SWR1 Begegnungen

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Fotografiert hat Oswald Kettenberger schon bei der Primiz, also der ersten hl. Messe der Ratzinger-Brüder 1951 in Traunstein. Den gerade einen Monat jüngeren Josef Ratzinger kennt er aus der gemeinsamen Arbeit in der katholischen Jugend. Dass der gelernte Fotograf einmal ins Kloster gehen würde, hätte damals niemand gedacht. Und erst recht nicht, dass der Oberbayer sein Leben im Eifelkloster Maria Laach verbringen würde

Die Menschen und die Natur waren die großen Themen des Fotografen Oswald Kettenberger. Rund 20 Bildbände, dazu etliche Kalender und unzählige Einzelaufnahmen belegen die Kreativität dieses Top-Fotografen, der in der Bendiktinerabtei Maria Laach zuhause ist.
Ein Augenleiden zwang den Mönch, der heute 80 Jahre alt wird, schon vor 20 Jahren die Kamera aus der Hand zu legen. Wie er damit und überhaupt mit seinem ungewöhnlichen Leben umgegangen ist, darüber sprach er mit Günther Gremp.

Teil 1

Bruder Oswald holt mich an der Klosterpforte ab und führt mich ins sein Dienstzimmer, dorthin, wo die Post für die über 50 Mönche von Maria Laach gesammelt und sortiert wird.
Soviel Sehkraft ist ihm auf einem Auge noch geblieben, dass er mit einer speziellen Brille die Anschriften lesen kann. Er sei jetzt der Postmeister des Klosters, sagt er lächelnd, ein gefragter Mann bei den Mitbrüdern, wenn sie auf Post warten.
Rund 25 Jahre war er in ganz anderer Weise gefragt, als Fotograf.

Ich hatte hier Chancen als Berufsfotograf, die waren unglaublich. Also mir flog dann,
es hat schon eine Zeitlang gedauert, mir flog dann alles richtig zu: mit Verlagen,
mit bedeutenden Zeitschriften für Fotografie, mit Fachzeitschriften.


Innerhalb des Klosters wurde Oswald Kettenberger besonders von seinem Abt Urbanus Bomm gefördert. Der sich aber auch keine Illusionen über seine Mitbrüder machte und ihn warnte:

Ich werde es im Kloster besonders schwer haben wie Sie es sind als Künstler, so exaltiert.
Da wusste ich noch nicht, dass ich quasi ein Künstler bin. Das war für mich kein
Begriff auf mich bezogen. Das sind Maler oder Bildhauer oder so, aber als Fotograf…


Die Anerkennung von außen, von der Fachwelt hat Oswald Kettenberger bald errungen. Aber er hat auch gelitten.

Leidensdruck ist ein Mysterium. Aber Leidensdruck, hat mir Luise Rinser mal erklärt,
der ist bei jedem guten Roman oder bei jedem Kunstwerk. Es ist die Frage: ist das erlitten?
Wenn ja, dann ist es wahre Kunst. Ein nicht geringer Teil des Leidens, das da erlitten werden muss, ist das Zurechtkommen in dieser Gemeinschaft, also keine Kleinigkeit.
Für diese Spannung, also zwischen zwei Welten, der geistlichen und der ganz weltlichen
des Fotografen, das hat natürlich auch einen Wert der Anregungen wie ein Pulver in sich.
So habe ich das jedenfalls empfunden.


Mit der Vorstellung in einem Kloster herrsche nur Harmonie und eitel Sonnenschein
räumt der heute 80jährige schnell auf:

Wir sind im Kloster nicht besser aber wir sind auch nicht schlechter als all die Menschen.
Es gibt keine Elite. Eine christliche Elite wäre geradezu, ja fast pervers. Das gab es ja
nicht mal bei den Aposteln.


Da ist es auch ganz natürlich, dass dem einen die Klosterzucht schwerer fällt als dem anderen:

Für mich war das Klosterleben von meinem ganzen Naturell her sehr schwer. Die Kleidung
anfangs, die immer Pflicht war, und wir wurden Jahre lang noch kahl geschoren, so mit 35
und mit vollem Haar war das schon etwas schmerzlich. Das hat auch meine Mutter fast
beleidigt, dass ich so kahl geschoren wurde.


Das Konzil hat auch hier geholfen. Die Mönche konnten ihre Haare behalten; brauchten jetzt aber, um Kosten zu sparen, einen hauseigenen Friseur. Bruder Oswald stellte sich zur Verfügung. Die Brüder honorierten das:

Damit konnte ich viel abfangen, das hat mir viel geholfen. Auch den anderen, weil
fotografieren ja keine richtige Arbeit ist, hat es geheißen, der geht ja schon wieder
spazieren mit seiner tollen Kamera.



Mehr als 20 Jahre lang hatte Oswald Kettenberger seinen Platz unter den international bekannten Fotografen. Aber schon mit 60 musste er aufhören. Ein Auge blind, das andere nur noch schwach. Der Bendiktiner ist daran nicht verzweifelt. Wie er heute an seinem 80. Geburtstag sein Leben als Fotograf und Mönch sieht, das hat er Günther Gremp erzählt.

Teil 2

Das Leben des Oswald Kettenberger hat schon manch überraschende Wendung genommen. Fotograf gelernt, dann bei einer Versicherung und schließlich ins Kloster und dort als Fotograf Karriere gemacht. Aber wie kommt einer aus Oberbayern, wo es Benediktinerklöster zuhauf gibt, überhaupt in die Eifel? Man mag es kaum glauben. Da war zunächst ein Benediktiner in Salzburg, mit dem der junge Mann sprach:

Und der sagte, wenn ich als Deutscher ins Kloster ginge, würde ich nach Maria Laach gehen.
Dann fuhr ich nach Hause wieder und habe in meinem kleinen Schulatlas nachgeschaut:
um Gottes willen – so weit weg von den Alpen!


