SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

„Christus ist auferstanden!“ – so grüßen sich seit Jahrhunderten Christen in der Osternacht. Vielleicht haben auch Sie schon eine „lange Nacht“ hinter sich und haben die Osternacht in Ihrer Gemeinde mitgefeiert. Ich habe im Freiburger Münster gefeiert und bin wie jedes Jahr aufs Neue mitgerissen von diesem besonderen Gottesdienst: nach den 40 Tagen der Fastenzeit erklingt zum ersten Mal wieder das Halleluja; die Orgel, die seit Gründonnerstag geschwiegen hat, erfüllt den Kirchenraum wieder mit ihrem Klang, das Licht der Osterkerze breitet sich im ganzen Raum aus. Die Feier der Osternacht ist ein Fest für alle Sinne. Ich habe sie schon fast 60 mal erlebt, in vielen verschiedenen Kirchen und Gemeinden. In jedem Jahr ist sie etwas ganz Besonderes, Feierliches, Erhabenes und Erhebendes für mich.
Und gleichzeitig ein notwendiges, ein wichtiges Fest. Denn es gibt ja auch die unzähligen Erfahrungen von Tod: Den Tod von Menschen jeden Alters, den natürlichen und den gewaltsamen Tod. Und dazu hat Ostern etwas zu sagen. Ostern ist eine Botschaft für unser Leben, so wie es ist, und für den Alltag!
Das Osterevangelium, das in den katholischen Gottesdiensten auf der ganzen Welt gelesen wird, erzählt, wie die Jünger und die Frauen zum Grab Jesu gehen, um ihn zu salben, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Doch der Leichnam ist weg! Das Grab ist leer! Die Jünger sind zutiefst bestürzt und erschüttert. Im leeren Grab tritt ihnen eine leuchtende Gestalt entgegen. Sie sagt ihnen: „Jesus ist nicht hier, er ist auferstanden. Er geht euch voraus nach Galiläa.“ Diese atemberaubende Geschichte bezeugt zweierlei. Einmal: dieser Tote, Jesus Christus, ist nicht im Tod geblieben – so unfasslich das auch ist. Und zum andern: Jesus geht ihnen voraus dorthin, wo sie leben. Er ist bei ihnen als der Auferstandene mitten in ihrer Lebenswelt.
Galiläa, das ist ja der Ort, an dem die Jünger Jesu zuhause sind. Es ist der Ort, an dem er mit ihnen zusammen war; wo er Kranke geheilt und zu den Menschen gesprochen hat. Dorthin geht der Auferstandene ihnen voran: in ihre Heimat, in ihren Alltag.
Jesu Leben ist also nicht eine Episode in der Geschichte, sondern Frohe Botschaft für uns, aktuell bis heute. Gott erweckt Jesus Christus zu neuem Leben. Er will uns, jedem und jeder von uns, die Erfahrung schenken, dass er mit uns geht – ganz konkret in unserem Leben, in unserem Alltag.
Der evangelische Theologe und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer drückt im Gefängnis sein Vertrauen aus, auch auf dem schwersten Weg nicht alleine zu gehen. Er schreibt: „Keinen Weg lässt uns Gott gehen, den er nicht selbst gegangen wäre und auf dem er uns nicht voranginge.“ Diese Zusage ist so gewaltig, dass die Kirche ihren ganzen Schatz an Symbolen und Farben, an Musik, Gerüchen, Licht und Jubel vereint, um das Osterfest zu gestalten.
Heute, an Ostern, feiern Menschen auf der ganzen Welt, dass sich das Leben verändert hat. Der Tod ist nicht verschwunden. Aber er ist nicht die alles beherrschende Macht, ist nicht das Ende für die, die gestorben sind, und für die, die zurückbleiben. Und das macht wiederum zweierlei möglich. Zum Einen, dass wir den Tod geschehen lassen können als Teil des Lebens. Dass wir Abschied nehmen, wo es an der Zeit ist. Und zum andern, dass wir tödliche Kräfte in der Gesellschaft, in uns selbst bekämpfen. Dass wir tun, was wir können gegen Gewalt, Hunger, todbringende Armut. Dass wir in Medizin und Pflege das uns Mögliche tun.
Wenn Jesus, der von Gott Auferweckte, uns voraus geht in unserm Leben, dann heißt das: Der Tod ist nicht getilgt, aber wir haben eine Freiheit gewonnen. Die Freiheit, den Tod anzunehmen, und die Freiheit, zu leben und für das Leben da zu sein – für ein Leben über den Tod hinaus.
So wünsche ich uns beides: das Vertrauen, Abschied zu nehmen, und den tätigen Glauben an ein unzerstörbares Leben. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5719
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