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SWR2 Wort zum Tag

Er brauchte keinen Gott. Es ging ihm wirklich gut. Und bisher lief alles glatt. Er hatte einen interessanten Beruf. Er führte eine glückliche Ehe. Zwei Kinder wurden geboren, gesund und begabt. Geld war da, das Haus wurde gebaut, Religion und Kirche spielten keine Rolle. Sie fehlten ihm nicht.
Auf so eine Einleitung folgt normalerweise ein Schicksalsschlag, der den Menschen aus seinem Glück reißt, ihn an den Tod erinnert und – im besten Falle – eine Hinwendung zu Gott mit sich bringt. Vielleicht haben Sie es auch erwartet. Aber hier war es nicht so. Der Mensch blieb glücklich, es ging ihm und seiner Familie gut bis ins Alter, als ich ihn kennenlernte. Und genau das machte ihn nachdenklich. Es war nicht so, dass er dem Glück misstraute, er hatte nur das Gefühl: Ich müsste auf all das Gute reagieren, ich müsste mich bedanken. Aber bei wem? Er sagte zu mir: Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit, aber ich weiß nicht wohin mit meinem Dank. Und irgendwie finde ich das beunruhigend, es nagt an mir. Dem Partner, den Kindern, den Freunden bin ich dankbar. Aber ich finde, dieser Dank gehört in einen größeren Zusammenhang.
Die Psalmen der Bibel sind voller Dankbarkeit, und sie nennen den Ursprung ihres Glückes: Gott. Danket dem Herrn, denn er ist sehr freundlich, und seine Güte währet ewiglich, heißt es da. Not lehrt bekanntlich beten. Aber nicht immer und überall ist Not, es gibt auch das Glück, das Beschenkt werden, das Gesundsein, die Liebe. Der Dankbare sucht nicht den Zufall, sondern einen Geber. Er ahnt, dass da etwas größer ist als er selbst. Und irgendwann möchte er diesen Geber, diesen freundlichen Unbekannten kennenlernen.
Danken scheint ein Grundbedürfnis zu sein, ein Existential. Es ist als solches nicht religiös. Aber es kann einen mit Gott in Berührung bringen. Mein Gesprächspartner beginnt gerade, sich für den Glauben zu interessieren, er entdeckt Gott als die Quelle seines Glücks. Auch wenn das nicht so oft vorkommen mag; finde ich es bemerkenswert. Man muss Gott nicht nur als Nothelfer sehen. Nicht nur als den, der für das Unglück zuständig ist. Man kann Dankbarkeit zulassen, oder einmal die Frage stellen: Warum geht es gerade mir so gut? Und wer steht dahinter, dass es mir so gut geht?
Danket dem Herrn, denn er ist - trotz allem - sehr freundlich. Ich brauche Gott, weil ich sonst nicht weiß, wohin mit meinem Dank. Und wohin mit meiner Not. Auch wenn mein Glück von kurzer Dauer ist, bleibt seine Güte ewiglich.

