SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

26JUN2020
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Die Oberschwaben haben einen schöneren Himmel als die Stuttgarter. Das habe ich als Kind und Jugendliche jedes Jahr von Neuem gedacht. Wenn ich im Sommer die Ferien an den Seen zwischen Ravensburg und Bodensee verbracht habe. Der Blick in den schwarzen Nachthimmel war überwältigend. Ich konnte mich gar nie sattsehen an den unzähligen Sternen. So einen Himmel habe ich von zuhause nicht gekannt.

Jedes Jahr verlieren wir ein Stück dieses Himmels. An immer weniger Stellen gibt es noch eine echte, richtige Dunkelheit. Mittlerweile leben 80 Prozent der Menschen weltweit unter einem künstlich aufgehellten Himmel. Diese künstliche Beleuchtung wird Lichtverschmutzung genannt.
Man könnte sagen – na und! Dann sehen wir halt weniger Sterne. Aber es geht dabei um viel mehr: Wo Sterne wegen zu viel künstlichen Lichts nicht mehr zu sehen sind, ist unser Ökosystem in Gefahr; denn: über die Hälfte aller Lebewesen ist nachtaktiv! Schmetterlinge lassen sich vom nächtlichen Licht irritieren, es hält sie vom Bestäuben ab. Zugvögel verlieren die Orientierung, denn normalerweise nutzen sie das Licht der Himmelskörper um zu navigieren. Und wir Menschen? Unsere innere Uhr gerät aus dem Takt. Das Schlafhormon Melatonin wird verzögert ausgeschüttet; da reicht es schon aus, wenn wir kurz vor dem zu Bett gehen noch vor dem Computer oder dem Fernsehbildschirm sitzen. Über Schlafstörungen müssen wir uns dann nicht wundern.
Wir bringen uns um unseren Himmel! Doch das geht auch anders, denn Lichtverschmutzung ist kein Naturgesetz. Sie ist menschengemacht. Und dass eine Veränderung möglich ist, das beweist uns, mal wieder, Corona. Es gibt Messungen, die zeigen, dass die Lichtverschmutzung in manchen Städten während der vergangenen Monate deutlich zurückgegangen ist. Weniger Geschäftigkeit; weniger Menschen waren unterwegs, das war sicher ein Grund dafür. Viele wichtige Fragen sind noch nicht beantwortet, auch diese: Muss jedes Rathaus und jeder Kirchturm nachts beleuchtet sein?

Was wir aber sehen, wenn der Himmel in einem guten Zustand ist, das können wir zum Glück auch in Deutschland noch erleben. Hier gibt es sechs große Lichtschutzregionen. Sie heißen Sternenparks. Zu finden sind sie auf der Schwäbischen Alb, im Nationalpark Eifel, im bayerischen Reit im Winkl, im Harz, in der Rhön und im Westhavelland. Vielleicht ein lohnendes Ziel für den Sommerurlaub zuhause. Und den sollten wir am besten nicht mit Solarlampen im Garten flankieren. So umweltfreundlich diese Lichtquelle auch ist – wenn wir ins Bett gehen, brennen die Lampen weiter. Ich habe deshalb unsere guten alten Weckgläser wieder aus dem Keller geholt und große Kerzen hineingestellt. Die kann ich auspusten, wenn die letzten Gäste gegangen sind. Dann kann ich den Garten für ein paar Stunden sich selbst überlassen, ganz ohne Störung. Und wir wahren damit vielleicht die kleine Chance, uns den Himmel wieder zurückzuholen.

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