Mischtönen oder dunklen Farben des Lebens Gott begegnen?
Es gehört zu den Eigenarten und Schönheiten des Evangeliums, dass es die leuchtende Liebe Gottes gerade dort bezeugt, wo Menschen am Ende sind, wo die Kraft nicht ausreicht und das Elend oder auch das eigene Versagen bewusst wird. Jesus preist sie selig: die Leid tragen und die geistlich arm sind, die sanftmütig oder barmherzig sind oder die den Frieden erstreben und dabei unter die Räder kommen. Sie werden Gottes Kinder heißen, sagt er. Und verspricht: Wo immer Menschen ganz klein werden, oder ihre Ohnmacht und Hilflosigkeit erfahren, da ist Gott ihnen nah.
„Die ganze Palette leben“ ... So sehr ich die Grundfarben des Lebens liebe. Schöner, spannender und interessanter ist das Lebensbild mit allen seinen Schattierungen. Und es ist kein Farbton auf der Palette, mit dem Gott nicht malen würde.
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Guten Morgen,
er gehörte zu den großen Schnellsprechern und begnadeten Sprachakrobaten, war feinfühliger Beobachter und großartiger Kabarettist. Ich spreche von Hanns Dieter Hüsch. Er war Poet und galt als „Philosoph der kleinen Leute“. Seine Heimat war der Niederrhein, seine Liebe galt den Menschen, die dort lebten. Er brachte sein Publikum zum Nachdenken und reizte es zum Lachen. Und so paradox es für einen Kabarettisten erscheinen mag: je länger desto häufiger war die Endlichkeit des Lebens sein Thema - und die Hoffnung.
Hanns Dieter Hüsch ist im Jahr 2005 nach schwerer Krankheit verstorben. Nach seinen eigenen Worten führte ihn die schwere Zeit nach dem Tode seiner ersten Ehefrau wieder näher an die Kirche heran. Als er anschließend im Jahr 1980 vor 20.000 Menschen auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf auftrat, spürte er, - so schreib er später – „dass ich noch was machen musste und dass noch ein bisschen Glück für mich in der Luft lag. ..... und dass da Jugend vor mir saß und darauf wartete, dass ihnen jemand Mut machte, und dass man auch dabei lachen darf und alle an einen Tisch gehören.“
Und so wurde er tatsächlich für Viele zu einem Mutmacher – „Mutmacher von Gottes Gnaden“, wurde er auch genannt - dem das Lächeln Christi genauso vertraut war, wie das Gespräch mit dem lieben Gott.
Eines seiner wunderbaren Gedichte trägt die Überschrift „Psalm“

Ich bin vergnügt
erlöst
befreit
Gott nahm in seine Hände
Meine Zeit
Mein Fühlen
Denken
Hören Sagen
Mein Triumphieren und Verzagen
Das Elend
Und die Zärtlichkeit

Was macht dass ich so fröhlich bin
In meinem kleinen Reich
Ich sing und tanze her und hin
Vom Kindbett bis zur Leich

Was macht dass ich so furchtlos bin
An vielen dunklen Tagen
Es kommt ein Geist in meinen Sinn
Will mich durchs Leben tragen

Was macht dass ich so unbeschwert
Und mich kein Trübsinn hält
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
Wohl über alle Welt

