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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07FEB2024
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Einige Jahre lebte der Dichter Rainer Maria Rilke in Paris. Gerne spazierte er mit einer jungen Französin durch die Stadt. Regelmäßig kamen die beiden an einem Platz vorbei, an dem eine ältere Frau saß und bettelte. Sie saß nur da und streckte ihre Hand aus. Nie sah sie die Passanten an, sie blieb stumm, auch wenn ihr jemand eine Münze in die Hand drückte. Das tat auch Rilkes Begleiterin, er selbst gab nie etwas.

„Warum geben Sie ihr nichts?“, fragte sie ihn. Darauf der Dichter: „Wir müssten ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.“ Ein paar Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte weiße Rose mit, legte sie in die offene Hand der Bettlerin und wollte weitergehen. Da geschah etwas Unerwartetes: Die Frau blickte auf, erhob sich, ergriff Rilkes Hand und küsste sie. Dann ging sie mit der Rose davon.

Eine ganze Woche war sie verschwunden. Ihr Platz blieb leer. Dann aber saß sie wieder dort und streckte ihre Hand aus. Stumm wie zuvor.

Rilkes Begleiterin wunderte sich. „Wovon hat sie denn all die Tage gelebt?“ „Von der Rose“, antwortete Rilke.

Wie groß ist der Wunsch, von anderen wahrgenommen und anerkannt zu werden! Ohne Wertschätzung ist jedes Leben kalt und leer. Das hat Rilke verstanden. Um wieviel heller könnte auch mein Alltag sein, wenn ich gegenüber meinen Mitmenschen mitunter ein wenig aufmerksamer wäre. Ein anerkennendes Wort, ein freundliches Lächeln, eine aufmunternde Mail. Ob in der Familie, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen oder in der Bahn. Das mag vielleicht banal klingen, ist es aber nicht. Den anderen wertzuschätzen, ihm das auch zu zeigen, das macht unsere Welt ein Stück menschlicher.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06FEB2024
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Heute gilt mein besonderer Gruß allen, die Dorothea oder Dorothee heißen. Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag!

Der 6. Februar ist der Todestag der Heiligen Dorothea! Man weiß nicht allzuviel von ihr. Fest steht, dass sie zu Anfang des 4. Jahrhunderts in der Stadt Caesarea in Kleinasien gelebt hat.

Dorothea stammte aus einer wohlhabenden christlichen Familie. Das war damals gefährlich, denn der römische Kaiser Diokletian hielt die Christen für Staatsfeinde, die er gnadenlos verfolgte. Sein Statthalter in Caesarea hatte sich in die junge und hübsche Frau verliebt. So berichtet es die Legende. Doch Dorothea wies ihn ab. „Ich habe schon einen Bräutigam“, erklärte sie. „Und das ist Jesus Christus.“

Das war ihr Todesurteil. Dorothea wurde gefoltert und zur öffentlichen Hinrichtung geführt. Gefasst und voller Zuversicht rief sie den Schaulustigen zu: „In dieser Welt ist es kalt. Ich bin froh, dass ich jetzt in ein Land gehen darf, in dem es keinen Winter gibt und in der die Sonne nie untergeht. Dort, im Garten meines Herrn Jesus Christus, werde ich Äpfel und Rosen pflücken.“

Das hörte auch der Schreiber Theophilus. Er verspottete Dorothea: „Na gut, wenn Du dorthin kommst, dann schicke mir ein paar Äpfel und Rosen aus dem Garten deines Bräutigams!“

Kaum hatte der Henker die tapfere Dorothea enthauptet, da kam ein Kind auf Theophilus zu und reichte ihm einen Korb voll roter Äpfel und duftender Rosen!

Der Schreiber bereute seinen Spott, ließ sich taufen und wurde ebenfalls ein Opfer der Christenverfolgung. So erzählt es die Legende.

Märtyrergeschichten wie die von Dorothea und Theophilus aus der Zeit der frühen Christen scheinen heute unendlich weit weg zu sein. Aber leider ist das nicht so. Auch in unserer Zeit bleibt es mancherorts auf der Welt lebensgefährlich, sich zu Jesus Christus zu bekennen. Auch wenn wir uns das in einer freien Gesellschaft überhaupt nicht vorstellen können.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05FEB2024
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Davidsterne, aufgemalt an den Haustüren jüdischer Mitbürger, tätliche Angriffe auf Männer, die eine Kippa tragen oder auf Hebräisch in ihr Handy sprechen, Schmierereien an den Wänden jüdischer Restaurants, Brandsätze, die auf Synagogen geworfen werden. Nur einige Beispiele für die antisemitischen Vorfälle, die Deutschland erschüttern. Rund 3000 Straftaten hat das Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr verzeichnet. Und seit den Massakern der Hamas auf Israelis vom 7. Oktober und dem darauf folgenden Krieg in Gaza haben Hass und Gewalt noch zugenommen. Viele Juden bei uns haben Angst, ihre Kinder zur Schule oder in die Vereine zu schicken. Manche Familien überlegen, Deutschland zu verlassen.

