Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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16.000 Essen in vier Wochen, Kosten von über 80.000 Euro und täglich 50 ehrenamtliche Mitarbeitende – das ist die Vesperkirche, die gestern in der Pforzheimer Stadtkirche gestartet ist.
Vor 10 Jahren fing alles mit 50 warmen Mahlzeiten an, heute sind es über 500 Essen jeden Tag, die für einen Euro ausgegeben werden. Und das nicht irgendwo, sondern mitten in der Kirche. Dazu hat die Stadtkirche für vier Wochen ihr Angesicht verändert: Neben den Kirchenbänken stehen viele Tischgruppen im Gottesdienstraum. Und jeden Tag strömen einige hundert Menschen ab halb helf in die Kirche, in der es einfach wunderbar nach warmem Essen duftet.
Als Christel Rieke und Maria Trautz vor zehn Jahren diese Idee von Stuttgart nach Pforzheim übernahmen, wussten sie nicht, wie das werden soll. „Machen sie sich keine Sorgen“, gab ihnen Pfarrer Martin Friz damals mit auf den Weg: „Machen sie sich keine Sorgen um Mitarbeitende und Spenden – das kommt schon!“ Und wirklich: Jedes Jahr kamen bisher die benötigten Spenden zusammen. Auch die 80.000 Euro für dieses Jahr werden wohl kein Problem sein, davon ist Christel Rieke überzeugt. „Dieses Projekt“, sagt sie, „besteht aus Geben und Nehmen. Alle die sich hier mit einbringen, durch ihre Spenden oder ihre Mitarbeit spüren, wie sie reich beschenkt werden.“
„Die Menschen um die wir uns kümmern“, betont sie, „gehören in die Mitte der Gemeinde. Daher kann die Vesperkirche auch nur mitten in der Kirche stattfinden. Denn leider finden viele Menschen nicht mehr den Eingang in ihre Kirche. Hier in der Vesperkirche können wir uns neu begegnen und uns kennen lernen.“
Mich beeindruckt diese Einstellung und ich denke, Frau Rieke hat Recht. Kirche ist kein Verein bei dem es Platzkarten für treue Mitglieder gibt. Kirche wird nicht umsonst „Haus Gottes“ genannt. Und sein Haus will ein Haus für alle Menschen sein. Nicht sehr oft gelingt es uns als Christen, dies auszudrücken. Aber in der Vesperkirche wird es gut deutlich. Hier ist ein offener Raum der Begegnung, in dem die Menschen spüren, sie werden ganzheitlich wahrgenommen. Mit Leib und Seele. Und so bleiben viele nach dem Essen einfach sitzen. Oder sie gehen zur persönlichen Beratung und Seelsorge. Nebenan spielen ihre Kinder in der Kinderbetreuung. Viele genießen diese angenehme Gemeinschaft bis zur abschließenden Andacht um drei Uhr.
Und viele nehmen auch diesen besonderen Raum wahr. Es ist eben doch eine Kirche, das Haus Gottes. Auch wer nur selten in die Kirche geht, spürt hier, dass dieser Raum nach oben, zu Gott hin offen ist.
Ich bin mir jedenfalls sicher, dass Gott sich über diese außergewöhnliche Nutzung seines Hauses freut. Eine Aussage beim Abendmahl fällt mir dabei ein, in der es heißt: „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.“ In der Vesperkirche kann man das ganz praktisch erleben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5270
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