Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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03AUG2020
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Rituale braucht der Mensch. Wenn jetzt der Tag beginnt, dann machen wir es, wie wir es immer machen.

Im Bad, in der Küche, anziehen, frühstücken, verabschieden, wir kennen den Weg und die Art und Weise. Das ist alles Ritual. Das möchten wir am liebsten jeden Tag so haben. So wie gestern  und immer und überhaupt.

Rituale regeln das Leben. Wir brauchen nicht jeden Morgen neu zu erfinden, wie das geht. Es geht wie von allein. Weil es wie immer ist. Meistens jedenfalls. Manchmal vergessen wir auch mal was. Ich jedenfalls. Und dann kommt leicht alles durcheinander.

Bei uns zuhause war es lange üblich, dass ich die Kinder am Morgen vor der Schule beim Abschied gesegnet habe.

Natürlich nicht nach dem Motto:
„Jetzt geh mit Gott, aber geh!“
sondern eher:
„Sei behütet! Du kannst das! Du bist geborgen! Gott begleitet Dich“

Die ganze Grundschulzeit über haben wir das so gemacht. Der Segen als Abschiedsritual. An einen Morgen erinnere ich mich, ein Montag, wo alles etwas schwerer geht als sonst, da hat es plötzlich geklingelt, kurz nachdem unsere Tochter weggegangen war.

Ich bin an die Gegensprechanlage, wir wohnten damals im 1. Obergeschoss, und da hörte ich ihre aufgeregte Stimme sagen: „Papa, wir haben den Segen vergessen!“

Ich stürmte sofort durchs Treppenhaus hinunter an die Haustür, wo das Kind einigermaßen aufgeregt stand. Sie hat auf den vergessenen Segen gewartet. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe, außer Kuss und Schluss. Sie allerdings hörte ich sagen:
„Heut komm ich zu spät!“ „Macht nichts!“ hab ich ihr hinterher gerufen. „Zu spät aber dafür mit Segen!“

Da hat sie sich noch einmal umgedreht, mit strahlendem Kindergesicht und hat zurück gewinkt. Und schon hatte ich den Segen auch. Wenn einen ein geliebter Mensch so anstrahlt –Ist das nicht ein Segen? Der ganze Montag war gerettet.

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