Ich wünsche Ihnen und mir selbst einen guten Tag, an dem auch wir etwas spüren von der Leichtigkeit des Seins. - Im Glauben an Jesus Christus hat sie ihren Ursprung.
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Guten Morgen,
Ein Betrunkener wankt spät in der Nacht durch die Straßen, tastend von einem Alleebaum zum anderen. Schließlich trifft er auf eine Wand. Fein - sie wird ihn ein schönes Stück weiterbringen. Er darf nur den Kontakt mit ihr nicht wieder verlieren. Und so tappt er mit beiden Händen dahin. Immer an der Wand entlang ...
Was er nicht weiß: Die Wand ist eine Litfasssäule. Die umwandert er. Vertrauensvoll. Endlos.
Irgendwann merkt er, dass er im Kreis geht. Ein gequälter Seufzer entringt sich seiner Brust: „Mist, eingemauert!“
Als ich die Geschichte hörte, musste ich schmunzeln. Er hat sich doch selbst diesen Halt ausgesucht und bräuchte nur los lassen. Schon könnte er sich frei bewegen ... und ausgerechnet ihm entfährt dieses „Mist, eingemauert!“
Doch schnell vergeht mir mein Schmunzeln. Zutreffend wird hier ja beschrieben, was auch ich kenne: wie ich mich, obwohl frei, dennoch als gefangen – ja geradezu als eingemauert fühlen kann. Weil ich mich gebunden und verlaufen habe. Weil ich in eine Sackgasse geraten bin, aus der ich nicht wieder raus finde.
Das muss nicht nur der Alkohol bzw. die Litfasssäule sein. Es können auch Gewohnheiten sein und Beziehungen, Freundschaften und immer gleich Ängste, die mich binden und einengen, die mich – vielleicht ohne dass ich es merke - im Kreis laufen lassen und mir nicht selten das Gefühl geben, eingemauert zu sein.
In den Psalmen, dem alten Gebetbuch von Juden und Christen, kommen vielfältigste Erfahrungen zur Sprache. Auch Klagen, Rufen, bis hin zu Schreien aus Todesängsten, wo Menschen weder ein noch aus wissen.
Beeindruckend an diesen Gebeten ist aber, dass solche beklemmenden Erfahrungen niemals das letzte Wort behalten:
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“, bekennt ein Beter, der gerade noch die Not der Enge beklagt hat.
Oder: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“, bekennt ein anderer, der verfolgt wird und keinen Ausweg mehr sehen konnte. ‚Mir selbst wird die Welt eng und klein. Mit Dir aber – mein Gott - wird sie weit und ein neuer Horizont tut sich auf.“
Ich liebe diese alten Gebete. Nicht nur weil sie ehrlich sind und auch Ausweglosigkeiten zugeben, sondern vor allen Dingen, weil sie mir den Gott zeigen, der Auswege zeigt. Weg von der Mauer - hin zu neuen Lebensräumen.
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich möchte von „Lenz“ erzählen. Von jenem Lenz, der in Georg Büchners gleichnamigen Roman die Hauptrolle spielt. Er bereist den Süden Deutschlands und kommt dabei zu Pfarrer Oberlin. Im Steintal, einer sehr armen und rückständigen Gegend südlich von Straßburg, hatte dieser zu Beginn des 19. Jhdts eine großartige Gemeinde- und Sozialarbeit aufgebaut.

Lenz ist ein empfindsamer junger Mensch. Er ist begeistert und erfüllt von der Liebe und dem Engagement dieses Pfarrers, ja mehr noch: von der Gegenwart Gottes in diesem Menschen. Wie kreativ und engagiert er sich für die Menschen einsetzt.
Aber gleichzeitig leidet Lenz.
Er leidet unendlich an der Not, die er sieht. An dem Leiden, das ihm überall begegnet.
Und er fragt sich: Wie passt das zusammen: Gott und Leiden. Warum Krankheit und Not? Und er sehnt sich danach, zu verstehen und Gott zu begreifen.

Einmal, als Oberlin zu Lenz von Gott spricht, sieht Lenz ihn „mit einem Ausdruck unendlichen Leidens“ an und sagt endlich: Aber ich, wär ich allmächtig, sehen Sie, wenn ich so wäre, ich könnte das Leiden nicht ertragen, ich – an Gottes Stelle – ich würde retten, retten....“

Daran stirbt ihm, dem Lenz, schließlich auch Gott, dass der – wie es scheint - nicht rettet. Und nicht nur ihm! Wie viele sagen es so: „Ich kann nicht mehr glauben, bei allem, was ich an Leid in meinem Leben gesehen habe!“

***

Auch ich weiß keine Antwort. Kann das Leiden nicht verstehen und bleibe ein Suchender. Und doch finde ich im Evangelium immer wieder kleine Spuren, auf denen ich dem Rätsel um Gottes Umgang mit dem Leid nachspüren kann. „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem!“ sagt Jesus seinen Jüngern, als er mit ihnen seinem Ende entgegen zieht.
So, als wolle er sagen: „Wir gehen nicht an den Ort der Macht, sondern hinauf zum Berg Golgatha. Nicht, wo Glanz und Herrlichkeit zu sehen ist, sondern wo gelitten wird, da ist mein Platz.“

• Um Bruder zu werden und Nächster,
• Um nicht über den Dingen zu stehen, sondern mitten drin.

Lenz konnte es nicht sehen. Anders ging es Dietrich Bonhoeffer. Er schreibt aus der Gefängniszelle: Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns. - https://www.kirche-im-swr.de/?m=3177
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Die Geschichte vom barmherzigen Samariter gehört zu den bekanntesten der Bibel. Sie ist einfach und einprägsam erzählt.: Da liegt ein Mensch hilflos an der Straße und zwei Fromme gehen vorbei. Ein Levit und ein Priester. Erst ein Dritter, ein Samariter, tut das Selbstverständliche: Er bleibt stehen, pflegt und versorgt den Überfallenen.
Jeder versteht diese Geschichte, Erwachsene und Kinder, Christen und Nicht-Christen. „Du sollst Barmherzigkeit üben an allen, die dich brauchen“. Nicht nur der Freund und der Verwandte oder die gute Bekannte ist dein Nächster. Jedem, dem du helfen kannst, kannst du zum Nächsten werden.

