Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

05JUL2020
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Einer trage des Anderen Last, so werdet Ihr das Gesetz Christi erfüllen. Dieser Spruch wird in den evangelischen Gottesdiensten heute gelesen. Er ist das Motto für diese Woche. Dieser Spruch hat eine neue Fülle bekommen durch die Erfahrungen der letzten Monate. Manche waren gezwungen, mehr Lasten zu tragen als sonst. Die Last einer aufgeschobenen Behandlung. Die Last eines höheren gesundheitlichen Risikos als sonst. Die Last von riesiger politischer oder ethischer Verantwortung. Für viele auch die Last von Einsamkeit oder totaler Einschränkung. Oder die Last, Einsätze fahren zu müssen, an der Kasse zu sitzen, mehr oder anders zu arbeiten als sonst. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, so sagt man. Aber was ist, wenn das Päckchen auf einmal zum Riesenpacken wird und man fast zusammenbricht?

Wenn man sich das Bein bricht, braucht es eine Gehhilfe. Wenn die Last zu schwer wird, braucht es Entlastung. Und dafür gibt es Beispiele: Wir können einander die Lasten tragen helfen und sind sogar dazu berufen. So verstehe ich das Wort vom „Gesetz Christi“. Dieses Gesetz ist nicht etwas, was mich knebeln soll oder einengen. Aber es soll helfen zu einem guten Miteinander. Damit ich nicht nur mich sehe. Jesus geht über alle Gesetze hinaus. Er sagt: Liebt einander! So wie er es uns vorgemacht hat. Und da ist so viel mehr möglich, als ich oft denke. Phantasie ist gefragt, Geduld und Hoffnung. Und Nächstenliebe. Vor Menschen im Altersheim im Hof Musik zu machen, damit sie in ihrer Einsamkeit eine schöne Ablenkung haben. Einem Nachbarn, den ich kaum kenne, auch jetzt manchmal Einkäufe bringen. Endlich den Kontakt wieder aufnehmen zu einer alten Bekannten, weil ich weiß: die hat auch Sorgen in dieser Zeit.

Meine Erfahrung ist: Wenn ich jemandem die Last tragen helfe, passiert etwas Unglaubliches: Ich breche nicht zusammen unter der doppelten Last, sondern mir wird leichter. Weil ich etwas Sinnvolles tue und weil ich merke: mit meinen Sorgen bin ich nicht allein. Wir sind gemeinsam unterwegs. Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Ein Virus hat einen langen Atem. Aber wie gut ist es, dass die Liebe einen viel längeren Atem hat!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31179
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