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SWR2 Wort zum Tag

Im Jahre 1765 kam ein Gastwirt in Paris auf eine Idee. Er ließ am Eingang zu seinem Lokal einen Spruch anbringen: „Venite ad me omnes, qui stomacho laborantur, et ego vos RESTAURABO“ - auf deutsch: "Kommt alle zu mir, wenn Euch der Magen knurrt, und ich werde Euch wiederherstellen." (Boulanger)
Es ist die Verballhornung eines Bibelverses. Der lautet nämlich in der lateinischen Sprache: “Venite ad me omnes, qui laboratis, et onerati estis, et ego vos RESTAURABO. Luther übersetzt: "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken."
Von diesem Zeitpunkt war ein neues Wort erfunden, das auch ins Deutsche kam: Restaurant. Ein Ort der Erquickung, der Wiederherstellung, ein Platz, an dem man bedient wird und es sich gut gehen lassen darf.
Erquicken, ein altertümliches Wort. Wörtlich heißt es wiederherstellen, wiederbeleben. Am ehesten verbinde ich das mit einer Dusche nach einem anstrengenden Waldlauf. Aber dieses andere Erschöpft-Sein kenne ich auch, wo keine Dusche mehr hilft. Beladen sein mit Druck, mit beruflichen Belastungen oder Konflikten in der Familie. Ich denke auch an die älteren Menschen, die den Alltag als Mühsal erleben, den Körper als Last. Die abnehmende Mobilität, die Sorge vor der Zukunft. Wie soll es weitergehen mit mir, wenn der Partner nicht mehr da ist? Mühselig und beladen sein heißt auch: Ich muss mir das Kleinste erkämpfen.
Komm zu mir, sagt er: Hier musst du nichts haben und beweisen, hier darfst du einfach sein. Für mich ist das Gebet ein Ort, wo ich so mit Jesus reden oder auch schweigen kann, wo ich ihm meine Mühe und meine Lasten hinlege. Und ich spüre, wie gut das tut, wie der Druck von meiner Seele weicht. Auch der Gottesdienst, die Messe ist so ein Ort  der inneren Erfrischung. Ja, ich genieße das Zusammensein mit Menschen, die genauso arm dran und erschöpft sind, und die genauso reich beschenkt und verwöhnt werden.
Übrigens steckt in „Restaurabo“ auch das Wort Stauros, das heißt auf Deutsch: Kreuz. Nach Aussage der Bibel hat Jesus am Kreuz die Mühsal und Lasten der ganzen Welt getragen.
Der Trost, der mich aufrichtet, die Kraft, die mich wieder nach vorne blicken lässt, wurde teuer eingekauft - durch den Tod Jesu. Das war der Preis, den er selber dafür zahlte, damit Menschen gestärkt und neu geboren werden.
Es ist also kein billiges Lokal.  Und es ist keine billige Vertröstung.

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SWR2 Wort zum Tag

Im Dom zu Greifswald sah ich ein Epitaph aus dem 17. Jahrhundert.
Es zeigt ein Ehepaar in schwarzer Kleidung, welches sechs Kinder in jungen Jahren verloren hat. Die Kinder sind ebenfalls zu sehen, der Größe nach, mit lebendigen Gesichtern und großen, fragenden Augen. An der Seite des Jüngsten Kindes sieht man noch eine winzige Gestalt, die aussieht wie ein kleiner Engel. Ein Kind hat die Mutter noch vor der Geburt verloren – und hier hat der Künstler die Seele dieses Kindes dargestellt, im Gegensatz zu allen anderen in strahlendem Weiß. Auf der Inschrift lese ich: „Joachim Stephani und Barbara Ribow ließen dieses Epitaph errichten für ihre Kinder Barbara, Joachim, ein im Mutterleib gestorbenes, Katharina, Johannes, Christoph, die durch den Tod ins ewige Leben eingegangen sind (…).“
Mich hat das bewegt, die Namen der Kinder, die Erwähnung des Totgeborenen. Wie sich die Liebe der Eltern zu ihren Kindern in den wenigen Worten der Inschrift widerspiegelt. Jedes einzelne war ihnen kostbar, und unter großen Schmerzen mussten sie es loslassen. Akademischer Erfolg und materieller Wohlstand konnten hier nicht trösten. Nur eines scheint den Eltern die Kraft gegeben haben, dies alles durchzustehen: Der Glaube an die Auferstehung ihrer Kinder. [Per mortem in vitam caelestis translatis.] „Durch den Tod ins himmlische Leben hinübergegangen“ steht da. Dieser Glaube ist nicht herzlos und dogmatisch, kein „wird ja alles wieder gut.“ Es ist ein Glaube voller Liebe und Sehnsucht. Er rechnet fest damit, dass Gott da ist, dass er regiert. Unsere Kinder, so verstehe ich diese Botschaft, sind nicht tot, sie sind unterwegs, vielleicht schon dort. Und selbst das kleine, Ungeborene ist mit eingeschlossen in diese Hoffnung: Dort wird sein Leben sich entfalten. Dort werden wir uns wiedersehen.
Stephani war übrigens ein bedeutender Rechtsgelehrter. Er prägte die Devise: Cuius regio, eius religio: Unter wessen Herrschaft man lebte, dessen Religion musste man haben. Wer das Land regierte, der bestimmte die Konfession seiner Untertanen. Jedenfalls galt das für die Zeit nach dem 30-järigen Krieg. Aber jenseits von Politik und konfessioneller Trennung gibt es nur einen einzigen, universalen Herrschaftsbereich. Gott regiert über Leben und Tod. Davon war diese Familie überzeugt, und das tröstet auch mich im Hinblick auf so viel sinnloses Leiden und Sterben. Die toten Kinder aller Zeiten, alle zu früh Gestorbenen, auch die Getöteten. Hinübergegangen, um dort vollendet zu werden. Christus ist vorausgegangen.
Er sagt: Ich lebe, und ihr sollt auch leben.

