SWR4 Sonntagsgedanken

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07JUN2020
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Ein Freund von mir ist Pfarrer und oft in Dienstkleidung unterwegs – also mit Priesterkragen. Er wird dann als Geistlicher erkannt und angesprochen. Ein Verkäufer in einer Dönerbude zum Beispiel hat das getan und gleich das schwierigste Thema angerissen: „Wie ist das eigentlich bei euch Katholiken mit der Dreifaltigkeit?“ Für ihn als Muslim ist klar. Gott ist einer. Da ist kein Platz für einen zweiten oder dritten Gott. Wie können Christen an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist glauben? Aber nicht nur Muslime fragen das. Auch Christen selber tun sich oft schwer damit: Die Dreifaltigkeit Gottes zu erklären, beschäftigt sie schon seit es das Christentum gibt.

Der Apostel Paulus war der erste, der Gott sozusagen „aufgedröselt“ hat. Er segnet die Gemeinde in Korinth im Namen des dreifaltigen Gottes (2 Kor 13,13). Das hat Kreise gezogen. 300 Jahre und viele Beratungen später, haben Theologen dann ein Glaubensbekenntnis geschrieben, das die Christen bis heute beten. Im 4. Jahrhundert haben sie festgelegt: Gott ist einer. Er hat ein einziges Wesen, kommt aber in drei Personen vor. Alle drei sind eins, stehen gleichwertig nebeneinander und doch unterscheiden sie sich.

Mir hilft das ehrlich gesagt nicht viel weiter. Und ich glaube, den Theologen damals ging es ähnlich. Sie haben sich viele schlaue Gedanken gemacht, um dem Geheimnis Gottes auf die Spur zu kommen. Aber am Ende haben sie doch Bilder gebraucht, um zu erklären, was sie meinen. Der Kirchenvater Tertullian zum Beispiel hat den dreifaltigen Gott mit einem Baum verglichen, der drei Teile hat: Wurzeln, Stamm und Zweige. Der heilige Patrick hat ein Kleeblatt als Bild benutzt: es ist eins, hat aber drei Blätter.

Ich mag Bilder. Sie sind offen und lassen Spielraum. Ich erahne, wer oder was dieser Gott ist. Nur leider ist keines dieser Bilder perfekt. Ein Kleeblatt hat drei Blättchen. Nur sehen die im Grunde gleich aus. Gott Vater, Sohn und Geist unterscheiden sich aber.

Mir persönlich gefällt deshalb ein anderes Bild ganz gut: Wasser. Wasser kann verschiedene Formen haben:
Gefroren ist es fest und tragfähig – so wie Gott für mich der Grund ist, der mich trägt. Eis ist zwar rutschig, aber das passt schon: ich glaube nämlich, dass Gott dafür sorgt, dass alles „flutscht“ und dass die Welt sich dreht.
Wasser kann auch flüssig sein und Menschen erfrischen – so wie Jesus Menschen lebendig gemacht, sie gestärkt und ermutigt hat.
Und schließlich kommt Wasser auch als Dampf vor. Dampf treibt an – Turbinen zum Beispiel. Gottes Geist hat Kraft, gibt Energie und bewegt Menschen. Auch das passt für mich ganz gut ins Bild.

Die Dreifaltigkeit entfalten

Die Christen haben einen einzigen Gott. Und doch verehren sie Vater, Sohn und Geist. In meinen Gedanken zum Dreifaltigkeitssonntag habe ich eben gesagt, dass das echt schwer zu verstehen ist. Für mich sind die drei Personen so etwas wie drei Seiten von Gott, die für sich stehen, aber doch zusammengehören. Wie bei einem Taschentuch: Wenn ich es öffne, wird es Lage für Lage größer. So ist es auch mit Gott: Wenn ich die Dreifaltigkeit ent-falte, entdecke ich ihre verschiedenen Seiten.

Da ist zum einen Gott-Vater. Aus der Sicht eines Kindes kann ein Vater alles, er weiß alles und ist für seine Kinder da. Genau das erleben die Israeliten zur Zeit der Bibel. Sie staunen darüber, dass es die Welt gibt und dass sie so schön und wohlgeordnet ist. Darüber schreiben sie sogar ein Lied: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Sie erklären damit nicht, wie die Welt entstanden ist. Sie drücken nur aus, worüber auch ich staune: Irgendwann muss aus Nichts etwas geworden sein – ein allererstes Sandkorn zum Beispiel. Aber wie? Das ist für mich nur erklärbar, wenn es einen Schöpfer gibt, eine Art Vater, der das einfach wollte und konnte: Gott. Und die Israeliten erleben diesen Vater-Gott. Er ist einer, der für sie sorgt: er führt sie zum Beispiel ins gelobte Land. Deshalb sprechen sie ihn auch mit „Jahwe“ an. Das heißt: Ich bin da – für euch. Und dieser Gott ist auch für mich da: er weiß, was er mir zumuten und zutrauen kann, mit ihm kann ich mich freuen und bei ihm kann ich traurig sein. Ich kann diesem Vater alles sagen; zu ihm kann ich beten.

Dieser Vater hat dann ein konkretes Gesicht bekommen: in Jesus, seinem Sohn. Jesus macht Gott für mich so richtig greifbar. Zwar verstehe ich nicht genau, wie Gott Mensch geworden ist. Aber das muss ich auch nicht. Ich weiß, dass Jesus eine unglaublich tiefe Beziehung zum Vater gehabt hat – wie wenn zwei Menschen ein Herz und eine Seele sind; nur noch viel stärker. Menschen werden sich ähnlich, wenn sie sich voll und ganz aufeinander einlassen. Bei Jesus und Gott ist das so stark, dass die Bibel sagt: sie sind eins. Wer den Sohn sieht, sieht den Vater. In Jesus kann ich Gott also anfassen. Und der steht Menschen bei, tröstet sie und verurteilt auch die nicht, die Mist gebaut haben. Daran kann ich mir ein Beispiel nehmen, wenn es darum geht, selber was zu tun. Aber Jesus ist für mich noch mehr als ein Vorbild: er macht selber vieles durch und stirbt dann am Kreuz. Aber der Vater schenkt ihm neues Leben. Das verändert alles, denn Jesus sagt: Gott wird auch für mich da sein, wenn ich mal sterbe. Und daran glaube ich.

Der Heilige Geist schließlich ist für mich die Brücke, die Gott und Jesus verbindet. Aber er ist auch für mich heute die Brücke, um an Gott anzudocken. Der Geist Gottes bewegt mich – so wie Jesus damals. Wenn ich mich für Gott öffne, mich auf seinen Geist einlasse, dann tut sich etwas bei mir. Ich muss dann einfach anpacken, wenn jemand meine Hilfe braucht. Ich muss ihm zuhören, wenn er etwas loswerden will. Der Heilige Geist lässt mich für Dinge brennen und er lässt mir keine Ruhe, wenn Dinge nicht im Reinen sind.

Ein Gott in drei Personen. Das ist echt schwer zu verstehen. Aber ich bin froh, dass wir Christen die Dreifaltigkeit haben. Denn sie lässt sich so wunderbar ent-falten! Dadurch kann ich das Wesen Gottes wenigstens einigermaßen greifen und immer wieder neue Seiten an ihm entdecken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31071
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