Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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27JUN2020
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Worte, schon x-mal gehört und auf einmal rühren sie einen an. Kennen Sie das?

Mir ist es neulich mit einem Kirchenlied so gegangen: „Wer nur den lieben Gott lässt walten…“. Ein älterer Herr hat es gesungen, stellvertretend für die Gemeinde, weil wir ja wegen Corona nicht singen durften.

Ich saß da mit all den trüben Gedanken, die man in dieser Zeit haben kann. Wie lange ich liebe Freunde schon nicht mehr gesehen habe. Wie es wohl den Enkeln geht, die immer zu Hause bleiben müssen. Dass ich nicht mal meinen Geburtstag würde feiern können.

Und da höre ich den Mann im Gottesdienst singen: „Was helfen uns die schweren Sorgen, was hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach? Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit“. Die Worte sind mehr als 350 Jahre alt. Aber es braucht keine Erklärung, um sie zu verstehen. „Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit“. Ja, genau das ist es, hab ich gedacht. Je mehr man sich selber leidtut, desto höher wird der Berg aus Kummer und Sorgen.

Man braucht keine lange Predigt, um zu verstehen, was Georg Neumark kurz nach dem 30jährigen Krieg gedichtet hat. In den Kriegswirren konnte er sich nur mühsam als Hauslehrer in Kiel über Wasser halten. Aber nach dem Krieg gelang es ihm, seine musikalische und literarische Begabung zu entfalten und er wurde schon zu seiner Zeit ein angesehener Mann. Kein Wunder, dass er in seinem bekanntesten Lied gedichtet hat: „Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn alle Zeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit. Wer Gott, dem Allerhöchsten traut, der hat auf keinen Sand gebaut.“

Es dauert. Man muss Geduld haben. Man muss manches aushalten und durchstehen. Aber Gott begleitet die, die auf ihn vertrauen. Er hilft und stützt, wenn das Leben schwierig wird.

Georg Neumark hat genau das erfahren. Und deshalb rät er allen, die schwere Zeiten erleben: „Sing, bet‘ und geh auf Gottes Wegen, verricht‘ das Deine nur getreu und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu. Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht“.

Der alte Herr, der das Lied im Gottesdienst so schlicht und doch irgendwie kraftvoll gesungen hat, der sah so aus, als ob er schon manches erlebt hätte in seinem Leben. Und als ob dieses Lied ihn wieder aufgerichtet hätte. Genauso bin ich dann auch nach Hause gegangen: Aufgerichtet.

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