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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04SEP2020
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„Mein Fahrstil eignet sich leider nicht für fromme Aufkleber.“, las ich einmal auf einem Auto. Es scheint den netten, selbstironischen Sticker nicht mehr zu geben. Aber die dahinter stehende Frage ist geblieben, und ich finde sie durchaus interessant. Luther soll gesagt haben: Wenn der Bauer sich bekehrt, merkt das die Kuh im Stall. Übertragen würde das bedeuten: Wenn ein Mensch, der Gott ernst nimmt, hinter dem Steuer sitzt, merken das die anderen Autofahrer. Es ist wohl unbestritten, dass das Klima auf den Straßen rücksichtsloser, um nicht zu sagen brutaler geworden ist. Natürlich ist es nicht grundsätzlich falsch, mit hoher Geschwindigkeit zu fahren, wenn es die Situation zulässt. Oft wird aber übersehen, dass Straßenverkehr immer eine Interaktion mit vielen unterschiedlichen Beteiligten ist. Dazu gehört auch die Frage: Wieviel Druck entsteht bei anderen durch zu dichtes Auffahren oder riskantes Überholen. Vielleicht habe ich selbst ja tatsächlich alles voll im Griff und mein Wagen verfügt über einen guten Bremsassistenten und andere Sicherheitssysteme. Dennoch entsteht durch Raser ein Klima der Verunsicherung und des Stresses. Ältere Fahrer, Gelegenheitsfahrer, Anfänger oder auch Menschen mit Beeinträchtigungen werden gnadenlos beiseite geblinkt, gehupt und gedrängt. Vielleicht denkt mancher ja auch: „Sollen sie doch zu Hause bleiben und die Straßen denen überlassen, die etwas vom Autofahren verstehen.“ Dadurch wird die Autobahn zu einem Sonderlebensraum, in dem das Recht des Stärkeren akzeptiert, ja manchmal zelebriert wird.

Ich weiß, es gibt auch die andere Seite: die Diktatur der Schwachen in Form von Pedanterie, Rechthaberei und Sicherheitsfanatismus, durch die der Straßenverkehr in Deutschland zum Erliegen käme. Aber zwischen den Schleichern und denjenigen, die nur ihre technischen Möglichkeiten und ihre momentanen Interessen sehen, gibt es ein breites Feld, das sich gestalten lässt. Als verantwortlich handelnder Mensch will ich nicht nur meinen Spaß beim Fahren haben und möglichst schnell mein Ziel erreichen. Ich will auch dafür sorgen oder zumindest durch mein Verhalten nicht verhindern, dass andere heil und glücklich den Tag überstehen.

Heute beginnt das Wochenende mit viel Reiseverkehr auf den Autobahnen. Da wird mancher vermutlich bis an seine Grenzen herausgefordert sein. Aber es ist auch eine Chance, einmal die folgende Grundregel des Apostels Paulus auszuprobieren. Sie lautet: Jeder soll nicht nur sein eigenes Interesse verfolgen, sondern auch auf das sehen, was dem anderen dient (Phil 2,4). Gute Reise also – und ein schönes Wochenende!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03SEP2020
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Ich kenne jemanden, der ein gebrauchtes, durchaus fahrbereites Motorrad gekauft und in die Garage gestellt hat. Er benutzt es nur als Ersatzteillager, um sein geliebtes, altes Fahrzeug aufzumotzen und bei Bedarf zu reparieren. Mir scheint, dass manche Menschen mit dem Glauben und dem Evangelium gerne ähnlich verfahren würden. Aber so lässt Gott mit sich nicht umgehen. Gottes Liebe ist immer ein Gesamtpaket. Dazu gehört ganz wesentlich seine verändernde Kraft, die mich antreibt und zu einem liebenden Menschen machen will. Im Bild gesprochen: Man kann den Motor und das Getriebe nicht beiseitelegen und nur die Hülle, das angenehme Gefühl geliebt zu werden, behalten wollen. Das Evangelium hat immer Folgen, oder es ist nicht das Evangelium. Der Glaube will ja nicht eine Ergänzung zur Verbesserung meiner Lebensqualität sein.

