Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

18OKT2020
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Ich starte morgens gerne in den Tag mit einem Gebet. Das muss gar nichts Langes und Vorgefertigtes sein. Beten ist manchmal nur ein Seufzen, das sagt schon die Bibel. Ach, danke, lieber Gott! sag ich zum Beispiel. Danke, dass ich gesund aufgewacht bin. Und in einem warmen Bett schlafen durfte. Und danke, dass ich gleich einen Kaffee trinken darf. Oder auch: Bitte, lieber Gott, lass heute dies oder jenes gut klappen. Und lass mich diesen oder jenen Menschen treffen, der mir gerade guttut. Begegnungen: Die sind ja oft das Schönste am Tag. Und so wird aus meinem kleinen Morgengebet auch ein kleiner Tagesvorblick. Was wird’s heute so geben, was steht an? Wenn ich Gott zu diesem Tag dazu bitte, komm ich leichter aus dem Bett. 

Genauso wie mir am Abend auch der Tagesrückblick mit Gott guttut. Was war heute los? Lieber Gott, dieses oder jenes ist schiefgegangen. Aber wie gut, dass trotzdem doch so einiges gut gelaufen ist. Und wie schön, dass ich heute wirklich diesen oder jenen Menschen getroffen habe. 

Jetzt im Herbst 2020 kann so ein Abendgebet oder Tagesrückblick sogar noch eine ganz neue Bedeutung bekommen. Eine Virologische sozusagen. Professor Drosten, den viele schätzen und manche auch gar nicht, hat etwas empfohlen: ein Kontakttagebuch. Ich soll mich abends erinnern: Wen hab ich getroffen? Und das dann notieren. Damit, wenn wirklich das Gesundheitsamt anklopfen sollte, ich schnell Auskunft geben kann und das Gesundheitsamt nicht ewig recherchieren muss zu Kontaktpersonen, Clustern und so weiter. Der Vorschlag hat viel Kritik bekommen. Aber ich find die Idee gut. Sie kann helfen, dieses schreckliche Virus einzudämmen. Und für mich hat sie eben auch diese Bedeutung von Tagesrückblick und Abendgebet. 

Ich hab mir kein eigenes Tagebuch angelegt dafür. Aber ich schreib jetzt noch genauer in meinem Kalender hinein: Mit wem war ich wo Mittagessen? War ich einkaufen, hab ich Freunde getroffen? Mancher Name bekommt ein Ausrufezeichen in meinem Kalender. Nicht, weil dieser Mensch virentechnisch besonders gefährlich gewesen wäre. Sondern: weil es einfach schön war, ihm zu begegnen.

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