Aber sind wir damit nicht völlig überfordert? Bittende Augen, flehende Hände, schreiende Not. - Muss ich nicht oft wegschauen, um mich dem Grauen zu entziehen, dass mich sonst befallen würde?

An einem Satz aus dieser Geschichte bleibe ich hängen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ – Jesus sagt das, kurz bevor er die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt.
Das heißt doch: Der Helfer hilft nach seinen Möglichkeiten. Er geht nicht vorüber, Er hilft. Er verbindet die Wunden und bringt den Verwundeten in eine Herberge. Dort bittet er den Wirt, den Kranken weiter zu pflegen. Er gibt dem Wirt auch noch Geld für die Pflege. Und falls es nicht reichen sollte, würde er es später nachzahlen. Der Samariter ist großherzig.
Und bleibt doch im Rahmen seiner Möglichkeiten. Zum Schluss gibt er die Verantwortung für den Verletzten ab. Er überfordert sich nicht. Er hat seine Grenzen gesehen und doch das Nächstliegende getan.
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. – An anderer Stelle sagt Jesus sinngemäß: „Was Du willst, das man dir tu, füge auch dem Nächsten zu !“ – Du selbst darfst Maß sein für die Liebe. Du, mit deinem Wünschen und Wollen – genau so mit deinen Kräften und Möglichkeiten.

Ich wünsche uns für heute, dass wir unser Herz nicht nur an den nächsten Termin hängen, sondern es öffnen für den Nächsten, der uns braucht.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3176
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Es gibt Sätze, die vergisst man nicht. Formulierungen, die sich tief ins Gedächtnis eingegraben haben. Einer solcher Sätze, die mich seit meiner Kindheit begleiten, stammt aus der Erzählung vom Zöllner Zachäus.
Ich war ein kleiner Junge, vielleicht 10 Jahre alt. Und erlebte einen plattdeutschen Gottesdienst. Plattdeutsch, – das war die Sprache meiner ersten 6 Lebensjahre, in ihr war ich zuhause, in ihr lebte ich, in ihr fühlte ich.
Und nun ein Gottesdienst, nicht im gelehrten Hochdeutsch, sondern auf platt.

Da stand nun ein Pfarrer und erzählte von dem reichen Zöllner, der seinen Reichtum nicht immer mit legalen Mitteln erworben hatte. Niemand wollte etwas mit ihm zu tun haben. Sie schubsten ihn, stießen ihn beiseite. Die Volksmenge war zu groß, er zu klein, so kletterte er auf einen Maulbeerbaum - um Jesus zu sehen.
Und Jesus kommt – er zieht die Straße hinauf, umjubelt von unzähligen Menschen. Doch mit einem Mal bleibt er stehen. Direkt unter dem Baum. – Ich höre es noch wie heute:
„Zachäus, kumm rünne von dien Muhlbeerboom, ick mut dick hüt beseuken!“ –

• Zachäus, Komm herunter von deinem Baum, in den du dich zurückgezogen hast, komm herunter - aus dem Gestrüpp, in dem du dich verstiegen hast,
• komm heraus aus deiner Einsamkeit und Isolation, aus deiner Verlorenheit!“

„Ich will dick hüt beseuken, - Keine Forderung an ihn, den Einsamen, an ihn den Su-chenden, sondern nur herzliche Wärme. - Ich sehe die gute Stube meines Elternhauses vor mir. – „In deiner Stube, dort, wo du zuhause bis, will ich sitzen- mit dir, will zuhören und reden, Zeit haben für dich!“

Ich glaube, so ist Gott: Einer, der sich interessiert, der unsere Nähe sucht und ganz für uns da ist. Der nicht mit Forderungen kommt: Ändere dich, reiß dich zusammen,
räum auf in deinem Leben, und dann komme ich zu dir. Sondern umgekehrt: „ich will dick hüt beseuken!“

