Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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09JUN2020
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Es gibt ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. So hat das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr entschieden: Es wird nun erlaubt, dass Menschen einem anderen dabei helfen, sein Leben zu beenden. Das Bild, das vermutlich viele vor Augen haben, ist der schwerkranke Mensch, der hilflos im Bett liegt und gerne sterben möchte. Künftig ist es zulässig, dass jemand ihm ein Medikament besorgt, damit er zu einem selbst gewählten Zeitpunkt sterben kann. Mich stört allerdings, dass das Gericht nicht nur von todkranken Menschen spricht, sondern von Menschen grundsätzlich. Das geht mir zu weit. Da habe ich Sorge, dass es fast als normal angesehen wird, sich das Leben zu nehmen, wenn man nicht mehr leben möchte. Wobei das Gericht selbst davon ausgeht, dass es Regeln geben sollte. Eine Wartezeit zum Beispiel, um zu verhindern, dass jemand in einem momentanen Stimmungstief diese Entscheidung trifft.

„Wie will ich sterben?“ Das ist eine Frage, die viele bewegt. Sie haben Angst, einsam und unter großen Schmerzen zu sterben, in einem Krankenhaus, in dem das überlastete Personal keine Zeit hat, sich um einen zu kümmern, und wo Apparate das Leiden unnötig verlängern. So will ich auch nicht sterben.

Ich glaube, dass alte und sterbende Menschen eine stärkere Lobby brauchen. Dazu gehört, dass es einen besseren Personalschlüssel in Heimen und Krankenhäusern geben müsste. Das Netz an Hospiz-Hilfe und Schmerzlinderung durch palliative Unterstützung muss noch enger gewebt und besser bekannt gemacht werden. Und kein Mensch sollte das Gefühl bekommen müssen, dass es für andere einfacher wäre, wenn er nicht mehr da wäre. Dazu ist das Leben zu kostbar, glaube ich.

Ich hatte mehrfach mit Menschen zu tun, die sich das Leben nehmen wollten. Wir haben intensiv darüber gesprochen, ob da nicht doch etwas ist, was heute gegen den Suizid und für das Leben spricht. Diese Gespräche haben sich tief in mein Gedächtnis eingegraben. Ich ahne, wie schwer diese Entscheidung für einen Menschen sein kann.

Für mich persönlich ist der christliche Gedanke der anvertrauten Lebenszeit wichtig. Ich habe nicht entschieden, wann mein Leben beginnt. Und ich denke, es steht mir nicht zu, zu entscheiden, wann und wie genau es enden soll. Beides möchte ich aus Gottes Hand nehmen. Anfang und Ende. Aber ich merke, ich bin mit dem Thema noch nicht fertig. Und Sie?

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