SWR2 Wort zum Tag

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12SEP2020
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Ich liebe den Begriff „Schlüsselkompetenz“. Weil er zwei Worte, die für sich genommen wenig miteinander zu tun haben, in einen neuen Zusammenhang bringt. Und die daraus resultierende Bedeutung ist durchaus wörtlich zu nehmen: es geht darum, Kenntnisse oder Fähigkeiten zu haben oder zu erlernen, die neue Türen ins Leben aufschließen.

Schlüsselkompetenzen prägen unser Bildungs- und Ausbildungswesen. Die Schüler sollen nicht nur Fachwissen erwerben. Sie sollen auch dazu befähigt werden, sich persönlich weiter zu entwickeln, verantwortlich handeln und sich sozial angemessen verhalten zu können. Man lernt schließlich für das Leben. Hat ein Lehrer oft zu mir gesagt.

Nun stellt sich mir manchmal im Leben die Frage nach Gott. Und ich frage mich, welche Schlüsselkompetenzen, Kenntnisse, Fähigkeiten können mir die Dimension des Glaubens erschließen? Gar die Tür zu Gottes Raum, mitten hinein ins Himmelreich, zu öffnen?

Jesus hat darauf eine überraschende Antwort, wie ich finde. Er sagt: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen (Mk 10,15). Es geht gar nicht darum, dass ich selbst diese Türe öffnen muss. Auch nicht um einen bestimmten Lehrplan, den es braucht. Und auch nicht um die Lehrer, die nötig wären, diesen zu vermitteln. Sondern darum, das Kind in mir wieder zu entdecken.

Jesus sieht offensichtlich bei Kindern Schlüsselkompetenzen für den Glauben, die wir Erwachsenen zu wenig oder gar nicht mehr haben, weil sie im Lauf des Lebens nicht weiter ausgebildet oder gar verloren gegangen sind.

Ich vermute, Jesus denkt dabei an genau jene Schlüsselkompetenzen, welche das Kindsein ausmachen: großes Vertrauen, Empathie und Mitgefühl, starke Neugier, Wachheit aller Sinne, auch klein und schwach sein, Freude an den kleinen Dingen, Offenheit und Vorurteilslosigkeit, Friedfertigkeit, Staunen über die Wunder dieser Welt. All das ist doch so wichtig in einer zunehmend rücksichtslosen und abgestumpften Welt.

Im Zusammensein mit Kindern kann ich als Erwachsener von ihnen lernen. Beim gemeinsamen Spiel, beim Geschichten erzählen, wenn wir uns einander an der Hand halten, zusammen lachen, singen, spielen und tanzen.

Vielleicht macht sich dann sogar ein leises Gefühl von Gesegnetsein im Herzen breit. Verbunden mit dem Bewusstsein, wie schön es ist, im Glauben keinen Lehrplan haben zu müssen, sondern wie ein Kind einfach nur empfangen zu dürfen. Welch eine wundervolle Schlüsselkompetenz!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31566
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