Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Seit Wochen schon schaue ich auf einen Engel aus Sandstein vor meinem Fenster.
Er provoziert mich. Weil er mir die Schulter zeigt.
Dabei sieht er aus wie diese fröhlichen Putten-Engel von Weihnachten. Knie angezogen. Hände unters Kinn gesteckt, Augen träumerisch zum Himmel gerichtet. So wie man das von Putten-Engel auf Weihnachtspostkarten kennt. Wenn sie rufen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.

Aber dieser Sandstein-Engel da vor meinem Fenster: der provoziert mich. Er hat den Blick von mir weg gerichtet und zeigt mir die kalte Schulter.
Friede auf Erden?
Nein: Krieg in Afghanistan!

Mit seiner von mir abgewandten Haltung bringt er mich ins Grübeln: Was ist übrig geblieben von der Friedensbotschaft an Weihnachten, jetzt, Ende April?

War das nicht die Botschaft fürs ganze Jahr, diese Botschaft von Weihnachten?
Dass Frieden zu schaffen wäre - ohne brutal eingesetzte Waffengewalt - von wem auch immer?

Wenn wir derzeit nach Afghanistan schauen, sehen wir: Wir schaffen es nicht.
Es funktioniert nicht. Die Lage ist verwirrend kompliziert. Wie in diesem Gemisch von Verblendung, Hass, Korruption eine Schneise des Friedens schlagen ohne Granaten zu werfen
Niemand weiß es wirklich.
Und doch, wir dürfen den Anspruch des Friedensengels von Weihnachten nicht aufgeben, meine ich: Frieden ist zu schaffen - auch ohne brutal eingesetzte Waffengewalt - von wem auch immer.
Mein Fenster-Engel erinnert mich jeden Tag an das Versprechen von Weihnachten, indem er mir provokativ die kalte Schulter zeigt.
Wie fremd doch Engel sein können. Und wie notwendig in solcher Fremdheit.
Weil sie mir helfen, dass ich mich nicht abwende von der Botschaft an Weihnachten:
Frieden ohne Gewalt ist möglich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8173
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