Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25MAI2020
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Eigentlich bin ich kein besonders geselliger Typ. Und deshalb hat es mich überrascht, wie wichtig die Kontakte zu anderen Menschen für mich sind. Die zurückliegenden Corona-Wochen haben mir das gezeigt.

Plötzlich war vieles nicht mehr möglich. Ich konnte nicht mehr in die Schule, an der ich Religion unterrichte, nicht mehr ins Schwimmtraining, nicht mehr zum Gitarrenunterricht. Auch der Besuch beim Friseur und viele andere Dinge waren nicht mehr möglich.

Dabei habe ich gemerkt: Es sind nicht nur die Sachen, die ich vermisse – das Schwimmen oder das Gitarre-Lernen. Es sind auch die Menschen, die mir irgendwie fehlen: mein Gitarrenlehrer, meine Schüler, meine Schwimmkameraden oder auch mein Friseur. Und das, obwohl ich zu denen allen gar kein besonders enges Verhältnis habe. Sie gehören ja nicht zu meiner Familie und sind auch nicht meine Freunde.

Aber gerade diese kleinen, alltäglichen Begegnungen mit anderen Menschen machen viel aus. Ein „Das hast Du gut gemacht“ von meinem Gitarrenlehrer, ein freundliches Gespräch übers Wetter oder über Fußball beim Friseur, die gemeinsame Anstrengung im Schwimmbecken oder eine interessierte Rückfrage von einer Schülerin. Das alles sind vielleicht Kleinigkeiten, aber es sind Kleinigkeiten, die einem manchmal den Tag retten können – mir jedenfalls.

Und ich merke, all diese Begegnungen sind wie Spiegel für mich. Die Anderen spiegeln mir zurück, wer ich bin. Jede Begegnung gibt eine andere Seite von mir wider: den Lehrer, den Schwimmer oder den Musiker. Wenn die Kontakte fehlen, werden manche Seiten, die zu mir gehören, ausgeblendet – manchmal welche, die mir ganz wichtig sind.

Der Reformator Martin Luther hat einmal gesagt: Die anderen Menschen sind wie „Kanäle und Mittel“ durch die Gott uns mit Gutem beschenkt. Luther konnte sogar sagen: In meinen Mitmenschen begegnet mir – wie hinter einer Maske, verkleidet – Gott selbst. Gott hat den Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen, steht in der Schöpfungsgeschichte in der Bibel. Ich denke, das heißt auch: In meinen Mitmenschen kann mir Gott begegnen. Und auch ich kann anderen Gottes Güte weitergeben.

Irgendwann werden die Kontakte hoffentlich wieder ganz alltäglich und selbstverständlich sein. Gerade als nicht besonders geselliger Typ möchte ich das mitnehmen aus dieser Corona-Zeit: Die guten Begegnungen mit anderen Menschen sind wichtig, und sie sind ein Geschenk Gottes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30949
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