Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05MAI2020
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Das Wort „Sicherheitsabstand“ hat mit „Corona“ eine ganz neue Bedeutung bekommen. Bisher war es der Abstand, der im Straßenverkehr Unfälle verhindert. Jetzt sind 1,5 bis 2 Meter Abstand zwischen Menschen notwendig, damit wir uns selbst und andere nicht unnötig durch eine Ansteckung mit dem aggressiven Virus gefährden.
Sicherheit ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wir versuchen uns abzusichern, als Einzelne und als Gesellschaft. Wir minimieren Risiken, so gut es geht.
Eine ganze Branche lebt davon. Sie spielt leider oft mit meinen Ängsten, um mich zum Kauf von etwas zu veranlassen. Werbetexte zählen eine Reihe von Situationen auf, die bei mir automatisch ein Unwohlsein auslösen: „Einbrüche, Datenklau, Gefahren im öffentlichen Raum. Wie sicher sind wir in unseren Wohnungen? Wie lege ich mein Geld sicher an? … Sicherheit beim Essen, bei der Arbeit, beim Sport … Sicherheit betrifft uns alle …“ Das stimmt. Da muss ich den Werbetextern recht geben.
In den letzten 150 Jahren haben wir in Deutschland Systeme entwickelt, damit Schicksalsschläge und Krankheiten nicht sofort unsere Existenz bedrohen oder uns arm machen. Zum Beispiel die Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen. Dass diese solidarischen Systeme auch jetzt in der Corona-Krise nicht versagen, ist gut. Wie wichtig solidarisches Handeln ist, erfahren wir derzeit ganz neu. Weltweit sind die Menschen durch das Virus bedroht, und mir ist wieder klar geworden, dass nichts in unserem Leben so sicher ist, wie der Tod. Aber beeinflussen kann ich, was zwischen Geburt und Tod passiert. Ich kann beeinflussen, wie ich meine Beziehungen gestalte. Wie ich mich in die Gesellschaft, in der ich lebe, einbringe. Gerade jetzt in der Krise. Um andere, schwächere und gefährdete Menschen zu schützen, bin ich bereit, mich einzuschränken. Der körperlich gebotene Sicherheitsabstand schmerzt. Es ist natürlich und wohltuend, wenn Freunde sich umarmen. Jetzt ist aber auf unbestimmte Zeit Sicherheitsabstand und Atemschutz gefragt. Um trotzdem meine Lieben nicht zu verlieren oder zu vereinsamen, suche ich das Gespräch. Das kann sogar ganz witzig sein mit Sicherheitsabstand und Atemmaske. Am Telefon oder als Videobotschaft geht es auch ohne. Kleine Textbotschaften und kleine Grußworte sind wie kleine Geschenke, sie erhalten die Freundschaft. Und meine Freunde geben mir ein Gefühl von Sicherheit.

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