SWR4 Abendgedanken BW

SWR4 Abendgedanken BW

„Ich setz mich gleich hin“, sagt Erika, „ich will nur schnell noch die paar Sachen bügeln.“
„Muss das jetzt am Abend sein“, sagt Erwin. „Das ist so ungemütlich.“
„Doch, das hab ich mir für heute vorgenommen“, sagt sie und stellt das Bügelbrett auf.
„Ach komm“, sagt er, „morgen ist doch auch noch ein Tag.“
„Nein“, sagt Erika und nimmt das erste Hemd. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht...“
„Du, wollen wir uns jetzt gegenseitig Sprichwörter aufsagen oder was?– was heißt da überhaupt : Nein, wenn ich sage, morgen ist auch noch ein Tag. Das ist ganz typisch für dich. Du tust immer so, als ob alles jetzt sofort sein müsste, als ob es keinen nächsten Tag geben würde. Ich glaub, du hast kein Vertrauen in die Zukunft.“
„Wie war das?“ Erika dreht sich zu ihm um. „Was hab ich nicht?“
„Ja, manchmal denk ich, du traust dem nächsten Tag nicht.“
„Wie kommst du denn da drauf?“ sagt Erika und hängt das Hemd auf den Bügel.
„Ja, du machst dir immer Gedanken, was sein wird, wie man sich darauf vorbereitet. Lass doch einfach die Dinge mehr auf dich zukommen.“
„Aber“, sagt sie und streicht eine Bluse auf dem Bügelbrett glatt, „man muss sich doch einstellen auf das, was kommt.“
„Nein“, sagt Erwin, „das glaube ich nicht. Was kommt, das kommt. Und dann stelle ich mich darauf ein.“
„Aber ich weiß doch gar nicht“, sagt sie und bügelt den Kragen, „ob ich dann die richtigen Gedanken habe. Und ob mir die Kraft nicht ausgeht.“
„Du willst immer alles auf Vorrat machen“, sagt Erwin. „Ich meine, es wäre besser, wenn man darauf vertraut, dass man dann schon das Richtige tun wird. Und dass einem geholfen wird. Stehst so was nicht in der Bibel, mit den Spatzen, die nicht einkaufen oder was und trotzdem ernährt werden?“
„Die Vögel unter dem Himmel, sie säen nicht, sie ernten nicht“, sagt Erika und greift nach den frisch gewaschenen Taschentüchern, „und der himmlische Vater ernährt sie doch. Ich glaube, ich bin mehr wie ein Eichhörnchen, das würde verhungern, wenn es keinen Vorrat verstecken würde. Zumindest hier, wo es im Winter nichts zum Fressen findet.“
„Du komm“, sagt er, „du weißt, wie ich das meine. Es geht um das Vertrauen in die Zukunft. Es wird sich dann schon ein Weg finden. Und wenn man auf Gott vertraut, hilft er einem auch – das sagst du doch selber manchmal.“
„Ja, du hast Recht“, sagt sie, „und morgen früh bin ich froh, dass die Wäsche schon gebügelt ist.“
Als ob dir dann nicht gleich was anderes einfallen würde, was du noch schnell tun kannst, denkt Erwin, aber das behält er lieber für sich.
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