Im Unterricht erleben wir Lehrer eine extrem aufgeheizte Stimmung. Viele islamische Jugendliche lassen ihrem Hass auf Juden freien Lauf. Und das hat nicht nur mit dem Nahostkonflikt zu tun. Es gibt bei zahlreichen islamischen Migranten einen tief sitzenden Antijudaismus, also eine religiös begründete Feindschaft gegenüber Juden. Sie leitet sich ab aus den Auseinandersetzungen zwischen den Religionen, die bis in die Frühzeit des Islam zurückreichen. Viele Stellen im Koran schildern die Juden als ungläubig, heimtückisch und verabscheuungswürdig.

Christen kennen diesen Judenhass auch aus ihrer Geschichte. Wie eine Blutspur zieht er sich durch die Jahrhunderte. Erst das Nachdenken über die Shoa, die systematische Ermordung der europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg, hat die Einstellung der Kirchen nachhaltig verändert. Heute gibt es gottlob einen vertrauensvollen Dialog zwischen Christen und Juden.

Wenn sich ähnliches auch zwischen Juden und Muslimen entwickeln soll, dann muss das aus der islamischen Gemeinschaft heraus erfolgen. Aufgeklärte islamische Theologen rufen die Moscheengemeinden und Verbände dazu auf. So fordert etwa der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi die „Stiftung einer Erinnerungskultur, die sich (auch) mit den dunklen Seiten der islamischen Geschichte“1 beschäftigen muss. Das wird nicht einfach sein. Aber wenn wir friedlich und respektvoll miteinander leben wollen, dann gibt es dazu keine Alternative.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15NOV2023
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Das Mittelalter war eine finstere Epoche, die Menschen damals rückständig und unwissend.

Das sind Klischees, die sich aber hartnäckig halten. In Wahrheit wurden schon im Mittelalter die Grundlagen für die Welt von heute gelegt. Und das meistens von Männern und Frauen der Kirche. Einer von ihnen ist Albert der Große, dessen Todes- und Namenstag die Kirche heute feiert. Der im Jahr 1200 in Schwaben geborene Dominikanermönch verbindet beispielhaft Glaube und Wissenschaft. Für Albert offenbart sich Gott in seiner Schöpfung. Die Naturgesetze sorgen dafür, dass die Welt funktioniert. Der Mensch kann und soll sie mit seiner Vernunft erforschen.

Alberts Interessen sind vielfältig. Er erforscht Pflanzen, Tiere, und Gesteine, untersucht Wetterphänomene, befasst sich mit Mathematik, Physik, Geographie und Astronomie. Seine Neugierde ist grenzenlos. Er seziert das Auge des Maulwurfs, analysiert den Verdauungsapparat der Bienen. Er fragt sich, warum Bimssteine auf dem Wasser schwimmen und nicht untergehen. Und er experimentiert. „Das Experiment allein gibt Gewissheit. Ein Grundsatz, der vom praktischen Versuch nicht bestätigt wird, ist kein Grundsatz“, so schreibt Albert. Das klingt nicht nur modern, das ist es auch.

Rastlos ist er in Europa unterwegs, immer zu Fuß, wie es einem Bettelmönch zukommt. In einem mehrbändigen Lexikon fasst Albert schließlich das Wissen seiner Zeit zusammen. An den Hochschulen von Paris und Köln lehrt er seine Studenten, dass sich Frömmigkeit und kritisches Denken nicht ausschließen. Glaube und Wissenschaft sind keine Gegensätze! So wird der Hl. Albertus Magnus zu einem Wegbereiter der modernen Welt.

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14NOV2023
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„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ – dieser Satz stammt vom jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber.

Nie habe ich so tief empfunden, wie wahr das ist, wie nach der Corona-Pandemie. Das Ende des Lockdowns und seiner Beschränkungen war eine Befreiung. Endlich konnten Menschen sich wieder leibhaftig begegnen, nicht nur auf dem Bildschirm. Das öffentliche Leben war zurück!