Wer Jesus nachfolgt, wählt ihn nicht nur als Freund und Helfer, sondern er lebt in einem neuen System nach neuen Spielregeln. Die Bibel nennt es das „Reich Gottes“. Für mich heißt das: Ich begreife zunehmend, dass sich nicht alles um mich und meine Komfortzone dreht, sondern dass ich zugunsten anderer leben soll. Jesus macht mich frei, aber nicht nur von ein paar negativen Faktoren, die meiner Optimierung im Wege standen. Ich bin vielmehr für etwas frei geworden. Ich bin dazu befreit, von mir wegzusehen und zugunsten anderer zu leben. So wie Jesus es vorgemacht hat. Nicht Ellenbogen und Fäuste, sondern helfender Arm und offene Hand. Nicht Konkurrenz und Lebenskampf, sondern Zuwendung und Hilfsbereitschaft. Und das Erstaunliche ist: Ich erlebe gerade darin eine ganz neue Art von Erfüllung und Glück. Ich könnte mich abends darüber freuen, dass ich mich deutlich durchgesetzt und den Kollegen gezeigt habe, wo der Hammer hängt. Ich kann mich aber auch darüber freuen, dass ich jemandem geholfen habe, mit seinen Aufgaben, ja vielleicht sogar mit seinem Leben, ein bisschen besser zurechtgekommen zu sein. Das ist schon ein deutlich anderes Konzept, als es sonst üblich ist, nicht wahr?

Das Evangelium ist die echt gute Nachricht, dass Gott uns liebt. Und zugleich ist es die noch bessere Nachricht, dass Gottes Liebe uns in hohem Maße verändern will. Gerade das macht das Leben spannend und schön. Ich lasse mich darauf ein, weil ich Jesus vertraue und den Eindruck habe, dass er das deutliche bessere Konzept bietet als die gängigen Alternativen. Auch wenn es herausfordernd ist.

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02SEP2020
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„Setz dich auf deinen Platz und nimm die Füße vom Sitz! Hier wollen nach dir noch andere Leute sitzen, und die möchten nicht deinen Schmutz an ihrer Hose haben.“ Die Worte des jungen Vaters waren eindringlich und für den kleinen Knirps unmissverständlich. Er grinste seinen Papa breit an und begann, immer heftiger auf dem Sitz mit beiden Füßen herumzuspringen. Der Ton des Vaters wurde lauter und drohender, so dass das gesamte Zugabteil sich für die Lösung dieser pädagogischen Herausforderung zu interessieren begann. Bis auf eine Person: Der kleine Wonneproppen fand immer mehr Spaß daran, seinen überforderten Vater herauszufordern und bloßzustellen. Gehorsam schien für ihn etwas völlig Fremdes zu sein.

Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele Erwachsene über dieses Stadium niemals hinausgekommen sind. Sobald sie sich im Geringsten zu irgendetwas genötigt und gedrängt fühlen, wird vom inneren Alarmsystem eine Vollbremsung ausgelöst, und sie bewegen sich keinen Schritt weiter. Das gilt auch Gott gegenüber. Ein Gott der einen verwöhnt und die Probleme aus dem Weg räumt? Ja, gerne doch! Aber ein Gott, der eine Meinung hat und mir reinredet? Nein Danke. – Ich habe gemerkt, dass es gar nicht so schlecht ist, sich auf Gott und seine Wesensart einzulassen. Ich will versuchen das zu beschreiben.

Nehmen wir einmal an, ich sei von Natur aus ein jähzorniger Mensch, der bei einer Provokation schnell ausrastet. Wieder einmal erlebe ich, wie mein Puls steigt, die Atmung schneller wird und ich kurz vor der Explosion stehe. Doch auf einmal spüre ich einen Impuls von Gott, der mich auffordert und befähigt, anders zu reagieren. Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, atme tief durch, halte meinen Mund und höre stattdessen zu. Die Situation eskaliert nicht weiter, sondern ich kann anders als sonst mit ihr umgehen. Das ist also offenbar möglich. Beim nächsten Mal erlebe ich Ähnliches, aber beim dritten Mal raste ich wieder voll aus. Und doch ist etwas anders geworden. Mein Wutausbruch ist nicht mehr selbstverständlich. Er ist etwas, das nicht mehr zu mir passt. In vielen Einzelsituationen werden so neue Gewohnheiten und Verhaltensformen erlernt. Mein Charakter und meine Persönlichkeit verändern sich. Ja meine Biografie verläuft anders, als wenn ich ohne Gottes Impulse weiter gelebt hätte. Aber dazu muss ich natürlich bereit sein, und jetzt gebrauche ich bewusst dieses schreckliche Wort – Gott zu gehorchen. Ich habe gemerkt: Gott meldet sich tatsächlich zu Wort. Nicht um mich zu beschneiden, sondern weil ich ihm wichtig bin.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

