SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

01JUN2020
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Erde, gemahlenen Ton und eine Saatmischung mit dem vollmundigen Namen „Bienen- und Hummelmagnet“. Das habe ich neulich mit Wasser vermischt und zu Kugeln geformt. Dazu habe ich mich mit einer Bekannten auf dem Balkon getroffen. Wir haben uns erzählt, was in den letzten Wochen so bei uns los war. Nebenher haben wir diese Samenkugeln gemacht.

Die meisten Kugeln haben wir verschenkt. Sie wurden am Wegrand abgelegt oder in einen Blumentopf gepflanzt. Man sieht schon die ersten grünen Triebe. Und hoffentlich sind es bald schöne Sommerblumen, die Menschen und vor allem den Bienen Freude machen. Wie wir darauf gekommen sind? Nun, weil es ums Säen und Ernten oft auch in der Bibel geht. Zum Beispiel in einem Reise-Lied für den Weg hinauf zum Tempel nach Jerusalem.

Es fängt so an:
Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. 2 Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Da wird man sagen unter den Völkern: Der HERR hat Großes an ihnen getan! 3 Der HERR hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich. 4 HERR, bringe zurück unsre Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. 5 Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. 6 Sie gehen hin und weinen und tragen guten Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.

Das Lied ist ein Lied der Befreiung aus einer Krise. Denn die, die da singen, waren zuvor Gefangene im Nachbarland. Endlich sind sie wieder zuhause. Die jahrelange Sehnsucht nach der Heimat und ihrem religiösen Zentrum ist nun gestillt.

Ich finde, es ist ein gutes Lied für die Krisenzeit. In einer Krise fühle ich mich momentan auch, obwohl ich ja nicht wirklich gefangen bin. Doch irgendwie bin ich entfremdet von meinem normalen Leben und ich würde gerne in das Gewohnte zurückkehren.

Am Anfang war es vielleicht noch spannend in der Fremde. Ich hatte viele freie Abende. Auch mein Sohn hat sich gefreut. Doch nun höre ich täglich zu Hause: „Ich will wieder in die Schule.“

Ich hätte nie gedacht, dass mir dieser Satz einmal zu Ohren kommen würde. Manche haben endlich mal Zeit gehabt, das zu tun, was sie schon länger vor sich hergeschoben haben, Zeit um beispielsweise den Keller oder den Dachboden auszumisten. Die Müllabfuhr ist kaum hinterhergekommen, den Sperrmüll einzusammeln. Doch auch wenn manches ums Haus noch zu erledigen wäre, sehnen sich viele nach Normalität, nach ihrer ganz gewöhnlichen Routine. Noch braucht es Geduld. Und da hilft mir dieses Reiselied nach überstandener Krise aus der Bibel.

Das Leben fühlt sich für viele gerade ein wenig nach Exil an, so, als ob man aus dem gewohnten Leben herausgerissen wäre. Ich bin auf ein Lied in der Bibel gestoßen, das nach dem Exil geschrieben wurde. Und darin sind zwei Dinge, die mir im Moment helfen.

Zum einen ist da ein dankbarer Rückblick. Ich weiß, dass bei uns längst noch nicht alles beim Alten ist. Doch ich finde es eine gute Idee, bereits jetzt zurückzuschauen und zu überlegen, wo habe ich Gutes bekommen? In dem Lied aus der Bibel heißt es: Der Herr hat Großes an ihnen getan. Vor Corona hat es schon „manch Großes“ in meinem Leben gegeben: Unbeschwerte Sommer- und Geburtstagsfeste und Urlaube, die mir in guter Erinnerung geblieben sind. Diesen Reichtum rufe ich mir gerade immer wieder ins Gedächtnis. Ich zehre davon und die Erinnerungen geben mir Hoffnung, dass es in der Zukunft wieder so schöne Lichtblicke gibt.

Das zweite, das ich hilfreich finde, ist der aufmerksame Blick auf das Gute im Hier und Jetzt.
Ich finde das besonders wichtig, denn die unangenehmen Erlebnisse, die drängen sich allzu gerne in den Vordergrund oder auch die Schönen, die abgesagt werden mussten. Aber wenn ich abends auf den Tag zurückblicke, stelle ich regelmäßig fest: Ich habe trotzdem auch Gutes an dem Tag erlebt. Doch es hat diesen aufmerksamen Blick, dieses kurze Nachdenken am Abend gebraucht, damit ich mich erinnert habe. Als Hilfestellung habe ich seit einem Monat eine „Dankbarkeits-App“ auf dem Handy. Da kann ich für jeden Tag ein paar Gedanken eintragen. Und tatsächlich ist mir an fast jedem Tag etwas eingefallen, für das ich Gott danke.

Es kann eben beides gleichzeitig geben: fröhlich sein und klagen, sich sorgen und feiern.
Das Krisenlied in der Bibel verharmlost nichts. Da ist von Tränen die Rede, die das Säen begleiten. Und manche haben gerade allen Grund, Tränen zu vergießen. Ich hoffe und bete darum, dass diese Tränen der Samen für Freude werden. So, wie die Leute auch damals erlebt haben: Es ist nicht für immer. Genauso werden auch wir wieder die Freiheit erleben, dass wir einander unbeschwert nahekommen und mit voller Stimme singen und tanzen können. Davon bin ich überzeugt.

Viele Menschen vor uns haben genau das schon erlebt: 5 Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. 6 Sie gehen hin und weinen und tragen guten Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.

Daran will ich denken, wenn ich nach den Samenkugeln Ausschau halte, die ich ausgestreut habe. Für die Bienen wächst auf diese Weise Gutes und ich hoffe, dass aus der momentanen Zeit ebenfalls etwas Gutes erwächst. Gegen alle Enge, Angst und Scharfmacher. Ich traue darauf, dass wir mit Freuden ernten werden.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Feiertag

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31015
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