SWR1 Begegnungen

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Teil 1 Zauberei und Frohe Botschaft

Hermann Bickel ist ein Unikum, einzigartig in Deutschland. Denn Bickel ist Ordenspriester, Steyler Missionar, und zugleich ein renommierter Zauberer. Ein Mann, der also von Berufswegen Glauben und Zauberei zusammenbringt. Und dabei macht er überraschende Erfahrungen:

Ich kann selber die Frohe Botschaft an Leute herantragen, die mit Kirche nichts mehr am Hut haben. Die sagen: Moment, das ist ja ein Schwarzer und dann macht der so was. Und dann redet der manchmal auch noch recht selbstkritisch über sich selber. Humor ist, wenn man über sich selber lacht.

»Schimmel« nennt er sich, wenn er zaubert. Im bürgerlichen Leben heißt er Hermann Bickel, aber so bürgerlich ist sein Leben gar nicht. Denn der Zauberer Schimmel ist Priester, Mitglied der Ordensgemeinschaft der Steyler Missionare. Zauberer und Priester, eine ungewöhnliche Kombination. Ungewöhnlich auch sein Zauberhaus in St. Augustin zwischen Siegburg und Bonn. Die Farbe ist alles andere als dezent. Noch bevor ich Pater Bickel, den Zauberpater, sehe, leuchtet mir sein Haus entgegen. Ein schreiendes Orange hat er sich als Fassadenfarbe ausgesucht. Und er ist tatsächlich auch ein bunter Vogel. Vor dem Haus zaubert er gerade zwei Mitbrüdern aus Südkorea etwas vor. Die beiden biegen sich vor Lachen. Bickel begleitet seinen Seiltrick mit englischen-deutschen Kommentaren, wechselt zwischen den Sprachen und verwirrt die beiden dadurch nur noch mehr. Ich erlebe mit eigenen Augen, was Zaubern für den Zauberpater heißt:

Freude zu machen, es ist Unterhaltungstäuschungskunst. Das Wort ist im Deutschen zu lang. Magic, im Englischen, da weiß jeder, wo er dran ist. Im Deutschen Magie und Zaubern, da denken einige und verwechseln das mit der schwarzen Magie, nein, ich mach die bunte Magie: bunt, lustig, fröhlich.

Hört sich gut an, denke ich. Gerade weil der weißhaarige Zauberer mit den wachen Augen auch seinen Glauben so sieht.

Es geht darum, den Leuten klar zu machen: Wir haben eine Frohbotschaft. Wir sehen ja manchmal aus, als hätten wir Essig geschluckt. Und Jesus sagt: Ihr seid das Salz der Erde, das macht schmackhaft.

So wünschen sich viele den Glauben: schmackhaft und leicht. Ich auch. Aber leider lässt sich auch das Gegenteil erleben. Kirche und Glaube sind oft genug schwere Kost. Traurige Gesänge, unverständliche Texte – und Witze werden auch nur selten im Gottesdienst erzählt. Trotzdem, Bickel betont:

Jesus war selber eigentlich ein Harlekin, ein Narr. Er zieht an Palmsonntag ein, nicht mit einem Streitross, sondern auf einem Esel, er wäscht den Jüngern die Füße und nicht den Kopf. Er dreht alles um, er macht alles ver-rückt, das heißt, er ver-rückt die Maßstäbe.

Und Bickel, das spüre ich, hat sich etwas von dieser anderen Sichtweise zu eigen gemacht. Sein Leben verlief auch nicht gradlinig, er war zum Beispiel oft krank, trotzdem hat er sich seinen Humor, seinen freien Geist bewahrt.

Und so liebe ich es auch, was mal als Druckfehler in der Zeitung stand: Pater Hermann Bickel ist ein Steyler Missionarr – so ein bisschen verrückt.

Ich erfahre: Missionar im klassischen Sinn ist der zaubernde Pater nie gewesen. Und ein bisschen spüre ich in unserem Gespräch Wehmut, dass er nie nach Afrika, Asien oder Lateinamerika kam. Der siebzigjährige Bickel zeigt mir Bilder von Mitbrüdern, die auf der ganzen Welt arbeiten. Aber er ist dann halt Missionar in Deutschland geworden. Der Glaube, der aus ihm einen sichtlich erlösten, freudigen Mensch gemacht hat, den trägt er mit seinen Zaubereien unter die Leute. Das finde ich spannend, dass er mit seiner Herkunft nicht hinter dem Berg hält:

Der rote Faden ist, dass sie von Anfang an wissen, ich stehe als Schwarzrock da. So dass ich also durchaus dann auch immer mal wieder mit Seitenhieben von Kirche und Kloster und Orden und alldem erzähle.