Und dann erzählte er seinem früheren Jugendkaplan von seiner Idee, ins Kloster zu gehen.
.
Dann sagte er: wenn du überhaupt in ein Kloster passt, dann kann ich mir für dich nur Maria Laach vorstellen.

In dem späteren Abt Urbanus Bomm fand Bruder Oswald, der seinen Vater schon als Dreijähriger verloren hatte, einen väterlichen Freund und im Kloster eine gewisse Ordnung für sein, wie er selbst sagt, etwas chaotisches Leben. Nur eine Illusion hatte er nie:

Der Gedanke, dass man da sicherer in den Himmel kommt, das ist mir bis heute klar,
dass da jeder einfache Christenmensch da genau so gut die Chancen hat.


Also keine geistlichen Starallüren. Aber die hat er auch nicht als Fotograf. Und aufgenommen hat er auch nicht die Promis, die Reichen und Schönen, sondern Menschen, die er interessant fand, auf die er aufmerksam machen wollte. So fotografierte er an einem Filmset nicht die Hauptdarsteller, sondern die Statisten:

Schau her, das ist ein Mensch und kein berühmter Star.

Viele ähnliche Fotos des Live-Fotografen sind auch auf der Insel Kreta entstanden; ausdrucksstarke schwarz/weiß Bilder. Die besondere Liebe Kettenbergers galt aber auch der Natur- und Landschaftsfotografie:

Für mich ist ein Gottesbeweis die Natur, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass bis ins
Kleinste herunter gesehen, eine Feder, die da liegt, dann ist das ein kleines Wunder an Farbverschiedenheit. Der raffinierteste Designer könnte sich das nicht besser einfallen
lassen. Das ist nur unter Milliarden Sachen selbstverständlich so. Diese ganz kleinen Dinge
in der Natur, die haben mich immer fasziniert und so war auch manchmal die Fotografie so:
nur ein Blatt.


Mit 60 war für Oswald Kettenberger die Fotografie vorbei. Auf einem Auge blind, auf dem anderen sehbehindert hörte er auf. Er zieht einen bayerisch knappen Vergleich:

Ein Fußballer mit einem Haxn, das ist keiner. Und ein Fotograf mit einem Auge, auf einem Auge blind, das geht nicht mehr .Es war auf einmal alle so anders, aber auch schwer. Aber immer auch interessant genug, wer man selber ist oder auch nicht ist.
Ich wollte mir da selbst auf die Schliche kommen, ob mein Klostereintritt so lange noch
stimmt, wenn das alles nicht mehr ist.


Das alles war sein Leben als Fotograf:

Der strenge Klosteralltag und das tägliche Chorgebet und alles, das bringt einen schon
zu sich selbst, das ist ganz klar. Aber das andere hat doch sehr viel abgefangen oder
leichter gemacht oder flotter gemacht; oder genauer gesagt schicker gemacht.
Als Top-Fotograf ist man wer.


Und danach?

Nachdem ich nicht mehr der Top-Fotograf war und das alles abgebröckelt ist, also
„Freunde in der Not gehen hundert auf ein Lot“, das habe ich sehr genau erlebt, jetzt
würde ich gar nicht sagen, so schmerzhaft, eher interessant, dass es wirklich so ist.


Und er kann seinem Schicksal auch positive Seiten abgewinnen:

Ich wundere mich bis heute, was das sich lohnt, wenn man zur richtigen Zeit aufhört.
Dass mir das nicht passiert ist aufgrund dieses Stupsers, also dieser Erblindung, das
war für mich dann eine Chance, die zu leben und zu erfahren höchst interessant war.


Und wenn er schon keine Fotobücher mehr veröffentlichen konnte, dann doch wenigstens die eine oder andere Geschichte und ein Büchlein mit Erinnerungen unter dem Titel: „An Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln“. Womit er dafür dankt,

dass ich also nicht verzweifelt bin an mir selber, dass ich also ein strenges Ordensleben
gar nicht immer leben konnte. Dass aber das Lebensgefühl aufgrund dieser Barmherzigkeit
immer ein so gutes war, das war für mich immer eine geradezu unendliche Beruhigung.


Und dann hat er neben dem lieben Gott jetzt auch noch den Papst aus der gemeinsamen Jugend, der an ihn denkt. Kürzlich in Bayern trug er einer Frau aus der Eifel auf:

Fahren sie bald nach Maria Laach und grüßen sie den Bruder Oswald ausdrücklich von mir.

Offenbar ist der Papst ähnlich bescheiden wie der Ordensmann. Denn er hat ihm nicht krumm genommen, was sich bei einer gemeinsamen Bootsfahrt auf dem Laacher See abspielte:

Und dann wollte er selber rudern, und dann hat er sich so dumm angestellt, dass ich gesagte
habe: o mei, Herr Professor, stellst dich du dumm an.


Na ja, Josef Ratzinger kann wohl besser steuern als rudern; als Papst sogar das Schiff Petri.


Das waren die Begegnungen. Günther Gremp traf in Maria Laach den Benediktiner
und Fotografen Oswald Kettenberger. Eine Sendung der Katholischen Kirche. https://www.kirche-im-swr.de/?m=923
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