SWR2 Wort zum Tag

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29OKT2020
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Ich hatte vor Kurzem einen hitzigen Abend mit einem Freund. Er ist sehr kritisch gegenüber dem Umgang mit der Corona – Pandemie eingestellt und auch auf den Demonstrationen gewesen. Er bezeichnet sich als Andersdenkender.

Wir haben über all diese Themen diskutiert, die gerade immer wieder hochkochen. Es hat bis in die Morgenstunden gedauert und ist teilweise sehr heftig geworden. Wir sind dann im Streit auseinander gegangen. Er nannte mich ein dummes Herdentier und einen Mitläufer, ich ihn einen sturen verblendeten Bock. 

Es ist also kein erfreulicher Abend gewesen. Und am nächsten Tag habe ich mich auch recht mies gefühlt. Vieles was ich gesagt habe, hat mir leid getan. Und das kann ich dann nicht so stehen lassen. Das hat damit zu tun, wie ich mir einen anständigen Umgang miteinander vorstelle. Und außerdem sind wir doch Freunde. 

Gerade als ich ihn anrufen wollte, hat das Telefon geklingelt. Er ist dran gewesen und wir haben uns nochmal verabredet. Diesmal sind wir miteinander spazieren gegangen. Das war um die Zeit, als Bayern München das Champions League Finale gewonnen hat. Darüber haben wir gesprochen, über das Spiel, die einzelnen Spieler und wir haben uns ähnlich rein gesteigert wie am Abend zuvor. Nur friedlicher. Über Corona oder Politik haben wir nicht mehr gesprochen, dafür noch ein paar alte Erinnerungen wachgerufen, uns gegenseitig erzählt, was wir gemeinsam erlebt haben. Wir sind friedlich auseinander gegangen. 

Später habe ich dann darüber nachgedacht. Ist das Treffen nur so harmonisch verlaufen, weil wir die schwierigen Themen des Vortages ausgespart haben? War das feige, habe ich meine Überzeugungen geopfert nur um des lieben Friedens willen? 

Das kann gut sein. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Natürlich werden wir wieder über Politik diskutieren. Wir werden uns wahrscheinlich auch wieder streiten. Aber es hat gut getan mit ihm über Fußball zu reden. Mag sein, dass das banal ist. Aber es hat uns gezeigt, dass wir uns noch begegnen können, dass es, auch wenn wir bei einem Thema völlig anderer Ansicht sind, noch andere Bereiche gibt, in denen wir zusammenkommen können. Und das ist, glaube ich, auch das, was ich in meinen Mitmenschen suchen sollte: Eine Brücke zueinander. Damit, auch im Streit, nicht alle Wege zueinander abgeschnitten sind. Dieser Weg zueinander ist die Voraussetzung für die gottgewollte Nächstenliebe. Auch wenn es auf diesem Weg manchmal nur um Fußball geht.

Ab und zu ist es eben doch ein Fußballgott.

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