SWR1 3vor8

SWR1 3vor8

Karfreitag. Christen denken heute an den Tod Jesu. Und verehren im Gottesdienst das Kreuz und den Gekreuzigten. Da wird ein Kruzifix, verhüllt mit einem violetten Tuch, langsam in die Kirche getragen. An den Altarstufen nimmt der Priester das Tuch ab. Dreimal singt er: Seht das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt gehangen. Und die Gemeinde antwortet: Kommt, lasset uns anbeten. Dann gehen in langer Prozession alle nach vorn, knien nieder und berühren das Kreuz mit der Hand.
Mich beeindruckt und berührt dieser Ritus immer wieder. Das Kreuz verehren, das Marterinstrument berühren. Und dabei singen vom Heil der Welt. Das ist eine starke Spannung. Spannung von Tod und Leben, von grausamer Gewalt und liebevoller Ohnmacht.
Mich ermahnt der Ritus, diese Spannung nicht aufzulösen. Das Kreuz ist Zeichen des Todes und Zeichen des Lebens.
Das ist das Eigene des christlichen Kreuzes, daß es uns in diese Spannung hineinstellt. Die Spannung, die ja von der Lebenserfahrung auf Schritt und Tritt bestätigt wird. Tod und Leben, Tod im Leben, Leben im Tod.
Die Liturgie dieser Tage fordert auf, den Tod nicht zu verdrängen und den Tod nicht für die letzte aller Erfahrungen zu halten. Leben ist bedroht, belastet mit Schmerzen und Konflikten, Leben ist kostbar, auch angesichts der zahlreichen, unwiderlegbaren Erfahrungen von Tod.
Daß in diesem Gewirr Gott mit uns ist, darauf zu vertrauen, fordern uns die kommenden Tage auf. Im Bild des Kreuzes und des Gekreuzigten finden wir beides: daß wir teilhaben am Leben und daß wir sterben müssen. Das christliche Kreuz gibt Raum für die ganze Breite der Erfahrung. Und dabei bezieht es Position. Es hat Platz für Leben und Tod. Aber es ist entschieden für das Leben.
Viele Menschen haben ihr Kreuz, das daheim irgendwo hängt, oder in einer Kirche, die sie hin und wieder besuchen, oder das sie bei sich tragen.
Vielleicht ist es gut, mit dem persönlichen Bild des Kreuzes und des Gekreuzigten im Gespräch zu bleiben, es zu befragen, zu klagen, zu widersprechen und sich trösten zu lassen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5782
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