SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

11SEP2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Endlich habe ich es geschafft. Ich habe ein Wochenende ohne Handy gelebt. Es mir nicht nur vorgenommen und geplant. Sondern auch durchgezogen. Als kleine Fastenübung. Das Handy einfach einmal nicht mehr zur Hand nehmen.

Das ist schon ein eigenartiges Gefühl. Denn es gibt 1000 Dinge, die ich mit dem Handy erledige: z.B. Zeitung lesen, fotografieren, Musik hören, Videos schauen, Mails beantworten, Termine eintragen. All das bestimmt meinen Alltag, meine Zeit. Meine Lebenszeit!

Allerdings stelle ich fest: Nicht nur im Guten, sondern auch im Schlechten. Weil ich viel zu oft z.B. abends noch in meine Mails schaue, obwohl ich eigentlich Feierabend habe. Oder weil ich zwischendurch einen Zeitungsartikel lese, anstatt mich auf meine Arbeit am Schreibtisch zu konzentrieren.

Kurzum, zu oft schenke ich dem Handy meine Aufmerksamkeit und nicht dem, was gerade dran ist. Deswegen habe ich am Wochenende das Handy in die Schublade gelegt. Um Ruhe zu haben.

Ein großer Weisheitstext der Bibel bringt es auf den Punkt: Alles hat seine Zeit, geboren werden und sterben, bauen und zerstören, pflanzen und ausreißen, bauen und abbrechen, weinen und lachen, lieben und hassen, suchen und verlieren, […] alles hat seine Zeit (Pred 3,1 ff).

In kleinen lyrischen Sentenzen bringt er dichterisch zum Ausdruck, worum es geht. Um die Kunst, allem im Leben seine Zeit zu gewähren. Die Frage nach dem „wie lange“ ist dabei nicht der Rede wert. Wie leer kann ein ganzer Tag sein und wie erfüllt nur wenige Augenblicke. Bei einer Begegnung, beim Lesen eines schönen Gedichts, im Hören guter Musik. Eben ohne den kurzen Blick auf das Handy zwischendurch.

Auch das Schwierige im Leben hat und braucht seine Zeit: das Gefordertsein im Beruf. Die Sorge um die Kinder. Kranksein. Alleinsein. Streit haben. Aber über einer schweren Zeit des Leids, des Zweifels und der Not steht auch der Trost, dass dies einmal ein Ende haben wird. Alles hat seine Zeit.

Meine Handy-Auszeit hat mich zu grundlegenden Fragestellungen geführt: Wie verbringe ich meine Zeit? Was ist gefüllte, geschenkte, gesegnete Zeit in meinem Leben? Und wie viel Zeit nehme ich mir dafür?

In diesem Sinn hat es mir gut getan, dem Handy am Wochenende mal so richtig eine Auszeit zu verordnen. Das hat mir Zeit geschenkt. Für mich. Für meine Familie. Und ich habe es genossen, Herr meiner Zeit gewesen zu sein!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31565
weiterlesen...