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SWR2 Wort zum Tag

In der Kultur des Orients ist Gastfreundschaft etwas Heiliges.
Hier in St. Georgen erfahren wir es, wenn wir von syrischen Flüchtlingen eingeladen werden.
Muslime, Kurden Yeziden – sie bitten uns zu Tisch. Aber nicht schriftlich oder telefonisch, sondern sie kommen selber. Und kurz vor dem Termin schicken sie noch einmal eines ihrer Kinder. Ihr müsst kommen, bitte, so sagen sie in ihrem frisch gelernten Deutsch, fast ein wenig bedrängend. Als wollten sie sicherstellen, dass nicht irgendwelche Gründe die Einladung zunichte machen.
Denn dies wäre schlimm, fast ein Sakrileg. Ein Syrer erklärt uns, dass für ihre Kultur eine Einladung absolut verpflichtend ist. Unmöglich, sie abzulehnen, ja kränkend.
Wie kann man auch? Ich werde als Gast praktisch zum König gekrönt. Den besten Platz bekomme ich als Mann. Es widerstrebt mir, aber – ich muss, ich bin als Gast „der king“. Völliges Unverständnis, wenn ich mich erhebe, als die Frau des Hauses den Raum betritt – aber da bestehe ich drauf. So ist das bei uns, wie ist es bei Euch? Und dann das Essen, Köstlichkeiten in großer Menge, und wir müssen alles probieren, Gebäck, Obstteller, arabischen Kaffee. Wir essen entschieden zu viel.
Ich fühlte mich wohl. Ich spürte durch manche Zwänge hindurch:
Diese Leute wollen dir Gutes tun, sie wollen es um jeden Preis.
Genauso stelle ich mir Freundschaft vor, ein gegenseitiges Sich-verwöhnen, einander Ehre erweisen. Und genauso wird in einem Buch des Alten Orient, der Bibel, die Gastfreundschaft Gottes beschrieben. Jesus zeigt ihn als einen Menschen in hoher Position. Der jedoch seinen Gästen in großer Demut die Aufwartung macht, sie zu Tisch bittet, sie bedient und verwöhnt. Ein Gast-Geber, der alles gibt, der es allerdings auch nicht versteht, wenn ich nein danke sage. Wenn ich mir von Ihm, von Gott, nicht alles geben lasse.
Menschen aus Syrien leben als Flüchtlinge in unserer Stadt.
Sie sind keine Christen, und doch lerne ich durch sie viel über den Gott der Bibel.
Neue Bilder entstehen in mir. Von Gott als einem Gast-Geber, der mich persönlich zu sich einlädt. Der seine Boten schickt, dass ich es auch ja nicht vergesse.
Der mich sprichwörtlich verwöhnt, der mich krönt mich Gnade und Barmherzigkeit.
Seinem Wesen nach steht er dem Orient und seiner Kultur sehr nahe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19081
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SWR2 Wort zum Tag