01SEP2020
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Kennen Sie die Geschichte vom Schneider Böck? „Max und Moritz, gar nicht träge, sägen heimlich mit der Säge, Ritzeratze voller Tücke, in die Brücke eine Lücke.“ Als dann der Schneider Böck die beiden Übeltäter über die kleine Holzbrücke verfolgen will, kommt es, wie es kommen muss: Die Brücke bricht unter der Belastung zusammen und reißt den armen Schneider mit sich. Das Heimtückische an der Aktion ist, dass man die Sabotage auf den ersten Blick gar nicht sehen konnte. Die Brücke hätte vielleicht noch Jahre so dastehen können – solange sie nicht betreten und belastet wird.

Wie dem armen Schneider Böck geht es manchem Menschen, wenn ihm unerwartet Leid widerfährt. Alles bricht unter den Füßen weg. Es bleiben nur noch Verzweiflung, Ohnmacht und Wut angesichts der eigenen Ohnmacht. Und das betrifft auch den Glauben. Irgendwie hatte sich die Idee im Kopf eingenistet, Gott sei dafür zuständig, dass es mir persönlich immer gut geht. Aber das ist eine gefährliche Vereinfachung. Ja mehr noch, es ist geradezu Sabotage am Glauben. Wenn es nämlich anders kommt und auch ich Leid ertragen muss, bricht alles zusammen. Ich muss nicht nur das Leid verarbeiten, sondern zusätzlich verliere ich auch die Beziehung zu Gott. Ist mein derzeitiges Ergehen nicht der Beweis, dass es Gott gar nicht gibt oder er zumindest nicht der liebende Vater ist, als der er oft beschrieben wird?

Ob unser Glaube belastbar und tragfähig ist, zeigt sich, wenn er sich bewähren muss. Trägt mich das Wissen um Gottes Liebe und Gegenwart auch jetzt, oder passt auf einmal hinten und vorne nichts mehr zusammen? Bedenken wir: Der Glaube ist keine Weltanschauung und kein System von Überzeugungen und Dogmen. Er ist eine Verbundenheit mit Gott, die dieser auch dann aufrechterhält, wenn wir ihn nicht mehr sehen und verstehen. Ein solcher Glaube wächst über viele Jahre im alltäglichen Leben. Dabei lässt Gott in uns die Gewissheit reifen, dass er da ist und trotz allem die Fäden in der Hand hält. Das ist eine schöne Erfahrung, wenn es uns gut geht. In der Krise und im Leid allerdings ist sie weit mehr: Sie ist unsere Rettung. Das Erstaunliche ist, dass man diese Erfahrung nicht etwa trotz des Leids, sondern gerade im Leid machen kann, wenn uns alles Eigene aus den Händen geschlagen wird, wie jetzt in der Corona-Krise. Mir fällt dazu Hiob ein. Am Ende seiner Leiden zieht er Bilanz und sagt zu Gott: „Ich kannte dich ja nur vom Hörensagen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut“ (Hiob 42,5; GNB). Das möchte ich auch einmal sagen können.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

31AUG2020
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Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich bei einer Wanderung im Schwarzwald Spuren von Marc Twain an einer Klosterruine gefunden habe. 1878 hatte er die Gegend erwandert und darüber in seinem Reisebericht „A Tramp Abroad“ berichtet.

