SWR2 Wort zum Tag

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30SEP2020
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Assisi in der Mittagshitze. Bei 36 Grad sitze ich mit einem leckeren italienischen Eis unter einem Baum vor der Eisdiele. Plötzlich tauchen zwei Kinder auf, reden kurz mit der Eis-Verkäuferin, bekommen ein Eis ohne zu bezahlen und ziehen total happy wieder ab. Dann holt sich die Verkäuferin offenbar das Eisgeld aus einer Sammeldose und legt es in die Kasse. 

Ich bin neugierig geworden und habe ein bisschen recherchiert. Die Aktion gibt es seit vier Jahren und heißt „Gelato sospeso“, übersetzt heißt das in etwa „aufgeschobenes Eis“. Es funktioniert genau so, wie ich es beobachtet habe: Wer beim Eiskaufen noch etwas Geld übrig hat gibt es in die Sammeldose. Und wenn bedürftige Kinder vorbeikommen und genug Geld in der Dose ist, dann gibt’s ein gratis Eis, weil ja bereits bezahlt wurde. 

Inzwischen habe ich erfahren, dass es auch den caffè sospeso gibt – das ist die Variante für Erwachsene, und in Neapel gibt´s das schon seit über 100 Jahren. Oder auch die Aktion „Brot am Haken“. Da machen vor allem Bäckereien in Hamburg, Berlin und München mit. Man kauft ein Brot mehr als man braucht, und die Verkäuferin hängt es hinter sich an ein Brett mit Haken, bis jemand kommt, der es gerne haben möchte. Sogar in Friseurläden gibt es mittlerweile den spendierten Haarschnitt für Menschen, die sich´s einfach nicht leisten können. 

Eigentlich ist das eine uralte Idee. Die ersten Christen haben sich sonntags in ihren Häusern getroffen. Jeder hat mitgebracht, was er zu Hause hatte. Die einen mehr, die anderen weniger, manche gar nichts. Man hat sich mit diesem gemeinsamen Essen eigentlich an Jesus und das letzte Abendmahl erinnert. Aber die ersten Christen wollten damit auch deutlich machen, dass Jesus immer für diejenigen da war, die nichts hatten, oder die niemand mochte. Und dass sie es genauso machen wollen. 

Ich finde, die Aktionen vom aufgeschobenen Eis, Kaffee, Brot oder Haarschnitt gehen genau in die richtige Richtung, weil die Schere zwischen den Bedürftigen und denjenigen die genug haben, immer weiter auseinanderdriftet. Da braucht es einfach Solidarität, den Gedanken, etwas abzugeben, wenn ich genug habe. Und das zaubert ab und zu ein Lächeln auf Gesichter, die sonst vielleicht weniger zu lachen haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31680
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