SWR1 3vor8

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Palmsonntag  Lukas 19,28

Was da innerhalb weniger Tage passiert, ist schon sehr seltsam. Jesus reitet auf einem Esel nach Jerusalem hinein. Seine Weggefährten überstürzen sich schier vor Freude. Ein paar Tage später hauen die selben, die noch zuvor gejubelt haben, Hals über Kopf ab - als Jesus gekreuzigt wurde. Bleibt anzumerken: Die Männer sind auf und davon. Einige Frauen aus der Gefolgschaft Jesu setzen sich dem grausigen Geschehen aus und bleiben bei ihrem geliebten Meister. Das alles steht im Lukas Evangelium und ist heute am Palmsonntag in den katholischen Gottesdiensten zu hören. Dieser Umschwung ist doch seltsam. Einige Jahre sind sie mit Jesus gezogen, haben seine Botschaft gehört und waren Zeugen seiner wunderbaren Taten. Wie lässt sich dann dieses Verhalten erklären? Haben sie Jesus und seine Botschaft doch nicht verstanden? Für mich reimt sich da manches zusammen, wenn ich bedenke, was für eine Mannschaft Jesus da zusammengestellt hat. Bei der Auswahl hat er keine Gesinnungstests angestellt. Auf bürgerliche Wohlanständigkeit hat er keinen Wert gelegt. Welchen Ruf jemand hatte, ist ihm völlig gleich gültig gewesen. Also konnte man mit einer illustren Gesellschaft rechnen. Da ist Petrus, ein einfacher Mann und bodenständiger Fischer. Matthäus, Zöllner und Beamter der bei den Juden verhassten römischen Besatzungsmacht. Judas, Mitglied einer extremistischen Bewegung, die gegen die römischen Besatzer kämpfte. Dann die Frauen um Jesus. Nicht wenige waren alleinstehend, bettelarme Witwen, Frauen, die sich nur als Prostituierte über Wasser halten konnten und die in ihren Dörfern wie Aussätzige behandelt wurden. Die Gesellschaft um Jesus ist also ein ziemlich bunter Haufen gewesen. Jede und jeder hatte so seine eigene Vorstellung von Jesus. Trotzdem sind sie ihm gefolgt, so unterschiedlich sie auch waren. Der unehrenhafte und grausame Tod Jesu am Kreuz machte ihren Hoffnungen ein jähes Ende. - Und das soll es dann gewesen sein? Nein! Es gibt noch einmal eine Wende - durch Jesus, als er vom Tod zu Gott auferstanden war, wie es die Christen  glauben. Sehr erregt hat Jesus zwar einmal gesagt: „Wer mich vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen." (Matthäus 10,33) Aber Jesus macht seine Ankündigung dann doch nicht wahr. Er verleugnet seine Gefährten -  die ihn alle verlassen hatten - nicht. Er gibt ihnen eine unglaubliche Chance und  betraut sie mit wichtigen Aufgaben in der jungen Kirche. Er übt Nachsicht, mehr noch: Er ist inkonsequent - aus Liebe! Inkonsequent - aus Liebe! Da fühl ich mich auch angesprochen. Wenn ich daran denke, wie schwach mein Glaube und wie wenig überzeugend mein Leben als Christ auch sein kann - dann tut eine solche Botschaft gut, bis in die Seele hinein gut.

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