Er schreibt: „Wir schauten in eine tiefe, schöne Schlucht hinunter mit einem weiten Panorama bewaldeter Berge dahinter, deren Gipfel in der Sonne leuchteten… Die Schlucht zu unseren Füßen – genannt Allerheiligen – bot am Ende ihres grasbewachsenen Bodens gerade genug Platz für ein abgeschieden von der Welt mit ihren Belästigungen gelegenes, gemütliches, entzückendes Menschennest, und folglich hatten die Mönche der alten Zeit nicht verpasst, es zu entdecken.“ –

Ich konnte Marc Twains Begeisterung für die Landschaft gut nachvollziehen, doch beim „gemütlichen Menschennest“ wurde ich nachdenklich. Es steht mir sicher nicht zu, die Mönche von damals zu beurteilen. Schließlich ist jeder Kind seiner Zeit. Und doch habe ich mich gefragt: Ist es das, was Jesus von seinen Nachfolgern erwartet? Stille, Besinnung, Abkehr von der bösen Welt? Schließlich hatte er doch zum Vater gebetet „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen (Joh 17,15).“ Dementsprechend hatte er ihren Auftrag beschrieben: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch (Joh 20,21).“ Das bedeutet doch, wie Jesus die himmlische Ruhe zu verlassen und sich mitten in die Welt mit ihren schönen und widerwärtigen Seiten hineinzubegeben, sich in die Gesellschaft einzubringen und einzumischen. Auch wenn ich längst nicht immer weiß, wie der richtige Weg aussieht. Es geht nämlich nicht nur um mein eigenes Wohl, sondern immer auch um das der anderen. Und es geht um Gottes Präsenz in unserer Welt. Es soll sichtbar werden, welches Gottes Absichten mit dem einzelnen und der Gesellschaft sind.

Bezogen auf die Corona-Krise bedeutet das: Es reicht nicht, dass ich in meinem gemütlichen Menschennest gesund bleibe und möglichst ohne Einschränkungen durch die Pandemie komme. Ich sehe immer auch die anderen, die Wirtschaft, die Kultur, das Ganze. – Mir scheint, jetzt ist die Zeit, wo sich zeigen muss, nach welchen Werten wir leben. Menschen, die sich an Gott orientieren, werden sich anders verhalten, als es vielleicht ihrer Natur entspräche. Ich finde das ganz schön herausfordernd. Und doch denke ich, ist es die richtige Perspektive. Weil es mir nicht egal sein kann, wie es anderen geht.

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07SEP2019
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Mich fasziniert der Vorgang immer wieder: Ich ziehe die erste Metallkugel zur Seite und lasse sie auf die anderen aufprallen. Die sind mit geringem Abstand hintereinander in einem Ständer aufgehängt und geben den Schwung von Kugel zu Kugel weiter, bis die letzte nach außen schwingt. Anschließend kehrt diese zurück, und das Schauspiel wird von der anderen Seite her erneut in Gang gesetzt. Newton hat dieses Kugelpendel erfunden, und eine Zeitlang stand so ein Gerät bei mir auf dem Schreibtisch. Es hat mich aber nicht nur in seinen Bann gezogen, sondern auch nachdenklich gemacht.

