SWR2 Wort zum Tag

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29SEP2020
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Bei mir hat die Redakteurin einer Kosmetikzeitschrift angerufen. Sie wollte ein Interview mit mir machen. Ich habe mich gewundert: Was möchte denn eine Kosmetikzeitschrift von einem Seelsorger wissen? 

Die Antwort hat plausibel geklungen. Kosmetikerinnen sitzen oft sehr lange und allein mit Kundinnen oder Kunden zusammen. Und da geht nicht nur die Arbeit unter die Haut, sondern oft auch die Gespräche. In diesem Sinne sind Kosmetikerinnen auch als Seelsorgerinnen gefragt. Zum Beispiel wenn sie über gescheiterte Beziehungen sprechen, über gesundheitliche Probleme oder über das Verhältnis zu den Kindern oder Eltern. 

Als erstes wollte die Redakteurin von mir wissen, was ein gutes Gespräch ausmacht. Puh, das ist ein weites Feld. Aber dann ist mir zum Glück Carl Rogers eingefallen. Er war ein amerikanischer Gesprächstherapeut und hat ganz viel Schlaues herausgefunden und selbst in seiner Praxis ausprobiert. Er hält drei Punkte für ganz wichtig, damit ein Gespräch gelingen kann. 

Als erstes sollte ich den, der mit mir redet, wertschätzen, ihn so nehmen wie er ist. Ihn nicht verbessern wollen oder eine vorgefasste Meinung von ihm haben. Mein Gegenüber ist so wie er ist, und das hat seine Gründe, und es muss mir nicht gefallen. Aber ich sollte es akzeptieren, wenn aus dem Gespräch was werden soll. 

Der nächste wichtige Punkt ist, dass ich mitfühle. Carl Rogers hat es „empathisch sein“ genannt. Also sich in den anderen hineinversetzen und die Welt mit dessen Augen sehen. Wer vorschnelle Tipps und Ratschläge gibt, hat dem Gegenüber meistens zu wenig Zeit gelassen und ihn möglicherweise nicht verstanden. Die Lösung liegt immer bei dem, der mit mir spricht. Ich sollte ihm dabei helfen, sie zu entdecken. Das kann ich zum Beispiel tun, indem ich das, was er sagt, mit eigenen Worten wiederhole, also so etwas wie ein Spiegel für ihn bin. 

Und schließlich sollte ich – damit ein Gespräch gut wird - echt sein. Also so, wie ich eben bin. Ohne mich hinter einer Rolle oder hinter Worthülsen zu verstecken, mit meinen Gefühlen nicht hinterm Berg halten, alles sagen und rauslassen, was mich bewegt. 

Diese drei Dinge – wertschätzen, mitfühlen und echt sein – das sind Schlüssel zu guten und tiefgründigen Gesprächen. Und das nicht nur für Kosmetikerinnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31679
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