Und dann ergänzt Hermann Bickel mit leuchtenden Augen:

Ich war jetzt über 45-mal im Fernsehen. Ich habe fast jedes Mal auch Reaktionen bekommen von Leuten, die gar nicht mehr in der Kirche sind, die sagen, so Kirche zu erleben, das möchte ich unterstützen, Bitte, Kontonummer des Klosters.


Teil 2 Österliches Staunen

Seit mehr als 40 Jahren tritt Pater Hermann Bickel auf – als Zauberer. Als ich ihn in seinem knallorangenen Zauberhaus besuche, komme ich ins Staunen. Überall Zauberbücher, Kisten voll Zaubersachen und Zeitungsausschnitte an den Wänden. Staunen, das Stichwort gefällt ihm sichtlich.

Man muss staunen können. Das ist ja der Beginn der Philosophie. Und das fällt heutigen Jugendlichen oft schwer. Weil sie nicht mehr staunen können. Für die ist alles da. Sie kennen alles aus Internet und so. Also das Staunen überhaupt, über die Schönheit der Natur, über eine Blüte oder so, das können die kaum noch.

Bickel kommt im Jahr auf über 100 Auftritte in ganz Deutschland. Aber immer steht der Glaube für ihn im Mittelpunkt. Mehr noch: Er sagt mir, dass Glaube und Ostern sehr viel mit seiner Zauberei zu tun haben.

Ich denke, dass die Jünger sehr gestaunt haben, dass sie überrascht waren, dass sie verblüfft waren, dass sie an eine Täuschung glaubten, an eine Sinnestäuschung, eine Wahrnehmungstäuschung. Die Wahrnehmungstäuschung als Illusion wird auch beim Zaubern hergestellt. Und wenn der Zuschauer weiß, wies geht, ist er enttäuscht und desillusioniert.

Ich finde es bemerkenswert, wie konsequent Bickel selbst den Glauben lebt. So nimmt er kein Honorar, sondern sammelt am Ende jeder Vorstellung Geld in seinem großen Zylinder. Für die Mission, sagt er. Und er zaubert für jeden, aber besonders gerne für die, die selten im Mittelpunkt stehen. Er zaubert für Taubstumme und psychisch Behinderte. Und es macht ihm ganz offensichtlich große Freude.

Ich versuche die Kirche mal anders, österlich darzustellen. Sehr viele haben von der Kirche ja den Eindruck, sie sei unentwegt am Karfreitag und Aschermittwoch interessiert. Unsere Hauptaufgabe ist die Glaubensvermittlung österlicher Freude. Und das trifft sich durchaus mit dem, was der Hauptberuf und der Nebenberuf, also mein Hobby, macht, nämlich zum Staunen zu bringen.

Und Ostern selber, so erklärt mir der Zauberpater Bickel, ist für ihn eine Geschichte voller Zauber.

Der Zauber von Ostern ist für mich die himmlische Mathematik. Alles rumzudrehen. Aus einem Minus wird Plus. Ohne Ostern wären wir ganz schön arm dran. Und von dieser Freude lebe ich selber, habe das in meinem eigenen Leben erlebt – und auch Menschen, denen ich versuchte das mitzuteilen, dass das trägt auch im Leid. Wir werden durch unseren Glauben ja nicht befreit vom Leid, sondern im Leid. Gott steht uns immer bei. Aber das bedeutet nicht, wir werden verschont, sondern wir werden getragen.

Das finde ich eine bemerkenswerte Osterbotschaft: Ohne Ostern wären wir arm dran. Weil wir mehr brauchen, als das Leben und den Tod. Weil wir Hoffnung brauchen. Pater Hermann Bickel, zaubernder Missionar, sieht das so:

Ein Gott, der Mensch wird, Kind im Stall, der sich kreuzigen lässt, am Galgen hängt, aber dann aufersteht, das ist die total umdrehende, revolutionierende Frohbotschaft.https://www.kirche-im-swr.de/?m=5808
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