Religion ist ein Wahn, so hörte man es in den letzten Tagen in verschiedenen Medien.
Religion vertrage keine Kritik, keinen Spott.
Wer glaubt, habe keinen Verstand, sei intolerant und gefährlich.
Auch der christliche Glaube gerät in die Schusslinie, und mit ihm die Bibel, die Kirche.
Auftrieb haben solche Gedanken durch die jüngsten Ereignisse erhalten.
Es gab Terror im Namen einer Religion. Menschen fühlten sich provoziert, religiöse Gefühle wurden verletzt. Und sie antworteten mit Hass und furchtbarer Gewalt.
Ich meine: Jede Religion kann wahnhafte Züge annehmen, und auch die christliche hat hier ihre dunklen Flecken.
Aber einer generellen Verdächtigung will ich trotzdem widersprechen.
Religion heißt auf deutsch: Rückbindung.
Ich binde mein Leben an etwas, das mir Sinn und Halt gibt.
Jeder Mensch tut das. Auch der Nicht-Religiöse.
Selbst wer sich auf seinen Verstand verlässt, bindet sich, glaubt an etwas.
Das ist kein Wahn, es macht auch nicht wahnsinnig.
Es ist menschlich und vielleicht sogar klug, sich als Teil eines größeren Ganzen zu sehen.
Freilich gehen die Religionen dabei eigene Wege.
Ich selbst weiß mich gebunden an Jesus Christus. Sinn und Halt geben mir die Worte:
Dir sind deine Sünden vergeben. Du kannst nochmal neu beginnen.
Oder: nehmet einander an, gleichwie Christus euch angenommen hat.
Von diesem Zentrum her verstehe ich die ganze Bibel. Ich übe Kritik an Bibelstellen, die Gewalt und Vergeltung predigen. Schon Martin Luther hat das getan.
Jesus Christus ist Gottes endgültiges Wort.
Er wird selbst ein Opfer von Gewalt und Vergeltung, er überwindet den Hass durch seine göttliche Liebe. Das ist der kritische Maßstab, für die göttliche Offenbarung wie für das Denken und Handeln der Christen.
Das Böse überwinden, das Gute tun, ein großes Herz haben.
So wie eine christliche Gemeinde ihr Haus öffnet, um Flüchtlinge in Deutsch zu unterrichten. Oder Frauen und Männern das Gitarrespielen beizubringen. Interreligiös und interkulturell.
Das glaube ich:
Die Liebe Gottes bringt Menschen zur Vernunft.
Sie wirkt Liebe, mit der man Fremde aufnimmt, auch wenn sie anderes glauben.
Die wirkt Vergebung, die man von Christus empfängt und einander gewährt,
Trost für die Traurigen, das Füreinander Einstehen.
Auch die Bereitschaft, Unrecht auszuhalten, den Spott anderer (Karikatur).
Der christliche Glaube, meine Religion, ist kein Wahn, sondern menschlich und klug.
Zumindest das könnte alle verbinden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19080
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SWR2 Wort zum Tag

Leben ist toll. Das hat Franz Müntefering neulich zur Debatte um die Sterbehilfe gesagt.
Er wollte einen Impuls setzen. Wegsehen vom Sterben müssen, vom Sterben wollen.
Hinschauen auf das Leben und seine Möglichkeiten.
Er sprach nicht von Gott. Er sprach nicht von Krankheit und Tod, die einem das Leben schwermachen können. Einfach nur: Toll, hinreißend, herrlich und vor allem einmalig sei dieses Leben.
Ich gebe zu: Das weckt zunächst Widerstände in mir.
Kann man das so einfach sagen: Das Leben ist toll?
Muss man nicht erst die zahlreichen Wenn und Abers benennen, um dann zu einer ausgewogenen Einschätzung zu kommen?
Das Älter werden ist nicht toll. Das Leiden anderer Menschen, Trauer, Konflikte, Angst.
Manchen verdirbt schon das Wissen um den bevorstehenden Tod die Freude am Leben. -
Ein eigenes Erlebnis dazu.
Es war gutes Wetter angesagt: Ein Freund ruft mich an: Ob ich morgen mit ihm in die Alpen fahre? Es war mein letzter Urlaubstag, ich sagte ohne langes Nachdenken zu.
Es wurde ein Tag, der mich jetzt noch erfüllt. Früh morgens mit dem Auto durch die winterliche, mondbeschienene Landschaft. Dann mit der Bergbahn auf einen Dreitausender. Oben erwartete uns strahlender Sonnenschein, geblendet schauten wir auf schneebedeckte Gipfel und bizarre Gebilde aus Wind und Eis.
Es war fast zuviel des Guten.
Meine Frau fragte, wie es gewesen sei:
Ich sagte, ein wenig unbedacht: Toll, es war einfach nur toll.
Darf man das eigentlich so sagen: Dieser Tag war einfach nur toll?
Schließlich hatten wir uns auf dem Hinweg verfahren.
Und eine teure Autobahn-Vignette kaufen müssen. Und, und.
Trotzdem: für diesen und viele andere Tage muss ich es sagen:
Leben ist ein kostbares Geschenk.
Ich kenne wohl Tage, die nicht schön sind.
Ich weiß, dass viele Menschen nicht mehr aus dem Haus kommen, sich nicht frei bewegen können. Manche sehnen sich danach, zu sterben, weil sie nicht mehr können.
Und doch: kostbare Tage, gefüllt mit Freundschaft, Licht, Natur und Kultur.
Gibt es sie nicht in jedem Leben? Auch unter ganz anderen, eingeschränkten Bedingungen?
Vielleicht liegt der letzte schon lange zurück. Vielleicht kommt der nächste ganz bald.
Ich freue mich drauf, und wenns irgendwie geht: Freuen Sie sich auch!
Das Leben ist toll.
Für mich steckt dahinter ein liebender Gott, der es schenkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19079
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SWR2 Wort zum Tag

