SWR4 Abendgedanken BW

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Bis vor kurzem ist der Begriff für mich noch neu gewesen: Resilienz. Er kommt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „abprallen“, „zurückspringen“.
Psychologen haben beobachtet, daß es Menschen gibt, die in Extremsituationen wie schweren Krankheiten, Arbeitslosigkeit und Trennung eine besondere Widerstandskraft entwickeln. Wo andere sich aufgeben, können sie ihre Situation nicht nur bewältigen, sondern sogar gestärkt aus ihr herausgehen. Unglaublich! Diese Fähigkeit nennt man nun Resilienz: An resilienten Menschen „prallen“ Schicksalsschläge wie Verlust und Trennung scheinbar „ab“. Das „Abprallen“ klingt vielleicht, als ob das so einfach ginge, aber es soll vielleicht die Kraft zeigen, die in diesen Menschen steckt. Denn sie bleiben nicht nur Opfer ihres Schicksals, zerbrechen an ihren Erfahrungen oder sterben sogar daran, Sie haben offensichtlich die Fähigkeit selbst da noch Widerstandskräfte mobilisieren und neue Hoffnung entwickeln.
Sicher - vermutlich können das die wenigsten von selbst.
Und ich will auch nicht behaupten, dass Leiden gut ist, weil es stark macht oder so. Ich wünsche keinem Menschen, dass er leiden muß!
Was mich daran fasziniert, ist, daß diese Leute etwas intuitiv können, was scheinbar jeder lernen kann: Und an diesem Punkt setzen die Psychologen mit ihrer Forschung an. Sie haben herausgefunden, dass es viele Faktoren gibt, die diese seelische Widerstandskraft bei uns Menschen ausbilden:
Zum Beispiel, dass ich meine Situation realistisch sehe und akzeptiere, aber trotz allem auch glauben kann, dass es nochmals besser (werden) wird;
dass ich in jeder Situation neue Ziele ins Auge fasse und mich nicht als Opfer sehe, sondern handle und die Verantwortung für mein Schicksal anpacke;
und dass ich Verbindungen zu Menschen aufbaue, denen es ähnlich wie mir geht und zu solchen, die mir helfen können.
Nach dem Verlust eines lieben Menschen kann es ja wirklich helfen, wenn ich mir vorstelle, wie seine schwere Krankheit weiter verlaufen wäre und dadurch vielleicht auch sehen, dass der Tod ihm unsagbares Leiden erspart hat.
Und wenn ich mich dann noch mit anderen Trauernden zusammenfinde und Erfahrungen austausche, kann das auch die Basis für neue Zukunftspläne sein.
Alles vielleicht noch machbar, aber ein Punkt macht mich besonders nachdenklich: Es gehört scheinbar zu dieser Widerstandskraft auch dazu, dass ich dem Schlimmen in meiner Situation einen Sinn abgewinnen kann. Und das finde ich nicht so einfach. Obwohl ich das als religiöser Mensch doch können müßte. Aber ich kann nicht einfach sagen: Gott will das so oder er prüft mich. Ich weiß nämlich nicht, warum ein Gott, der mich liebt und mein Vertrauen will, mich Prüfungen unterwerfen sollte. Aber ich kann ein Minimum an Sinn darin sehen: Ich hoffe, dass es einen Sinn gibt, den ich noch nicht einsehe, aber eines Tages einsehen werde - vielleicht erst am Ende meines Lebens.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3408
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