SWR1 Begegnungen

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Pfarrer Wolf-Dieter Steinmann trifft Angelika Braun, Führerin im Kloster Maulbronn

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Traumberuf im Kloster
Angelika Braun ist mehr als zufrieden mit ihrer Arbeit. Dabei macht sie ihren Job schon seit 20 Jahren: Jeden Tag führt Angelika Braun Besucher durch das Kloster Maulbronn. Ein bisschen abseits der Hauptverkehrsadern - zwischen Karlsruhe und Stuttgart - liegt die am besten erhaltene Klosteranlage nördlich der Alpen. Seit 17 Jahren Weltkulturerbe.

Mir hat es hier gefallen, mir macht es Spaß, immer noch sogar mehr noch als früher. Weil ich jetzt das vermitteln kann, was immer mein Traum war: Kinder an die Kultur zu bringen. Ich habe schon gesagt: ‚In 11 Jahren gehe ich in Rente, hoffentlich darf ich noch weiter arbeiten.'

Angelika Braun sieht glücklich aus dabei. Wie schafft man es, glücklich zu sein? Eine Möglichkeit ist bestimmt, dass man sich immer mal wieder einen kleinen Traum erfüllt. Angelika Braun hat das Glück, dass sie das sogar in ihrem Beruf kann. Sie führt Besucher durch das Kloster Maulbronn. 20 km nördlich von Pforzheim liegt es.
Im Kreuzgang auf einer Bank haben wir es uns nett gemacht. Was heißt eine Bank. Es ist die(!) Bank von Maulbronn. Direkt vor dem weltberühmten Brunnenhaus. Dem meist fotografierten Platz in Maulbronn.

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Hermann Hesse hat auch hier gesessen, als Schüler, todunglücklich. Genau das will Angelika Braun auf keinen Fall. Im Gegenteil. Sie möchte Besucher glücklich machen. Vor allem die Schüler und Kindergartenkinder, die nach Maulbronn kommen.
Sie will, dass sie das ehrwürdige 900 Jahre alte Weltkulturerbe im Spiel entdecken können. So wie sie selbst das erlebt hat. Ihre drei Töchter sind zwar schon erwachsen. Aber Maulbronn und spielen, das ist ihr in die Wiege gelegt.

Ich bin hier im Klosterhof 5 unterm Dach geboren. Und meine Oma hat hier vor 50 Jahren schon die Eintrittskärtchen fürs Kloster verkauft. Wir Klosterhofkinder haben halt hier im Klosterareal, im Kreuzgang, in den Räumen gespielt.

Kinder spielerisch an die Kultur bringen: Vor 12 Jahren hatte sie die Idee, ein Sonderführungsprogramm für Kinder im Kloster anzubieten. 2 Jahre hat sie darum gekämpft. Heute sind die Kinderführungen ein Renner.

Da haben wir extra eine Handpuppe genäht aus Filz, das ist unser „Mauli" eine Fledermaus. Und dann fliegen wir durch das Kloster. Da müssen wir erst draußen im Klosterhof fliegen lernen und dann wird kindgerecht alters entsprechend die Klosteranlage erklärt, dann geht es in unsere Kinderwerkstatt und dann machen wir aus Karton „Maulis", also Fledermäuse.

Es muss wohl so sein im Leben. Man muss erst weg gehen, damit man seinen Kindheitstraum als Erwachsener wieder finden und leben kann. Mit 30 kam sie nach Maulbronn zurück. Und zufällig zum Führen. Seither geht sie ihrem Traumjob nach. Sommers wie winters.

Ich möchte ja den Besuchern das Mittelalter etwas näher bringen. Wir haben also - ich sage immer - im vergangenen Winter einen ‚warmen' Winter gehabt: Da haben wir hier in der Klosteranlage nur minus 16 Grad gehabt. Wenn man dann rein kommt, es ist dunkel, Kerzen beleuchtet, es ist kalt, dann hat der Brunnen natürlich wieder eine ganz super Wirkung. Da sagen die immer, jetzt können sie sich das Mittelalter eher vorstellen und das Leben der Mönche, wie die hier gelebt haben, wie sie teilweise auch gefroren haben.

Es macht sie glücklich, wenn man sich von ihrer Freude anstecken lässt. Angelika Braun lässt sich was einfallen, Desinteresse zu überwinden. Oder Widerstände. So haben sie es vor Jahren geschafft, auch muslimischen Jugendlichen den Weg in die Klosterkirche zu öffnen, die aus religiösen Gründen nicht hinein durften.

