SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

31MRZ2020
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Ich glaube. Ich glaube nicht. Ich glaube. Ich glaube nicht. Manchmal komme ich mir vor, als sitze ich auf einer Wiese und spiele das Gänseblümchen-Orakel. Am Ende, mit dem letzten Blatt, erwarte ich die Antwort.
An manchen Tagen fühle ich mich Gott ganz nahe. Dann geht Vieles leicht, ich weiß: Er hält mich. Ganz egal wie der Tag läuft. Da ist überhaupt kein Platz für die Frage – gibt es Gott wirklich? Und dann gibt es die vielen anderen Tage. Da versuche ich Gott mit dem Verstand zu fassen. Irgendetwas von ihm zu er-fassen. Und eine Antwort zu finden. Auf die Frage: an was glaube ich da eigentlich?

Deshalb tut mir die Jahreslosung gut. Das ist ein Vers aus der Bibel, mit dem überschreiben die Evangelische und Katholische Kirche ein Jahr und geben ihm ein Motto. Dieses Jahr lautet die Losung: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“.  Die Bibelstelle aus dem Markusevangelium erzählt von der Begegnung Jesu mit einem kranken Kind und dessen verzweifeltem Vater. Der fleht Jesus an, seinen Sohn zu heilen: „Wenn Du etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!“. Jesus fordert den Glauben des Vaters heraus und antwortet ihm: „Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind dem möglich, der glaubt“. Den Vater zerreißt es fast. Jahrelang hat er seinen Sohn leiden sehen – an was soll er denn noch glauben? Deshalb schreit er seine Verzweiflung heraus: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“. Er spürt seine eigene Ohnmacht, er muss loslassen; er muss wagen, Jesus zu vertrauen – sonst wird sich nichts ändern.
Genauso geht es mir: Mir gelingt es erst wieder, mit Gott in Berührung zu kommen, wenn ich aufhöre alles selbst schaffen und machen zu wollen. Und das ist gar nicht einfach. In einer Zeit, in der fast alles möglich scheint. Gott ist nicht sichtbar, nicht beweisbar. Und er ist mit Vernunft allein einfach nicht zu fassen. Wenn ich mich ihm nähern will, habe ich also gar keine andere Wahl als zu vertrauen. Dieses Wort ist für mich der Schlüssel. Ich muss vertrauen können damit eine Beziehung wachsen kann. Das gilt für die Menschen und es gilt für Gott. Glauben heißt dann: ich lasse mich ein auf Gott - so wie Jesus. Bei all seinen Begegnungen geht es um Vertrauen. Und dieses Vertrauen hat das Leben der Menschen verändert. „Dein Glaube hat Dich geheilt“ – so heißt es an etlichen Stellen in der Bibel.

Ich glaube UND ich glaube nicht – allein die Tatsache, dass ich frage, dass ich weitermache, dass ich suche und nicht resigniert habe bedeutet: ich vertraue darauf, dass es irgendwo Gott geben muss. Solange ich Gott suche und nach ihm frage, so lange habe ich ihn noch nicht verloren.

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