Sie nannten ihn den Prediger von Buchenwald. 1937 war Paul Schneider in dieses Konzentrationslager gekommen, weil er an Hitlers Geburtstag den Gruß verweigert hatte. Wenn die Mithäftlinge draußen zum Appell antreten mussten, wenn sie geschunden wurden und nur noch das Ende vor sich sahen, dann rief Paul Schneider aus dem Fenster hinaus: Leute, hier wird gefoltert und gemordet. Aber Jesus sagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Weiter kam er nicht, weil Wärter auf ihn einschlugen. Aber viele haben diese Botschaft gehört und daraus Kraft bekommen. Und weil er sich nicht entmutigen ließ, weil er immer wieder Botschaften aus dem Fenster rief, wurde Paul Schneider ermordet, vor 75 Jahren.
Die KZ-Schergen mussten ihn zum Schweigen bringen.
Sie spürten, welche gefährliche Kraft in seiner Botschaft steckte.
Worte, die Hoffnung machten, Worte, die sich gegen die Angst stemmten.
So wurde Paul Schneider zum Märtyrer; er bezahlte das Bekenntnis zu Christus mit seinem Leben.
Ich bin dankbar, dass ich in einer anderen Zeit lebe, in einer offenen Gesellschaft, in der es z.B. möglich ist, im Radio über den christlichen Glauben zu sprechen.
In anderen Ländern, im Nordirak oder in Teilen Syriens werden Christen bedroht, sitzen in Gefängnissen oder werden ermordet. Und auch Jesiden und Kurden. Viele verschwinden spurlos, aber von anderen kennt man auch Namen und nähere Umstände. Da finde ich es im Sinne von Paul Schneider, an diese Menschen zu denken und etwas für sie zu tun, z.B. indem man Petitionen unterschreibt oder Angehörige unterstützt. Worte sprechen, die Hoffnung machen, die sich gegen die Angst stemmen. Menschen, die am Verzweifeln sind, wissen lassen, dass sie nicht vergessen sind. Auch Minderheiten anderer Religionen brauchen diese Hilfe, mittlerweile geraten sie sogar in unserem Land unter Druck. Hier wäre es wichtig, die Menschen aufzusuchen, etwa in den Asylunterkünften. Ganz schnell kann hier Vertrauen wachsen.
Das ist die Kraft, die ich mit dem Namen Jesus verbinde. Sie wirkte bei Paul Schneider, und sie wirkt überall dort, wo Menschen Unrecht beim Namen nennen und etwas dagegen tun.
Deshalb wünsche ich mir, dass Christen und Nichtchristen denen beistehen, die wegen ihres Glaubens unterdrückt und verfolgt werden.
Möglichkeiten dazu gibt es viele.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18554
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SWR2 Wort zum Tag

