Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Es ist besser, einem Hungrigen etwas zu essen zu geben, als sich in innerer Besinnung zu vertiefen.“ Übersetzt heißt das: Handeln ist besser als Beten. Ein starker Satz – und der hat ihm Ärger eingebracht, dem Meister Eckart, Theologe, Querdenker im 13. und 14. Jahrhundert. Damals ist er populär, lehrt in Paris und Köln. Man kann ihn und seine ungewöhnlichen Gedanken nicht ignorieren. Also macht ihm der Erzbischof von Köln den Prozess. Meister Eckart, so sein Vorwurf, glaubt nicht richtig, ist häretisch. Doch Eckart wehrt sich. Er appellierte an den Papst. Aber er kriegt keine Chance. Eckart stirbt, bevor es zum Prozess kommt. Das hindert Papst Johannes XXII. nicht, noch zwei Jahre nach Eckarts Tod 28 seiner Sätze als häretisch, als Irrlehre zu verurteilen.
Eckart denkt Gott und Mensch nahe zusammen. Er kann nicht von Gott denken – und den Menschen vergessen. Deshalb schreibt er: „Es ist besser, einem Hungrigen etwas zu essen zu geben, als sich in innerer Besinnung zu vertiefen. Und würde sich ein Mensch völlig Gott hingeben, wie der Heilige Paulus und wüsste einen Kranken, der eine warme Suppe bräuchte, ich hielte es für viel besser, du würdest aus Liebe die Hingabe aufgeben und dem Kranken in noch größerer Liebe dienen.“
Eckart sagt deutlich: Die Liebe zum Nächsten geht vor. Sie kommt vor jeder anderen Liebe. Sogar vor der Liebe zu Gott. Und erst recht vor allem anderen, was einem lieb und teuer sein kann. Die Liebe zum Nächsten kommt vor der Liebe zum Geld, zum Erfolg, zur Karriere, vor der Liebe für die eigene Arbeit und die eigenen Pläne. Eckart denkt aber damit nicht gegen Gott. Er denkt Gott vielmehr radikal weiter. Für Eckart ist klar: Wenn Gott sich für andere einsetzt, dann muss auch ich mich für andere einsetzen.
Kein Wunder, dass solche Ideen kritisch verfolgt wurden. Denn viele Christen vernachlässigen oft genug die Liebe zum Menschen – mich eingeschlossen. Meister Eckart hält dagegen: Der Glaube ist für den Menschen da – und fordert zum Handeln heraus.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3363
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