Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wann haben sie zuletzt einen Kaffee für 25 Cent getrunken? Zugegeben, es ist nur einfacher Filterkaffee, aber 25 Cent? Oder ein ganzes Frühstück für 1 Euro und ein warmes Mittagessen für 2,50?
So ungewöhnlich wie diese Preise ist vieles hier im „Windrad“, mitten in Freudenstadt. Ungewöhnlich sind zum Beispiel die Menschen hier. Manchen sieht man an, dass sie nicht nur beim Essen sparen müssen. Andere wollen einfach nur nicht alleine zuhause sein und kommen gerne hier ins Windrad. Aber auch Handwerker und Angestellte essen hier.
„Genau das wollen wir“, betont Wolfgang Günter, Leiter es Windrads. „Wir wollen den Menschen am Rande der Gesellschaft helfen – ganz praktisch mit einem einfachen, guten und für sie bezahlbaren Essen. Wir wollen sie aber auch vom Rand in die Mitte der Gesellschaft zurück bringen. Daher ist dieses Restaurant für alle offen.“
In der Tat brauche auch ich keinen Ausweis oder sonst etwas, um hier bedient zu werden – oder besser gesagt, um mein Essen an der Theke zu holen.
Wer hier zum Essen kommt, erhält keine Almosen und muss sich nicht erst als Bedürftiger ausweisen.
„Das ist uns sehr wichtig“, betont Wolfgang Günther, „als Christ sehe ich in diesen Menschen nicht nur Hilfsbedürftige, sondern Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten möchte. Auch wenn es dem anderen schlecht geht, bleibt er immer ein von Gott geliebter Mensch.“
Ja – möchte ich ihm zustimmen – wahrscheinlich ist genau das gemeint, wenn es heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Oft genug müssen Menschen mit Hartz 4 erleben, dass man sie eben doch nur zweiter Klasse behandelt. Vielleicht gar nicht einmal absichtlich, aber sie erleben es oft so. Sie müssen bitten, sich ausweisen und bekommen dann – vielleicht - etwas zugeteilt.
25 Cent für einen Kaffee – das ist nicht nur ein günstiger Preis für eine Tasse Kaffee. Im Windrad in Freudenstadt werden die Menschen – alle Menschen – als Kunden freundlich bedient – und das in liebevoll und gemütlich gestalteten Räumen. Menschen, die sich oft genug als Nummern in einem riesigen Amt erleben, auf einer Wartebank.
An einer Stelle sind wir in diesem Restaurant doch nicht alle gleich: Auf der Preistafel neben der Theke steht ganz unten: „Menschen mit normalem Einkommen mögen die Preise großzügig aufrunden“.
Aber das ist auch gut so. Und so lege ich gerne meinen Euro für meinen Kaffee auf den Tisch.
Ich frage mich auch, was Jesus wohl zu diesem Restaurant gesagt hätte? Wahrscheinlich wäre er einfach hingegangen und hätte sich dort zu den Menschen gesetzt. Zu denen, die sich oft als bloße Nummer fühlen, ebenso wie zu den Angestellten, die froh sind, dass es ihnen noch besser geht.
Christsein bedeutet eben, im Anderen einen Menschen zu sehen, den Gott liebt. Vor ihm sind wir alle gleich geliebt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5271
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