Großes Aufatmen auch in den Schulen! Nicht nur bei den Schülern, auch bei uns Lehrern. Endlich wieder Unterricht im Klassenzimmer und nicht online am PC zuhause.

Aber die lange Zeit der Schulschließung hatte ihren Preis. Untersuchungen belegen: Viele Kinder und Jugendliche wurden in ihrer Entwicklung gehemmt, ihre Leistungen sackten ab. Die sozialen Unterschiede haben sich verschärft. Die digitale Kommunikation ist eben nur ein Notbehelf. Sie kann die Dynamik eines lebendigen Unterrichts nicht ersetzen. Auch hier gilt Bubers Satz: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“.

Und wie sieht es heute in der Schule aus? Die Digitalisierung wird weiter vorangetrieben, die Künstliche Intelligenz (Stichwort Chat-GPT) ist auf dem Vormarsch.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich muss die Schule die Jugendlichen auf die digitale Zukunft vorbereiten. Aber dabei darf man nicht vergessen, dass der direkte menschliche Kontakt zwischen Lehrern und Schülern entscheidend ist für den Lernerfolg. Das zeigen viele Studien. Digitale Lernprogramme auf Tablets, Laptops und Smartphones sind dafür kein Ersatz, technische Geräte bleiben Hilfsmittel. Nicht mehr und nicht weniger.

Übrigens: In den USA schicken wohlhabende Eltern ihre Kinder in die oft teuren Privatschulen, weil dort gut ausgebildete Lehrkräfte in kleinen Gruppen ohne iPads mit den Schülern arbeiten. Damit aber wird guter Unterricht zu einem Vorrecht der Vermögenden. So sollte die Zukunft bei uns besser nicht aussehen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13NOV2023
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Massimo Vacchetta ist der bekannteste Tierarzt Italiens. Viele nennen ihn nur den „Igeldoktor“. Im Piemont betreibt Vacchetta zusammen mit vielen Helfern die „Casa dei ricci“, eine Klinik für kranke und verletzte Igel.

Angefangen hat alles an einem Freitagabend im Mai 2013. Massimo Vacchetta arbeitete schon einige Jahre als Veterinär für Tiere in der Landwirtschaft. Aber der Beruf machte ihm keine rechte Freude. Eigentlich suchte er eine neue Herausforderung, doch wusste er nicht so recht, was er machen sollte.

Da bat ihn ein befreundeter Tierarzt um eine Vertretung am Wochenende. Massimo fuhr zu ihm. Bevor sich der Kollege verabschiedete, zeigte er ihm eine Kiste. Darin lag ein winziges Igelbaby, vielleicht zwei, drei Tage alt, nur 25 Gramm leicht. Eine Frau hatte das Waisenkind im Garten gefunden.

Nun also sollte sich Massimo um den Winzling kümmern. Wie konnte er dieses Häufchen Elend retten? Er hatte eigentlich keine Ahnung von Igeln. Aber das Kleine rührte ihn an. Massimo machte sich kundig, fütterte den Igel alle drei bis vier Stunden mit einer Mischung aus Fencheltee und Milchpulver. Ganz vorsichtig, mit einer Spritze, Tropfen für Tropfen, damit die Flüssigkeit nicht in die Luftröhre floss. Auch in der Nacht musste er „Ninna“ versorgen, so nannte er das Igelkind. Und Ninna kam durch!

Dieses Erlebnis veränderte Massimos Leben vollständig. Ab jetzt wollte er sich nur noch um Igel kümmern. Und so machte er aus seiner Villa ein Igelkrankenhaus. 150 Tiere, krank, verletzt oder hilflos, werden hier rund um die Uhr betreut. Sind sie wieder fit, kommen sie in einen Garten, um sich langsam an die Natur zu gewöhnen. Dann entlässt Massimo sie in die Freiheit. So war es auch mit Ninna. Sich von ihr zu verabschieden, fiel ihm unendlich schwer.

Massimo Vacchetta hat seine Bestimmung gefunden. Er selbst beschreibt das so: „Ich interessiere mich nicht mehr wie früher für schicke Autos , große Villen oder Geld. Meine Energie kommt daher, dass ich für viele Tiere hier verantwortlich bin. Ich darf sie nicht im Stich lassen.“

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Anstöße sonn- und feiertags

12NOV2023
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„Jodeldiplom“, „Kosakenzipfel“, „Herrenboutique“, „Steinlaus“

„Ihnen kein Begriff? Ach, was“, dann sind Sie mutmaßlich unter 50.