Das Wort Kirche leitet sich her vom griechischen Kyriake. Das heißt, wörtlich übersetzt: Dem Herrn gehörend.
Wer dem Herrn gehört, wer also – in der Sprache der Bibel – an Jesus Christus glaubt, ihn bekennt, ist Kirche. Die Frage nach der Konfession ist da nicht so wichtig. Die Gemeinschaft im Gottesdienst, das Aushalten anderer Meinungen, die Solidarität mit den Armen: Das macht Kirche aus. Und vor allem: Die Hoffnung auf eine neue Welt, in der Gott regiert, eine Welt ohne Tod, ohne Terror, ohne Hunger.
Ich finde: Unsere Gesellschaft braucht die Kirche. Sie braucht Menschen, die im Namen Jesu Gutes tun, die aber zugleich über diese Welt hinaus hoffen. Sie braucht Diakonie, den Dienst am leidenden Mitmenschen. Und sie braucht die Botschaft von Jesus Christus, dass er den Tod überwunden hat.
Ich bin dankbar, wenn Menschen dieser Kirche verbunden bleiben, sei es in kritischer Distanz oder durch aktives Mitmachen. Beides erlebe ich, z.B. Wenn in unserer Stadt Menschen Geld spenden, damit für traumatisierte Flüchtlinge Sprachunterricht und Ausflüge organisiert werden können. Oder wenn meine Konfirmandengruppe sich an der Aktion 5000 Brote beteiligt und in der Bäckerei vor Ort Brote bäckt.
Immer wieder gibt es auch negative Schlagzeilen. Da treten Dinge zutage, die Kirche unglaubwürdig machen. Kirche ist nicht "kyriake", wenn Geld verschwendet oder Macht missbraucht wird, oder wenn Geschiedene vom Sakrament ausgeschlossen bleiben. Und es ist schlimm, wenn dann die ganze Kirche, die engagierten Menschen und auch die Botschaft Jesu mit dieser entstellten Kirche gleichgesetzt werden.
Deshalb ist es mir wichtig, genau hinzuschauen. Kirchliche Strukturen, Verwaltung und Finanzen sind nötig – aber sie sind auch besonders anfällig für Eigensucht und Missbrauch. Ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass es immer wieder zu schlimmen Entwicklungen kam. Aber es gab immer wieder Impulse, von denen Erneuerung ausging, z.B. die Reformation Martin Luthers. Oder die Erweckungsbewegung im 19. und 20 Jahrhundert. Ich glaube: Gott kümmert sich um seine Kirche. Sie ist nicht nur ein menschlicher Verein, sondern auch Gottes Werkzeug. Er wird die Welt erneuern.
Er wird Terror, Krieg und Hunger beenden. Auch durch die Kirche. Durch alle, die dem Herrn, gehören.

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SWR2 Wort zum Tag

Bei den Ausgrabungen im antiken Olympia hat man die Werkstatt des berühmten Bildhauers Phidias gefunden. Und da lag unter vielen anderen Scherben auch der Boden eines Bechers. Auf seiner Unterseite waren zwei Worte eingeritzt: EIMI PHIDIOY – „ich gehöre dem Phidias“.
Noch die Scherbe trägt den Namen ihres Besitzers und Herrn.
Ich finde, diese Scherbe ist ein schönes Bild für mich und meine Existenz.
Auch sie trägt den Namen des Künstlers, der sie geformt hat. Der Künstler, das ist für mich der Gott der Bibel. Der Schöpfer, der den Menschen aus Erde formt und mit seinem Atem beseelt. Auch, wenn nicht jeder Mensch das von sich sagen würde. Auch, wenn der Name des Künstlers vielleicht unleserlich geworden ist und vergessen wurde. Für mich ist dieser Gedanke tröstlich: Ich gehöre nicht mir, sondern meinem Schöpfer. Und selbst, wenn mein Leben einmal zu Bruch geht, wenn es in Scherben zerfällt  unter den Hammerschlägen des Todes, dann bleibt meine Identität bestehen, für immer und ewig: EIMI CHRISTOU.
„Ich gehöre Christus. Ich bin sein Eigentum.“
Auf einem Grabstein las ich neben dem Namen den Satz: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth. Das gefällt mir. Dieser Spruch ist ein Zitat aus der Bibel. Aber keines, das den so Angesprochenen ins beste Licht stellt. Denn er enthält indirekt das Bekenntnis, dass der hier bestattete Mensch seinen Schöpfer durchaus nicht immer treu war. Wie Petrus, der ja seinen Herrn verleugnete, und dann eben diesen Satz zu Ohren bekam. Und trotzdem, trotz seiner Schuld darf er zu Christus gehören.
Du bist ja auch einer von diesen Christen, die so viele Fehler machen – so etwas bekomme ich immer mal zu hören. Ich freue mich: Andere nehmen wahr, wessen Namen ich trage, meine Herkunft bleibt nicht verborgen. Ich gehöre mit vielen anderen zu seiner Familie. Ich stehe unter seinem besonderen Schutz. Und keine Schuld, kein Scheitern, ja nicht einmal der Tod kann das auslöschen. „Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn“, sagt Paulus.
Das hilft mir, wenn ich an den Tod denke. Und ich glaube: einmal wird Gott aus den Scherben meines Lebens etwas Neues formen.

