SWR4 Abendgedanken BW

SWR4 Abendgedanken BW

Es ist später Nachmittag in einer Schülerbibliothek. Der Vorlesewettbewerb für die Sechstklässler findet statt. Vorentscheid. Ich bin als Lehrer dabei. Während die kleinen Wettbewerbsteilnehmer vorne an einem Tisch sitzen und lesen, habe ich die Gelegenheit die Leute um mich herum zu studieren: Überwiegend die Mütter sind mitgekommen, ein paar Väter sind auch zu sehen. Wenn fremde Kinder dran sind, wird kritisch beäugt, Maß genommen, ob das eigene Kind eine Chance hat und es wird flüsternd ermutigt. Wenn es dann dran ist, bewegen sich beim Vorlesen die Lippen der Eltern mit, die Konzentration ist ganz auf das eigene Kind gerichtet. Wenn alles glatt läuft, ist die Erleichterung im Gesicht der Eltern deutlich abzulesen, bei Versprechern oder Verzögerungen halten sie die Luft an. Kurz gesagt: Sie fiebern mit. Und wenn der Sohn oder die Tochter wieder zurückkommt, wird gelobt, ermutigt oder getröstet. Das ganze wiederholt sich und spitzt sich zu, als die Jury bekanntgibt, wer gewonnen hat.
Wenn ich das von außen beobachte, wie Eltern mit ihren Kindern mitfiebern und sie für die Größten halten, finde ich das einfach nur schön. Klar habe ich als Lehrer auch mit Schülern zu tun, deren Leistung nicht zu ihrem starken Selbstbewußtsein paßt. Aber es gibt mehr, die innerlich aufgebaut werden müssen.
Und wenn ich diese mitfiebernden Eltern sehe, dann wünsche ich mir nur noch eines: Dass alle Kinder solche Eltern haben könnten, die ihnen Rückhalt geben, Mut machen, sie trösten und mit ihnen mitfiebern, damit ihr Leben gelingt. Und nicht nur Eltern, sondern auch Großeltern, Lehrer, Freunde, Kollegen und Chefs und eine innere Stimme, die ihnen dies zusagt.
Psychologen haben herausgefunden, dass diese innere Stimme dann in uns Menschen entstehen kann, wenn wir sie von außen her erlebt haben - als Kinder. Trost und Ermutigung, die sich im wahrsten Sinn des Worts ver-innerlichen und das Vertrauen ins Leben stärken.
Wenn ich als Christ glauben soll, dass Gott sich um mich sorgt, mich stützt und trägt, dann frag ich mich wie ich das spüren, wie ich das erkennen kann. Ich stelle mir vor, dass er das auf vielerlei Weise tut: Indem er mich schützt. Indem er mir Momente der Liebe und des Glücks schenkt. Aber vielleicht ja auch in Krisen, die mich letztlich weiterbringen und in denen ich mich immer an ihn wenden kann. Aber ich glaube dass ich Gott auch spüren kann durch die Menschen, die mich stützen und tragen. Die mich trösten und ermutigen. Und ich bin dankbar, dass es solche Menschen gibt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=3409
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