Bei Zachäus stößt dieser Gast die Tür sperrangel weit auf. Voller Freude nimmt er ihn in sein Haus auf. Und erfüllt von dem Besuch will er seinem Leben eine neue Richtung geben - ohne üble Betrügereien, ohne elenden Egoismus, der nur äußerlich reich werden lässt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3175
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Was ist das Leben?“ – Dieser fast schon philosophischen Frage stellen sich in einem schwedischen Waldmärchen die Tiere und Pflanzen des Waldes.
„Das Leben ist eine Entwicklung“ – antwortet nachdenklich die Rose. Der Schmetterling flattert von Blüte zu Blüte und sagt: „Das Leben ist lauter Freude und Sonnenschein.“
Eine Ameise, die sich gerade mit einem schweren Strohhalm abmüht, seufzt: „Das Leben ist nichts als Mühe und Arbeit.“
Und so setzt sich das Märchen fort: „Es ist ein Streben nach Höherem“ antwortet der Adler, „Tränen – nichts als Tränen ist die Antwort des Regens.“ Und ein Betrunkener, der durch den Wald torkelt, säuselt in seinem Suff: „Das Leben ist ein ständiges Suchen nach Glück und eine nicht enden wollende Kette von Enttäuschungen. -
Was ist das Leben? Liebe Hörer, auch meine Antwort auf diese Frage würde kaum anders ausfallen als in diesem Märchen. Sie würde sich vor allen Dingen an persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen ausrichten und könnte höchstens einen kleinen Ausschnitt dessen umreißen, was Leben wirklich ist.
Darum lasse ich mich gern auf die Erzählungen der Bibel ein. Auch in ihnen begegnen mir Menschen ganz unterschiedlichster Prägungen und Erfahrungen: Glückliche und Verzagte, erfüllt Singende genauso wie sehnsüchtig Wartende. Doch das Besondere ihrer Antworten liegt darin, dass sie nicht bei ihren Lebenserfahrungen stehen bleiben. Es ist, als melde sich in ihren Antworten eine ganz besondere Stimme zu Wort.
Ein wenig geachteter Zöllner erfährt zum Beispiel, wie Jesus sich Zeit für ihn nimmt. Und da erkennt er, wie vordergründig sein Leben verläuft und wie sehr auf schiefen Bahnen.
Eine unter ihrer Arbeitslast seufzende Freundin Jesu wird von ihm eingeladen, auszuruhen. Zur Ruhe kommen und sich Zeit nehmen – für sich selbst, und für die wohltuenden Worte, die Jesus sagt. -
Und eine trauernde Maria erfährt trotz des Todes Ihres Bruders etwas von dem Trost, der über aller Trauer liegt. Voller Vertrauen erkennt sie: Du bist der Heilige Gottes. Und mein Bruder wird leben.
Ich staune über die Kraft, die in solchen Erzählungen steckt, und über die Vielfalt dessen, was Leben ist. Und denke dann: es gibt noch viel zu entdecken, in der Bibel, und an Jesus Christus, der von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1521
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Sie kennen das sicher auch: Solange ein Thema abstrakt verhandelt wird, bleibt es fern und kühl. Sobald es aber ein Gesicht bekommt, weil man mit Betroffenen gesprochen hat, kommt es nah und hinterlässt tiefe Spuren.
So ging es mir auf einer internationalen christlichen Tagung. Christen aus allen Erdteilen waren zusammen gekommen, die weltweite Gemeinschaft zu erleben und zu feiern. Thematisch ging es aber auch darum, sich den Herausforderungen einer globalisierten Welt zu stellen.
Es war eine Frau mittleren Alters aus Chile, mit der ich ins Gespräch kam. Ihr Land sei hoch verschuldet gewesen, so sagte sie. Neue notwendige Kredite wurden nur zu bestimmten Bedingungen gewährt. Die Privatisierung des Wassers war eine der geforderten Maßnahmen.
„Es gibt einen großen Fluss bei uns. Aus dem durften wir bisher alle unser Wasser beziehen. Und es gab reichlich, für alle. – Jetzt aber müssen wir zahlen. Denn unser Wasser gehört nicht mehr uns.
Und sie ergänzte: „Die Wasserrechte wurden von einer englischen Firma erworben. Diese ist inzwischen von einem deutschen Unternehmen übernommen worden.“ Und so schloss sie mit den Worten: „Unser Wasser gehört Euch!“
Sie sagte es nicht vorwurfsvoll. Doch sie war sich der Wirkung ihrer Worte wohl bewusst. Denn ich stand vor ihr, fassungslos und unschlüssig, ob ich mich dafür in irgendeiner Weise schämen oder schuldig fühlen sollte.
Mit entsprechendem zeitlichen Abstand ist mir klar geworden, dass es nicht um die Frage von Scham und Schuld geht. Sondern vielmehr darum, diesen Zusammenhang zu begreifen und nicht zu übersehen. Wir leben in einer Welt. Und diese ist uns gemeinsam geschenkt und anvertraut. Es kann nicht angehen, dass nur ein Teil der Menschheit von der Globalisierung profitiert.
So bin ich froh über das große Engagement vieler Christen, wie es sich gerade wieder in den Diskussionen des Evangelischen Kirchentages gezeigt hat. Leidenschaftlich, offen, kritisch und hörbereit wurde debattiert.
Und auch darüber freue ich mich, wenn wir uns als Christen nicht einschüchtern lassen, wenn es wieder einmal heißt: „Aber die Vorteile der Globalisierung wollt ihr ja auch!“ – Es ist richtig: an der Globalisierung kommt niemand vorbei. Aber nicht als abstraktes Thema. Das verkommt schnell zur Fratze. Globalisierung bitte mit menschlichem Gesicht! Dafür will ich mich einsetzen!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1520
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