Die Älteren unter uns wissen sofort Bescheid. Es geht um Loriot!

Heute wäre sein 100. Geburtstag. Als Vicco von Bülow kam er in Brandenburg an der Havel zur Welt. Wer die malerische Stadt besucht, stolpert überall über die gehörnten Waldmöpse mit den Ringelschwänzchen. Loriot liebte Hunde. „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“ Auch so ein Satz, der ins kollektive Gedächtnis eingegangen ist. Genauso wie „Früher war mehr Lametta!“ oder „Das Bild hängt schief!“

Loriot war ein Meister der feinen Ironie. In seinen Cartoons und Sketchen

nimmt er die kleinen menschlichen Schwächen aufs Korn. Dabei entwickeln sich aus ganz alltäglichen Situationen groteske Dramen. Ob am Frühstücktisch, beim Bettenkauf oder in der Badewanne.

„Ich glaube, dass der liebe Gott lachen kann“. So sagte Loriot einmal.

Er war überzeugt: Der Humor ist eine Gabe Gottes. Vor allem dann, wenn man auch über seine eigenen Unzulänglichkeiten schmunzeln kann. Und denen begegnet man in seinen Figuren immer wieder.

Niemand war eigentlich sicher vor Loriots spitzer Feder und scharfer Zunge. Nur über Glaube und Kirche spottete er nicht.

In seiner Geburtsstadt förderte Loriot die Restaurierung der historischen Gotthardtkirche. Dort war er getauft worden. 2009, zwei Jahre vor seinem Tod, hielt er hier seinen letzten Vortrag. Es war, wie er selbst sagte, einer der bewegendsten Momente seines Lebens.

Der letzte Satz, den Brandenburgs Ehrenbürger damals ins Gästebuch schrieb: „Die Ente bleibt draußen!“ Typisch Loriot eben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12AUG2023
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In der Pfingstwoche haben meine Frau und ich ein paar Ferientage am Gardasee verbracht. Besonders gefreut haben wir uns auf eine Wandertour auf dem Monte Baldo, rund zweitausend Meter hoch mit herrlichen Ausblicken.

Als wir in Malcesine zur Talstation der Bergbahn kamen, hatte uns der Massentourismus eingeholt. In einer langen Schlange musste man erst vor der Kasse des Ticketverkaufs warten. Danach standen die Urlauber wieder in einer schier endlosen Reihe vor dem Einstieg in die Bahn. Über zwei Stunden. Eine Geduldsprobe. Aber alle blieben ruhig und gelassen. Plötzlich wird es hinter uns ein wenig lauter. Eine Frau marschiert schnurstracks an der Schlange vorbei. Sie will sich kurz hinter uns einreihen. Einfach so.

Da spielt aber ein Wartender nicht mit. Er spricht die Frau an. Höflich, aber bestimmt: „Sie sehen doch, dass wir uns alle hier anstellen und warten müssen. Da können Sie sich doch nicht einfach vordrängeln! Bitte stellen Sie sich hinten an, wie das alle anderen auch getan haben.“ Die Frau bleibt stur und rührt sich nicht vom Fleck. Der Mann gibt nicht auf: „So geht das nicht. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie sich hinten anstellen müssen. Haben Sie das nicht verstanden?“ Die Umstehenden nicken zustimmend. Ich auch. Und tatsächlich: Die unverschämte Dränglerin dreht sich um und zieht ab.

Warum habe ich nicht genauso protestiert wie mein Nachbar? Klar, man will keinen Streit. Und die Urlaubsfreude will ich mir auch nicht kaputt machen lassen. Oder bin ich in einer solchen Situation einfach nur zu feige? Ich habe jedenfalls dem Mann für seinen Einspruch gedankt. Er hat sich toll verhalten. Denn wer sich, wie diese Frau, auf so dreiste Art auf Kosten anderer einen Vorteil verschafft, der sollte zurechtgewiesen werden. Unsolidarisches Verhalten, das einfach akzeptiert wird, zerstört letztlich eine Gemeinschaft.

