SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

Zeit der Ernte – Zeit der Erntefeste - in allen Kulturen und allen Religionen – seit Menschengedenken. Gärtner – Winzer - Bauern – sie feiern und laden heute ein!
Auch in den christlichen Kirchen wird heute gefeiert – das Erntedankfest.

Sein Name ist Programm: Bei „Erntedank“ geht es nicht um eine Leistungsschau der Landwirtschaft – auch nicht um Ertragssteigerungen oder dergleichen, es werden auch keine Siege im Kampf gegen den Hunger gefeiert – es geht um´s Danken. Und dieser Dank geht nicht an die eigene Adresse. Im Danken steckt das »dran denken«:

„Vergiss nicht – denke daran: die Ernte – ihre Pracht, ihr Ertrag – geht letztlich nicht auf dich zurück. Schau: Die Früchte – ihre Formen, ihre Farben, ihre Düfte – sie sind eine Augenweide – sie sind wirklich „verlockend anzusehen“ – sie duften und schmecken – und haben in allem etwas Himmlisches. Sie haben mit dem zu tun, der solche Schönheit gedeihen lässt.
Wirklich himmlisch sind diese irdischen Früchte.“
Wer die Pracht der Früchte so erlebt, der stimmt ein in den Jubel und das Lob Gottes:

»Wie köstlich ist deine Güte Gott... (Psalm 36,8),
Herr, wie sind deine Werke so groß und so viel...,
die Erde ist voll deiner Güter (104,24).
»Schmecket und sehet wie freundlich der HERR ist...« (Psalm 34,9).


Obgleich zurzeit noch die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft abnimmt, obgleich noch immer Höfe aufgegeben werden: Das Erntedankfest wird wieder stärker beachtet – auch und gerade in großen Städten. Kinder bringen zu Beginn des Gottesdienstes Früchte in kleinen Körben an den Erntealtar – so wie es schon in der Bibel (5. Buch Mose) beschrieben ist. Kindergärten beteiligen sich am Festgottesdienst – Gemeindefeste, Gemeindemittagessen an Erntedank – alles das zeigt an: Die Früchte des Feldes werden als wunderbare Gaben Gottes geachtet - sie sind mehr als Lebens-Mittel, sie sind mehr als Nahrungs-Mittel. Gewiss: sie sind Mittel zum Zweck, zum Sattwerden – und doch sind sie mehr, sie sind Gottes Geschenke.
Denn: dass etwas wächst - und wir nicht mit leeren Händen dastehen,
dass da etwas zu ernten ist und nicht die Ernte ausbleibt,
dass wir Früchte unserer Arbeit ernten können,
das verdanken wir zuletzt dem Gott, der auch dieses Jahr hat wachsen und gedeihen lassen, was Menschen angebaut haben. Das ist die Festfreude, das ist der Grund des Dankes:

Doch hier schleichen sich in meine Festfreude Fragen:
Wie kann ich dieses Fest feiern – da doch bekannt ist: eine unvorstellbar große Zahl von Menschen hat heute nicht genug zu essen – Kinder und Greise, Flüchtlinge und Erwerbslose in aller Welt. 900 Millionen Menschen müssen derzeit Hunger leiden. Und die Preise für Lebensmittel steigen drastisch - weltweit. Und ihre industrielle Herstellung hat mitunter Nebenwirkungen, die die Grundlagen des Lebens beschädigen, zerstören?

Diese Fragen lassen mich nicht los – auch heute nicht - am Erntedankfest. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die allermeisten um diese Nöte und Abgründe wissen. Doch auch und gerade angesichts solcher Nöte feiere ich Erntedank – nicht als satte Idylle – nicht als ein Wegschieben der Nöte anderswo. Im „Danken“ steckt das „dran denken“: Gottes Erntesegen gilt allen – überall. Gott lässt wachsen – genug für alle! Hunger ist darum Menschenwerk.
Wo das in Abrede gestellt wird, wo Hunger als Schicksal ausgegeben wird – da wird es für Hungernde ziemlich kalt, eiskalt, und gnadenlos.

Wo aber geglaubt und gefeiert wird – „Gott, der die Liebe ist – segnet alle Menschen – so, dass keiner und keine leer ausgehen soll“, da ist Hoffnung in der Welt- auch für die, die jetzt noch nicht genug zu essen haben. „Brich mit dem Hungrigen dein Brot“ – das ist die andere Seite des Erntedankfestes. Wo das Staunen und Bewundern der Erntegaben sich verbindet mit der Verantwortung für die Hungernden – da sind alle eingeschlossen in Gottes Segen. Da wird der Gott gepriesen,
der hervorgehen lässt die Gewächse der Erde –
der seine Hand auftut und sättigt alles, was lebt... (Psalm 145,16). https://www.kirche-im-swr.de/?m=4582
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