Wir haben gesagt, das ist also keine Kirche im dem Sinn, sondern ein Museum und dann haben wir das als Museum erklärt, aber diese Überzeugung brauchen wir schon seit bestimmt zwei Jahren nicht mehr. Wir haben jetzt auch sehr viele türkische erwachsene Gruppen. Da sind wir jetzt ganz erstaunt, dass das jetzt einfacher geworden ist.

Für sie ist es auch ein Hinweis, dass es doch voran geht mit der Integration, was sie zB. vor kurzem erlebt hat mit einer Klasse, in der viele muslimische Schüler waren.

Die Lehrerin hat mich gefragt, ob man nach der Führung durch das Klosterareal eine kleine Pause machen dürfte, weil sie ginge gern mit ihren Schülern zum Mittagsgebet.

Alte Mauern - neuer Segen
Fladenbrot backen wie Mönche, Bücher binden lernen wie im Mittelalter, Heilkräuter kennen lernen, wie sie schmecken und wirken. Bei einer Klosterführung mit Angelika Braun kann man all das machen.
In den Ferien ist Führerin sein aber oft auch ein Stressjob: Viele Touristen aus aller Welt. Aber auch sehr viele Kinder- und Jugendgruppen kommen ins Kloster zB. im Rahmen der Stadtranderholung. Ich kann mir gut vorstellen, dass man fertig ist nach so einem Tag. Und dann wird das Kloster für Angelika Braun selbst zum Segen.

Das ganze Gemäuer, nicht nur die Kirche, auch im Kreuzgang, es strahlt eine Ruhe aus, da kommt man selbst zur inneren Ruhe. Aber der absolute Lieblingsplatz ist natürlich das Laienrefektorium.

Angelika Braun ist gern alleine dort, im früheren Speisesaal der Laienbrüder. Sie lehnt sich still an eine der Säulen, genießt die schlichte Schönheit des Raums, in dem nicht umsonst heute auch Konzerte stattfinden. Nichts Überflüssiges lenkt einen ab. Einen ‚puren' Raum haben die Zisterzienser uns Heutigen anvertraut. Sie findet die alten Räume aber nicht nur schön, sie bewundert auch die Bauleistung der Mönche.

Es gab ja einen Idealplan beim Bau der Zisterzienserklöster: Die Kirche stand da immer auf der Nordseite. 1147 kamen die Mönche hier an im Salzachtal haben aber die Kirche auf die Südseite gebaut. Damals haben die schon festgestellt, dass die Nordseite, der Untergrund nicht stabil genug ist. Und das ist also was mich jeden Tag begeistert, dass die 1147 schon festgestellt haben, dass man hier in Maulbronn den Bauplan verdrehen muss.

In fast 400 Jahren ist die Anlage gewachsen: Nicht nur die Gebäude, auch 350km Wasserleitungen. Fischteiche, Weinberge, eine ganze Kulturlandschaft kann man bewundern.

Viele sagen dann, sie sind ganz ergriffen, dass es heute noch steht und dann sage ich: Der einzige Grund ist, dass der Herzog Christoph die Internatsschule eingerichtet hat als evangelisch-theologisches Seminar. Wenn hier oben kein Leben gewesen wäre, wenn man das Kloster nicht genutzt hätte...

Dann wäre das Erbe der Mönche nach der Reformation verfallen wie viele Klöster und nicht so vollständig erhalten geblieben. Viele große Köpfe hier gelernt: Kepler, Oetinger, Hölderlin, Hesse und so sind die alten Mauern immer wieder mit neuem Leben gefüllt worden. Für Angelika Braun eine Verpflichtung, sie auch weiter zu erhalten. Auch für den Glauben.

Wenn ich in der Kirche der Mönche bin, habe ich meinen gleichen Standort und wenn ich dann meine Hand Richtung Altar (ausstrecke), dann ist manchmal so, wie wenn Wärme vom Boden abstrahlt. Der Glaube von damals ist doch irgendwie verankert in den Räumen, in den Mauern, in der Kreuzigungsgruppe. Ich genieße das dann, und gehe glücklich meine Wege hier im Kreuzgang weiter.

Ich verstehe was sie meint. Mich berührt Maulbronn auch. Daran zu denken, dass wir Heutigen auf den Schultern derjenigen stehen, die vor uns gelebt, gearbeitet, geliebt und geglaubt haben. Angelika Braun freut sich über jeden Besucher, der nach Maulbronn kommt und wünscht sich:

Dass sie auf jeden Fall zwei Stunden Zeit mitbringen, die Ruhe in sich einsaugen, die wir hier haben, genießen, oder so wie wir jetzt auf ein Bänkchen sitzen; auf jeden Fall was ich mir wünsche, dass die Leute Zeit mitbringen.

http://www.maulbronn.de/relaunch/d_800/html/kloster.php

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8844
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