Hoffentlich bin ich beim nächsten Mal auch so couragiert wie mein Leidensgenosse in der Warteschlange am Monte Baldo…

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11AUG2023
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Heute ist der Todestag von Johannes Tetzel. Vor genau 504 Jahren ist er in Leipzig gestorben. Dass man ihn heute noch kennt, liegt allein daran, dass Tetzel als Ablasshändler den Protest von Martin Luther provoziert hat. Vielleicht erinnern sie sich? Die 95 Thesen? Das war dann der Beginn der Reformation. Wie ein Marktschreier trat Tetzel auf. Man könne den Strafen für seine Sünden entgehen, wenn man den vom Papst ausgeschriebenen Ablass kaufe. So Tetzels Versprechen. Und das Angebot ging noch weiter: Mit päpstlichen Papieren ließen sich sogar Verstorbene aus dem Fegefeuer herausholen! Eine tolle Sache! Sünden begehen, Ablassbriefe kaufen und dann wieder ein reines Gewissen haben. Ein geniales Geschäftsmodell! Da kann man doch nicht „Nein“ sagen!

Wer nun glaubt, diese Form des Handels sei passé, der irrt. Den Ablass gibt es auch heute noch. Ja, er ist sogar voll im Trend. Nicht in der Kirche, aber in der Wirtschaft. Zum Beispiel im Tourismus. Der moderne Ablass funktioniert so: Ich möchte in den Urlaub fliegen oder mit dem Kreuzfahrtschiff unterwegs sein. Nun weiß ich natürlich, dass diese Flüge eine Unmenge von CO2 und andere Schadstoffe freisetzen und damit den Klimawandel beschleunigen. Beispiel: Ein Flug in die USA erzeugt mehr Treibhausgase als ein Jahr Autofahren. Da bekommt man schon ein schlechtes Gewissen.

Aber dagegen lässt sich etwas tun! So bieten mir Fluggesellschaften und Reedereien einen CO2-Ausgleich an. Mit einem etwas höheren Tarif finanziere ich ein Klimaschutzprojekt, z.B. das Anpflanzen von Bäumen. Ein Zertifikat bescheinigt mir dann dieses „Verschmutzungsrecht“. Und so habe ich wieder ein reines Gewissen.

Übrigens: Papst Franziskus hat dazu eine ganz klare Meinung. Und die lautet kurz und knapp: „Das ist Heuchelei!“1

 

 

1: https://www.kath.ch/newsd/papst-kritisiert-co2-kompensation-fuer-flugreisen/

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10AUG2023
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In dieser Woche lohnt sich der Blick in den Himmel. Heute und in den nächsten Tagen kann man bei klarem Wetter so viele Sternschnuppen sehen wie sonst nie im Jahr. Der Grund: Winzige Kometenreste fliegen an der Erde vorbei und verglühen in der Atmosphäre. Die Astronomen sprechen von den Perseiden, der Volksmund nennt sie seit altersher „Laurentiustränen“.

Laurentius war Mitte des dritten Jahrhunderts Diakon in Rom. Er verwaltete die Finanzen der Gemeinde und war für die Versorgung der Armen zuständig. Das Römische Reich steckte damals in einer tiefen Krise. Kaiser Valerian machte die Christen dafür verantwortlich. Sie hätten den Zorn der römischen Götter heraufbeschworen, weil sie die staatlich angeordneten Opfer verweigerten. Valerian ging nun brutal gegen die Christen vor. Viele wurden ermordet, unter ihnen auch der römische Bischof, Papst Sixtus II.

Valerian glaubte, die christliche Gemeinde verfüge über sagenhafte Reichtümer. Deshalb bestellte er Laurentius zu sich und befahl ihm, die Schätze zu sammeln und ihm nach drei Tagen auszuhändigen.

Und tatsächlich: Am dritten Tag stand der Diakon wieder vor Valerian. „Wo sind also die Schätze deiner Kirche?“, fragte der Kaiser. „Hier, ich werde sie dir zeigen“, antwortete Laurentius. Daraufhin trat eine große Gruppe von Bettlern, Kranken und Behinderten ein. Männer, Frauen und Kinder. „Siehst Du, das ist der Reichtum unserer Kirche: die Armen von Rom!“ Valerian war außer sich und befahl die Hinrichtung des Laurentius. Der Legende nach starb der Diakon auf einem glühenden Gitterrost.

Den mutigen Laurentius haben die Christen nie wieder vergessen. In den Sternschnuppen rund um seinen heutigen Todes- und Namenstag sahen sie die Tränen des Heiligen. Sie erinnern aber auch die Kirche daran, dass der Dienst an den Armen, Schwachen und Außenseitern ihre wichtigste Aufgabe ist. Das ist heute nicht anders als zu Zeiten des Laurentius.

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