Es ist für mich zu einem Bild geworden, das auf viele Prozesse in meinem Leben zutrifft. Immer wieder gilt: Ein Anstoß kommt von außen und schwingt in uns noch lange nach. Nehmen wir zum Beispiel die Frage, wie wir uns selbst sehen. Nicht jeder hatte ja eine glückliche Kindheit und unbeschwerte Schuljahre, die ihr oder ihm immer bestätigt haben, ich bin ok. Die anderen finden mich gut und mögen mich. Manchmal sind es gerade die negativen Botschaften die auf unsere Seele prallen und dann ein Leben lang mit uns gehen. – Was kann man dagegen setzen? Wie kann ich im Inneren gesund werden oder bleiben? – Für mich ist es die Botschaft: Ich werde von Gott geliebt, so wie ich bin. Das weiß ich aus dem Neuen Testament. Jesus sagt einmal zu seinen Jüngern: „So wie mich der Vater liebt, so liebe ich euch“ (Joh 15,9). Gott, der Vater liebt Jesus. Soweit ist alles klar. Aber mit derselben uneingeschränkten Liebe –wie der Vater ihn liebt – ohne Ja-Aber, werde auch ich geliebt? Das kann doch gar nicht sein, oder? – Oder es gibt ein Geheimnis, dem ich auf die Spur kommen muss! Und das lautet: Ich bin Gottes Geschöpf, von ihm gewollt, kreiert und ins Leben gestellt. Auch wenn ich selbst es kaum glauben kann: Jesus, der Sohn Gottes, sagt es mir ins Gesicht und versichert mir: So wie mich der Vater im Himmel liebt, so liebe ich dich! – Ich will das ernst nehmen und es mir immer wieder bewusst machen. Wenn ich bete und mein Leben vor Gott ausbreite, danke ich ihm für seine Liebe. Oder morgen im Gottesdienst, wenn wir Gottes Liebe gemeinsam feiern. Ich rede mir das nicht selbst ein, sondern ich nehme ernst, was Jesus zu mir sagt. Der Anstoß kommt von außen – und er bringt etwas in mir zum Schwingen und setzt mich in Bewegung.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06SEP2019
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„Nein!“, sagte der Vater mit eindrücklicher Stimme. Sein kleiner Sohn schaute ihn verschmitzt lächelnd an und fuhr mit dem Laufrad noch ein paar Zentimeter näher an die Bordsteinkante heran. „Bleib hier auf dem Gehweg!“ – fuhr der Vater fort, und seine Stimme wurde eindringlicher und lauter. Der kleine Sonnenschein drehte sich wieder um, strahlte ihn an – und da lag er auch schon auf der Straße und beklagte laut schreiend sein Unglück. Es war nicht weiter tragisch, weil es sich um eine ruhige Anliegerstraße handelte, und die Schrammen waren sicher schnell wieder verheilt.

So viel anders sind wir Erwachsenen auch nicht, dachte ich beim Weitergehen. Nur dass die Konsequenzen bei uns oft viel gravierender sind. Allzu gern wollen wir unseren eigenen Kopf durchsetzen, und wenn andere uns reinreden erst recht. Wir wissen selbst was für uns gut ist, und in der Regel stimmt das ja auch. Aber eben nicht immer. Auf den Rat anderer hören oder gar anderen gehorchen geht uns total gegen den Strich. Das gilt auch Gott gegenüber. Gerade Gott gegenüber! Für viele wirkt es bedrohlich und einengend, Gottes Gebote zu akzeptieren oder sich gar von Verboten begrenzen zu lassen. Es riecht nach Zwang, und so etwas wollen wir beim besten Willen nicht. Ich kenne das auch. Andererseits weiß ich aber: Wenn ich möchte, dass Gott Einfluss auf mich nimmt, dann kann ich mich auf seinen Willen nicht nur dann einlassen, wenn ich es ohnehin genau so sehe wie Gott. Er soll ja meinen Alltag, meinen Charakter, meine Biografie prägen.

Spannend wird es für mich deshalb in dem Moment, wo – im Bild gesprochen – Gott nach links zeigt, ich aber lieber rechts abbiegen möchte. Wie der kleine Junge, von dem ich am Anfang erzählt habe. Wie gesagt, manchmal fällt es mir durchaus schwer, Gottes Willen zu befolgen.

Ich tu es trotzdem. Weil ich überzeugt bin, dass Gott mehr vom Leben versteht als alle anderen zusammen. Und dass er mich kennt und es gut mit mir meint. Gott muss mir nichts aufzwingen, sondern ich habe ein eigenes Interesse daran, seine Wegweisung zu erfahren und ihr zu folgen. Damit ich mich nicht in unserer komplizierten Welt verlaufe. In den Psalmen betet jemand einmal: „Herr, zeige mir den richtigen Weg, damit ich in Treue zu dir mein Leben führe!“ (Psalm 86,11). Darin kann ich mich gut wiederfinden.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05SEP2019
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Meine Frau sagt manchmal zu mir: Du bist wie dein Vater. Oft genug hat sie damit Recht. Dann bin ich richtig erschrocken, wie viel Ähnlichkeit ich mit meinem Vater habe. Zunächst äußerlich, aber auch manche Verhaltensformen kann ich mir einfach nur durch meine Erziehung und das Umfeld, in dem ich groß geworden bin, erklären. Gelegentlich reagiere ich in einer Weise, die ich bei meinen Eltern immer schon gehasst habe.

