SWR2 Wort zum Tag

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23MAI2020
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Wie schwer ist das: In Zeiten der Aufregung, der Angst und der Verunsicherung einen klaren Kopf bewahren. Sich von Stimmungen nicht mitreißen lassen. Das ist heute nicht leicht – und das war es vor 100 Jahren erst recht nicht.

1914 hieß es von heute auf Morgen: »Zu den Waffen. Krieg für Volk und Vaterland.« Fast alle waren sich einig. Ein schwäbischer Pfarrer hat sich dem widersetzt und einen klaren Kopf behalten. Heute vor hundert Jahren ist er gestorben. Sein Name ist fast vergessen: Otto Umfrid – geboren 1857. Ein Europäer - seiner Zeit weit voraus.

Dem Kältestrom von Nationalismus und Großmachtdenken, von Hass und Gewalt gegen „die Anderen“, setzte Umfrid entgegen: „Die Menschheit muss den Krieg überwinden lernen“. Also: Friedenserziehung tut not! In der Familie, in der Schule – ein Leben lang. Davon war Otto Umfrid fest überzeugt.

Darum hat er Jugendliche aus dem Ausland in sein Pfarrhaus eingeladen. Wie eine internationale Jugendbegegnung im Kleinen. Fundament seines Wirkens war der so genannte Friedensgruß Gottes: „Friede sei mit euch!“ Für Umfrid der Kern der biblischen Botschaft.

Im Mai 1913 schrieb er an Pfarrer und Professoren: »„Gott mit uns“ für den Frieden – sei die Losung«. Rund vierhundert schlossen sich seinem Aufruf an. Andere verurteilten ihn. Das grenze an „Hochverrat und Vaterlandsverrat“. Er wurde als „Friedenshetzer“ angefeindet.

1914 wurde Otto Umfrid sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Doch der Ausbruch des 1. Weltkriegs - für ihn das „Golgatha der Friedensbewegung“ – verhinderte das. Otto Umfried zog sich zurück – wurde schwer depressiv und starb mit 63 Jahren.

So entmutigt und bedrückt er auch gestorben sein mag - sein Leben ist für mich eine Ermutigung und Aufforderung: Setze dich ein für Friedenserziehung, für Verständigung unter den Völkern! Ein Europa, der versöhnten Volker, hat Otto Umfrid nicht erlebt. Doch seine Friedensmission spricht in unsere Zeit. Ich lerne daraus für heute: Lasst euch nicht von nationalen Egoismen aufwiegeln.

Die belasten Europa und drohen Europa als Friedensgemeinschaft zu zerreißen. Es geht nicht an, dass die wohlhabende Mitte die Länder am Rand – im Süden und im Osten – materiell im Stich lässt. Solidarität ist hier Friedensarbeit. Der Friede ist das höchste Gut! - keine wirtschaftlichen Vorteile wiegen das auf. National-egoistischen Stimmungen entgegenzutreten, ist nicht nur Sache der Politiker. Da ist jede und jeder Einzelne gefragt.

Weitere Informationen zu Otto Umfrid:
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Umfrid

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30956
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