Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Du sollst deine Schwächen lieben wie dich selbst.“ Das steht auf einem Zettel, der in meiner Gebetsecke liegt. Ein Satz, über den ich zunächst die Stirn gerunzelt habe.
Klar: Er ist dem christlichen Hauptgebot nachgebildet: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt 22, 39; Mk 12, 31). Diese Weisung Gottes setzt als selbstverständlich voraus, dass ich mich selbst mag: So, wie ich es gut mit mir selbst meine, so soll ich auch gut zum Anderen sein. So, wie ich mich selbst lieb habe, so soll ich auch den Mitmenschen in Liebe begegnen. So weit, so gut.
Aber die eigenen Schwächen lieben wie sich selbst? Meine Fehler und Macken gern haben? Keine leichte Übung. Ich mag sie nämlich überhaupt nicht. Sie sind mir lästig. Sorgen für Enttäuschung, für Ärger – bei mir und bei anderen. Am liebsten wäre ich sie los.
Aber wie? Gute Vorsätze nützen da nicht allzu viel. Wie kann ich wirksam gegen meine Schwächen angehen?
Ganz einfach: Indem ich nicht gegen sie angehe. Indem ich sie annehme. Sie gehören schließlich zu mir, sind ein Stück von mir selbst. Meine Schwächen verlieren dann ihre Macht über mich, wenn ich ihnen ins Auge sehe, wenn ich sie akzeptiere. Ja, es sind meine wunden Punkte. Erst, wenn ich meine Schwächen annehme, erst dann sage ich „Ja“ zu mir - zu mir, so wie ich nun mal bin. Das ist nicht so einfach. Aber ich glaube, dass Gott immer „Ja“ zu mir sagt, zu mir auch mit all meinen unguten Seiten. Seine Liebe ist nicht an irgendwelche Bedingungen geknüpft. Ich kann sein und leben, wie ich will – er lässt mich nicht fallen. Im Gegenteil: Wenn ich mir mit mir selbst schwer tue, dann liege ich ihm besonders am Herzen. Gott tut alles, dass jeder Mensch voll und ganz „Ja“ zu sich selbst sagen kann.
„Du sollst deine Schwächen lieben wie dich selbst.“ Ein Impuls, der uns zu innerem Wachsen und Reifen führt. Wer seine Schwächen annimmt, der kann besser damit umgehen; er gewinnt Abstand zu ihnen. Und dann können sich die Macken und Fehler auch wandeln. Mit Gottes Hilfe.

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