Nun, zum Glück ist ja nicht alles schlecht, was ich von zu Hause mitbekommen habe. Mir ist dabei jedenfalls eines klar geworden: mein Leben hat nicht erst mit mir begonnen. Vieles in meiner Biografie hat bereits lange vor meiner Geburt seinen Ursprung. Ich finde es hilfreich, das zu wissen und mich darauf einzustellen. Aber ich habe auch gemerkt, es gibt noch etwas Anderes, viel Tieferes, das schon vor mir da war und mich beeinflusst hat. Das ist die Tatsache, dass ich nicht nur einen leiblichen Vater und eine Mutter habe, sondern auch einen Schöpfer. Manche haben ja die Vorstellung, Gott sei weit weg im Himmel und mit ganz anderen Themen beschäftigt als meinem kleinen, durchschnittlichen Leben. In der Bibel kann man anderes entdecken. König David formuliert es in einem Psalm einmal so: „Großartig ist alles, was du geschaffen hast – das erkenne ich! Schon als ich im Verborgenen Gestalt annahm, unsichtbar noch, kunstvoll gebildet im Leib meiner Mutter, da war ich dir dennoch nicht verborgen. Als ich gerade erst entstand, hast du mich schon gesehen.“ (Psalm 139,14-16Hfa) Für mich bedeutet das: Ich komme von Gott her und bin von ihm vorgeprägt. In der Schule habe ich den Faktor „Pi“ kennen gelernt, eine Naturkonstante, ohne die es keinen Kreis gibt. Ich denke manchmal: So wie kein Kreis rund wird ohne Pi, so wird auch kein Leben rund ohne Gott. Er gehört einfach zu unserem Leben dazu.

 

Ich muss nicht alleine mit allen Herausforderungen und Gegebenheiten klar kommen. „Leben“ bedeutet für mich: Ich kann eine Beziehung zu meinem Schöpfer entwickeln, und aus dieser heraus die Tage gestalten. Ich erlebe das als ungemein hilfreich. Ich kann Gott fragen, wie er die Dinge sieht und bewertet. Ich kann ihn um Mut und Energie bitten, die Herausforderungen anzupacken. Ich kann ihn einladen, mich zu bremsen, wenn ich mich verrenne. Und ich kann mir von ihm helfen lassen, das zu ertragen, was ich nicht ändern kann, ohne daran zu zerbrechen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04SEP2019
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Sie fiel sofort auf, so wie sie gekleidet, geschminkt und frisiert war. Keine andere Frau kam mit derart gestylten Fingernägeln wie sie zum Gottesdienst. Und doch gehörte sie dazu und war bestens integriert. Ich bewunderte sie, gerade weil sie sich nicht einfach anpasste, sondern ihren eigenen Stil hatte. Im Laufe der Begegnungen mit ihr wurde mir deutlich, dass ihr Outfit Folge und Ausdruck einer ebenso bunten und ungewöhnlichen Biografie war.

Ihr Leben war wirklich nicht einfach gewesen und erst recht nicht bürgerlich brav und normal. Irgendjemand hatte sie in die Gemeinde eingeladen, und dort hatte sie Jesus in einer Weise kennengelernt, wie ihr das bisher fremd war. Nach und nach ging ihr auf, dass der Glaube ihr kompliziertes Leben entwirren und neu ordnen konnte. Sie ließ sich darauf ein und konnte vieles aus ihrer Vergangenheit aufarbeiten und neue Alternativen entwickeln. Darüber war sie so begeistert, dass sie gar nicht anders konnte, als ihren Freunden davon zu erzählen. Sie kannte ja deren Probleme, die teilweise sehr ähnlich, oder auch ganz anderer Art waren. Und sie wusste, welche heilende und befreiende Wirkung vom Evangelium ausgehen würde, wenn ein Mensch erst einmal vor Gott auspackte und sich neue Perspektiven zeigen ließ. Also kaufte sie sich einen Kleinbus, damit sie sonntags ihre Freunde und Bekannten zum Gottesdienst abholen konnte. Tatsächlich kamen sie mit, und der Bus war fast immer voll.

