SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

29MRZ2020
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„Wir haben im Moment nichts anderes zu vermelden, als Glaube, Hoffnung und Liebe. Aber das ist ja auch viel!“, hat mir eine Kollegin per Mail geschrieben. Das öffentliche Leben ist stark eingeschränkt, aber das private Leben geht ja weiter. Und auch an den Reaktionen zeigt sich die ganze Bandbreite menschlichen Lebens: Ich höre von egoistischen Hamsterkäufen und Diebstählen. Ich lese von uneinsichtigen Menschen, die immer noch Party machen wollen, koste es, was es wolle. Es gibt absurdeste Verschwörungstheorien und leider ja, da gibt es auch extreme Kirchenleute – Gott sei Dank die Ausnahme - die zynisch und dumm von „Corona als Strafe Gottes“ reden. Ich lese von absichtlichen Fake-News und von Leuten, die aus der Krise politisch und wirtschaftlich Profit schlagen wollen. Solidarität und Mitgefühl, gar Nächstenliebe - merke ich da oft nicht. Aber genau das gibt es auch: Dass sich Menschen solidarisch zeigen, für andere das Nötigste einkaufen, weil die das nicht mehr selbst können; da gibt es kreative Ideen, wie „soziale Isolation“ nicht zu „sozialer Kälte“ führt, wie es die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer so gut formuliert hat. Da sehe ich Videos im Netz, wo Menschen jeder für sich und doch medial gemeinsam Musik machen – oder von den Balkonen ihrer Häuser auf Abstand und doch gemeinsam der Isolation trotzen. Da gibt es auch in der Kirche Initiativen und Kreatives, wenn es darum geht, wie aus der Absage der öffentlichen Gottesdienste doch eine große, grenzenlose Gemeinschaft entsteht, auch im Gebet: Wenn ich – und sei es alleine zu Hause – eine Kerze aufstelle, ein Gebet spreche, an andere denke, dann verbinde ich mich ja auch weltweit, auch wenn ich den Banknachbarn nicht neben mir sitzen habe in der Kirche. Ich staune, was alles möglich ist in der Krise. Da wird das Herz weit, wie so oft in Krisen. Ich freue mich über die, die auch jetzt nicht nur an sich denken. Die Herz, Verstand und immer wieder auch den Geldbeutel öffnen für andere, in direkter Nachbarschaft und auch weltweit. Denn auch das gehört für mich zur Situation derzeit: die menschlichen Tragödien, die Krisen und Kriege in anderen Ländern sind durch Corona bei uns nicht weniger geworden. Nur noch weiter weg aus dem Blick. Immer noch hungern und frieren unzählige Menschen auf der Flucht – sie haben noch nicht einmal ein zu Hause, in das sie sich zur Isolation zurückziehen können. Auch diese Menschen will ich nicht vergessen, wenn ich eine Kerze ins Fenster stelle und mit dem bekannten Text von Dietrich Bonhoeffer zuversichtlich bete: „Von guten Mächten wunderbar geborgen – erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen. Und ganz gewiss an jedem neuen Tag!“

 

Musik

 

Heute geht es in den Sonntagsgedanken einmal mehr die Corona-Krise. Aber es geht vor allem um das, was da noch Trost gibt.

Gebet ist das eine. Gerade für uns in der Kirche ist das ganz wichtig. Im Gebet weiß ich mich verbunden mit anderen weltweit, die ihre Sorgen und Fragen, ihre Zweifel und Nöte vor Gott tragen. Und doch: Gebet und Gottesdienst ist nicht alles. Mich ärgern regelrecht diejenigen, die behaupten, dass man bisher nur zu wenig geglaubt oder zu wenig gebetet hätte. Und dass es deshalb so weit kam. Als wenn der Glaube gegen die Vernunft stehe: als wenn die klaren Ansagen von Medizinern zur Ausbreitung des Virus nur eine Meinung unter vielen sei. Mich ärgern scheinbar Fromme, die dann denen, die sich daran halten, mangelndes Gottvertrauen unterstellen.

Für mich ist da ein Wort des heiligen Ignatius eine Hilfe und Hoffnung. Er wird in unterschiedlichen Versionen mit diesem Satz zitiert: “Vertraue so auf Gott, als wenn alles von ihm – und nichts von dir abhängt. Aber handle so, als wenn alles von dir – und nichts von Gott abhängt!” Also: Gottvertrauen absolut! Und gleichzeitig immer wieder so handeln, dass ich das, was ich persönlich tun kann, auch wirklich mache: Dass ich mich an Hygienevorschriften halte und an staatliche Auflagen, auch wenn sie mein Leben vorübergehend einschränken. Dass ich solidarisch bin mit denen, die alt, krank und schwach sind, auch wenn ich selbst mich jung und gesund fühle. Dass ich versuche, die Einschränkungen, die auch das kirchliche Leben bringt, mitzutragen, auch wenn es meine Gewohnheiten und Pläne durchkreuzt. “Vertraue so auf Gott, als wenn alles von ihm – und nichts von dir abhängt. Aber handle so, als wenn alles von dir – und nichts von Gott abhängt!” So, glaube ich, kann es gelingen, dass ich nicht nur Trost, sondern sogar Stärkung im Glauben erfahre: Weil ich Gott vertraue, dass am Ende doch alles wieder gut wird. Und ich gleichzeitig weiß und mache, was ich tun kann, was nötig und im Wortsinn auch not-wendig ist. Hier bei uns. Und weltweit, wo Menschen unter Corona und noch ganz anderen Krisen leiden: Das Not-Wendige tun. Jetzt und heute. Für mich und für andere. So gut, wie ich es gerade kann. Aber gewiss auch: mit Gottes Hilfe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30703
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