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SWR2 Wort zum Tag

Nächstenliebe gibt es eigentlich nur als Wort der Tat. Sie beschreibt kein schönes Gefühl, sondern ein Tun. Ich bin bereit, für einen anderen Menschen da zu sein. Ihn zu lieben, der diese Liebe möglicherweise nicht oder nicht immer erwidert. Wenn ich das sage, dann ist zuvor eine Entscheidung gefallen. Schön, wenn mir gedankt, wenn ich zurück geliebt werde. Oft aber ist das Lieben auch ein Durchhalten gegen viele Widerstände.
Ich erlebe das zum Beispiel bei Kindern. Sie können durchaus mit Undank, ja Ablehnung auf elterliche Liebe reagieren.
Oder bei jener älteren Dame, von der Dostojewski in einem Roman (Die Brüder Karamasov) erzählt. Sie fragt dort einen Mönch, woher er wisse, dass Gott existiert. Er antwortet: Dieses Wissen kann man nicht durch Argumente erwerben, sondern nur durch die „Tätige Liebe“. Daraufhin gesteht ihm die Dame, dass sie gelegentlich davon träumt, ihr Leben dem Dienst an anderen zu weihen, vielleicht in einem Orden, in einem Leben in Armut. Aber dann, so sagt sie, komme ihr der Gedanke, wie undankbar die Menschen sind. Und Undankbarkeit könne sie nicht ertragen. Da verblasst ihr Traum von einem Leben tätiger Liebe. Der Geistliche erwidert daraufhin: „Die tatsächlich geübte Liebe ist hart und grausam im Vergleich zu einer Liebe, von der man nur träumt.“
Wahre Liebe kann ein hartes Geschäft sein. Das hilft mir, wenn ich mit Frustration zu kämpfen habe. Ich bin sicher nicht der einzige, der sein Kind gewissermaßen schon mal gerne auf den Mond geschossen hätte. Da es aber mein Kind ist, darf das momentane Gefühl keine Rolle spielen. Und das gilt von allen, die einem anvertraut sind.
Die Bibel erzählt, dass auch Gott solche Enttäuschungen kennt. Sie erzählt aber vor allem: Er tut es nicht. Er hält die Liebe durch. Gott gibt das Kostbarste, was er hat: Jesus, den Sohn. Er wird Mensch und verzehrt sich im Sinne des Wortes. Er muss damit leben, dass nur wenige ihm danken. Aber keine Enttäuschung, kein verletztes Gefühl kann die Entscheidung ändern, die Gott getroffen hat. Du bist mein Kind. Ich habe dich von Anfang an geliebt. Ich gebe Dich nicht auf.
So liebt Gott. Die Entscheidung steht, und sie heißt: Du sollst leben. Das gibt Kraft, die harte Liebe durchzuhalten.

Wahre Liebe kann schwierig sein. Das hilft mir, wenn ich mit Frustration zu kämpfen habe. Auch Gott liebt unbeirrbar.

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