Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die letzten Tage müssen sehr hart für sie gewesen sein, stelle ich mir vor. Es ist wohl das Schwerste was einer Mutter überhaupt geschehen kann. Dass sie miterleben muss, wie das eigene Kind auf sein Ende zugeht. Sie ist dabei, wie Jesus verhaftet wird, man macht ihm dem Prozess und richtet ihn öffentlich hin. Wie einen Verbrecher. Und Maria kann als Mutter nur in der Nähe sein und muss doch hilflos zuschauen. Wie er seinen Weg geht. Sie kann nicht wirklich helfen, sie kann weder aufhalten was passiert, noch kann sie ihren Sohn aufhalten. Jesus hat sich noch nie von ihr vorschreiben lassen, was er tun soll.
Drei Jahre zuvor, als er anfing öffentlich aufzutreten, da hat sie es versucht ihn zurück zu holen, nach Hause in die Familie. Aber da hat ihr Sohn sie auflaufen lassen. „Meine Familie sind die, die zu meinem Vater im Himmel gehören,“ hat er gesagt. „Dieses Dorf ist nicht mehr meine Welt.“
Sie war kurz davor, ihn abzuschreiben. Aber kann man das, als Mutter? Selbst wenn man das eigene Kind nicht mehr versteht. Nach und nach hat sie ihn dann wohl verstanden und akzeptiert, dass er seiner Berufung folgt, seinen Weg geht. Sie hat gesehen, dass er es gut macht. Den Menschen hilft. Ihnen ihr Rückgrat wieder gibt. Einen Sinn im Leben. Zuletzt hat Maria ihn unterstützt wie sie nur konnte.
Aber dann diese letzten Tage. Nur noch bergab. Immer schneller. Hat Jesus die Gefahr etwa ganz bewusst gesucht? Musste er in die Höhle des Löwen, nach Jerusalem? Musste das sein, dass er die Händler im Tempel so provoziert, ihre Stände umschmeißt und sie beschimpft, weil sie für Geld ihre Seele verkaufen und die der Menschen dazu. Musste das sein?
Aber seine Mutter bleibt in seiner Nähe. Auch als es fast nicht mehr zum Aushalten ist. Vor diesem Pilatus, als sie ihn gefoltert haben. So nah es geht, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Das ist das Beste, was sie tun kann. Dasein, aushalten, den Sohn spüren lassen, dass sie zu ihm hält. Sie verrät ihn nicht, sie verleugnet ihn nicht, sie kehrt ihm nicht den Rücken zu. Eine tapfere Frau.
So stelle ich mir vor, dass es Maria gegangen ist mit ihrem Sohn. Und wie vielen Müttern und auch Vätern nach ihr ging es ähnlich. Man möchte sie in den Arm nehmen und zu ihr sagen: Denk dran, Dein Sohn hat auch noch einen Vater. Nicht den leiblichen, der tot. Aber der Vater im Himmel, der ist da. Und vielleicht ist das für uns nach „bergab“ aussieht, ja in Wirklichkeit ein Weg „bergauf“. „Himmelauf“ gewissermaßen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3323
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