– Sie und ihre Freunde motivieren mich bis heute, wenn ich meine Predigten vorbereitete. Ich habe sie innerlich vor Augen und frage mich: Was brauchen Menschen wie sie? Ich will sie ja nicht mit theologischen Richtigkeiten abspeisen und vertreiben. Deshalb stelle ich mir immer wieder die Frage: Welche Aspekte des Evangeliums sind für sie wichtig, hilfreich und wegweisend? Darüber hinaus ist das Ganze für mich ein eindrücklicher Beweis dafür, dass die glaubwürdigsten und engagiertesten Missionare diejenigen sind, die selbst Gott intensiv begegnet sind. Jesus drückt das Prinzip einmal so aus: „Wovon das Herz voll ist, davon fließt der Mund über (Mat 12,34).“

Es ist schade, wenn der Glaube Privatsache bleibt. Der Glaube muss unter die Leute. Vielleicht habe ich selbst ja auch etwas weiterzuerzählen. Oder umgekehrt: Ich frage mal jemanden, der von sich sagt, an Jesus zu glauben, was das denn praktisch mit ihm macht.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03SEP2019
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Ich kenne einen schmalen, verwunschenen Weg an einem kleinen Bach entlang. Auf der anderen Seite des Baches steigt die Landschaft sofort steil an, und nur mit großer Mühe kann man dort hinaufklettern. Geht man diesen Weg, kommt man nach einiger Zeit – tief im Innern des Waldes – an eine kleine, verwitterte Brücke, die den Bach überquert. Das Erstaunliche ist: die Brücke endet im Nichts. Oder richtiger: Sie stößt im rechten Winkel auf den Berg – und dort geht es nicht weiter.

Die Brücke rief meine Neugier hervor, und also kletterte ich den Hang hinauf. Oben angekommen staunte ich nicht schlecht: der vermeintliche Berg war nichts anderes als ein gewaltiger Damm, den man vor vielen Jahrzehnten für eine inzwischen längst stillgelegte Eisenbahnstrecke aufgeschüttet hatte. Inzwischen ist er total von Bäumen bewachsen und von Sträuchern überwuchert. Mit Abstand betrachtet könnte man meinen, er sei schon immer ein natürlicher Bestandteil der Landschaft gewesen. Aber das stimmt nicht. Ich stelle mir die Zeit vor dem Bau der Eisenbahnstrecke vor. Es muss hier früher ganz anders ausgesehen haben als heute. Jenseits des Walls gibt es Felder und Weiden. Die Landschaft muss weit und hell gewesen sein. Vermutlich sind die Bauern mit ihren Pferdefuhrwerken über diese Brücke auf ihre Felder gefahren. Ja, so muss es gewesen sein. Sonst macht eine Brücke an dieser Stelle überhaupt keinen Sinn. Ich liebe diesen Platz. Er ist für mich zu einem Symbol geworden. Er macht mir deutlich: auch mein Leben gehört in einen größeren Zusammenhang. Es hört nicht einfach an den Wällen auf, die mir den Blick versperren. Es stimmt nicht, dass Essen, Schlafen, Arbeiten, Erfolg haben, Feiern, Leiden und Sterben alles ist. Es gibt mehr. Hinter dem Wall geht es weiter!

Für mich ist Jesus Christus so eine Brücke über den Bach gewesen. Eine Stolperstelle die mich neugierig gemacht und zum Nachdenken animiert hat. -“Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6)“, hat er gesagt. - Der Weg zu Gott geht auch manchmal einen solchen Damm hoch – und dann entdeckt man: er führt ins Weite. Ich habe durch Jesus eine neue Dimension kennen gelernt und einen persönlichen Zugang zu Gott bekommen. Es tut mir gut, in Gottes Nähe zu sein, ihn als meinen „Vater“ anreden zu können. Ich freue mich, dass ihn mein ach so durchschnittliches Leben interessiert. Ich weiß: er kann mich gebrauchen in dieser Welt. Gott hat etwas mit mir vor. - Ein echt gutes Gefühl!

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